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Richtig zählen. Wie möglichst viele Menschen von Bürgerbudgets profitieren

/ 3 Minuten zu lesen

Forscher*innen haben ein System zur Stimmenauszählung für Bürgerbudgets entwickelt, das Mittel gerechter verteilen und so die Zufriedenheit mit den Ergebnissen erhöhen soll.

Das Foto zeigt in einer Nahaufnahme den Ausschnitt eines bunten Rechenschiebers, an dem ein Kind spielt. (© Luis Arias on Unsplash)

Zahlreiche Kommunen nutzen Bürgerbudgets, um ihre Einwohner*innen an der kommunalen Finanzplanung zu beteiligen. Im Rahmen solcher Budgets stellen Stadtverwaltungen einen Teil ihres Haushalts zur Verfügung, über dessen Verwendung die Bevölkerung selbst entscheiden kann. So können Bürger*innen Projekte vorschlagen, und im Anschluss gemeinsam darüber abstimmen, welche Projekte finanziert werden sollen. Diese Abstimmungen folgen in den meisten Fällen einem Mehrheitsvotum. Nach diesem Prinzip gewinnen jene Projekte, die die meisten Stimmen erhalten. Das System ist einfach anzuwenden, transparent und daher sehr etabliert. Aber ist es auch fair?

Dominik Peters von der Universität Paris-Dauphine and Piotr Skowron von der Universität Warschau widersprechen dem. Gemeinsam mit einem internationalen Team aus Wissenschaftler*innen der Informatik forschen sie dazu, wie die Stimmauszählung für Bürgerbudgets fair gestaltet werden kann. Dazu haben sie ein eigenes System entwickelt und getestet: die Methode der gleichen Anteile.

Probleme der Mehrheitswahl

Entsprechend der einfachen und oft genutzten Mehrheitswahl gewinnen meist ähnliche Projekte, die bei der gleichen Mehrheitsgruppe von Wählenden beliebt sind. Beteiligen sich beispielsweise in einer Kommune besonders viele Menschen, die sich für Sport und Gesundheitsthemen interessieren, ist es wahrscheinlicher, dass mehrere Projekte dieser Art gewinnen – und das immer wieder und über mehrere Runden hinweg. Andere Projekte, die sich beispielsweise nur an bestimmte Gruppen, wie Kinder und Jugendliche, richten, entfalten oft weniger Überzeugungskraft und haben geringere Gewinnchancen.

Methode der gleichen Anteile

Um dieses Ungleichgewicht auszugleichen, schlägt das Forscherteam eine alternative Auszählung der Stimmen vor – die sogenannte „Methode der gleichen Anteile“. Diese Methode soll es ermöglichen, die Präferenzen möglichst vieler Wähler*innen zu berücksichtigen und nicht nur die Stimmen der Mehrheit. Der Grundgedanke der Methode der gleichen Anteile ist, dass allen Wählenden virtuell ein gleicher Teil des Budgets zugewiesen wird. Dieser individuelle Teil des Budgets wird zur Finanzierung der Projekte verwendet, für die die Person stimmt. Bei der Auswertung der Abstimmungsergebnisse werden so alle Projektvorschläge analysiert, beginnend mit den Projekten mit der höchsten Stimmenzahl. Ein Projekt wird dann von der Kommune realisiert, wenn es mit den Budgetanteilen derjenigen, die für das Projekt gestimmt haben, finanziert werden kann. Das virtuelle Budget derjenigen, die für das Gewinnerprojekt gestimmt haben, reduziert sich dementsprechend. Die Stimmen der Wählenden, von deren Budget noch kein Anteil für das erste Gewinnerprojekt ausgegeben wurde (weil sie für andere Projekte gestimmt haben), können dann in der Stimmenauszählung der weiteren Projekte stärker berücksichtigt werden.

Schematische Grafik zur Illustrierung der Methode der gleichen Anteile (© equalshares.net)

Die Methode der gleichen Anteile soll somit sicherstellen, dass verschiedene Standpunkte und Meinungen proportional auf das Wahlergebnis Einfluss nehmen können. Dadurch werden mehr Wähler*innen mit dem Wahlergebnis insgesamt zufrieden sein. Um dies zu testen, haben die Forscher*innen Wahldaten von Bürgerbudget-Wahlen in Warschau neu analysiert. Sie stellen fest: Im Vergleich zur angewendeten Mehrheitswahl wären nach der Methode der gleichen Anteile Projekte so ausgewählt wurden, dass insgesamt ein größerer Anteil der Wählenden für eines der Gewinnerprojekte gestimmt hätte. Mehr Menschen hätten also einem ihrer favorisierten Projekte zur Finanzierung verhelfen können.

Aus der Sicht der Wähler*innen unterscheidet sich die Methode der gleichen Anteile übrigens nicht von anderen Methoden. Sie müssen lediglich ihre „digitalen Stimmzettel“ ausfüllen und ihre favorisierten Projekte auswählen. Die Methode der gleichen Anteile kann allein im Hintergrund bei der Stimmenauswertung angewendet und so auch leicht in bereits etablierte Bürgerbudgets integriert werden.

Angewendet wird die Methode der gleichen Anteile seit 2023 beispielsweise für die Bürgerbudgets der Schweizer Stadt Aarau und der polnischen Stadt Wieliczka. Zur ausführlichen Dokumentation der Methode der gleichen Anteile haben die Entwickler eine Internetseite in verschiedenen Sprachen eingerichtet, unter anderem auch Deutsch. Unter equalshares.net finden Interessierte umfassende Erklärungen, wissenschaftliche Analysen der Methode, Videomaterial und Kontakte zu Wissenschaftler*innen, die bei der Implementierung und Anwendung der Auszählungsmethode beraten.

Fussnoten

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