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Ein Bürgerbudget für Groß und Klein

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In der brandenburgischen Stadt Beeskow an der Spree haben Kinder und Jugendliche das letzte Wort! Zumindest, wenn es sich um die finale Abstimmung über die Vorschläge für die Bürgerbudgets handelt. Die nötigen Voraussetzungen wurden explizit in der Satzung zum Bürgerbudget der Stadt geschaffen. Im Gespräch mit Steffen Schulze, Kämmerer der Stadt Beeskow.

In der ca. 8000 Einwohnerinnen- und Einwohner starken Stadt Beeskow im Südosten Brandenburgs standen 2023 erneut Kinder und Jugendliche im Zentrum der Abstimmung über das hiesige Bürgerbudget. Bemerkenswert war unter anderem, dass sich die Abstimmungsbeteiligung inzwischen verachtfacht hat. So konnte im Jahr 2023 eine Beteiligung von 462 Kinder und Jugendlichen im Alter von sechs – 18 Jahren realisiert werden. Pro Person konnten insgesamt drei Kreuze für die favorisierten Vorschläge vergeben werden.

(© Ben Wicks (unsplash))

Herr Schulze, Sie sind Kämmerer der Stadt Beeskow und Ansprechperson für Fragen rund um das Bürgerbudget in Ihrer Stadt. Dort können alle Einwohnerinnen und Einwohner ab sechs Jahren Vorschläge einreichen, am Ende stimmen aber ausschließlich Kinder und Jugendliche über die Umsetzung der Ideen ab. Junge Menschen in dieser Tiefe am Bürgerbudget zu beteiligen, ist bisher eher ungewöhnlich. Wie kam es dazu? Nachdem die Entscheidung gefallen war, ein Bürgerbudget einzurichten, haben wir uns gefragt, wie man am besten über Projektideen abstimmen kann. Da wir zurzeit das Projekt „Kinderfreundliche Stadt“ durchführen, kam die Idee auf, Verantwortung an genau diese Gruppe abzugeben und Kommunalpolitik dadurch erlebbar zu machen. Die Anträge für das Budget können alle Altersgruppen stellen – es sind auch Anträge für Rentnerinnen und Rentner dabei. Dadurch, dass die Kinder und Jugendlichen darüber abstimmen, was in Beeskow mit dem Budget von 30.000 € passieren soll, erleben sie, welche Themen eine Kommune bewegen. Durch den Abstimmungsprozess lernen sie darüber hinaus, was Demokratie im Alltag bedeutet und wie man eine Gesellschaft gemeinsam gestalten kann.

Wie genau gewinnen Sie Kinder und Jugendliche für die Abstimmung? Letztlich hat es sich bewährt, die Liste der Vorschläge aus der Bevölkerung an allen Schulen zu verteilen, sodass sich die Kinder und Jugendlichen mit kurzen Projektbeschreibungen vertraut machen können. Auf der Homepage für eine Kinderfreundliche Stadt gab es zudem eine ausführlichere Darstellung der Projekte. Wir haben uns dafür entschieden, dass wir an einem Abstimmungsnachmittag im Rathaus eine richtige Wahl, inklusiver formaler Anforderungen durchführen und die Kinder und Jugendlichen auf einem echten Stimmzettel ankreuzen lassen. Am Ende war es den Veranstaltern wichtig, die Kinder und Jugendlichen auch bei der Auszählung dabeizuhaben, um einen demokratischen Abstimmungsprozess in aller Gänze erleben zu können.

Wie wird diese Abstimmungsregelung von den Erwachsenen und nicht stimmberechtigten Einwohnerinnen und Einwohnern wahrgenommen? Es gibt in der Stadtverordnetenversammlung regelmäßig, insbesondere von Gruppen älterer Personen, die Nachfrage „warum sollen jetzt die Kinder entscheiden?“ Wir als Verwaltung verweisen dann darauf, dass die im Bürgerbudget enthaltenen 30.000 € immer noch einen kleinen Anteil am kommunalen Gesamthaushalt darstellen. Über alle anderen Vorhaben entscheiden die Stadtverordneten. Dort ist der Altersdurchschnitt sehr, sehr hoch.

Was haben Sie aus Ihren Erfahrungen bisher gelernt? Positive Erfahrungen sind, dass es im Ergebnis fast keine Unterschiede zwischen dem Abstimmungsverhalten von Kindern und Jugendlichen und den Prioritäten von Erwachsenen gibt. Themen, wie öffentliche Sicherheit usw. spielen bei den Kindern eine genauso große Rolle wie bei den Erwachsenen. Deswegen sind die Befürchtungen, Kinder könnten sich für „irgendeinen Blödsinn“ entscheiden, nicht eingetroffen. Negativ aufgefallen ist, dass Erwachsene weiterhin versuchen, auf den Prozess Einfluss zu nehmen. Zum Beispiel versuchen Lehrkräfte mit dem Hinweis auf „unser Projekt“ Kinder in ihrem Sinne zu beeinflussen. Die Verwaltung weist dann noch einmal auf demokratische Prinzipien (freie, geheime Wahl usw.) hin. An dieser Stelle würden wir uns von Erwachsenen etwas mehr Zurückhaltung wünschen.

Was würden Sie kommunalen Akteurinnen und Akteuren raten, sofern diese planen, Kinder und Jugendliche an Bürgerbudgets zu beteiligen? Der Aufwand mit dem Abstimmungsverfahren ist gering und man erreicht viele Menschen. Wir mobilisieren etwa 1000 Kinder, die vor Ort abstimmen und sich mit dem Zukunftsthema Stadt beschäftigen. Deswegen kann ich es nur jedem raten, im Rahmen seiner haushaltstechnischen Möglichkeiten, Kinder und Jugendliche zu beteiligen. Und unsere Erfahrung zeigt: Man muss auch keine Angst haben, dass da „irgendwas Blödsinniges“ herauskommt.

Vielen herzlichen Dank, dass Sie sich die Zeit für ein kurzes Gespräch genommen haben.

Fazit:

Die Initiatorinnen und Initiatoren des Beeskower Bürgerbudgets haben mit ihrer dazugehörigen Satzung Maßstäbe in der Weiterentwicklung von Beteiligungsverfahren in der kommunalen Haushaltsplanung gesetzt. Kinder und Jugendliche bereits in diesem Alter am Bürgerbudgetverfahren partizipieren zu lassen, ist nicht nur eine bahnbrechende Erneuerung, sondern ein Beleg für den progressiven und demokratiefördernden Charakter von Beteiligungsverfahren – insbesondere im Teilbereich der Bürgerhaushalte.

Fussnoten

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