Die Beteiligung junger Menschen an kommunalen Haushaltsentscheidungen stellt immer noch eine Seltenheit dar, dabei könnten Jugendhaushalte eine lohnende Investition in die Zukunft von Kommunen darstellen. Erste Ansätze und Pilotprojekte existieren in Deutschland bereits. Was muss bei der Anwendung des Modells Bürgerhaushalt im Jugendbereich beachtet werden? Welche spezifischen Anforderungen bestehen bei der Beteiligung von Jugendlichen? Welche Themen eignen sich? Welchen Möglichkeiten und Grenzen gilt es Aufmerksamkeit zu schenken?
1. Jugendbeteiligung und Haushaltspolitik
Die Beteiligung und Integration junger Menschen in die Lokal- bzw. Kommunalpolitik ist ein beständiges Ziel und eine Maxime von Jugendarbeit und Jugendpolitik. Bundesweit existieren dahingehend zahlreiche Angebote und Formate wie Jugendgemeinderäte, Kinder- und Jugendparlamente und Jugendforen, die zur Mitwirkung aufrufen. Geprüft auf Intention und Wirkkraft bleiben viele bestehende Formate aber oft eher Maßnahmen politischer Bildung, als dass sie reelle Chance auf Beteiligung garantieren. Nur selten münden sie in eine tatsächliche Teilhabe an kommunalpolitischen Entscheidungsprozessen. Vor allem in Bezug auf die Partizipation von Kindern und Jugendlichen an fiskalpolitischen Entscheidungen fehlt es bisher an Konzepten und entsprechenden Rahmenbedingungen.
An dieser Stelle erweist sich das Modell Bürgerhaushalt nicht nur in der Theorie als anschlussfähig.
2. Leitziele und Rahmenbedingungen von Jugendhaushalten
Kommunale Partizipationsprojekte mit Kindern und Jugendlichen, verstanden als Aushandlungsprozesse zwischen Erwachsenen und Kindern/Jugendlichen, sollten vor allem ergebnisorientiert und ergebnissoffen sein. Oft sind sie seitens der Kommunen mit Nützlichkeitserwägungen verbunden, deren Ergebnis entscheidet, ob die Schaffung von Beteiligungsmöglichkeiten "notwendig" ist oder nicht. Solche Überlegungen überlagern dabei aber leider auch immer wieder die Auseinandersetzung damit, dass Kindern und Jugendliche das Recht auf Beteiligung besitzen. (Knauer/Friedrich/Herrmann u.a. 2004:16). Erst wenn diese Rechte anerkannt werden, sollten die Fragen gestellt werden, was die Einbeziehung von Kindern und Jugendlichen in Bürgerhaushalte bewirken kann und welchen Mehrwert sie für Kommunen und Gemeinden bringt.
Ansatzpunkte und Leitziele für die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an Bürgerhaushalten bzw. die Etablierung eigener Jugendhaushalte können sein:
Legitimität von kommunalpolitischen Entscheidungsprozessen durch die aktive Partizipation von Kindern und Jugendlichen erhöhen
Verbesserung der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen durch die direkte Einbeziehung der Zielgruppe
Interesse und Engagement von jungen Menschen an Haushalts- und Kommunalpolitik fördern
Verständnis und Akzeptanz von kommunalpolitischen Entscheidungsprozessen erhöhen
jungen Menschen Möglichkeiten und Grenzen von haushaltspolitischen Entscheidungen vermitteln
Für die Partizipation von Jugendlichen an einem Bürgerhaushalt gilt es dabei im Vorfeld die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Als grundlegende Voraussetzungen gelten die Bereitschaft der Kommune/ der kommunalpolitischen Akteure zu Jugendbeteiligung und die Etablierung von Beteiligungsrechten von Kindern und Jugendlichen. Entscheidet sich eine Kommune dafür, Mitwirkungsangebote für junge Menschen zu initiieren, muss zudem ein konkretes Partizipationsfenster geschaffen werden. Die Beteiligung junger Menschen an haushaltpolitischen Entscheidungen ist dabei kein Selbstläufer und setzt eine finanzielle und personelle Unterstützung des Partizipationsangebotes sowie eine pädagogische Betreuung voraus.
3. Erfolgskriterien und Anforderungen an das Konzept Jugendhaushalt
Für die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen gelten spezifische Anforderungen und Standards, die bei der Anwendung des Modells Bürgerhaushalt für Jugendliche beachtet werden müssen:
Es gibt etwas zu entscheiden! Noch einmal: Mit der Entscheidung für die Etablierung eines Jugendhaushaltes sollte ein konkretes Partizipationsfenster geschaffen werden. Dies setzt den Willen zu einem ergebnisoffenen Prozess voraus, der über ein reines Konsultationsverfahren hinausgeht. Meinungsabfragen und Stimmungsbilder von Kindern und Jugendlichen sind wichtige Bestandteile von Partizipationsverfahren, stellen aber noch keine aktive Teilhabe dar. Kommunal- und haushaltspolitische Entscheidungsverfahren sollten sich dabei für Jugendliche als das darstellen, was sie sind: Prozesse an denen viele Akteure beteiligten sind, die über ihre unterschiedlichen Interessen verhandeln. Scheinbeteiligung in Form bloßer Affirmation bereits vorformulierter Entscheidungen kann in diesem Sinne nicht das Ziel ernsthafter Partizipationsangebote an Kinder und Jugendliche sein.
Es muss Spaß machen!
Der Inhalt der Mitwirkungsangebote gehört zu den wichtigsten Erfolgskriterien von Jugendbeteiligungsprojekten. Neben mangelnder Information über Beteiligungsangebote zählt das Desinteresse am Thema immer noch zu den größten Hinderungsgründen für Jugendliche zu partizipieren. Die "Betroffenheit", der unmittelbare Lebensweltbezug, gilt allgemein als grundlegende Gelingensbedingung von Partizipationsangeboten für Kinder und Jugendliche. Ziel sollte es daher sein, den Kindern und Jugendlichen zu vermitteln, was der Haushalt mit ihrem eigenen Leben und ihren Interessen zu tun hat. Als eine weitere Hemmschwelle kann das hohe Aufkommen von Dokumenten und Unterlagen gelten, das in der Regel mit haushaltspolitischen Verhandlungen einhergeht. Von Kindern und Jugendlichen kann nicht erwartet werden, dass sie sich durch mitunter mehrere hundert Seiten starke Antragstexte, Positionierungen oder Rechenschaftspapiere arbeiten. Hier stellt sich die Aufgabe, die Materialien aufzuarbeiten und zielgruppengerecht zu vermitteln.Freiwilligkeit und Zugänglichkeit von Jugendhaushalten
Genauso wenig wie Erwachsene zur Beteiligung an einem Bürgerhaushalt verpflichtet werden, sollten auch Jugendliche nicht gezwungen werden, sich an einem Jugendhaushalt zu beteiligen. Was grundsätzlich eine Selbstverständlichkeit darstellt, kann eventuell in Vergessenheit geraten, wenn die Beteiligung z.B. im Zuge einer Projektarbeit im ganzen Klassenverband durchgeführt wird. Kindern und Jugendlichen sollten zudem keine (moralischen oder sozialen) Sanktionen drohen, wenn sie ihre einmal gegebene Bereitschaft zur Partizipation widerrufen.
Jugendliche für kommunalpolitische Themen zu begeistern kann eine Herausforderung darstellen. Dabei wird, mitunter aus der Not heraus, immer wieder auf jugendliche "Beteiligungsprofis", bereits politisch oder gesellschaftlich stark engagierte Jugendliche, zurückgegriffen. Diese können eine wertvolle Stütze sein, was aber nicht vergessen lassen darf, dass es das Ziel ist, Allen den Zugang zum Verfahren zu ermöglichen. Eine alleinige Ansprache von jugendlichen Teilnehmern etwa aus Kreisen der Schülersprecher ist sicherlich erfolgversprechend, aber nicht zielführend, wenn es um die Inklusion möglichst vieler Kinder und Jugendlicher geht.Transparenz und Partizipationsmöglichkeiten in allen Verfahrensphasen
Von Beginn an, sollte klar kommuniziert werden, was mit dem Input der Jugendlichen passiert und welche Entscheidungsverfahren durchlaufen werden. Bei der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen besteht besonderer Bedarf an die Sichtbarkeit des Prozesses und dessen Ergebnissen. Das bedeutet keinesfalls, dass die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen zwangsläufig "erfolgreich" sein muss, d.h. die Eingaben eins zu eins umgesetzt werden müssen. Jedoch müssen die relevanten Entscheidungen kommuniziert und für die Jugendlichen nachvollziehbar begründet werden. Dementsprechend ist eine Rechenschaftsphase ein essentieller Bestandteil eines Jugendhaushaltes und sollte bei der Konzeption des Verfahrendesigns eingeplant werden. Bei vielen derzeit existierenden Bürgerhaushalten wurden die Verfahren von Verwaltung und externen Beratern erarbeitet. Trotz solcher notwendigen Expertise Dritter, sollte bereits die Konzeptionsphase partizipativ angelegt sein. Modell, Verfahrensdesign, Themenbereiche und Projektvorschläge werden idealerweise gemeinsam mit den Kindern und Jugendlichen erarbeitet.Information und zielgruppengerechte Partizipation
Die Bereitstellung von Informationen ist ein grundlegendes Erfolgskriterium für Partizipationsvorhaben. Auch die Studie "Externer Link: Kinder- und Jugendpartizipation in Deutschland" der Bertelsmann-Stiftung identifiziert den Informationsstand als zentralen Einflussfaktor in Bezug auf die Mitwirkung jungen Menschen an ihrem Wohnort und als eine Ursache für geringere oder größere Partizipation. Die Notwendigkeit an Informationen besteht dabei natürlich nicht nur in Bezug auf die prinzipiellen Mitwirkungsmöglichkeiten zu Beginn, sondern während des gesamten Partizipationsprozesses.
Die zielgruppengerechte Ansprache ist ebenfalls ein wichtiger Erfolgsfaktor für das Gelingen von Beteiligungsvorhaben. Es sollte beispielsweise geprüft werden, ob es bei der Beteiligung von Kindern- und Jugendlichen zielführend ist, die Ansprache ausschließlich auf postalischen Wege durchzuführen, wie es immer noch bei vielen Bürgerhaushalten in Deutschland geschieht. Prinzipiell sollten Information und Ansprache auf so vielen Wegen und Kommunikationskanälen wie möglich bereitgestellt werden, um exklusiven Beteiligungsangeboten vorzubeugen. Mit Blick auf das Mediennutzungsverhalten von Kindern und Jugendlichen, vor allem die hohe Online-Penetration sowie die Habituaisierung und Reichweite von digitalen Kommunikationstools, ist es empfehlenswert, nicht nur die Information, sondern auch das Beteiligungsverfahren zu digitalisieren, wenn nicht sogar den Jugendhaushalt als Ganzes in Form eines ePartizipations-Projektes zu realisieren. Sichtbarkeit und Verbindlichkeit der Ergebnisse
Die (zeitnahe) Sichtbarkeit der Ergebnisse ist eine zentrale Gelingensbedingung für die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen. Etwaige Hindernisse bezüglich der Umsetzung sollten daher nicht erst nach abgeschlossenem Entscheidungsprozess sichtbar werden, sondern im Laufe des Verfahrens kommuniziert und mit den Jugendlichen besprochen werden. Auch wenn es der politischen Realität kommunaler Politik entspricht, dass bereits ausgehandelte Vereinbarungen wieder zur Disposition gestellt werden müssen, sollte dieses Risiko bei Jugendhaushalten im Vorfeld soweit wie möglich ausgeschaltet werden. Eine verschleppte oder im schlimmsten Falle gar nicht umgesetzte Entscheidung eines Jugendhaushaltes birgt großes Frustrationspotential für die beteiligten Jugendlichen. Dieses Bewusstsein sollte bei Stadtrat oder Gemeinderat und allen anderen beteiligten Akteuren im Vorfeld geschaffen werden.Pädagogische Begleitung und Koordination von Jugendhaushalten
Für Kinder und Jugendliche kann die Komplexität politischer Realität eine große Hemmschwelle darstellen. Wie die Studie "Externer Link: Sprichst Du Politik" der Friedrich-Ebert-Stiftung aufzeigt, gestaltet sich für Jugendliche schon die politische Sprache als sehr anspruchsvoll.[3] Daneben können die Prozesse und vielschichtigen Entscheidungsstrukturen kommunaler Politik für Jugendliche undurchschaubar erscheinen. Es zählt daher zu den Anforderungen an Beteiligungsangebote für Jugendliche, diese Komplexität zu reduzieren und Themen, Zusammenhänge und Prozesse begreiflich zu machen.
Die Notwendigkeit an Transparenz und Information sowie zielgruppengerechter Kommunikations- und Partizipationsformen bedingen einen hohen Aufwand an Koordination und (pädagogischer) Unterstützung. Verwaltung, Schulen, außerschulische Bildungsstätten und andere Kooperationspartner können dabei als wichtige Ansprechpartner und auch Vermittler zwischen den Jugendlichen und anderen kommunalpolitischen Akteuren dienen. Jedoch besteht auch immer ein Spannungsfeld zwischen pädagogischer Begleitung und dem normativen Ziel der größtmöglichen Selbstbestimmung von Kindern und Jugendlichen. Die pädagogische Begleitung bei Jugendhaushalten muss demnach sowohl unterstützend wirken, aber gleichermaßen ein möglichst hohes Maß an Selbstbestimmung zulassen und fördern.
4. Mögliche Grenzen des Konzeptes Jugendhaushalt
Als eine Grenze bzw. Hinderungsgrund des Konzeptes Jugendhaushalt muss die Einstellung der Kommune zur Beteiligung von Jugendlichen im Allgemeinen und die Beteiligung an Budgetfragen im Speziellen gelten. Inwieweit diese Grenzen verschiebbar sind, gilt es mit den beteiligten Akteuren und Institutionen zu erörtern.
Positive Vorerfahrung sowohl mit der Beteiligung von Jugendlichen als auch mit Bürgerhaushalten, die Unterstützung von Schulen und Eltern und der Austausch mit anderen Kommunen können hier sicherlich hilfreich sein. Zudem sind es vor allem Aspekte der Finanzierung die Grenzen aufzeigen können. Bei der Konzeption eines Jugendhaushaltes muss nicht nur das zu verhandelnde Budget bereitgestellt sondern auch die finanziellen und personellen Kosten des Partizipationsangebotes, die bei der Steuerung, Kommunikation und Betreuung anfallen, eingeplant werden.
Grenzen, die sich aus der Perspektive der Jugendarbeit bzw. aus Sicht der beteiligten Jugendlichen ergeben, stellen möglicherweise die Themen dar. Angesichts der Anforderung, dass Partizipationsangebote an junge Menschen immer auch einen Bezug zu ihrer Lebenswelt besitzen oder herstellen sollten, eignen sich nicht alle haushaltspolitischen Bereiche als Themen für einen Jugendhaushalt. Als typische Interessen von Kindern und Jugendliche gelten vor allem Freizeit- und Sportmöglichkeiten und die Schaffung von eigenen Räumen wie bspw. Jugendzentren. Wie Studien zeigen, engagieren sich Jugendlichen außerdem häufig in den Bereichen Umweltschutz und Soziales.
Da in der Regel die ökonomische Alphabetisierung, das Verständnis und Kennenlernen von haushaltspolitischen Prozessen und Aspekten, ein inhärentes Ziel von Jugendhaushalten ist, sollten die Themenfelder aber nicht im Vorfeld unnötig verengt werden und nur "klassische" Jugendthemen ausgewählt werden. Die Beteiligung junger Menschen kann bspw. auch in den Bereichen Raumplanung und Städtebau fruchtbar sein und neue Perspektiven eröffnen. Dahingehend könnte es eines weiteres handlungsleitendes Ziel von Jugendhaushalten sein, Kinder und Jugendliche dazu zu befähigen ihre eigenen (gegebenenfalls neue) Interessengebiete zu identifizieren und zu verwirklichen.
Lisa Peyer ist beim beim Institut für Kommunikation in sozialen Medien (ikosom) verantwortlich für politische Jugend- und Erwachsenenbildung, E-Partizipation und politische Kommunikation.