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Das Queer-Budget von Potsdam

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Im Gespräch erläutert Jirka Witschak, wie das Potsdamer Queer-Budget Menschen aus der Community eine Plattform zur Partizipation bietet, warum es ins Leben gerufen wurde und welche kreativen Projektideen bereits eingereicht wurden.

Herr Witschak, Sie sind Ansprechpartner für das Queer-Budget der Stadt Potsdam und setzen sich seit den 1990er Jahren aktiv für die Belange der queeren Community in Brandenburg ein. Was genau kann man sich unter einem Queer-Budget vorstellen?

Das Queer-Budget ist ein stadtweites Bürger-Budget für die Jahre 2024/25. Es dient dazu, insbesondere Menschen der queeren Community eine Möglichkeit der Partizipation zu bieten. Mit dem Wort „queer“ umfasst man umgangssprachlich Personen, deren geschlechtliche Identität variant und/oder deren sexuelle Orientierung nicht-heterosexuell ist.

(© Jirka Witschak)

Wie wurde das Queer-Budget in Potsdam initiiert?

Ausgangspunkt war die Einsicht, dass queere Jugendliche äußerst selten Projektideen für kommunale Beteiligungsverfahren einreichen. Ein großes Hindernis ist, dass sich junge Menschen nicht gleich öffentlich outen und sich beispielsweise in der Kommune als queere Person zeigen wollen. Ein weiterer Punkt ist, dass die Bürger-Budgets oft an den Stadtraum, also das Stadtviertel, gebunden sind, queere Projekte jedoch meist stadtteilübergreifend angelegt werden. So lassen sich zum Beispiel Aufklärungsprojekte häufig nicht auf einen Stadtteil beschränken. Wenn eine ausreichende Zustimmung für ein Projekt gesammelt werden soll, braucht man zudem die gesamte Kommune, um die etwa 10 % LGBT+-Personen überhaupt zu erreichen. Die Stadtverwaltung Potsdam hat sich das zu Herzen genommen und ein stadtteilübergreifendes Bürger-Budget für die queere Community ins Leben gerufen.

Wie funktioniert das Queer-Budget genau?

Durch das Queer-Budget in Potsdam können Projekte der queeren Community mit bis zu 3.000 Euro gefördert werden. In einer ersten Phase wurden von Juni bis Mitte Juli Ideen gesammelt. Dabei haben Personen aus der Community insgesamt 30 Vorschläge und Projektideen eingereicht. Über die Verwendung des Budgets von insgesamt 18.000 Euro entscheiden schließlich die sogenannten „Queer-Wähler/-innen“, eine von uns gegründete Initiative. Dafür kann man sich online registrieren und über die Verwendung des Budgets mitentscheiden, wobei sichergestellt wird, dass die Wähler/-innen tatsächlich auch aus Potsdam kommen. Es gibt fünf Stimmen pro Person, die auf unterschiedliche Projektideen verteilt werden müssen. Das hat den Effekt, dass Personen, die sich vor allem für ein bestimmtes Projekt angemeldet haben, auch weitere Projekte unterstützen. So wollen wir der ausschließenden Konkurrenz zwischen den Projekten entgegenwirken und ein breiteres Interesse an der Vielfalt der Projektvorschläge bewirken.

Können Sie beispielhaft ein paar der eingereichten Projekte beschreiben?

Insgesamt wurden 26 Projektideen mit einem Gesamtvolumen von 54.000 Euro zur Abstimmung zugelassen. Zur Verfügung stehen jedoch nur 18.000 Euro. Während ich mich mit den Projekten beschäftigt habe, habe ich alle ins Herz geschlossen. Es gab beispielsweise den Vorschlag eines historischen Fechtkurses für Queers und eine Projektidee zur Aufklärung von queeren Themen an Schulen. Dafür hat ein 15-jähriger trans/-Junge eine Idee für einen trans/-Comic eingereicht. Dann gibt es auch kleinere, aber ebenso wirksame Projekte, wie zum Beispiel die Bestellung einer 30 Meter langen Pride-Fahne. Die Grundidee ist, dass Menschen diese Fahne am Christopher Street Day gemeinsam tragen können und sie auch von anderen Akteuren ausgeliehen werden kann. Sie könnte auch am Rathaus aufgehängt werden, da gibt es viele Nutzungsmöglichkeiten.

Insgesamt war das Verfahren der Vorschlagseinreichung sehr professionell und transparent. Das hat auch die Stadt bestätigt und uns sehr gefreut. Ein Alleinstellungsmerkmal ist unsere Wahlkommission. Um Transparenz zu gewährleisten, haben beispielsweise die Potsdamer Gleichstellungsbeauftragte und Personen aus der Community und anderen Vereinen mitgewirkt, um den gesamten Prozess noch einmal unabhängig zu überprüfen und den Wahltag zu begleiten.

Ist das Queer-Budget ab jetzt langfristig im Haushalt eingeplant? Die Stadt Potsdam hat einen Maßnahmenplan zur Prävention von Gewalt gegen LGBT+ beschlossen, der auch Maßnahmen zur Erhöhung der Sichtbarkeit beinhaltet. Dieser Plan muss noch erarbeitet werden, aber wenn er fertig ist, werden nach einem Beschluss auch finanzielle Mittel bereitgestellt. Das wäre das erste Mal, dass tatsächlich ein Budget für queere Themen im städtischen Haushalt vorgesehen wird. Die Zweifel zu Beginn waren, ob überhaupt genug Vorschläge eingereicht werden. Jeder gemachte Vorschlag zeigt, dass ein Bedarf vorhanden ist. Das wäre ein guter Grund, das Queer-Budget im städtischen Haushalt zu verankern und es regelmäßig zu wiederholen. Eine Herausforderung ist natürlich, dass das Queer-Budget viel Koordination erfordert und effektive Wege gefunden werden müssen, um die Leute weiterhin zu erreichen und Vorschläge zu erhalten. Ein großer Teil der Arbeit war es, die Leute zu sensibilisieren und zu motivieren, sich zu beteiligen. Wir haben die Frist daher auch verlängert – und statt 18 Vorschlägen hatten wir schließlich 26. Bei den Queer-Wähler/-innen haben wir zurzeit 250 Anmeldungen. Das sind 1.250 Stimmen, mit denen man gut arbeiten kann. Natürlich hoffen wir, dass wir nach der Wahl zum Queer-Budget weiterhin die queere Community mit dem Prinzip der Queer-Wähler/-innen erreichen. So könnte man sich zum Beispiel gemeinsam ein Motto für den Christopher Street Day 2025 überlegen.

Das Queer-Budget in Potsdam ist ein wichtiger Schritt, um die queere Community aktiv in die Stadtgesellschaft einzubinden und ihre Anliegen durch gezielte Projekte sichtbar zu machen. Es bietet der Community die Möglichkeit, kreative und stadtteilübergreifende Projekte zu realisieren, die auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten sind.

Nachtrag: Vom 1. September bis zum 15. September 2024 konnten die „Queer-Wähler/-innen“ online und am 15. September, dem Tag der Demokratie, auch vor Ort in einem Wahllokal abstimmen. Die Verkündung der Wahlergebnisse fand im Wahllokal statt und wurde über Instagram live übertragen. Folgende Projekte erhielten die meisten Punkte und werden bis Ende 2025 durch das Queer-Budget finanziert:

  • Trans/-Beratung für Jugendliche

  • "QUEER-History" - Zeitzeug/-innen-Gespräche

  • Wir passen aufeinander auf -Ein Awareness-Team für Potsdam

  • Ein Pride-Festival für Potsdam

  • "WissensTrans*fer" – Trans*Selbsthilfe sichtbar machen

  • "Potsdam liest queer" - Ein queeres Literaturfest für Potsdam

  • Sitzbänke in Regenbogenfarben

  • "MOLLI-Kneipenabend" - FLINTA/--zentriertes Sicherheitstraining.

Über die Person Jirka Witschak ist seit dem Jahr 2020 der Projektleiter der Landeskoordinierungsstelle Queeres Brandenburg und Ansprechpartner für das Queer-Budget. Seit 1993 engagiert er sich auf vielen Ebenen und in verschiedenen Zusammenhängen für die Belange der LGBT+ Community in Brandenburg.

Fussnoten

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