Der Impuls zu Bürgerhaushalten geht meist von Fraktionen im Stadtrat aus. Dort wird das Thema diskutiert und es wird im besten Falle mehrheitlich die Einführung eines Bürgerhaushaltes beschlossen. Ist dies nicht der Fall, verharrt das Projekt Bürgerhaushalt möglicherweise eine Zeit lang im Status der losen Diskussion, ehe es gar gänzlich in den Schubladen der kommunalen Politik verschwindet.
Doch es geht auch anders: Einige kommunale Parteien nehmen das Zepter selbst in die Hand und rufen die Bürgerinnen und Bürger dazu auf, ihre Vorschläge zum Haushalt bei ihnen einzubringen. Ein Weg, den etwa die Freien Wähler im bayrischen Moosburg gegangen sind. Unter der Überschrift „Aktion Bürgerhaushalt 2014“ rief die Partei die Bürgerinnen und Bürger dazu auf ihnen mitzuteilen, wo im aktuellen Haushalt investiert oder gespart werden sollte. Eingereicht werden konnten die Bürgervorschläge per Formular auf der Externer Link: Internetseite der Partei. Dort wurden sie dann veröffentlicht und konnten kommentiert werden. Nach Abschluss der Beteiligungsphase wurden die Vorschläge gesichtet und schließlich durch die Fraktion der Freien Wähler im Stadtrat eingebracht.
Einen ähnlichen Weg ging auch die CDU in Schwerte im Jahr 2012. Dort hatte die Partei unter www.buergerhaushalt-schwerte.de eine eigene Online-Plattform eingerichtet, auf der Bürgerinnen und Bürger ihre Ideen und Meinungen zum geplanten Sparpaket abgeben konnten. Auch nähere Informationen zum Haushalt im Allgemeinen wurden dort präsentiert.
Bürgerhaushalte in Eigenregie – eine sinnvolle Alternative oder Konkurrenz?
Für Parteien gehört die dauerhafte Bürgerbeteiligung und Bürgeransprache zum Kerngeschäft ihres politischen Handelns. Als intermediäre Akteure fungieren sie als Transmissionsriemen zwischen den Problemen und Anliegen der Bürgerinnen und Bürger und dem politischen System. Parteien sind es, die diese Anliegen aufgreifen, aggregieren und in den entsprechenden politischen Gremien artikulieren. Wie Parteien von den Anliegen der Bürgerschaft erfahren, ist dabei zweitrangig. Dies kann bottom-up erfolgen, also von den Bürgerinnen und Bürgern selbst ausgehen, die ihren Stadtrat gezielt ansprechen, oder top-down, durch feste Sprechstundenangebote, Bürgerstammtische und eben auch Online-Beteiligungsangebote wie in Schwerte und Moosburg.
Aus diesem Blickwinkel betrachtet sind die obigen Beteiligungsverfahren eher als ein Mittel zu sehen, um die Responsivität politischer Parteien zu erhöhen. Eine Konkurrenz zum klassischen Bürgerhaushalt stellen diese Verfahren demnach nicht dar, zumal sie in einigen Aspekten nach der Definition von Herzberg et al. nicht als Bürgerhaushalte im engeren Sinne bezeichnet werden können, sondern eher als Vorformen. Der Grund: Es fehlt eine Rechenschaftslegung über den weiteren Umgang mit den eingereichten Vorschlägen. In beiden Fällen bleiben die Parteien diese Information schuldig. Noch gewichtiger ist jedoch, dass es im Rahmen dieser Verfahren keinen öffentlichen Diskurs über die eingebrachten Vorschläge gibt. Auch das zeigen die Beispiele aus Moosburg und Schwerte deutlich.
Dennoch, eines steht fest: Diese Art der Bürgerbeteiligung kann ein erster struktureller Schritt hin zur Einführung eines vollwertigen Bürgerhaushaltes sein. Gerade im Kontext lokaler politischer Diskussion zu Bürgerhaushalten können solche Vorformen eine Vorbildfunktion erfüllen und damit möglicherweise die Einführung eines vollwertigen Bürgerhaushaltes begünstigen.
Politischer versus bürgerschaftlicher Vorschlagsfilter
Die von Parteien gestarteten sogenannten Bürgerhaushalte haben jedoch ein zentrales Problem: Eingereichte Vorschläge werden möglicherweise nicht offen und gleichwertig behandelt, da Politikerinnen und Politiker die Beiträge sichten und entlang parteipolitischer Gesichtspunkte gewichten. Die Freien Wähler aus Moosburg etwa schreiben auf ihrer Internetseite dazu: „Alle Vorschläge, die mit unserer Politik vereinbar sind, werden wir in Form von Anträgen in die Haushaltsberatungen einbringen. Für Vorschläge, denen wir uns nicht anschließen können, erhalten Sie selbstverständlich eine Begründung, warum das nicht möglich ist“. Vorschläge bleiben dadurch möglicherweise im parteipolitischen Filtern hängen und gelangen so nicht auf die politische Agenda.
Dies ist ein starker Unterschied zu den sonst üblichen Bürgerhaushaltsverfahren. Dort werden Vorschläge entweder grundsätzlich gleichbehandelt und in gleichem Maße von Verwaltung kommentiert und von der Politiker diskutiert oder aber, die Bürgerinnen und Bürger entscheiden selbst durch Pro- und Kontrabewertungen über die Gewichtung der einzelnen Vorschläge (Top-Listen). Im Idealfall sind diese Bewertungen an den Inhalten des Vorschlags orientiert und nicht an parteipolitischen Programmen. Statt des politischen greift hier ein bürgerschaftlicher Vorschlagsfilter, dessen Grundlage im Idealfall das Gemeinwohl darstellt. Hinzu kommt, dass dieser Filter eingebettet ist in ein in der Öffentlichkeit stattfindendes Verfahren, in der Bewertungs- und Gewichtungsprozess für alle beteiligten Akteure transparent ist. Auch das scheint bei den Partei-Bürgerhaushalten nicht gegeben zu sein.
Von diesen Standpunkten aus betrachtet, sind von Parteien gestartete sogenannte Bürgerhaushalte sicherlich ein sinnvoller Schritt in Richtung eines vollwertigen Bürgerhaushaltes und können auf längere Sicht als Katalysator für dessen Einführung wirken. Gemessen an den Maßstäben eines öffentlichen Bürgerhaushaltes besitzen diese Beteiligungsverfahren jedoch eine Unwucht, möglicherweise zu Gunsten der Parteipolitik und zu Ungunsten der Bürgerinnen und Bürger.
Mehr Informationen:
Externer Link: Artikel auf Merkur-Online zum Bürgerhaushalte der Freien Wähler Moosburg.