Wer an Städte denkt, hat nicht als erstes Natur im Blick. Dabei ist Natur überlebenswichtig für das Leben in einer Stadt. Sie ist der Grundstoff jeder Stadt und der Garant für die alltägliche Lebensqualität. Gerade der letzte Aspekt spielt für die Stadtentwicklung in Europa eine immer größere Rolle. Stadtregierungen bemühen sich um eine Stadtnatur, die einen möglichst hohen Erholungswert und ökologische Vielfalt aufweist. Um die verschiedenen Aspekte des gesellschaftlichen Stellenwerts von Natur in der Stadt zu beleuchten, werden hier folgende Fragen diskutiert:
Die Stadt ist ein Hybrid
Es ist nicht leicht zu erkennen, wo Stadtnatur aufhört und Stadtgesellschaft anfängt. Die „Natur“ zeigt sich nicht nur im Stadtpark oder der Straßenrandbegrünung, sondern auch – quasi unbeachtet – in den natürlichen Ressourcen, die in Gebäuden stecken oder die mit dem Lichtschalter und der Toilettenspülung in Gang gesetzt werden.
Den meisten StadtbewohnerInnen ist kaum bewusst, wo sie überall von Naturressourcen umgeben sind und welche Ressourcenströme ihr alltägliches Leben begleiten. In Städten sind große Mengen an Holz, Stahl, Sand, Asphalt und Zement aus verschiedenen Regionen der Welt gebunden. Zusätzlich zu diesem langfristigen Naturverbrauch verursachen insbesondere Industriestädte einen enormen Material- und Energiedurchfluss. Rohstoffe werden in Städten und für Städte zu Energie, Nahrung und anderen Produkten verarbeitet. Sie werden zudem als Abfälle und Emissionen in das Umland, in globale Verwertungsströme oder in die Atmosphäre zurückgegeben. UmweltökonomInnen nennen diesen Prozess einen „urbanen Metabolismus“.
Die Naturnutzung in und von Städten hat daher nicht nur unmittelbaren Einfluss auf die urbane Umwelt, sondern auch auf globale Umweltveränderungen. Der weltweite Urbanisierungstrend macht gerade Städte zu zentralen Orten des Umwelthandelns und des Klimawandels. Die drängende Frage für eine nachhaltige Stadtentwicklung und für die Zukunft der Städte lautet daher: Wie können Städte kontinuierlich einen Teil der wachsenden Weltbevölkerung aufnehmen und gleichzeitig weniger Ressourcen verbrauchen? In europäischen Städten lautet die Antwort auf diese Frage seit zwei Jahrzehnten: mittels einer Verdichtung der Bebauung, einer effizienten Ressourcennutzung und einer vernetzten Grünraumentwicklung. Und diese Antwort macht zurzeit internationale Karriere.
Urbanes Grün dient der Lebensqualität und der Biodiversität
Städte sind nicht nur Wohnstandorte. Sie sind auch Standorte für Gewerbe, Industriebetriebe und überregionale Verkehrsknoten. Städte wie Berlin oder Frankfurt am Main beherbergen außerdem internationale Transitflughäfen, die Stadt Hamburg einen Hafen, der fast ein Zehntel der Stadtfläche einnimmt. Diese Nutzungsmischung führt zu enormen Luft- und Lärmbelastungen und Luftverschmutzungen. Jährlich sterben Millionen Menschen weltweit an den Folgen von Luftverschmutzung. Mit der globalen Erwärmung nimmt auch die Hitzebelastung in Städten zu. Teer- und Betonflächen heizen besonders auf, und durch die Bebauungsdichte steigt die Temperatur einer Stadt in Hitzeperioden extrem an. Maßnahmen der Lärm- und Hitzereduktion sowie der Frischluftzirkulation waren daher seit dem Städtebauboom ab den 1880er Jahren ein zentrales Thema der Stadtentwicklung in Europa. Naturräume und Grünzüge haben seither eine fundamentale Bedeutung für die Vermeidung gesundheitlicher Risiken und für die Lebensqualität in Städten.
Die Bewahrung der luftqualitäts- und temperaturregulierenden Funktion von Stadtnatur ist eine zentrale Aufgabe der Kommunalverwaltung. Insbesondere Stadtplanungs- und Umweltbehörden sind für die Messung, Kontrolle und Vermeidung gesundheitlicher Risiken durch Lärm- und Luftverschmutzungen zuständig. Die Abwägung einer gesundheitsverträglichen Belastung wird in Soll- und Grenzwerte übertragen und über Luftreinhalte- und Lärmaktionsplanungen sowie über Verkehrsentwicklungspläne, Freiraumentwicklungsplanung, Klimaschutz- und Klimaanpassungskonzepte gesteuert.
Diese Aufgabe der Vermeidung von Gesundheitsrisiken und Biodiversitätsverlusten erfährt aktuell allerdings eine Umdeutung. Im Wettbewerb der Städte um internationale Aufmerksamkeit steht immer mehr die Inwertsetzung von Umweltpotentialen im Vordergrund. Die Wertschätzung von Natur zeigt sich nun immer stärker über eine ökonomische Bewertung ihrer Ökosystemdienstleistungen. So qualifiziert beispielweise das Forschungsprogramm „Naturkapital Deutschland“ die Stadtnatur mit Bezug auf ökonomische Variablen. Mit diesem Ansatz sollen explizit Unternehmen, Konsumenten und stadtpolitischen EntscheidungsträgerInnen die Kosten und der Nutzen von Stadtnatur vor Augen geführt werden. Gesundheits- und Naturschutzaspekte sollen im Kontext konkurrierender Nutzungsinteressen betrachtet und eine Multifunktionalität von Stadtnatur erkannt werden.
Stadtnatur hat vielfältige Formen und Funktionen. Zur Stadtnatur gehören Relikte ursprünglicher Naturlandschaften (z.B. Flussauen oder Wälder), Relikte ländlicher Kulturlandschaft (z.B. Gemüse- und Obstbauflächen), gärtnerische Naturelemente (z.B. Stadtparks) und neue Naturelemente (z.B. Brachflächenvegetation). Sehr viele Städte beherbergen ökologisch einmalige Biotope, liegen auf Vogelzugbahnen oder an Verbindungswegen von Schutzgebietsnetzwerken. Entsprechend viele Schutzgebiete nach EU-Standard (Natura 2000) gibt es auch in Großstädten.
Im innerstädtischen Bereich spielen Stadtparks eine wesentliche Rolle für die Luftqualität (auch als „grüne Lunge“ bezeichnet) sowie als Orte für Freizeitaktivitäten und soziale Begegnungen. In kleinteiliger Form erfüllen auch Kleingärten (davon gibt es allein in Deutschland rund eine Millionen) sowie immer mehr urbane Gemeinschaftsgärten diese Funktion. Der Grünflächenanteil in Städten ist in permanenter Veränderung. In Folge der Deindustrialisierung, der Abwanderung von Gewerbebetrieben in das städtische Umland und dem Truppenabzug der Alliierten sind sowohl in Ost- wie in Westdeutschland viele städtische Brachflächen entstanden, die für eine Umnutzung zur Verfügung stehen (Konversionsflächen).
Insbesondere in Städten mit starker Abwanderung von Bevölkerung und Industriebetrieben, in sogenannten schrumpfenden Regionen, sind neue umfangreiche Grünflächen und Grünzüge entstanden. So wurde im nördlichen Ruhrgebiet im Rahmen der Internationalen Bauausstellung 1989-1999 der Emscher Landschaftspark mit renaturierten Industriebrachen und Freizeitflächen angelegt. In Leipzig sind sogar urbane Brachen aufgeforstet worden (Gewerbebrache Anger-Crottendorf, Wohnbrache Grünau, Bahnbrache Plagwitz). Solche Umnutzungsprojekte werden in der Regel mit dem Ziel gefördert, die städtische Lebensqualität in strukturschwachen Regionen zu erhalten oder gar aufzuwerten. Im Sinne der Strukturförderung und des regionalen Ausgleichs werden hierfür im großen Umfang auch finanzielle Mittel des Bundes eingesetzt.
In wachsenden Großstädten ist die Umnutzung von Konversionsflächen oft mit Interessenkonflikten verbunden. Ein prominentes Beispiel ist die Nachnutzung des Flughafens Berlin-Tempelhof. Nach langer Auseinandersetzung ist dort eine neue innerstädtische Freiraumfläche entstanden, die vielfältige Möglichkeiten für Freizeitnutzungen und Raum für Gemeinschaftsgärten bietet. Solche Grün- und Freiräume stehen in Städten mit Innenverdichtung in starker Konkurrenz zu einer Nutzung als Siedlungs-, Industrie- oder Verkehrsfläche. Gerade städtische Naturschutzgebiete stehen unter Bebauungsdruck für überregional bedeutsame Infrastrukturprojekte, wie zum Beispiel für die Flughafenerweiterung in Frankfurt am Main oder für den Ausbau der EADS-Flugzeugwerke in Hamburg. Die Abwägung unterschiedlicher Nutzungsinteressen wirft immer wieder die Fragen auf: Wie viel Grün braucht eine Stadt? Wer profitiert von den Leistungen der Natur in der Stadt?
Zugang zu Stadtnatur ist ungleich verteilt
Deutsche Großstädte verfügen über 46 bis 71 Quadratmeter Grünfläche je EinwohnerIn. Dieser Durchschnittswert täuscht darüber hinweg, dass Grünraum ungleich und sozial ungerecht über die Stadt verteilt ist. Gerade hoch verdichtete innerstädtische Quartiere bieten pro Person sehr viel weniger öffentliche Grünflächen als die locker bebauten Stadtteile, in denen viele BewohnerInnen über einen privaten Garten verfügen. In den Quartieren mit höherer Lärmbelastung, schlechterer Luftqualität und größeren Hitze- und Hochwasserrisiken leben zugleich mehrheitlich einkommensschwache StadtbewohnerInnen. Dabei tragen gerade diese StadtbewohnerInnen auf Grund eingeschränkter Konsummöglichkeit weniger zur lokalen - und auch globalen - Umweltbelastung bei. Insbesondere Verkehrsemissionen und Fluglärm werden vor allem von StadtbewohnerInnen mit mittlerem und hohem Einkommen verursacht.
Diese ungerechte Diskrepanz zwischen Verursachung und Betroffenheit von Umweltbelastungen im Stadtraum ist ein Ergebnis sozialer Segregation (des räumlichen Ein- bzw. Ausschlusses entlang von soziokultureller Identität und sozialem Status), die über die Wohnungskosten gesteuert wird. Die teuersten Grundstücke sowie die höchsten Mieten und Immobilienpreise finden sich in Stadtteilen, in denen frischer Wind auf die Stadt trifft (in europäischen Städten sind reiche Stadtteile daher fast immer im Westen zu finden) sowie in Frischluftschneisen (an Stadtparks, Seen, Flüssen). Gesundheitsbelastende Industrien und Infrastrukturen (Kläranlagen, Mülldeponien u.ä.) dagegen finden sich häufig in Stadtteilen mit einem hohen Anteil an armer und Migrationsbevölkerung. Diese Bevölkerungsteile verfügen in der Regel über eine geringe politische Teilhabe, und von ihnen wird kein politischer Widerstand erwartet. Diese Form der Segregation und ihre umweltpolitischen Folgen sind in US-amerikanischen Großstädten besonders sichtbar. Schwarze Ghettos in Chicago und New York erschienen lange Zeit als geeignete Orte für Giftmülllager und andere Formen der extrem gesundheitsbelastenden Entsorgung. Entsprechend haben die Kämpfe für Umweltgerechtigkeit in den 1970er Jahren dort begonnen.
Für die Problematisierung von Umweltgerechtigkeit sind folgende Fragen relevant: Wie können (unvermeidbare) Umweltbelastungen angemessen verteilt werden? Wie kann allen StadtbewohnerInnen ein gleichberechtigter Zugang zu gesunder Umwelt ermöglicht werden? Wie können insbesondere Betroffene von Umweltbelastungen an Entscheidungsprozessen beteiligt werden? Auch wenn das Problembewusstsein zugenommen hat, fehlen Strategien und Maßnahmen zur integrierten Betrachtung von Umwelt, Gesundheit und sozialer Ungleichheit in der kommunalen Praxis weitgehend. Meist gehen die Bemühungen über technische Maßnahmen (Lärmschutzwände, Fahrradwegeausbau, Fassadenbegrünung u.ä.) nicht hinaus.
Regulative Maßnahmen (z.B. ein Tempolimit auf Durchgangsstraßen oder Fahrverbote) sind in der Bevölkerungsmehrheit unpopulär und fallen immer wieder der Opportunitätslogik von KommunalpolitikerInnen zum Opfer. Die Grünraumförderung in wachsenden Städten kann sogar kontraproduktive Effekte für einkommensschwache Bevölkerungsgruppen haben, sofern sie zu Wertsteigerungen von Immobilien im Umfeld eines aufgewerteten Grünraums führt. StadtsoziologInnen nennen diesen Prozess „ökologische Gentrifizierung“, wenn es dadurch zu Verdrängungsprozessen sozial benachteiligter Gruppen und zu einem Zuzug von einkommensstarken BewohnerInnen kommt.
Wem gehört die Stadtnatur?
Mit dem Übergang von Industriestädten zu Dienstleistungsstädten stehen nicht nur Flächen zur Umnutzung zur Verfügung. Auch die Nutzungsansprüche an städtische Frei- und Grünräume haben sich in der Dienstleistungsgesellschaft grundlegend verändert. Gemeinschaftliche Freizeitgestaltung im öffentlichen Raum hat einen höheren Stellenwert bekommen. Städtische Naturräume werden Bestandteil der Freizeitinfrastruktur, zur Kulisse vielfältiger Aktivitäten und zu Erlebniswelten des urbanen Alltags. Stadtparks werden als verlängerte Wohnzimmer wahrgenommen und zu Orten sozialer Inszenierung oder zu Eventlocations.
In vielen europäischen Städten haben sich gerade die Grünräume zu neuen Möglichkeitsräumen urbaner Praxis entwickelt. Prägnante Beispiele sind innerstädtische Brachflächen, die für temporäre gärtnerische Nutzungen nachbarschaftlich genutzt und gestaltet werden. Diese Form der Aneignung des Stadtraums verfolgt in erster Linie das Ziel einer Selbstermächtigung marginalisierter Bevölkerungsgruppen. Die ersten Gemeinschaftsgärten sind in den 1980er Jahren in New York City entstanden. Sie dienten in erster Linie als interkulturelle Begegnungsorte und als Kontrapunkt zur Vertreibungspolitik und rasanten Gentrifizierung in den zuvor sozial und kulturell gemischten Stadtvierteln. Sie fördern den Austausch von Naturerfahrungen und -erlebnissen im direkten Wohnumfeld sowie die soziale Interaktion, sie erproben alternative Lebens- und Wirtschaftsweisen (z.B. Subsistenzproduktion und Tauschwirtschaft) und tragen mit dazu bei, das politische Engagement unterrepräsentierter Gruppen zu wecken.
Urbane gärtnerische Aktivitäten ziehen derzeit viel Aufmerksamkeit auf sich. Nicht nur in Metropolen wie New York City, London oder Paris entstehen produktive Gärten inmitten dichter urbaner Strukturen. Auch in deutschen Städten gibt es mittlerweile rund 400 Gärten, die einen wichtigen Beitrag zum sozialen Austausch und zur Biodiversität leisten. Und nebenbei hat sich „Urban Gardening“ zum Lifestyle-Modell einer entschleunigten Stadtkultur entwickelt. Ganz anders dagegen stellt sich die Situation in den rapide wachsenden Megacities im Globalen Süden dar. Dort drohen ohne den Anbau von Nutzpflanzen und Gemüse in urbanen Gärten echte Versorgungslücken für die BewohnerInnen.
Grünraum ist insbesondere im letzten Jahrzehnt zu einer umkämpften Ressource der Stadtentwicklung geworden. Gerät die nachbarschaftliche Praxis der Aneignung von Brachflächen in Konflikt mit privatwirtschaftlichen oder kommunalen Interessen, kommt es zu politischen und rechtlichen Auseinandersetzungen. Die Gestaltung von Stadtgrün wird in Deutschland hierarchisch gesteuert. BürgerInnen können sich zwar an der kommunalen Grünraumplanung beteiligen und Ideen einbringen, dieses Verfahren ist jedoch über Landschaftspläne, Grünordnungspläne und Bauleitpläne stark formalisiert.
Für Menschen ohne Grundkenntnisse im kommunalen Planungsrecht und in den umweltrechtlichen Rahmensetzungen sind diese Pläne nur begrenzt nachzuvollziehen. Gleichzeitig versuchen viele Städte ihre Stadtentwicklungsaufgaben immer mehr über öffentlich-private Partnerschaften zu organisieren. Das ermöglicht einerseits eine privatwirtschaftliche Beteiligung an nötigen Umnutzungs- und Infrastrukturkosten. Andererseits werden damit unternehmerische Wertschöpfungsinteressen oft gegenüber sozialen und ökologischen Interessen der Grünraumnutzung bevorzugt.
Ökologische Modernisierung als Strategie einer unternehmerischen Stadt
Grünraum hat nicht nur in der Alltagspraxis an Stellenwert gewonnen. Stadtregierungen betrachten die Umweltqualität und den Grünraumanteil mittlerweile als einen der wichtigsten Standortfaktoren im Wettbewerb der Städte. Jede Stadt will die grünste sein. Natur in der Stadt und eine gesunde Umwelt als Merkmal urbaner Lebensqualität sind zu zentralen Kriterien der nationalen und internationalen Städtekonkurrenz um EinwohnerInnen, Unternehmen und TouristInnen geworden.
Die Europäische Kommission vergibt jedes Jahr den Titel „Umwelthauptstadt“. Schon zwei deutsche Städte haben sich darauf erfolgreich mit Konzepten zur Emissionsreduktion, zum Ausbau des Radverkehrs und zu Naturschutzmaßnahmen beworben: Hamburg durfte im Jahr 2011 den Titel „Umwelthauptstadt“ tragen, Essen im Jahr 2017. Mit dem Stadtentwicklungsleitbild „Grüne Stadt“ ist das Versprechen verbunden, trotz steigender Wirtschaftsleistung und Wohnungsbau weniger Ressourcen zu verbrauchen. Diese sogenannte Entkopplung von Wachstum und Verbrauch dominiert seit Anfang der 2000er Jahre den Nachhaltigkeitsdiskurs. Damit ist die Vorstellung eines unbegrenzten ökonomischen Wachstums anschlussfähig gemacht worden an die Ziele eines lokalen und globalen Umweltschutzes.
Ob dieses Versprechen auch eingehalten werden kann, ist noch völlig offen. In Hinblick auf den Ressourcenverbrauch im Städtebau wird eine Entkopplung von Wachstum und Verbrauch voraussichtlich nicht zu beobachten sein. Metropolen wie Berlin, Hamburg, Wien oder Frankfurt am Main rechnen mit einem anhaltenden Zuzug und planen den Neubau tausender Wohnungen pro Jahr – auch zu Lasten von Grünflächen sowohl im Stadtumland, aber verstärkt auch im innerstädtischen Raum.
Im Jahr 2007 haben 27 MinisterInnen, die in den EU-Staaten für Stadtentwicklung zuständig sind, die „Leipzig-Charta zur nachhaltigen europäischen Stadt“ verabschiedet. Die Charta formuliert einen Abschied von ausufernden Flächenstädten und propagiert die Europäische Stadt als städtebauliches Leitbild. Demnach sollen sich Städte durch Kompaktheit, einen hohen innerstädtischen Grünraumanteil und eine ressourceneffiziente Versorgungsinfrastruktur auszeichnen. Dieses Bekenntnis zur urbanen Umweltqualität und zum globalen Umweltschutz stößt in den meisten europäischen Städten zugleich auf das Bekenntnis zu einer neoliberalen, deregulierten Wohnungsmarktpolitik.
Eine Folge dieser parallel verfolgten Strategien der Ökologieförderung und der Ökonomieförderung ist eine zunehmende sozialräumliche Segregation, die in vielen Fällen zu harten sozialen Konflikten führt. Gerade in wachsenden Städten ist die immer kompaktere Bebauung und Innenverdichtung mit einem enormen Nutzungsdruck auf unbebaute Flächen verbunden, was zu einer ökonomischen Wertsteigerung sowohl der Bauflächen wie auch der Wohnlagen gerade im Umfeld von Grünräumen führt. Diese konflikthaften ökologischen, sozialen und ökonomischen Bewertungen zeigen, dass Natur gerade in der Stadt ein vielfältig kostbares und umkämpftes Gut ist, an dem sich die Qualität der lokalen Umweltgerechtigkeit besonders deutlich ablesen lässt.