Vom 2. bis 6. September 2019 machten Partner eines GIZ-Projekts aus der Ukraine, Georgien und Armenien Station in Berlin, Potsdam, Ketzin und Szczecin, um sich mit den deutschen und polnischen Kolleg/-innen über das Thema Bürgerhaushalt auszutauschen und mehr über „deutsche Besonderheiten“ zu erfahren. Wir haben die Teilnehmenden im Anschluss getroffen und nach Ihren Erfahrungen gefragt.
Die Teilnehmenden der Fachexkursion waren mit ganz unterschiedlichen Voraussetzungen und Blickwinkeln angereist: Während die Ukraine Bürgerbudgets auf lokaler Ebene bereits seit 2 Jahren praktiziert, wollen Georgien und Armenien ab 2020 ein solches Verfahren einführen. Die Ukraine hat sich bei der Planung und Umsetzung des Verfahrens am Nachbarn Polen orientiert. Die Verwaltung der jungen Stadt Energodar – das Durchschnittsalter liegt bei 35-40 Jahren – kommuniziert sehr aktiv mit den Bürger/-innen.
„Wir beraten und informieren viel über Social Media und die klassischen Medien. Vor der Abstimmung machen wir einen so genannten Projektjahresmarkt, wo sich jeder Autor eines Vorschlages vorstellen kann“, erzählt Lena Denysenko, Leiterin der Finanzabteilung in der städtischen Verwaltung. Das Format komme bei den Bürger/-innen sehr gut an. Und welche Erfahrung nimmt sie mit in die Ukraine? „Künftig möchte ich noch intensiver mit den Bewohner/-innen arbeiten und auch neue Begegnungsformen ausprobieren“, sagt die Ukrainerin. Besonders interessant in diesem Zusammenhang fand sie das Jugendparlament, das die Delegation in Tempelhof-Schöneberg besucht hat. „Das ist ein hervorragendes Beispiel, um Jugendlichen die Haushaltsgrundzüge näherzubringen.“
Auch Jemal Takidze aus Georgien hat es das Jugendparlament angetan. Der Leiter der Finanzabteilig der georgischen Gemeinde Keda Er ist mitgereist, um sich gezielt über das deutsche Verfahren zu informieren – das Land will ab 2020 einen Bürgerhaushalt einführen. „Wir haben versucht, diejenigen Aspekte in den verschiedenen Vorträgen ‚einzusammeln’, die für uns interessant sein könnten.“ Der Wunsch nach mehr Partizipation bei den Bürger-/innen sei sehr hoch. „Allerdings ist bei uns der Vertrauensgrad nicht so hoch wie in Deutschland“, gibt Takidze zu Bedenken. Das Abstimmungsverfahren ist deshalb für ihn von besonderer Relevanz. Deshalb will er hier viele Überlegungen „investieren“, um das Fälschungsrisiko zu verringern.
Auch Armenien betritt Neuland, was die Beteiligung der Bürger/-innen an der Haushaltsplanung betrifft. Man kann die Motivation von Irina Yolyan, stellvertretende Bürgermeisterin der Gemeinde Goris , deutlich spüren. „Wir haben während unseres Aufenthalts in Deutschland spontan ein kleines Projekt zusammengestellt, das wir nach der Rückkehr in Goris durchführen möchten, um zu sehen, wie das Thema bei den Bürger/-innen ankommt.“ Das sei auch eine wichtige Voraussetzung, damit der Stadtrat den Bürgerhaushalt als Teil des Stadthaushaltes beschließen kann. „2020 hoffen wir auf konkrete Ergebnisse.“
Yolyan und ihre Kolleg/-innen haben bereits viele Ideen. „Jeder Schritt zur Demokratie ist besser für die Stadt. Wenn die Bewohner die Probleme kennen und sich an den Lösungsvorschlägen beteiligen können, bringt und das voran.“ Dabei wollen die Verantwortlichen auch eng mit dem NGO-Sektor zusammenarbeiten. „Wir sind uns sicher, dass die Ergebnisse auch für Deutschland interessant sein könnten“, sagt sie, und fügt lachend hinzu: „Herzlich Willkommen in Armenien!“