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"Fachdaten einfach aufbereiten" Interview mit Frau Prof. Dr. Weber

Redaktion Netzwerk Bürgerhaushalt

/ 8 Minuten zu lesen

Die Rechenschaftsberichte zu den verschiedenen Bürgerhaushalten sind sowohl vom Aufbau, wie auch im Layout, sehr unterschiedlich. Im Gespräch mit Prof. Dr. Wibke Weber von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften hat die Redaktion Do's und Don'ts bei der Verwendung von Graphiken in Rechenschaftsberichten erarbeitet und für Sie an Beispielen illustriert.

Die Rechenschaftsberichte zu den verschiedenen Bürgerhaushalten sind sowohl vom Aufbau, wie auch im Layout, sehr unterschiedlich. Im Gespräch mit Prof. Dr. Wibke Weber von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften hat die Redaktion Do's und Don'ts bei der Verwendung von Graphiken in Rechenschaftsberichten erarbeitet und für Sie an Beispielen illustriert.

Zur Person: Frau Dr. Wibke Weber ist Dozentin am IAM Institut für Angewandte Medienwissenschaft. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Bildsemiotik, Informationsvisualisierung, Textdesign, Visual Storytelling und multimodale Kommunikation in Journalismus und Organisationskommunikation. Sie ist Herausgeberin des Standardwerks "Kompendium Informationsdesign" (2008) und Mitherausgeberin des Buches "Interaktive Infografiken" (2013). Zudem verfügt sie über langjährige Berufserfahrung als Journalistin für Hörfunk und Online (u.a. hr, SWR, Hubert Burda).

Redaktion: Wie lassen sich komplizierte Informationen überhaupt einfacher darstellen? Was muss man beachten? Gibt es vielleicht sogar allgemeine Gestaltungsprinzipien, die man dort anlegen kann?

Weber: Wenn wir jetzt vom Print-Bereich, also den klassischen Rechenschaftsberichten ausgehen, da gibt es natürlich Gestaltungsprinzipien, die unter dem Begriff Textdesign zusammengefasst werden können. Dazu gehören zwei Bereiche: Einmal die Optik, das heißt der Text ist ansprechend gestaltet und die Leserin oder der Leser bekommt dadurch Lust, sich damit zu beschäftigen. Der andere Bereich ist der Inhalt. Es muss das, was optisch attraktiv daherkommt, auch inhaltlich attraktiv sein. Diese beiden Seiten, das Visuelle und das Verbale, die Optik und die Sprache, das sehe ich als zwei Seiten einer Medaille, die zusammengehören. Beide müssen attraktiv und verständlich gestaltet sein, damit der Leser wirklich effizient die Informationen verstehen kann.

Zu diesen beiden Seiten gibt es dann sehr viele konkrete Empfehlungen, wie man Texte gestaltet. Das fängt damit an, dass man die Sprache der Leser und der Leserinnen spricht, dass man Fremdwörter vermeidet, möglichst aktive Verben verwendet, dass man einfache Sätze bildet. Aber nicht unbedingt nur kurze Sätze. Es können durchaus auch mal längere Sätze dabei sein, die aber eben nicht verschachtelt sein dürfen. Ein guter Rhythmus aus kurzen und langen Sätzen ist empfehlenswert. Wichtig ist auch, dass man die Leserinnen und Leser direkt anspricht. Man kann auch mal einen Zwischentitel als Frage formulieren. Zum Beispiel "Was habe ich als Leserin oder als Leser davon?". Man sollte auch schauen, dass ein roter Faden durch den Text läuft, dass die einzelnen Abschnitte inhaltlich zusammenhängen und dass man eine übersichtliche Gliederung hat. Das sind erst mal so ganz einfache Gestaltungsprinzipien auf Satzebene.

Dann ist es wichtig, dass man den Text in inhaltlich sinnvolle Abschnitte modularisiert. Hier kann man gut mit Zwischentiteln arbeiten. Sie fungieren immer wieder als Eye-Catcher. Nicht alle Leserinnen oder Leser wollen immer den ganzen Text lesen, sondern nur das, was sie interessiert. Zwischentitel bieten hier einen sinnvollen und interessenbezogenen Texteinstieg. Was den Umfang der Informationen angeht, ist die Faustformel sinnvoll: So viele Informationen wie nötig, und nicht so viele Informationen wie möglich.

Redaktion: Und welche Empfehlungen haben Sie in Sachen Optik?

Weber: Ein übersichtliches Layout, das die Leser führt und orientiert, ist wichtig. Dazu gehören zum Beispiel Überschriftenhierarchien, Aufzählungen in Listenform oder Infoboxen. Auch auf die Wahl einer gut lesbaren Schriftart ist zu achten und auf eine entsprechend angepasste Zeilenlänge sowie Zeilenabstand. Ansprechende Optik umfasst auch die Farbgestaltung, etwa in Diagrammen. Hier gilt: Nicht zu bunt und vor allem eine inhaltlich konsistente Farbwahl. Wenn ein Produktbereich des Haushaltes die Farbe Rot hat, dann sollte diese Farbwahl durchgängig in allen Diagrammen verwendet werden. Also keine Farbwechsel von Grafik zu Grafik. Hier kann man sich auch an den Gestaltgesetze orientieren.

Redaktion: Gestaltgesetze: Was wird darunter verstanden?

Weber: Die Gestaltgesetze sind keine Gesetze im eigentlichen Sinne, sondern viel mehr Erkenntnisse darüber, wie wir Dinge zuordnen und wahrnehmen. Ein Gestaltgesetz ist etwa das Gesetz der Nähe. Das, was nahe beieinander steht, nimmt man als zusammengehörig war. Das bedeutet, Dinge die inhaltlich zusammengehören, sollten auch optisch nahe beieinander stehen, sodass man sofort den Zusammenhang erkennen kann. Ein weiteres Gesetz ist das Gesetz der Ähnlichkeit: Dinge, die ähnlich aussehen, die eine ähnliche Form, Figur oder Farbe haben, werden als zusammengehörig wahrgenommen. Oder das Gesetz der Einfachheit: Unser Gehirn interpretiert Strukturen, Formen oder Figuren so, dass sie möglichst einfach erscheinen. Einfache Formen können wir besser, rascher wahrnehmen als komplizierte. Und das gilt natürlich genauso fürs Webdesign und für Grafiken und Diagrammen. Unsere Forschungen zeigen aber, dass diese Gesetze bei der Gestaltung immer wieder missachtet werden. Eine gute Gestaltung berücksichtigt die Wahrnehmung von Ähnlichkeit, Regelmäßigkeit, Kontinuität und Einfachheit.

Redaktion: Können Sie hier ein Praxisbeispiel nennen? Was ist etwa bei der Gestaltung von Kreisdiagrammen zu beachten?

(© N.N.)

Weber: Bei Kreis- oder Tortendiagrammen werden oft die einzelnen Segmente so angeordnet, dass sie von der Beschriftung her gut in das Seitenlayout passen, aber nicht so, wie man Segmente in einem Kreisdiagramm anordnen sollte. Zu beachten ist hier: Man beginnt in der 12 Uhr-Position und fügt das größte Elemente dann rechts von dieser Position ein und das zweitgrößte links davon. Eine andere Möglichkeit wäre die Anordnung der Segmente der Größe nach im Uhrzeigersinn. Man startet dann mit dem größten Segment an der 12 Uhr-Position und lässt die anderen folgen, von der Wichtigkeit her abnehmend. Wir sind von unserer Leseweise so programmiert, dass wir in Tortendiagrammen eine Uhr sehen. Deswegen ist 12 Uhr die wichtige Position, weil man weiß, dass dort instinktiv der Blick einschlägt. Hier sollten folglich die wichtigsten Informationen stehen. Häufig wird jedoch mit den kleinsten, oft nichtssagenden Segmenten neben der 12 Uhr-Position angefangen. Oder man ordnet die Stücke so an, dass die Farben am besten zueinander passen und konzentriert sich dabei nicht mehr auf die Größe.

In dem Beispiel unten muss man sich fragen, wie sinnvoll es ist, Datensätze mit 0 Prozent auszuweisen. Und die Anzahl der Segmente sollte man auf fünf begrenzen, weil es sonst schwierig wird, die Tortenstücke zu vergleichen, und es mühsam ist für die Leserinnen und Leser, die vielen Farben zuzuordnen.

Redaktion: Häufig sind in Rechenschaftsberichten auch Tabellen zu finden: Haben Sie dafür auch Praxistipps?

(© N.N.)

Weber: Hier sollte man ganz bewusst auf einfache Gestaltung setzen. Manchmal sieht man bei Tabellen, dass viele, überflüssige Farben verwendet werden: Balken in hellgrau und weiß oder weiß und hellblau, die sich abwechseln, weil das Programm das so vorgibt. Aber zum besseren Verständnis einer Tabelle ist das nicht unbedingt notwendig. Man sollte auch darauf achten, dass man wirklich nur die wichtigsten Daten fett oder in einer anderen Farbe markiert, um damit gezielt die Aufmerksamkeit der Leserinnen und Leser auf diese Inhalte zu lenken. In diesem Beispiel muss man sich fragen: Haben die blauen Balken eine bestimmte Aussage? Oder nutzt man sie nur wegen der besseren Lesbarkeit? Alternativ könnte man hier mit ganz dezenten Linien arbeiten, wenn man die Daten abgrenzen möchte. In dieser Gestaltung könnte man meinen, alles was blau und alles was weiß ist, gehört zusammen. Das wäre dann ein Gestaltungselement, das wenig Leserführung bietet und sogar irreführend sein könnte.

Redaktion: Neben Diagrammen ist die Darstellung der eingereichten Vorschläge ein wichtiges Element in Rechenschaftsberichten. Dabei kommen viele Informationen zusammen, etwa die Stellungnahmen der Verwaltungen oder die Verteilungen der Bewertungen uvm. Besonders wichtig sind dabei die Informationen des Umsetzungsstatus, das heißt in welchen Stadium der Umsetzung befindet sich ein Vorschlag. Häufig wird dabei auf Ampelsysteme zur Visualisierung zurückgegriffen. Was halten Sie davon?

(© N.N.)

Weber: Ich finde es sehr gut, mit solchen Symbolen und Icons zu arbeiten. Wichtig dabei ist, dass das Symbol rechtzeitig erklärt wird, bevor es auftaucht. Das Ampelsystem kann eben sehr schnell ein Ergebnis anzeigen. Außerdem hat es den Vorteil, dass es aus dem Alltag bekannt ist und dessen Aussage für jeden gleich ist. Somit ist das sicherlich eine gute Visualisierungsmöglichkeit. Man sollte allerdings darauf achten, das Icon möglichst freizustellen und nicht, wie in diesem Beispiel, mit der Überschrift zu verschmelzen. Nur freigestellt kann es für sich wirken und wird nicht von der Überschrift verschluckt.

Redaktion: Rechenschaftsberichte zu Bürgerhaushalten beinhalten meist sehr kleinteilige Informationen, die von den Verwaltungen meist gesammelt in Tabellen dargestellt werden, um möglichst umfassend Rechenschaft abzulegen. Was würden Sie vorschlagen, um diese Flut an Informationen in einem sinnvollen Layout zu kanalisieren?

Weber: Was die Gestaltung der Tabellen angeht, ist es sinnvoll, Zahlen und Text möglichst wenig in Liniengittern einzubauen. Sie sollten möglichst freigestellt und in "Weißraum" eingebettet sein, damit Tabellen leichter und luftiger daherkommen. Oft reicht es schon, wenn man die Umrandungen weglässt. Was die Inhalte betrifft, wäre mein Vorschlag, detaillierte Informationen auszugliedern und in den Anhang zu stellen. Man könnte die wichtigsten Informationen in einem Fließtext oder in einer Tabelle zusammenfassen und von dort auf den Anhang verweisen, wo diejenigen, die wirklich Vorschlag für Vorschlag im Detail durchgehen wollen, umfassende Informationen finden. Dieses Vorgehen würde den eigentlichen Bericht nicht so umfangreich machen.

Redaktion: Ein weiterer wichtiger Punkt ist, Sie hatten es ja bereits angesprochen, die verwendete Sprache. Oftmals sind die Stellungnahmen der Verwaltungen gespickt mit Behördensprache und damit für viele Bürgerinnen und Bürger unverständlich. Häufig ist es jedoch aus Sicht der Verwaltung notwendig, bestimmte Begriffe zu verwenden. Eine Vereinfachung könnte hier eher zur Verfälschung werden. Was kann man machen, um diesem Spagat gerecht zu werden? Sind Glossars der Ausweg?

Weber: Bei einem Glossar haben wir das Problem, dass die Leserinnen und Leser den Fließtext verlassen müssen, denn die Erklärung steht dann weiter hinten, viele Seiten später. Auch Fußnoten sind hier nicht die beste Alternative. Wenn man bürgerfreundlich sein möchte, sollte man die sogenannte Plain Language wählen; eine einfach Sprache, die alle Bürgerinnen und Bürger verstehen können, etwa auch Bürgerinnen und Bürger mit Migrationshintergrund. Sollte dann doch ein Fachbegriff auftreten, empfiehlt es sich, diesen direkt an der entsprechenden Stelle zu erklären und transparent zu machen.

Redaktion: Aus gestalterischer Perspektive kommen einem in Sachen Erklärungstexte die Zeitungen in den Sinn. Hier werden häufig Begriffe in gesonderten Erklärboxen erläutert. Wäre das auch eine Idee für Rechenschaftsberichte?

Weber: Das ist eine Möglichkeit, dass man Begriff in Boxen erklärt, aber dann muss man auch immer die Anzahl dieser Boxen im Auge behalten. Wenn man dann am Ende auf jeder Seite Boxen aufmachen muss, dann wäre erneut der Lesefluss unterbrochen und der Leser, die Leserin muss mit dem Blick hin- und herwandern. Erklärboxen bieten sich an, wenn etwa eine Person genannt wird, um diese dann nochmal gesondert vorzustellen.

Redaktion: Dann lassen Sie uns zum Abschluss noch einen Blick auf die Rechenschaftsberichte werfen, die über das Internet realisiert wird. Wo sehen sie hier die Stärken des Internets, um die Daten aus Rechenschaftsberichten dazustellen?

Weber: Der Vorteil ist hier natürlich, dass man die Tiefe der Daten an die Bedürfnisse der Nutzerinnen und Nutzer anpassen kann. Hier kann man dem Nutzer und der Nutzerin ein Analysetool an die Hand geben, das unterschiedliche Arten der Navigation zulässt. Das bedeutet, man kann einmal eine Ebene schaffen, wo man die Nutzer führt und ihnen die wichtigsten Informationen des Rechenschaftsberichtes präsentiert. Eine geführte Datenvisualisierung ist sinnvoll besonders für die, die nur das Wichtigste kurz und knapp erfahren wollen. Auf der zweiten Ebene könnte dann eine Navigation angeboten werden, die den Bürgerinnen und Bürgern eine freie Navigation und thematische Filterung erlaubt. Das wiederum erfordert von den Nutzern mehr Zeit, weil sie selbst entscheiden müssen, was sie wissen wollen. Gleichzeitig kann man mit solchen interaktiven Datenvisualisierungen viele individuelle Fragen der Nutzerinnen und Nutzer beantworten.

Redaktion: Frau Prof. Dr. Weber, wir bedanken uns für das Gespräch.

Fussnoten

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