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Gedankenspiel: Vom Bürger- zum Mitgliederhaushalt

Julian Ermert

/ 4 Minuten zu lesen

Was für die Bürgerschaft und die Stadtverwaltung gilt, kann auch für Mitgliederorganisationen interessant sein. Schließlich haben auch Mitglieder von Organisationen ein Interesse daran mitzuentscheiden, wofür ihre Beiträge oder Spenden verwendet werden.

Was für die Bürgerschaft und die Stadtverwaltung gilt, kann auch für Mitgliederorganisationen interessant sein. Schließlich haben auch Mitglieder von Organisationen ein Interesse daran mitzuentscheiden, wofür ihre Beiträge oder Spenden verwendet werden.

Wie man das machen kann, zeigt das „Externer Link: Participatory Budgeting Project (PBP)“, eine Nichtregierungsorganisation (NRO) aus den USA. Sie lässt ihre Mitglieder darüber entscheiden, wie ein Teil ihrer Spenden ausgegeben werden soll. Spenderinnen und Spender des Participatory Budgeting Project haben zunächst die Möglichkeit, Projektideen in Sachen Öffentlichkeitsarbeit einzureichen. Liegen alle Vorschläge auf dem Tisch, folgt die Abstimmung. Im letzten Jahr entschieden sich die Mitglieder etwa für ein Werbevideo, das die Ziele und Arbeitsweisen des Projektes erklärt. Dieses Jahr können die spendenden Mitglieder erneut ihre Stimme abgeben. Die bisherigen Projektideen: Die sprachliche Übersetzung von Werbematerial, eine Werbetour in andere Städte oder die Finanzierung der Geburtstagsfeier der Organisation. Der Projektvorschlag mit den meisten Stimmen wird dann mit den Spendengeldern verwirklicht.

Auch in Deutschland gibt es die Möglichkeit Spenden zweckgebunden einzusetzen. Projektbezogene Vermerke bei Überweisungen gewährleisten, dass Spenderinnen und Spender gezielt bestimmen können, wo ihre Beiträge eingesetzt werden. Gilt es allerdings zu entscheiden, wie größere Teile des Budgets eingesetzt werden sollen oder wie der Haushalt einer Organisation allgemein ausgerichtet werden soll, so haben Spenderinnen und Spender genau wie zahlende Mitglieder oftmals begrenzte Mitspracherechte. Diese Entscheidungen übernehmen nach wie vor meist Vorstände oder Beiräte. Dass die Mitglieder über die Wichtigkeit bestimmter Projekte oder gar über Teile des Organisationshaushaltes abstimmen können, gibt es bisher eher selten.

Gedanken, Ideen, Reflexionen

Die hier vorgestellten Ideen und Verfahren von Bürgerhaushalten auch im Kontext von Organisationen zu „denken“, wirft einige Fragen auf: Ist das Modell des Bürgerhaushaltes überhaupt auf Organisationen wie NROs, Vereine oder Unternehmen übertragbar? Kann der Bürgerhaushalt ein Vorbild für stärkere innerorganisationale Mitbestimmung sein? Oder müssen hier ganz andere Beteiligungskonzepte erdacht werden?

Bei aller Unterschiedlichkeit sind die Chancen von Bürger- und Mitgliederhaushalten hingegen sehr ähnlich. Etwa in Sachen Wissenszuwachs: So sind es gerade Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Mitglieder, die häufig am besten wissen, wo gespart und wo investiert werden muss. Stille Ressourcen und Ideen könnten aktiviert und die Arbeit der Organisation effektiver werden. Geldströme würden dadurch genauer gelenkt und dosiert. So könnten etwa die Mitglieder eines Sportvereins über neue Sportgeräte abstimmen und entscheiden. Aber auch Einsparungen wären dadurch möglich. Gerade für NROs mit kleinem Budget wäre das eine Chance. Dieser Zuwachs an Mitsprache könnte letztlich zu einer Aufwertung von Mitgliedschaft führen und den Mitgliederschwund reduzieren.

Doch denkt man das Gedankenspiel fort, lassen sich auch Gegenargumente zur Etablierung von Mitgliederhaushalten finden: So könnte angeführt werden, dass Mitglieder nicht im Sinne ihrer Organisation entscheiden, sondern eher eigennützig abstimmen. Um im obigen Beispiel zu bleiben: Stimmen sie wirklich für dasjenige Sportgerät ab, welches am notwendigsten gebraucht wird? Oder nur für das, was ihrer Lieblingssportart entspricht? Es wird erneut deutlich, dass auch in neuen Kontexten die bekannten Probleme von Bürgerhaushalten durchschimmern. Es könnte jedoch entgegnet werden, dass dieses Problem weniger stark zum Tragen kommt. Der Grund: Die hohe Identifikation der Mitglieder mit den Zielen einer Organisation. Denn im Gegensatz zu Bürgerhaushalten sind die Schnittmengen individueller und allgemeiner Ziele im Kontext von Organisationen unter Umständen höher und für alle sichtbarer. Das bedeutet: Erreicht die Organisation ihre Ziele, etwa durch effektive Haushaltsführung oder durch sinnvolle Investitionen, erfüllt sie damit auch einen Großteil der individuellen Ziele ihrer Mitglieder. Identifikation wird so zur Leitplanke von Sonderinteressen.

Auch in Sachen Einsparungen muss relativiert werden. Der Einbezug der Mitgliedschaft in Sachen Finanzen bedeutet auch einen erheblichen Mehraufwand für eine Organisation, organisatorisch wie finanziell. Wertvolle Gelder könnten in der Administration von Beteiligungsprozessen versickern anstatt in Spendenprojekte zu fließen.

Fazit:

Zunächst zeigt sich, dass sich Bürger- und Mitgliederhaushalte in Sachen Chancen und Herausforderungen stark ähneln. Folglich ist davon auszugehen, dass auch Lösungsansätze gegenseitig angewandt werden können. Viel wichtiger ist jedoch die Erkenntnis, dass es sich lohnen kann, Bürgerhaushalte einmal in neuen Kontexten zu „denken“. So könnte der Aspekt der Identifikation auch bei Bürgerhaushalten eine gewichtigere Rolle einnehmen. Die Identifikation der Bürgerinnen und Bürger mit ihrer Stadt oder Kommune könnte etwa in der Öffentlichkeitsarbeit zu Bürgerhaushalten stärker angesprochen werden. Gleichzeitig wäre das Stichwort "Identifikation" auch ein Referenzpunkt für die gezielte Ansprache bislang schwer erreichbarer Zielgruppen.

Externer Link: Link zum Participatory Budgeting Project, das seine Mitglieder in die Verteilung seiner Spendengelder einbindet

Ein Gedankenspiel von Julian Ermert und Katja Fitschen

Fussnoten

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