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Bürgerhaushalte in Europa

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Weltweit ist Europa mit seiner Anzahl an Bürgerhaushalten Vorreiter. Doch es gibt große Unterschiede zwischen den Ländern.

Lissabon, Portugal (© Liam McKay on Unsplash)

Ende der 1980er Jahre entstanden in einigen brasilianischen Städten erste Bürgerhaushalte, die sich in kürzester Zeit über die ganze Welt verbreiteten. In Europa ist seit 2001 ein rapider Anstieg von Bürgerhaushalten zu beobachten. So identifizierte der „Participatory Budgeting World Atlas“ im Jahr 2019 insgesamt 4.676 europäische Bürgerhaushalte, was fast 40 % der weltweit aufkommenden Bürgerhaushalten entspricht. Besonders spannend ist die innereuropäische Verteilung: Die große Mehrheit der Bürgerhaushalte befindet sich nämlich in Osteuropa (46 %) und in Südeuropa (46 %). Nur ein sehr kleiner Teil der Bürgerhaushalte wird in Westeuropa (5 %) und Nordeuropa (2–3 %) umgesetzt.

Vielfältige Umsetzung

Der allgemeine Prozess von Bürgerhaushalten ähnelt sich trotz regionaler Besonderheiten. In einem ersten Schritt entwickeln Bürgerinnen und Bürger Projektideen für ihre Kommune oder Stadt. Diese werden von den Verwaltungen auf ihre Umsetzbarkeit geprüft und dann den Bürger*innen zur Abstimmung vorgelegt. Angenommene Projektideen werden schließlich von der Verwaltung umgesetzt und durch den kommunalen oder städtischen Haushalt finanziert. Regional unterscheidet sich jedoch, ob Bürger*innen im Prozess von Bürgerhaushalten eine aktiv mitentscheidende Funktion einnehmen, oder eher beratend hinzugezogen werden. Vor allem in Spanien und Italien wurde frühzeitig die Idee von Bürgerhaushalten aufgegriffen, jedoch wurde die Anzahl der Bürgerhaushalte in beiden Ländern nach den Wahlen von 2009 und 2011 drastisch reduziert. In den letzten Jahren haben dagegen Länder, wie Polen, Portugal, Deutschland und Großbritannien ihre Bürgerhaushaltsinitiativen ausgebaut, sodass Europa insgesamt dennoch steigende Zahlen verzeichnen kann.

Vorreiter Polen und Portugal

Dass Länder wie Polen erst später mit der Umsetzung von Bürgerhaushalten begannen, wird in der wissenschaftlichen Debatte häufig auf eine geringe Tradition der Beteiligung und die langjährige Erfahrung mit zentralisierter Planung und Entscheidungsfindung begründet (Mączka et al. 2021). Es ist möglich, dass jedoch genau dieser Mangel an Erfahrung und Vertrauen in das politische System für die Popularität von Bürgerhaushalten verantwortlich ist. So werden Bürgerhaushalte häufig als demokratischer Hoffnungsträger betrachtet, der Raum für ein wachsendes Vertrauen zwischen Politiker*innen und Bürger*innen schafft (Dias et al. 2019). Mittlerweile verzeichnet Polen europaweit die höchste Anzahl an Bürgerhaushalten und die Umsetzung von Bürgerhaushalten ist auf kommunaler Ebene gesetzlich festgeschrieben. Allerdings weisen Studien auch darauf hin, dass die Rolle von Bürger*innen bei Bürgerhaushalten in Polen eher von beratendem Charakter ist (Mączka et al. 2021).

Nach Polen verzeichnet in Europa Portugal die höchste Anzahl an Bürgerhaushalten. Die Besonderheit hierbei: Portugal hat als erstes Land weltweit im Jahr 2017 einen nationalen Bürgerhaushalt umgesetzt. Um die größtmögliche Beteiligung von Bürger*innen aus dem ganzen Land zu gewährleisten, besteht der Bürgerhaushalt aus einem hybriden Beteiligungsmodell, das die persönliche Interaktion zwischen Bürger*innen und Staat mit dem Einsatz von digitalen Instrumenten kombiniert. Diese wurden speziell entwickelt, um die Initiative allen Bürger*innen zugänglich zu machen und zu gewährleisten, dass jeder in vollem Umfang teilnehmen kann (OECD 2017).

Die geringe Verbreitung von Bürgerhaushalten in nordeuropäischen Ländern lässt sich vor allem durch die hohe Zufriedenheit mit der Demokratie und das ausgeprägte Vertrauen in politische Institutionen erklären. Während Bürgerhaushalte im Süden und Osten Europas als wirksames Mittel zur Bekämpfung von Korruption und zum Aufbau von Vertrauen dienen, besteht im Norden Europas bisher schlichtweg wenig Bedarf, da dort ein starkes Vertrauen in die repräsentative Demokratie vorherrscht (Allegretti & Langlet 2014).

Quellen / Literatur

Allegretti, G. & Langlet, L. (2014). Participatory Budgeting in Sweden. Telling a Story in Slow-Motion. In: Dias, N. (Hrsg.), Hope for Democracy. 25 years of participatory budgeting. Portugal: In Loco, S. 353–366.
Dias, N., Enríquez, S., Júlio, S. (Hrsg.) (2019). The Participatory Budgeting World Atlas, Portugal: Epopeia and Oficina.
Mączka, K., Jeran, A., Matczak, P., Milewicz, M., & Allegretti, G. (2021). Models of participatory budgeting. Analysis of participatory budgeting procedures in Poland. Polish Sociological Review, 216(4), 473–492. doi:10.26412/psr216.03
OECD, OPSI (Observatory of Public Sector Innovation) (5.11.2017). Portugal Participatory Budget. Externer Link: Abrufbar hier.

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