Nehmen wir einmal an, diese beiden Voraussetzungen seien gegeben, so möchte ich trotz aller Bedenken gegen eine Best-Practice-Ideologie folgende Prinzipien zur Diskussion stellen, die auf Bürgerhaushalte unterschiedlicher Ausprägung bezogen werden können.
Prinzip Nr. 1: Holen Sie sich die Unterstützung des Rates!
In vielen Städten ist die Einführung von Bürgerhaushalten gescheitert, weil Ratsmitglieder eine Entmachtung befürchteten. Entgegen aller Aufklärungsversuche hält sich hartnäckig die Vorstellung, dass beim Bürgerhaushalt „Bürger“ statt „Politiker“ entscheiden. Auch wenn die Delegation eines Teilbudgets möglich ist, bleibt die Entscheidung über den Gesamthaushalt stets beim Rat. Vor diesem Hintergrund scheint es sinnvoll zu sein, die Ratsmitglieder wie aber auch andere lokale Akteure bei der Erarbeitung eines Konzeptes mit einzubeziehen.
Prinzip Nr. 2: Übertreiben Sie es mit dem Konsens nicht! Fangen Sie an!
Die Unterstützung muss ausreichend sein, damit der Bürgerhaushalt nicht vom Rat gestoppt wird. Seien Sie sich jedoch bewusst, dass es immer Zweifler gibt, die nie oder erst im Laufe des Verfahrens überzeugt werden. Ein Konzept kann auch zerredet werden, bzw. kann der Bürgerhaushalt zum Spielball der Parteien werden, z.B. dann, wenn sich manche mit dem Thema in der Öffentlichkeit profilieren wollen und Anforderungen an einen Bürgerhaushalt stellen, die selbst die Bürger von Porto Alegre vor Neid erblassen ließen.
Prinzip Nr. 3: Binden Sie die Bürger bzw. die Verwaltung/Politik ein!
Es geht hierbei um die Vorbereitung einer zahlenmäßig hohen Beteiligung. Der Begriff „Bürgerhaushalt“ erklärt sich nicht von allein. Von daher macht es Sinn, aktive Bürger bei der Verfahrensentwicklung mit einzubinden. Sie sind die „Experten“ der Partizipation und können sagen, an welchen Themen die Bürgerschaft ein Interesse hat und an welchen nicht. Sollten Sie Teil einer Bürgergruppe sein, die einen Bürgerhaushalt einfordert, sollten Sie andersherum Verwaltung und Politik einbeziehen. Denn: ohne den Bürgermeister und den Kämmerer zu überzeugen, hat ein Bürgerhaushalt keine Chance.
Prinzip Nr. 4: Bereiten Sie die Verwaltung vor!
Der Erfolg von Partizipation hängt davon ab, ob sie von den Kollegen in der Verwaltung als Chance oder als Bedrohung wahrgenommen wird. Zu einer guten Vorbereitung können u.a. eine Diskussion über das Verfahren sowie Schulungen in Moderation und anderen Techniken gehören. Bedenken Sie auch, dass der Bürgerhaushalt eine zusätzliche Aufgabe darstellt, für die ein Ausgleich bzw. eine Entlastung an anderer Stelle zu schaffen ist.
Prinzip Nr. 5: Klären Sie, wie weit die Kompetenzübertragung gehen soll!
Bei vielen Formen der Bürgerbeteiligung werden die Ergebnisse der Diskussion von der Verwaltung bzw. von der Politik zusammengefasst. Bei manchen Bürgerhaushalten wird dies überwunden und eine neue Qualität der Partizipation erreicht, indem die Teilnehmer durch eine Abstimmung eine Reihenfolge ihrer Vorschläge festlegen. Diese hierarchisierte Liste wird der Verwaltung/dem Rat zur endgültigen Entscheidung übergeben. Noch einen Schritt weiter würde man gehen, wenn der Bürgerschaft ein Fonds übergeben wird, über den sie mittels geeigneter Verfahren (z.B. Zufallsauswahl der Jury) entscheiden kann.
Prinzip Nr. 6: Passen Sie das Verfahren Ihren Zielen an!
Ein Bürgerhaushalt dient der Partizipation der Bürger. Darüber hinaus kann er mit weiteren Zielen verbunden werden, wie z.B. der politischen Bildung der Bürger, der Modernisierung der Verwaltung oder der sozialen Entwicklung einer Stadt oder eines Quartiers. Dementsprechend sind die an die Bürgerschaft zu stellenden Fragen anzupassen, sowie der Gegenstand der Beteiligung (Produkte, Investitionen, Normen), die Art und der Umfang der Diskussion (Teilnehmer, Anzahl, Regelmäßigkeit etc.) und der Grad der zu übertragenden Entscheidungskompetenz (Hierarchisierung durch die Bürger, Budgetdelegation).