In der rumänischen Wissenschaftszeitschrift Administrație și Management Public haben Philipp Nitzsche, Adriano Pistoia und Marc Elsäßer von der Universität Speyer eine neue Studie zur Verwendung von Web 2.0 bei elektronischen Bürgerhaushalten veröffentlicht. Die Studie in englischer Sprache untersucht dabei auf 20 Seiten eine Auswahl von zwölf deutschen Online-Bürgerhaushalten. Ziel der Studie ist es, einen generellen Analyserahmen für die Untersuchung von E-Government-Angeboten auf ihre Web 2.0-Ausrichtung hin zu entwickeln, wobei die Bürgerhaushalte als Testmodell dienen.
Der Untersuchung vorangestellt ist zunächst eine Definition des häufig sehr unscharf verwendeten Begriffs "Web 2.0". Die Autoren machen dabei vier Eigenschaften aus, die für Angebote des Web 2.0 kennzeichnend sind: eine Orientierung des Angebots an Interaktion, die Möglichkeit zur Personalisierung, soziales Netzwerken und nutzergenerierter Inhalt. Dies unterscheide sie vom "klassischen" Internetangebot, bei dem vornehmlich reine Informationsinhalte geboten würden.
Daran anschließend stellen die Autoren vier verschiedene Entwicklungsstufen von E-Government vor. Auf der ersten Stufe steht dabei das reine Informationsangebot, in dem Bürgerinnen und Bürger sich auf elektronischem Weg über staatliches Handeln erkundigen können. Auf der zweiten Stufe stehe die Möglichkeit zur Kommunikation mit der Regierung, auf der dritten die zur elektronischen Abwicklung von öffentlichen Dienstleistungen (bspw. Einreichung von Anträgen). Die vierte und letzte Stufe sei Partizipation, also die tatsächliche Einbeziehung von Bürgerinnen und Bürgern in die Planung und Ausgestaltung von Regierungshandeln.
Nachdem sie ihren Analyserahmen vorgestellt haben, wenden die Autoren diesen auf die ausgewählten elektronischen Bürgerhaushalte in Deutschland an. In die Analyse einbezogen wurden dabei die Bürgerhaushalte von Bad Honnef, Bergheim, Essen, Freiburg, Hamburg, Köln, Potsdam, Solingen, Trier, sowie der Berliner Bezirken Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf und Friedrichshain-Kreuzberg. Zu jeder der vier vorgestellten Eigenschaften stellen sie dabei ein Set von Fragen vor, die an die ausgewählten Bürgerhaushalte gestellt wurde. So beispielsweise, ob die Verwaltung den Bürgerinnen und Bürgern Rückmeldung zu den eingestellten Vorschlägen gibt (Interaktionsorientierung) oder ob die Teilnehmenden auf die Vorschläge anderer reagieren können (nutzergenerierte Inhalte).
Bei der Frage der Interaktionsorientierung machen die Autoren einige sehr gute Ansätze aus, sehen aber insgesamt noch deutliches Entwicklungspotential in diesem Bereich. Wichtig sei, dass die Verwaltung zeitnah auf die Bürgervorschläge reagiere und dies auch deutlich kommuniziert werde. So versuchten Trier und Essen bereits während des laufenden Verfahrens eine Einschätzung der Verwaltung vorzulegen, während hingegen Köln sich erst nach Abschluss des Verfahrens und auch nur zu den bestbewertesten Vorschlägen äußere.
Der Punkt der Personalisierung sei bei allen untersuchten Bürgerhaushalten nur sehr schwach ausgeprägt und berge noch viel Entwicklungspotential. So sei es nur im Bürgerhaushalt Friedrichshain-Kreuzberg möglich, ein Nutzerprofil mit Vorlieben und Hobbies zu veröffentlichen. Andere Bürgerhaushalte böten allenfalls die Möglichkeit ein Profilbild einzustellen.
Auch in Bezug auf soziales Netzwerke sehen die Autoren einen geringen Entwicklungsgrad in den untersuchten Verfahren. So sei eine direkte Kontaktaufnahme zwischen verschiedenen Nutzern oder die Bildung eines Freundesnetzes allenfalls in Ansätzen in einigen Verfahren realisiert. Lediglich Bad Honnef biete hier aufgrund der eingesetzten Forensoftware einige Funktionen, die aber weit hinter den Möglichkeiten anderer Sozialer Netzwerke wie bspw. Facebook zurückblieben.
Bezüglich der Dimension nutzergenerierter Inhalte sehen die Autoren hingegen einen sehr hohen Entwicklungsgrad. Auch wenn in einigen Verfahren wie Essen und Solingen die Bürgerinnen und Bürger sich nur zu den von der Verwaltung eingestellten Vorschlägen äußern dürften, sei es doch in allen Verfahren im hohen Maß möglich eine Diskussion zu führen und Meinungen auszudrücken. Entwicklungspotential sehen die Autoren hier vor allem noch bei der stärkeren Integration von externen Diensten wie Twitter, Facebook etc. In kaum einem Verfahren seien tatsächlich umfänglich die bekanntesten Angebote eingebunden.
In ihrem Fazit kommen Nitzsche, Pistoia und Elsäßer zu dem Schluß, dass die Verfahren sich in ihrer Umsetzung stark unterschieden und daher jeweils in verschiedenen Bereichen Stärken und Schwächen zeigten. Insgesamt merke man, dass elektronische Bürgerhaushalte in Deutschland noch am Anfang der Entwicklung stünden und das mögliche Web 2.0-Potential oft noch nicht ausgenutzt werde.