1. Mehr Akzeptanz bei besser abgestimmten Prioritäten
Die Einbeziehung von Bürgerinnen und Bürgern ermöglicht eine Mitwirkung, die nicht nur das Verständnis um die finanziellen Zwänge fördert. Die öffentliche Diskussion sowohl um die haushaltspolitischen Rahmenbedingungen wie auch um das Nutzen vorhandener Handlungsspielräume kann den Konsens in Zeiten knapper Kassen fördern. Wenn über den Bedarf und die Schwerpunkte von verbleibenden Investitionsmöglichkeiten eine breitere Verständigung gelingt, so bietet dies eine hervorragende Chance, auf dieser Grundlage schrittweise an einem umfassenden Konsolidierungskonzept zu arbeiten.
2. Effizienzsteigerung des Verwaltungshandelns durch Einbeziehung von Bürgerwissen
Sachverstand und Detailkenntnisse von Bürgern können besser nutzbar gemacht werden. Während einer Dialogphase zum Haushaltsentwurf können in Bürgerversammlungen, Internet-Foren usw., aber auch insbesondere in themenbezogenen Veranstaltungen Alltagswissen und Erfahrungen von Bürgerinnen und Bürgern für eine Qualitätsverbesserung der kommunalen Dienstleistungen – sei es bspw. zu Öffnungszeiten öffentlicher Einrichtungen oder zur Optimierung von Busstrecken – genutzt werden. Auch kann bürgerschaftliches Wissen durch das organisierte Einbeziehen von Fachwissen von Vereinen oder Initiativen zur Verfügung gestellt werden.
3. Erhöhung der Problemlösungskompetenz
Der Bürgerhaushalt kann Konflikte reduzieren, die anderorts zu jahrelangen Verzögerungen führen würden, wie es oft bei Großprojekten, aber auch bei Sparmaßnahmen der Fall ist. Rechtzeitige Auseinandersetzung und evtl. Konsensfindung – vermindert punktuelle Auseinandersetzungen zu einem späteren Zeitpunkt nach der Haushaltsverabschiedung, wenn Maßnahmen in ihren praktischen Auswirkungen spürbar werden. Der Bürgerhaushalt erleichtert auch die Konsensfindung verschiedener Interessengruppen. Der Haushalt als ganzheitliche Grundlage der Kommunalpolitik wird nachvollziehbar. Unterschiedliche Interessen werden im Überblick und Vergleich deutlich. Eigene Gruppen- bzw. Teilinteressen können in den Gesamtzusammenhang eingeordnet werden. Die Chance der Berücksichtigung auch anderer Interessen steigt. Zielkonflikte können u. U. entschärft werden.
4. Mehr Kostenbewusstsein
Ein stärkeres Kostenbewusstsein kann bei Bürgern geschaffen werden, wenn über die Ausgaben für Dienstleistungen bzw. Produkte der Kommune und deren tatsächlicher Kosten diskutiert wird. Was nach „innen“ mit den vielfach laufenden verwaltungsinternen Reformen mit der Einführung des „Neuen Steuerungsmodells“ einschließlich Kosten-Leistungs-Rechnung und Produkthaushalt begonnen wurde, kann konsequent nach „außen“ fortgesetzt werden. Bürger als Steuerzahler wollen und sollen wissen, was sie „ihre“ Verwaltung mit deren Dienstleistungen kostet. Dieser nächste Schritt bietet die Möglichkeit über mehr Kostenbewusstsein auch mehr Verantwortungsbewusstsein zu schaffen.
5. Aktivierung von Bürgerengagement
Die Politik zur Förderung der Bürgerkommune und bürgerschaftlichem Engagement bedeutet den Abschied von der Vorstellung der Allzuständigkeit des Staates zu Gunsten der Gestaltungskompetenz und Eigenverantwortung von Bürgerinnen und Bürgern. Ein Bürgerhaushalt führt zu höherer Identifikation von Bürgern mit ihrer Kommune. Die Bereitschaft zur Mitarbeit steigt auch mit den Möglichkeiten der Mitentscheidung. Wenn dies bspw. zu erhöhtem ehrenamtlichen (z. B. Altenbetreuung) oder bürgerschaftlichen Engagement (z. B. Übernahme von Patenschaften für öffentliche Grünanlagen oder Selbstausführung von Renovierungsarbeiten in von Vereinen genutzten städtischen Räumen) führt, können sächliche und ggf. auch personelle Ressourcen eingespart werden.
6. Abbau von Politik- und Parteienverdrossenheit
Durch die gemeinsame Auseinandersetzung über den Haushalt können Vorurteile von Bürgern gegenüber Politikern abgebaut werden. Auch bietet der Bürgerhaushalt Politikerinnen und Politkern die Gelegenheit, Interessen von Bürgerinnen und Bürgern noch besser kennen zu lernen und persönliche Kontakte auszubauen. Politikverdrossenheit kann vermindert werden. Evtl. gelingt es, die Anerkennung für politische Arbeit zu steigern. Mögliche bisherige Konfliktsituationen können im Sinne eines Weges „von der Konfrontation zur Kooperation“ angegangen werden. Da Veranstaltungen zum Bürgerhaushalt möglichst überparteilich organisiert werden sollten, bietet dies evtl. die Chance zu höherer interfraktioneller Verständigung. In einem Bürgerhaushalt können ggf. alle vom Haushalt betroffenen Gruppen zur Erarbeitung von Vorschlägen zusammengeführt werden, sodass bei Konsensfindung die politische Zufriedenheit erhöht werden kann.
7. Förderung der Demokratie
Um ihre Interessen einbringen zu können, müssen die Bürger untereinander – aber auch mit Politik und Verwaltung – in die Diskussion treten. Der Bürgerhaushalt beinhaltet einen Lernprozess über das Funktionieren demokratischer Institutionen sowie von Demokratie überhaupt: Wer etwas erreichen will, muss andere überzeugen und tragfähige Mehrheiten suchen. Die Transparenz der Gemeindehaushalte ist aber auch eine der gesellschaftlichen Anforderungen an die öffentliche Hand. Wer die kommunale Selbstverwaltung stärken will, muss auf dieser Ebene, auf der die Bevölkerung am unmittelbarsten die Auswirkungen von Politik erlebt, demokratiestärkende Mitwirkungsmöglichkeiten organisieren. Bürgerbeteiligung und insbesondere ein Bürgerhaushalt kann dabei langfristig ggf. das Interesse an politischem Engagement, an einer Mitarbeit in Parteien bzw. an einem Ratsmandat wecken.
8. Unterstützung von verwaltungsinternen Modernisierungsprozessen
Die im Rahmen der Einführung des „Neuen Steuerungsmodells“ stärker angestrebte Kunden- und Bürgerorientierung wird durch die Anforderungen eines Bürgerhaushalts unterstützt und ggf. beschleunigt. Dabei spielt die Notwendigkeit, sich seitens der Führungskräfte und Mitarbeiter hierauf einstellen zu müssen, eine wichtige Rolle, die durch zielgerichtete Personalentwicklung und dabei insbesondere Fortbildung begleitet werden kann. Solche praktischen Schritte in Richtung Bürgerkommune können durch den effizienten Einsatz von e-government/e-democracy ausgebaut werden. Im übrigen verbessern sich die Voraussetzungen für die Einführung eines Ideen- und Beschwerdemanagements.
9. Imagegewinn für die Kommune
Mit dem Bürgerhaushalt ergeben sich verbesserte Möglichkeiten einer intensiveren Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Es gibt ein höheres Interesse bei den Medien, wenn eine breitere Öffentlichkeit beteiligt ist. Ein Imagegewinn für die Gemeinde kann auch eintreten, wenn regionale oder bundesweite Aufmerksamkeit durch kreative Mitwirkungsformen erzeugt wird. Die Verbindung zum Stadtmarketing wird gestärkt, Standortvorteile im Verhältnis zu Nachbargemeinden/-Städten können ggf. betont werden. Erhöhte Mitgestaltungsmöglichkeiten erhöhen die Attraktivität der Kommune für bestimmte Bürgergruppen wie bspw. neue zuzugswillige Familien. Geschlechterspezifische Betrachtungen von Haushaltsansätzen unter stärkerer Einbeziehung von Betroffenen ermöglichen u. U. bedarfsgerechtere Lösungen (gender budgeting). Auch (Erfahrungs-)Potenziale in einer älter werdenden Gesellschaft mit der Möglichkeit zum punktuellen Engagement für Ältere können besser genutzt werden.
10. Risiken sind vorhanden, aber beherrschbar
Risiken können u. a. sein: Der Aufwand im Verhältnis zur tatsächlichen Qualitätsverbesserung ist zu hoch. Es werden Erwartungen bei Bürgern geweckt, die nicht erfüllt werden können. Ratsmitglieder fühlen sich in ihrer Entscheiderfunktion eingeschränkt. Bisherige Erfahrungen zeigen jedoch, dass Aufwand und Nutzen in einem vernünftigen Verhältnis stehen. Dabei sind auch die mittelbaren Wirkungen zu sehen, die sich in der Kommune positiv auswirken. Selbst wenn der Prozess kurzfristig aufwendiger ist, so macht sich dies mittelfristig durch höhere Effektivität und das Ausnutzen von Einsparpotentialen bezahlt. Die Einführung eines Bürgerhaushaltes bedeutet einen mehrjährigen Lernprozess. Im Rahmen dieser Entwicklung können zunächst erste kleinere Schritte zur Erfahrungssammlung gegangen werden, die nach und nach sich vergrößern werden.
Publikation als PDF-Dokument: Externer Link: Gründe für Bürgerhaushalt