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Negative Effekte von Bürgerhaushalten Ein Blick in die Wissenschaft

/ 3 Minuten zu lesen

Eine empirische Studie zeigt, dass Bürgerhaushalte auch negative Effekte auf die politischen Entscheidungen von Politikerinnen und Politiker haben können.

In einem vorherigen Interner Link: Beitrag wurden die positiven Effekte von Bürgerhaushalten thematisiert. Dabei hat sich herausgestellt, dass Bürgerhaushalte in der Lage sind, die Zufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger mit demokratischen Prozessen zu erhöhen. Zudem stärken sie die Bereitschaft der Bürgerinnen und Bürger, an Wahlen teilzunehmen. Doch die Durchführung von Bürgerhaushalten kann auch kritisch betrachtet werden. Deshalb wird in dem vorliegenden Beitrag eine empirische Untersuchung vorgestellt, die mögliche negative Effekte von Bürgerhaushalten auf politische Entscheidungen von (Kommunal-)Politiker/-innen näher beleuchtet.

Effekte von Bürgerhaushalten auf politische Entscheidungen

(© Christin Hume (Unsplash))

Welche inhaltlichen Effekte haben Bürgerhaushalte auf die politischen Entscheidungen von Kommunalpolitiker/-innen? Diese Frage untersucht Martina Neunecker in ihrer Studie „Partizipation trifft Repräsentation: Die Wirkung konsultativer Bürgerbeteiligung auf politische Entscheidungen”. Für die Beantwortung der Fragestellung analysiert die Politikwissenschaftlerin, welche Wirkung verschiedene Bürgervorschläge auf die inhaltliche Dimension von politischen Entscheidungen haben. Konkret wurden 839 Bürgervorschläge zu unterschiedlichen Bürgerhaushalten aus 13 Kommunen untersucht. Neunecker führt eine quantitative Auswertung der Bürgervorschläge durch, indem die Bürgervorschläge einem von zehn verschiedenen Politikfeldern zugeteilt und auf ihre Finanzierung hin geprüft werden. Die Analyse umfasst Politikfelder, wie zum Beispiel die Kategorien „Bildung” oder „Umwelt”. Eine Einteilung der Bürgervorschläge zu den finanziellen Merkmalen „Einnahme-, Ausgabe- und Sparvorschläge”, sowie „Finanzmerkmale nicht bekannt” wird vorgenommen, um zu analysieren, welche Art von Vorschlägen die Bürgerinnen und Bürger bevorzugen. Ein weiterer Bestandteil der Datengrundlage stellen standardisierte schriftliche Befragungen der Ratsmitglieder aller untersuchten Kommunen, sowie leitfadengestützte Interviews mit Fraktionsvorsitzenden und (Bürger-)Haushaltsexpert/-innen der Fraktionen ausgewählter Kommunen dar. Auch die tatsächlichen Ratsentscheidungen werden in die Datengrundlage aufgenommen.

Ergebnisse

Die Politikwissenschaftlerin kommt zu dem Schluss, dass die Mehrheit der Bürgervorschläge keine oder nur eine diffuse inhaltliche Wirkung auf die politischen Entscheidungen der Kommunalpolitiker*innen hat. Dies manifestiert sich darin, dass lokale Parlamente entweder eine ablehnende Haltung gegenüber den Bürgervorschlägen einnehmen oder dass die Vorschläge der Bürgerinnen und Bürger nur in unscharfer Form in den Ratsentscheidungen wiederzufinden sind. Neunecker identifiziert hierfür folgende Ursachen:

  1. Die Politiker/-innen gaben an, dass die Themen der Bürgervorschläge häufig bereits Gegenstand politischer Diskussionen seien und empfinden die Vorschläge dadurch als nicht originell. Sie nehmen sich selbst als responsiv wahr und gehen davon aus, dass ihnen bereits alle kommunalen Probleme bekannt seien und sich diese im Bearbeitungsprozess befinden würden.

  2. Die Politiker/-innen sind damit überfordert, sich angemessen mit den Bürgervorschlägen auseinanderzusetzen. Dies ist auf mangelnde zeitliche und kognitive Kapazitäten zurückzuführen. Durch diese Überforderung werden Bürgervorschläge schneller abgelehnt und lieber gut ausgearbeitete Vorschläge aus der Verwaltung diskutiert.

  3. Die Politiker/-innen sind unzufrieden mit der Teilnehmendenzahl im Prozess der Bürgerhaushalte, welche als gering wahrgenommen wird. Auch die Zusammensetzung der Teilnehmenden wird als zu wenig divers eingestuft. Deshalb schenken die Politiker/-innen den Ergebnissen von Bürgerhaushalten nicht so viel Bedeutung.

  4. Für die Politiker/-innen ist darüber hinaus die Haushaltslage in den Kommunen entscheidend. So wurde herausgefunden, dass Kommunen mit einem besser aufgestellten Haushalt eher dazu bereit sind, die Bürgervorschläge hinsichtlich finanzieller Ausgaben zu berücksichtigen.

In ihrer Untersuchung verdeutlicht Neunecker, dass Bürgerhaushalte in Deutschland entweder nur eine unscharfe oder überhaupt keine inhaltliche Wirkung auf die Entscheidungen der Kommunalpolitiker*innen haben. Die Politikwissenschaftlerin geht sogar so weit zu behaupten, dass die gegenwärtige Form der Bürgerhaushalte in Deutschland keine Perspektive hat, da eine inhaltliche Wirkungslosigkeit festzustellen ist. Dennoch hegt die Autorin Optimismus hinsichtlich des Konzepts Bürgerhaushalte und präsentiert einen potenziellen Reformansatz, der eine Verbindung von Bürgerhaushalten mit direktdemokratischen Elementen vorsieht.

Trotz der festgestellten inhaltlichen Wirkungslosigkeit zeigen andere Studien auch positive Effekte von Bürgerhaushalten. Sie steigern die Zufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger mit demokratischen Prozessen und fördern die Bereitschaft zur Teilnahme an Wahlen. Trotz des hier beschriebenen negativen Aspekts sind Bürgerhaushalte daher in der Lage, demokratische Systeme zu stärken. Somit ist das Instrument des Bürgerhaushalts keineswegs obsolet. Es bedarf lediglich eines Umdenkens seitens der kommunalen Parlamente, um das Verfahren kontinuierlich zu verbessern und zukunftsfähig zu gestalten.

Fussnoten

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