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Wohnraum dem Markt entziehen Wohnraumversorgung jenseits des Wohnungsmarkts

Sabine Horlitz

/ 10 Minuten zu lesen

Angespannte Wohnungsmärkte haben die Suche nach Wohnformen wiederbelebt. Sabine Horlitz stellt Modelle für eine Wohnungsversorgung jenseits des Marktprinzips vor.

(@ Meike Fischer)

Das ARD-Magazin Panorama hat im Juni 2016 auf Grundlage der Empirica-Systeme-Marktdatenbank die Bezahlbarkeit von Neubauwohnungen untersucht. Deutlich wurde: Lediglich 16,5 Prozent aller in Deutschland errichteten Neubauwohnungen sind für Normalverdienende bezahlbar. In den 20 größten deutschen Städten sind es sogar nur 4,7 Prozent. Nicht nur Bezieher*innen von Grundsicherungsleistungen oder Wohngeld haben also Schwierigkeiten auf dem Wohnungsmarkt, sondern auch für Menschen mit mittlerem Einkommen ist es in diesen Städten kaum möglich, eine angemessene Neubauwohnung zu finden. In München etwa kann sich eine vierköpfige Familie mit einem Einkommen von ca. 4.200 Euro 91,8 Prozent aller angebotenen privaten Neubauwohnungen nicht mehr leisten. In Berlin kommt für einen Single, der 2.300 Euro verdient, sogar nur jede 40. private Neubauwohnung infrage.

Diese Untersuchung zeigt, dass der Wunsch vieler Städte und Kommunen nach Schaffung bezahlbaren Wohnraums und das Streben vieler privater Bauträger und Investoren nach einer hohen Rendite auf das investierte Kapitel schlicht nicht zusammenpassen. Gleichzeitig macht sie aber auch deutlich, dass die gegenwärtig von der Bundesregierung und vielen Landesregierungen favorisierten Neubauprogramme – wie beispielsweise die Wohnungsbau-Offensive des Bundes oder das Berliner Bündnis für Neubau – nicht ohne Weiteres den derzeitigen Mangel gerade an kostengünstigem Wohnraum beheben können. Trotz aller Appelle und gegenläufiger Rhetorik ist der Markt keineswegs in der Lage, Wohnraum für alle und insbesondere für einkommensschwache Haushalte zur Verfügung zu stellen.

QuellentextSabine Horlitz

Anders gesprochen: Es gibt einen Konflikt und fundamentalen Widerspruch zwischen den warenförmigen und profitorientierten Aspekten der Bereitstellung von Wohnraum und seinem viel grundsätzlicheren Zweck – der Schaffung angemessener und bezahlbarer Wohnverhältnisse für alle

Für eine gewisse Zeit schien der kommunale und staatlich geförderte (soziale) Wohnungsbau entgegen aller Kritik eine Alternative zum privatwirtschaftlichen Wohnungsmarkt darzustellen. Doch auch die staatlich geförderte Bereitstellung von Wohnraum für Menschen mit einem geringen Einkommen hat ihre Tücken. Anders als in den meisten west-europäischen Ländern ist der soziale Wohnungsbau in Deutschland als ein Wohnungssegment konzipiert, in das der Staat zwar temporär interveniert, in dem aber prinzipiell Marktmechanismen wirken sollen. Die staatlichen Eingriffe haben lediglich zum Ziel, in der Wohnungswirtschaft zeitlich begrenzt Sozialmieten zu ermöglichen. Nach Ende des Förderzeitraums und Tilgung der Darlehen – je nach Förderweg und konkreter Fördervereinbarung meist zwischen 25 und 45 Jahren – können alle sozialen Bindungen aufgehoben und die staatlich geförderten Wohnungen zu marktüblichen Mieten angeboten werden.

So lange sich ein Großteil der aus der Sozialbindung entlassenen Wohnungen im Bestand gemeinnütziger Wohnungsgesellschaften befand, hatte diese Regelung nur geringe Konsequenzen, da das frühere Bundesgesetz über die Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen die Verwertungsmöglichkeiten des ihm unterliegenden Wohnraums begrenzt hatte. Das erwirtschaftete Kapital war im Unternehmen zweckgebunden und konnte über eine zugelassene Rendite von vier Prozent hinaus nicht ausgezahlt werden. Der gemeinnützige, in der Regel kommunale Wohnungsbestand war somit für Investoren nicht interessant. Mit Abschaffung der Wohnungsgemeinnützigkeit im Zuge der Steuerreform 1990 wurden jedoch marktübliche Gewinnmargen möglich. Ein beträchtlicher Teil der Wohnungen in kommunalem Besitz wurde zur kurzfristigen Sanierung der kommunalen Haushalte privatisiert und verkauft, oft an internationale Finanzinvestoren. Die staatliche Förderung blieb auf diese Weise nicht in den baulichen Objekten gebunden, sondern generierte private Profite.

Es ist also derzeit nicht nur ein Marktversagen, sondern – folgt man der Auffassung, dass Wohnraum als Existenzgut dem Bereich der staatlichen Daseinsvorsorge zuzurechnen ist – auch ein Staatsversagen in der Herstellung und dauerhaften Sicherung bezahlbaren Wohnraums insbesondere für jene zu beobachten, die sich nicht aus eigener Kraft am Markt mit angemessenem Wohnraum versorgen können. Beide, die privatwirtschaftlichen wie auch die staatlichen Defizite in der Wohnraumversorgung, haben zu einer Vergrößerung der sozialen Ungleichheiten im Wohnsektor beigetragen. Unter diesen Bedingungen fällt es gegenwärtig insbesondere den alternativen sozialen Bewegungen und zivilgesellschaftlich getragenen Institutionen zu, nicht profitorientierte kollektive Strukturen zur Schaffung und dauerhaften Bewirtschaftung bezahlbaren Wohnraums zu entwickeln und mit ihnen zu experimentieren.

Im Folgenden sollen einige Organisationen und Modelle vorgestellt werden, die über das bekannte und bereits etablierte Genossenschaftsmodell hinaus für einen nicht gewinnorientierten Umgang mit Wohnraum bzw. Grund und Boden eintreten. Ihr Ziel ist es, diese von einer Ware zu einem kollektiven Gut zu transformieren und so beispielhaft eine Alternative zur Dominanz des marktliberalen Systems aufzubauen.

Diese zivilgesellschaftlichen, nicht-gewinnorientierten Eigentumsmodelle sind, das soll hier betont werden, nicht als Gegenargument zum kommunalen oder staatlich geförderten sozialen Wohnungsbau zu verstehen. Insbesondere angesichts einer wieder erstarkten Bewegung für eine Rekommunalisierung ehemals privatisierter staatlicher Dienste und der Diskussionen um einen neuen sozialen bzw. gemeinnützigen Wohnungsbau kann eine Untersuchung dieser alternativen Eigentumsmodelle und ihrer Funktionsweise für die derzeitigen stadtpolitischen Debatten zahlreiche Impulse und Anknüpfungspunkte bieten.

Das Stiftungsmodell

Im deutschsprachigen Raum gibt es eine Reihe von Stiftungen und Initiativen, die den Umgang mit Grund und Boden als zentrale stadt- und wohnungspolitische Kategorie identifiziert und Wege gefunden haben, diesen aus den Warenströmen herauszulösen, der Spekulation zu entziehen und dauerhaft für soziale und gemeinnützige Zwecke wie bezahlbares und gemeinschaftliches Wohnen zu sichern. Zu den bekannteren Organisationen gehören die Schweizer Stiftung Edith Maryon und die deutsche Stiftung Trias. Beide operieren als gemeinwohlorientierte Bodenträger. Sie erwerben Grundstücke, zum Teil mit darauf befindlichen Gebäuden, und stellen diese sozial ausgerichteten Projektträgern langfristig zur Verfügung.

Die Stiftungen entwickeln in der Regel die Liegenschaften nicht selbst, sondern arbeiten mit Initiativen und Projekten zusammen, denen sie, wenn nötig, auch beratend zur Seite stehen. Das gilt etwa für die Projektentwicklung, für die Erarbeitung alternativer Rechtsformen und Finanzierungsmodelle oder für die Konzeption von Selbstverwaltungsstrukturen.

Siftungsmodell

Auf den Grundstücken können Wohn- und Arbeitsprojekte, Gewerbeeinheiten oder auch soziale Einrichtungen realisiert werden. Die Nutzer*innen schließen zu diesem Zweck Erbbaurechtsverträge mit der Stiftung ab und erhalten damit „Eigentum auf Zeit“ sowie eigentumsgleiche Rechte in der Nutzung der Liegenschaft. Im Erbbaurechtsvertrag werden die Zielsetzungen des Projekts – etwa die Nutzungen, die soziale Orientierung und die grundsätzliche Unverkäuflichkeit – auch über die Lebensdauer der anfänglich Beteiligten hinweg festgeschrieben. Die Stiftung agiert somit als Hüterin der ideellen Ziele und Gegengewicht zu den sich möglicherweise ändernden Partikularinteressen der Nutzer*innen.

Die 1990 gegründete Stiftung Edith Maryon umfasst mittlerweile über 100 Projekte in Deutschland, der Schweiz, Österreich, Ungarn und Frankreich. Sie besitzt ein Anlagevermögen im Wert von 156 Millionen Franken, das sich aus einem Startkapital von lediglich 12.000 Franken entwickelt hat. Die Stiftung Trias wurde 2002 mit einem Stiftungskapital von 75.000 Euro gegründet. Ihr Eigenkapital beträgt inzwischen, einschließlich der Rücklagen, ca. 7,6 Millionen Euro. Sie hat bis jetzt 30 Projekte realisiert und zahlreiche Initiativen mit Zuwendungen gefördert.

Das Mietshäuser Syndikat

Anders als die vorgestellten Stiftungen ist das Mietshäuser Syndikat weniger aufgrund konzeptioneller Überlegungen zur Bodenfrage entstanden, sondern aus dem Kontext der Instandsetzungsbewegung der 1980er Jahre hervorgegangen. Das Syndikat ist sowohl ein Netzwerk selbstorganisierter Hausprojekte als auch eine kollektive Eigentumsform. Es wurde 1992 in Freiburg gegründet und ist mittlerweile bundesweit aktiv. Als Organisation wie als rechtlicher Rahmen ist es eine Reaktion auf die oftmals desillusionierende Erfahrung, dass anfänglich idealistische, nicht profitorientierte Wohnprojekte (etwa ehemals besetzte Häuser oder Genossenschaften) im Laufe der Jahre von ihren Bewohner*innen doch für Gewinn veräußert wurden oder plötzlich nur noch einigen wenigen gehörten. In diesem Sinn besteht die zentrale Idee des Syndikats darin, einen Rahmen zu bieten, der sicherstellt, dass die jeweiligen Hausprojekte dauerhaft dem profitorientierten Markt entzogen werden.

Um einen Ausverkauf kollektiven Eigentums dauerhaft unmöglich zu machen, adaptierte das Syndikat eine sehr spezifische rechtlich-organisatorische Struktur: Die Bewohner*innen des Hauses sind nicht die alleinigen Eigentümer*innen des Projekts. Dieses gehört vielmehr einer eigens zu diesem Zweck gegründeten Hausbesitz-GmbH. Diese GmbH setzt sich aus zwei Gesellschaftern zusammen: dem Verein der im Haus Organisierten und der Mietshäuser Syndikat GmbH, der übergeordneten Dachorganisation. Letztere wiederum hat nur einen Gesellschafter, den Verein Mietshäuser Syndikat, in dem alle Hausprojekte Mitglied sind. In diesem Fall wird das Eigentum an den Gebäuden vom Eigentum an dem darunterliegenden Grund und Boden getrennt.

Mietshäuser Syndikat

Die Struktur des Syndikats ist im Grunde ein zirkuläres Modell, in dem die einzelnen GmbHs jedes Hausprojekts die Grundmodule der Gesamtstruktur bilden. Das Mietshäuser Syndikat als Gesamtorganisation ist ihre Verbindung. Mithilfe der Hausbesitz-GmbH wird letztlich sichergestellt, dass das Haus weder den Mieter*innen noch dem übergeordneten Syndikat gehört. Die Mieter*innen (als Gesellschafter 1) haben normale Mietverträge mit der Hausbesitz-GmbH und entscheiden über alle das Projekt betreffenden Dinge von der Gestaltung bis zur Finanzierung. Die Mietshäuser Syndikat GmbH (als Gesellschafter 2) besitzt vor allem Kontrollfunktion. Sie hat ein Vetorecht im Falle eines angestrebten Verkaufs und bei Satzungsänderungen und garantiert so die langfristige Unverkäuflichkeit der Hausprojekte, unabhängig von eventuellen Verwertungsgedanken zukünftiger Mieter*innen.

Auf diese Weise wird eine eigentlich grundkapitalistische und gar nicht alternative Rechtsform – die Gesellschaft mit beschränkter Haftung – zu einem Mittel der Auflösung individuellen Eigentums. Durch seine Organisationsstruktur stellt das Syndikat sicher, dass die einzelnen Projekte nicht kapitalisiert werden können, sondern auch langfristig kollektives Eigentum bleiben. Gegenwärtig gibt es über 100 Hausprojekte im Verbund des Syndikats mit einer Gesamtinvestitionssumme von ca. 90 Millionen Euro.

Der Community Land Trust

Auch für das dritte hier vorgestellte Modell, den US-amerikanischen Community Land Trust (CLT), ist eine geteilte Eigentumsstruktur zentral.

Community Land Trust (CLT)

Die Nutzer*innen – seien es Bewohner*innen von Einfamilienhäusern, Gewerbetreibende oder ganze Körperschaften wie beispielsweise Genossenschaften – erwerben die baulichen Strukturen. Das Land jedoch bleibt im Eigentum des Trusts und wird mittels eines langfristigen, in der Regel auf 99 Jahre angelegten Erbbaurechtsvertrags verpachtet. Dieser ist, ähnlich wie im Stiftungsmodell, ein wesentliches Werkzeug der dauerhaften Sicherung marktfernen Wohnraums. Der Vertrag enthält alle Regelungen, um die Nutzung und langfristige Bezahlbarkeit des Wohnbestands zu garantieren, von der Begrenzung des Weiterverkaufspreises bis hin zu Einkommensgrenzen zukünftiger Nutzer*innen.

Ein weiteres wesentliches Kennzeichen der CLTs besteht in der Art, wie diese verwaltet werden. CLTs sind sogenannte „community-based organizations“. Anders als in den meisten alternativen Wohnmodellen oder Genossenschaften werden die relevanten Entscheidungen im CLT nicht nur von den Nutzer*innen getroffen. Der Vorstand der Trusts besteht in der Regel zu einem Drittel aus Pächter*innen, zu einem Drittel aus Menschen der Nachbarschaft und zu einem weiteren Drittel aus öffentlichen Personen. Auf diese Weise begrenzen die CLTs die Kontrolle der Bewohner*innen und betonen stattdessen die nachbarschaftliche und öffentliche Kontrolle – eine Form von Verwaltung, die das Verständnis des gesellschaftlichen Charakters von Grund und Boden, das für die CLTs so zentral ist, reflektiert.

In den USA gibt es derzeit um die 250 CLTs. Mittlerweile werden auch in Kanada, Großbritannien, Belgien und Neuseeland vergleichbare Trusts gegründet.

Elemente alternativer Finanzierung

Auch wenn die vorgestellten Organisationen angetreten sind, um Wohnraum dauerhaft dem Markt zu entziehen, müssen sie unweigerlich in diesem agieren und stehen als nicht-gewinnorientierte, oftmals kapitalarme Träger zahlreichen Finanzierungsschwierigkeiten gegenüber. So ist es für viele Projekte nicht ohne Weiteres möglich, den für einen Bankkredit notwendigen Eigenkapitalanteil aufzubringen. Um dennoch handlungsfähig zu sein, wurden in den letzten Jahren durch zahlreiche Projektträger alternative Finanzierungsansätze entwickelt. Diese nutzen beispielsweise das Potenzial gemeinnütziger Aktiengesellschaften, die Möglichkeiten des Crowdfunding oder legen sogenannte Projektbriefe auf.

Im Fall des Mietshäuser Syndikats hat sich darüber hinaus die Anwerbung von kleinen, oft solidarischen Privatkrediten als Möglichkeit der Bereitstellung des Eigenkapitalanteils bewährt. Das Syndikat hat zudem einen internen Solidarfonds initiiert, der insbesondere langfristig einer internen Umverteilung zwischen alten und neuen Projekten dienen und letzteren bei der Finanzierung helfen soll.

Diesen alternativen Finanzierungsansätzen ist in der Regel zu eigen, dass das benötigte Eigenkapital nicht von den einzelnen Nutzer*innen individuell aufgebracht werden muss, sondern von dem jeweiligen Projekt als Ganzem. Auf diese Weise ist es möglich, dass auch Menschen mit wenig Geld oder solche, die auf Transferleistungen angewiesen sind, am Projekt teilnehmen können. Dennoch sind viele dieser Vorhaben zusätzlich auf Fördergelder angewiesen. Diese bleiben jedoch, anders als bei der Förderung des privaten Eigenheimbaus, in den jeweiligen Projekten eingeschlossen und können nicht in Gewinne Einzelner überführt werden.

Fazit und Anschlussfähigkeit

(@ Meike Fischer)

Obwohl die vorgestellten Organisationsformen stark von individuellem Engagement getragen werden und auf dieses angewiesen sind, enthalten sie doch Elemente potenzieller Verallgemeinerungsfähigkeit. Sie alle haben Modelle hervorgebracht, die unter den gegenwärtigen Bedingungen eines kapitalistischen Marktes funktionieren, gleichzeitig aber Aspekte beinhalten, die über diesen hinausweisen. Auch wenn sie, rein quantitativ, nicht in der Lage sind, die Wohnungsfrage zu lösen, überschreitet die Wirkung solcher Vorhaben den offensichtlichen, rein pragmatischen Wert und geht über das einzelne Bau- oder Wohnprojekt hinaus. Die jeweiligen Initiativen zielen dabei nicht darauf ab, das zu ersetzen, was staatliche Institutionen früher geleistet haben. Vielmehr wollen sie trotz zum Teil widriger Umstände handeln und ihre Vorstellungen eines nicht-warenförmig organisierten Wohnens in die Tat umsetzen. Sie unterbrechen damit nicht nur den Spekulationskreislauf und schaffen Beispiele realer Alternativen, sondern helfen auch, eine andere Form des Wissens zu generieren – einen Diskurs, der in einem konkreten Raum und dessen Problematik verankert ist.

Auf diese Weise können die vorgestellten Modelle auch zahlreiche Impulse für die eingangs erwähnte gegenwärtige Rekommunalisierungsdebatte sowie für die vielerorts geforderte Neuausrichtung städtischer Liegenschaftspolitik geben. Insbesondere drei Anknüpfungspunkte sollen abschließend hervorgehoben werden: die zweiteilige Eigentumsstruktur, die Regularien des Erbbaurechts sowie die explizite Einbeziehung von Vertreter*innen der Nachbarschaft und der breiteren Öffentlichkeit in die jeweilige Selbstverwaltungsstruktur.

  1. Im Kontext der verstärkten Forderungen nach einer Rekommunalisierung der in den letzten 20 Jahren privatisierten städtischen Dienste oder des veräußerten kommunalen Wohnbestands sind auch im deutschsprachigen Raum seit einigen Jahren Vorschläge zur Gründung kommunaler Bürgerstadtwerke aufgekommen, die eine Verbindung öffentlichen Eigentums mit zivilgesellschaftlichen Entscheidungs- bzw. Selbstverwaltungsgremien propagieren. Gerade hinsichtlich der Kontrollstruktur dieses möglichen neuen institutionellen Arrangements rekommunalisierter Dienste kann das Prinzip einer zweiteiligen Eigentumsstruktur in Verbindung mit der Schaffung externer Kontrollentitäten, wie es sowohl von dem Mietshäuser Syndikat als auch von den CLTs praktiziert wird, von großem Interesse sein. Dieses Prinzip kann, so es sinnvoll angewendet wird, sicherstellen, dass das rekommunalisierte Eigentum auch langfristig nicht wieder veräußert wird und demokratisch verwaltet bleibt.


  2. Für die Ausformulierung und Etablierung der in einigen deutschen Städten diskutierten (und zum Teil bereits in Ansätzen umgesetzten) alternativen Liegenschaftspolitik, in der städtische Grundstücke nicht zum Höchstpreis verkauft, sondern vermehrt auch im Erbbaurecht verpachtet werden sollen, können Regelungen, wie sie in den Erbbaurechtsverträgen der erwähnten Stiftungen, aber auch des CLT-Modells festgeschrieben sind, weiterführende Impulse geben. Sie zeigen unter anderem das Potenzial auf, die profitorientierte Verwertung von Wohnraum vertraglich zu unterbinden. So wäre es bei entsprechendem politischem Willen beispielsweise denkbar, per Erbbaurecht nicht nur die zukünftige Nutzung der Liegenschaft zu definieren, sondern auch Mietobergrenzen oder den Vorrang sozial bedürftiger Zielgruppen festzuschreiben.


  3. Schließlich kann die für das CLT-Modell so zentrale Einbeziehung der Nachbarschaft in die Selbstverwaltungsstruktur der Trusts auch für die hiesigen Debatten zur Einführung einer Mieterselbstverwaltung in den rekommunalisierten sozialen Wohnungsbeständen und in einem möglicherweise neu zu schaffenden gemeinnützigen Wohnungssektor wertvolle Anregungen bereithalten. CLTs demokratisieren die Bereitstellung und Verwaltung von Wohnraum und begreifen das Wohnen als eine über die jeweiligen Nutzer*innen hinausgehende nachbarschaftliche (oder, wenn man so will, gesellschaftliche) Aufgabe. Sie stehen somit für eine Form des Mitbestimmungsrechts im Wohnungssektor, die weit über die im hiesigen Kontext debattierte Schaffung von Mieterräten hinausgeht. Eine solche Form der Mitbestimmung aber wäre geeignet, gerade den gesellschaftlichen Charakter der kommunalen Wohnbestände zu betonen und diesem zu entsprechen.

In diesem Sinn verweisen die vorgestellten Modelle auf zahlreiche, bereits in Ansätzen realisierte Möglichkeiten einer Demokratisierung wohnungspolitischer Strukturen und Entscheidungsprozesse. Sie zeigen Mechanismen der Bereitstellung und Sicherung nicht spekulativen, kollektiven Eigentums auf, mit denen Wohnraum und andere gesellschaftliche Nutzungen oder Dienste auf der Grundlage von Bedürfnissen (und nicht auf der Grundlage der Profitmaximierung) hergestellt und dauerhaft gesichert werden können.

Quellen / Literatur

Becker, Sören; Beveridge, Ross; Naumann, Matthias (2014): Infrastruktur in Bürgerhand? Soziale Bewegungen und Infrastruktur in Berlin. In: Forum Wohnen und Stadtentwicklung, Heft 6 (2014), S. 297–300.

Davis, John Emmeus (Hrsg.) (2010): The Community Land Trust Reader, Cambridge: Lincoln Institute of Land Policy.

Donner, Christian (2000): Wohnungspolitiken in der Europäischen Union – Theorie und Praxis, Wien: Selbstverlag.

Holm, Andrej: Nur eine soziale Zwischennutzung. In: MieterEcho 312/Oktober 2005.

Holm, Andrej: Institutionelle Anbieter auf deutschen Wohnungsmärkten – neue Strategien der Wohnungsbewirtschaftung. In: Information zur Raumentwicklung, Heft 5/6 (2010), S. 391–402.

Pestel-Institut (2012): Bedarf an Sozialwohnungen in Deutschland. Online unter Externer Link: http://www.igbau.de/Binaries/Binary16372/Pestel_Bedarf_an_Sozialwohnungen_August_2012.pdf (17.03.2017).

Rilling, Rainer (2008): Remix der Eigentumslandschaft. Die Privatisierungspolitik resultiert aus der Dynamik der Finanzmärkte. In: vorgänge. Zeitschrift für Bürgerrechte und Gesellschaftspolitik, Heft 2 (2008), S. 100–112.

Stiftung Edith Maryon (2015): Jahresbericht 2015. Online unter Externer Link: http://www.maryon.ch/downloads/Jahresbericht_2015.pdf (17.03.2017).

Zeller, Christian (2004): Die Globale Enteignungsökonomie. Münster: Westfälisches Dampfboot.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Der Terminus „bezahlbar“ folgt in diesem Kontext den allgemein anerkannten Maßstäben des Eduard-Pestel-Instituts. Als bezahlbar gilt demgemäß eine Nettokaltmiete, für die maximal 30 Prozent des verfügbaren Haushaltsnettoeinkommens aufgebracht werden muss. Als Berechnungsgrundlage der Studie diente eine Verdopplung des örtlichen Satzes der SGBII-Leistungen. Dazu gehören neben dem bundesweit einheitlichen Hartz-IV-Regelsatz auch regional unterschiedliche Leistungen wie Wohngeld.

  2. Eine Textfassung des Beitrags ist online zu finden unter Externer Link: www.tagesschau.de/wirtschaft/immobilien-preise-neubauten-101.html (17.03.2017).

  3. Ibid.

  4. Vgl. Donner 2000, S.171, 200; Holm 2005.

  5. Vgl. Rilling 2008, Holm 2010 sowie allgemeiner Zeller 2004.

  6. Das Pestel-Institut hat 2012 beispielsweise festgestellt, dass über vier Millionen Sozialwohnungen in Deutschland fehlen. Eine Kurzfassung der Studie ist online zu finden unter Externer Link: www.igbau.de/Binaries/Binary16372/Pestel_Bedarf_an_Sozialwohnungen_August_2012.pdf (16.03.2017).

  7. Siehe Externer Link: www.maryon.ch sowie Externer Link: www.stiftung-trias.de.

  8. Vgl. Stiftung Edith Maryon 2015.

  9. Vgl. dazu die Angaben auf der Webseite der Stiftung unter Externer Link: http://www.stiftung-trias.de/wie_weit_wir_sind.html (16.03.2017).

  10. Vgl. dazu die Angaben auf der Webseite des Syndikats unter Externer Link: www.syndikat.org/de.

  11. Für eine Einführung siehe beispielsweise Davis (Hrsg.) 2010.

  12. Vgl. Becker/Beveridge/Naumann 2014.

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Dieser Text ist unter der Creative Commons Lizenz "CC BY-NC-ND 3.0 DE - Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 3.0 Deutschland" veröffentlicht. Autor/-in: Sabine Horlitz für bpb.de

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Weitere Inhalte

Dr. Sabine Horlitz ist Architektin und Stadtforscherin. Ihr Arbeitsschwerpunkt liegt auf Fragen der Wohnungspolitik. Ihre besonderen Interessen gelten dem sozialen und gemeinnützigen Wohnungsbau sowie nicht gewinnorientierten Eigentumsmodellen. Sie hat über den US-amerikanischen Sozialwohnungsbau Pruitt-Igoe promoviert und forscht unter anderem zu Community Land Trusts in den USA.