Bürger:innen-Beteiligung auf EU-Ebene – heißt das eher, überall vor Ort städtische Möglichkeiten umzusetzen? Oder sollte es um Entscheidungen direkt über EU-Mittel gehen? Und überhaupt: Ist so etwas umsetzbar? Mit diesen Fragen hat sich Silvia Ellena, Mitglied des mit Europafragen befassten Mediennetzwerks EURACTIV, beschäftigt. Ihr Ausgangspunkt ist der Willen des EU-Parlaments, das 2021 vorgeschlagen hat, mit Bürgerhaushalten auf EU-Ebene zu experimentieren. So sollen Europäer:innen mitentscheiden können, wie EU-Geld ausgegeben wird.
Bürge:innen über den EU-Haushalt mitentscheiden zu lassen, könnte eine Herausforderung sein, sei aber „absolut machbar“, befindet Elisa Lironi, Senior Managerin beim European Citizen Action Service (ECAS). Sie plädiert dafür, Bürgerhaushalte auf EU-Ebene mit einem kleinen Anteil am Haushalt zu starten. Dabei sollten die Bürger ähnlich wie bei einem Konsultationsprozess gefragt werden, wofür die Europäische Union diesen Betrag ausgeben soll.
Lironi setzt sich für eine Stärkung der Bürger:innen innerhalb der EU ein, um die Staatengemeinschaft integrativer zu machen und zu festigen. In diesem Rahmen stellt sie sich beispielsweise die Mitentscheidung über Mittel aus EU-Programmen vor und nennt das Erasmus-Programm, das sich vorrangig um die Förderung von Auslandsstudienplätzen kümmert.
Auf ein Problem weist Alberto Alemanno hin, der sich als Professor an der HEC Paris mit dem EU-Recht befasst: „Es ist nicht so einfach, die Bürger:innen direkt in die Vergabe der europäischen Haushaltsmittel einzubeziehen.“ Denn europäische Gelder werden in der Regel an nationale Behörden überwiesen, die für die Umverteilung dieser Mittel zuständig sind. Daher, so Alemanno, könne ein europäischer Bürgerhaushalt nur auf nationaler Ebene konzipiert und gestaltet werden.
Die EU solle deswegen ein „Instrumentarium für Bürgerhaushalte“ für die nationalen Behörden ausarbeiten, in dem die zu verwendenden Methoden und Verfahren beschrieben werden. Gleichzeit nimmt er einer raschen Umsetzung jedoch etwas den Wind aus den Segeln: So etwas brauche Zeit - die Einführung eines solchen Instruments auf europäischer Ebene sei „nicht unmittelbar“. Die EU könne aber eine entscheidende Rolle dabei spielen, den Prozess in allen Mitgliedsstaaten voranzutreiben: „Wenn die Europäische Union sie nicht dazu zwingt, indem sie alle Methoden zur Verfügung stellt und auch die Bereitstellung von Finanzmitteln an den Bürgerhaushalt koppelt, glaube ich nicht, dass dieser so schnell eingeführt wird, wie wir es uns wünschen.“
Dennoch: Optimistisch für EU-weite Bürgerhaushalte sind beide Befragten. Polen und Portugal haben die Beteiligung über Bürgerhaushalte ohnehin im nationalen Gesetz verankert, auch in den meisten anderen europäischen Ländern haben sich städtische Bürgerhaushalte etabliert. Eine gute Ausgangsbasis, so Alemanno, die sich leichter als manch andere Instrumente der Bürgerbeteiligung auf die nationale oder europäische Ebene ausweiten lasse.
- Hier geht’s zum Externer Link: Original-Beitrag bei EURACTIV – er ist Teil des EUROACTIV-special reports Externer Link: Wessen Demokratie? Der steinige Weg zur effektiven Bürgerbeteiligung text: mvv/wolk; foto: Antoine Schibler on Unsplash