Ende der 60er Jahre spielen nach Schätzung von Insidern 40-60.000 Mädchen und Frauen in Deutschland Fußball, nicht wenige davon bereits subversiv in einigen Abteilungen von DFB-Vereinen. Auftrieb erhalten die Kickerinnen durch die "neue Frauenbewegung", die sich im Zuge der sogenannten 68er-Revolution und Studentenbewegung etabliert. Allgemein beginnt "Ende der 1960er Jahre /.../ in den meisten westeuropäischen Gesellschaften ein Liberalisierungs- und Modernisierungsprozess, zu dessen Auslösern und Antreibern nicht zuletzt weibliche Emanzipationsbestrebungen gehörten. Die Einstellung gegenüber Frauen veränderte sich. Nicht von ungefähr korrespondierte diese Entwicklung mit einem neuerlichen Aufschwung des Frauenfußballs". (Dietrich Schulze-Marmeling. Fußball. 2000, S.93)
In Frankfurt gründet sich 1968 der Frauenfußballverein "SG Oberst –Schiel". Die "SG Oberst-Schiel" ist eigentlich ein Schützenverein Frankfurter Männer, die sich einmal im Jahr zu einem Fußballspiel gegen den Frankfurter Freizeitklub "Franken 66" verabreden. Die sportiven und fußballbegeisterten Gattinnen nehmen den Verabredungs-Kick der Herren zum Anlass, selbst aktiv gegen das Leder zu treten. Nach der "Premiere" völlig erschöpft und mit zahlreichen kleinen Verletzungen und Blessuren wollen die untrainierten Fußballerinnen dennoch weiterspielen. "Sie waren begeistert und voller Euphorie", erinnert sich Betreuer und Trainer Ferdi Stang. "Da haben wir gesagt, komm, wir machen weiter und haben dann zwei, drei Mal die Woche trainiert. Da kam Wörrstadt und Bad Neuenahr mit Anfragen zu Freundschaftsspielen, die wurden natürlich sehr in der Presse propagiert, mit Plakaten und so weiter, da waren pro Spiel an die zweitausend Zuschauer da." (Ferdi Stang, Interview 2005) Die Frauen von "SG Oberst –Schiel" sind die weiblichen Fußballpioniere im hessischen Raum und stehen 1977 gegen die SSG Bergisch Gladbach sogar im Finale um die Deutsche Meisterschaft.
Beim SC Bad Neuenahr gründet man trotz DFB-Verbots bereits 1969 eine eigene Frauenfußballabteilung. Allerdings, so weiß Trainer Heinz Schweden, "jedes mal wenn der DFB Wind von einem Spiel bekam, dann wurde uns eine Strafzahlung angedroht". (Heinz Schweden, Interview 2007)
Im Mai 1970 veranstalten die Ahrstädter erstmals ein Damenfußball-Turnier. Insgesamt zwölf Teams nehmen teil. In den folgenden Jahren kommen Clubs aus Rom und Reims oder aus dem englischen Luton. Bald entwickelt sich der internationale Wettbewerb zum weltweit größten Frauenfußball-Turnier. Immer wieder berichtet die Presse über das spielstarke Team von der Ahr mit der erst 15-jährigen Martina Arzdorf, dem "weiblichen Gerd Müller". Allein 37 Tore hatte die Mittelstürmerin in acht Spielen geschossen. "Martina bombt aus 35 Metern die Tore" titelt die "Bild am Sonntag" am 5. Juli 1970.
Inoffizielle WM in Italien
Das große Medienecho dringt auch nach Italien, und das Team aus Bad Neuenahr erhält eine Einladung, als Deutschland-Vertreter vom 7. Juli bis zum 15. Juli 1970 an einer inoffiziellen Frauen-WM in Italien teilzunehmen. "Achtung, Männer, jetzt bekommt ihr charmante Konkurrenz!" titelt die "Bild-Zeitung" schon im Vorfeld. (BILD, 4.7.1970) Frauenteams aus acht Nationen treten bei der WM an, u.a. aus Italien, England, der Schweiz und Dänemark. Das Turnier wird von der 1969 gegründeten FIEFF (Federazione Internazionale Europeo di Football Feminile) initiiert und durch den Spirituosenhersteller "Martini&Rossi" gesponsert. Die Spielerinnen und Trainer Heinz Schweden fühlen sich geehrt. Auf der Reise nach Italien machen sie im schwäbischen Illertissen Halt, um gegen eine Studentinnen-Auswahl aus Augsburg noch ein Testspiel zu bestreiten. 20.000 Zuschauer sehen dieses Spiel!
Bei der WM in Italien wird im K.o.-System gespielt, und der Deutschland-Vertretung aus Bad Neuenahr wird England als Gegner zugeteilt. Mit Blick auf die Herren-WM in Mexiko und das 2:3 der Engländer gegen Deutschland erwartet die Schweizer Tageszeitung "Blick" eine Revanche der englischen Fußball-Damen. Tatsächlich unterliegt die Elf von Heinz Schweden am 8.7.1970 vor 5.000 Zuschauern in Genua den Insel-Damen mit 1:5. Veit Mölder berichtet für die "Münchener Abendzeitung" über das deutsche Team. Sein männlicher Blick formuliert ganz ungeniert die Sicht auf weibliche Sensationen. So konstatiert er, dass italienische Männer "den Teutonencharme" "feiner" und "zerbrechlicher" Beine bewundern und in ein "genießerisches `Oh-oh´ ausbrechen beim Anblick des deutschen Wadenwunders", während er den Britinnen "Baumstammwaden" andichtet. Auch scheinen Sportivitäts- und Aufmerksamkeitsdefizite die deutschen Kickerinnen auszuzeichnen: "Dann werden die Hymnen gespielt, ein paar deutsche Spielerinnen reichen ihre Perücken an die Betreuerinnen am Spielfeldrand und nach 50 Sekunden steht es 1:0 für England". Überhaupt steht den Deutschen mehrfach "die Oberweite im Weg". Und schließlich bedauert der Kommentator, dass mit dem deutschen Team "die schönere Elf" verlor. (Münchener Abendzeitung, 9.7.1970).
Weltmeister werden schließlich die dänischen Kickerinnen. Im Finale in Turin gewinnen sie vor 40.000 Zuschauern mit 2:0 gegen Italiens Fußballfrauen. Da zum Endspiel zu wenig Kassen besetzt sind, stürmen schließlich 15.000 Fans das Stadion.