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Die Ökonomie der Bundesliga
Jörn Quitzau
/ 32 Minuten zu lesen
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TV-Rechte-Vermarktung sowie Zuschauer- und Werbeeinnahmen erzielen Rekordhöhen. Im Vergleich zu anderen Ligen in Europa gilt die Bundesliga wirtschaftlich als sehr solide. Was macht die Bundesliga ökonomisch richtig und welche Folgen hat der wirtschaftliche Erfolg für die Fans?
Wirtschaftsfaktor Bundesliga
Die Fußball-Bundesliga hat sich seit ihrer Gründung im Jahr 1963/64 vom reinen Sport inzwischen auch zum Wirtschaftsfaktor entwickelt. Insbesondere in den vergangenen 25 bis 30 Jahren ist das wirtschaftliche Potenzial des Profifußballs systematisch erschlossen worden. Der Gesamtumsatz der 18 Bundesligisten lag in der Saison 2014/15 bei 2,45 Milliarden Euro. Dabei schrieben in der Saison 2014/15 11 von 18 Bundesligisten schwarze Zahlen, alle 18 Klubs zusammengenommen erwirtschafteten einen Gewinn von 51 Millionen Euro nach Steuern . Vier Spielzeiten zuvor hatte es noch ganz anders ausgesehen, zusammengenommen wies die Liga noch Verluste aus.
Gemäß der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte erzielte die Bundesliga 2014/15 in Europa hinter der britischen Premier League den zweithöchsten Umsatz . Zudem ist die Bundesliga profitabel (s.o.), während andere Ligen zum Teil mit erheblichen Verlusten kämpfen. Aus der Bundesliga gehören drei Vereine (Bayern München, Schalke 04 und Borussia Dortmund) zu den 20 umsatzstärksten Fußballunternehmen in Europa . Die 17 übrigen Klubs kommen aus England (9), Italien (4), Spanien (3), Frankreich (1).
Einnahmearten
Gemäß dem DFL-Bundesligareport 2016 waren die Haupteinnahmequellen 2014/15 die Erlöse aus der medialen Verwertung (731,1 Millionen Euro), die Werbeerlöse (672,7 Millionen Euro) und die Erlöse aus Ticketverkäufen (520,6 Millionen Euro). Bis vor wenigen Jahren war die Werbung (incl. Trikot-Sponsoring) der wichtigste Umsatzbringer. Der aktuelle Fernsehvertrag brachte einen Erlössprung und hat die Rangfolge nun verändert. Für den neu abzuschließenden Vertrag erwarten viele Branchenkenner das Durchbrechen der Milliardengrenze (p.a.). Dennoch sticht im internationalen Vergleich die hohe Bedeutung der Werbeerlöse immer noch heraus. In anderen Ländern sind die TV-Erlöse schon länger und teilweise mit großem Abstand die Haupteinnahmequelle. Dieser Sachverhalt lässt sich jedoch leicht erklären: Weil in Deutschland Fußball weitaus stärker im frei empfangbaren Fernsehen ausgestrahlt wird, ist die sogenannte TV-Coverage höher. Für die werbetreibende Wirtschaft erhöht dies die Zahlungsbereitschaft, da die Werbung eine höhere Reichweite hat; das heißt, es wird eine höhere Anzahl von potenziellen Kunden mit den Werbemaßnahmen erreicht.
In den Stadionerlösen kommt die extrem hohe Attraktivität der Bundesliga zum Ausdruck. Hinter der amerikanischen Football League NFL ist die Bundesliga die zuschauerreichste Sportliga der Welt. Es ist aber nicht nur die Attraktivität der Liga, im Vergleich zu anderen Fußballligen spielen die hochmodernen, komfortablen und sicheren Bundesligastadien eine entscheidende Rolle. Insgesamt kamen in der Saison 2014/15 gut 13,3 Millionen Zuschauer in die Stadien, das waren im Schnitt 43.532 Zuschauer pro Spiel. Die beeindruckend positive Entwicklung der Zuschauerzahlen ist eine klare Antwort auf die Frage, ob Fußballübertragungen im Fernsehen die Fans davon abhalten, ins Stadion zu gehen.
Bis Mitte der 1980er-Jahre dominierte die Sorge vor der "Kannibalisierung". Inzwischen hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass Fußballübertragungen im Fernsehen beste Werbung für das Live-Erlebnis im Stadion sind. Jedenfalls haben sich die Stadion-Zuschauerzahlen mehr als verdoppelt, seit die privaten Fernsehsender die mediale Präsenz des Fußballs massiv ausgeweitet haben.
Ausgabestruktur
Ausgabestruktur der Bundesliga in der Saison 2014/15 (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
Auf der Ausgabenseite dominieren bei den Profimannschaften die Personalkosten. 38,8 Prozent (rd. 997,5 Millionen Euro) des Gesamtumsatzes wurden in der Spielzeit 2014/15 für Spieler- und Trainergehälter ausgegeben. Einschließlich der Gehälter für Verwaltungsangestellte beträgt der Anteil der Personalkosten rund 46 Prozent. Im Vergleich mit den anderen Ligen der "Big Five" steht die Bundesliga weit besser da und hat die geringste Personalkostenquote. Die Personalkosten sind im Vergleich zu den Vorjahren sogar rückläufig, sodass die DFL von historischen Tiefstwerten spricht.
Gesamtwirtschaftliche Bedeutung
Auch als Arbeitgeber haben die Fußballunternehmen inzwischen einige Bedeutung. Die 36 Klubs der ersten und zweiten Liga beschäftigen knapp 18.000 Mitarbeiter. Werden die indirekt Beschäftigten (zum Beispiel bei Sicherheits- oder Cateringunternehmen) hinzugerechnet, steigt die Zahl der Beschäftigten insgesamt auf über 50.000 . Mit rund 980 Millionen Euro Steuern und Abgaben haben die Erst- und Zweitligisten zudem einen deutlichen Beitrag zur Finanzierung staatlicher Leistungen erbracht .
Für sich betrachtet ist der Fußball also ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Die positiven Effekte sind aber vor allem regional und sektoral spürbar. Studien zur regionalwirtschaftlichen Bedeutung von Bundesligisten (und zu deren Imagewirkungen für die betreffenden Städte) belegen dies an den Beispielen Bremen und Hamburg . Hingegen ist die volkswirtschaftliche Bedeutung des Fußballs noch immer verschwindend gering: Setzt man die 2,62 Milliarden Gesamtumsatz der Bundesligisten in Relation zur deutschen Wirtschaftsleistung von rund 2.900 Milliarden Euro, so macht der Fußball lediglich 0,09 Prozent des Bruttoinlandsproduktes aus. Daran zeigt sich sehr deutlich, dass die wirtschaftliche Bedeutung – trotz aller Wachstumserfolge in den vergangenen Jahren – bei Weitem nicht mit dem gesellschaftlichen Stellenwert des Fußballs mithalten kann.
Wirtschaftliche Besonderheiten im professionellen Fußball
Der Sport weist diverse Eigenarten auf, die ihn und seine kommerzielle Verwertung von "herkömmlichen" Wirtschaftszweigen unterscheidet. Diese Besonderheiten haben in der Wirtschaftswissenschaft zu einem eigenen Forschungszweig "Sportökonomik" geführt . Für das generelle Verständnis der wirtschaftlichen Aspekte des Profifußballs ist es wichtig, die Besonderheiten vorab zu skizzieren.
Gemeinschaftsproduktion
"Herkömmliche" Unternehmen streben in der Regel danach, Konkurrenz so weit es geht auszuschalten. Im Idealfall sind sie der einzige Anbieter für ein spezielles Produkt oder eine spezielle Dienstleistung, sie sind dann Monopolist. Als Monopolist ist ein Unternehmen in der Lage, höhere Gewinne zu erzielen, als wenn es sich den Markt mit konkurrierenden Anbietern teilen muss. Im Gegensatz dazu lebt der sportliche Wettkampf davon, dass mindestens zwei Kontrahenten im sportlichen Wettbewerb miteinander stehen. Ein Profi-Fußballspiel ist also nur möglich, wenn zwei Mannschaften miteinander kooperieren.
Der sportliche Wettkampf kann im Mannschaftssport auf verschiedene Weise organisiert werden: Die einfachste (und kommerziell am wenigsten lukrative) Variante ist das Freundschaftsspiel zwischen zwei Mannschaften. Wirtschaftlich profitabler – weil sportlich interessanter – ist die Organisation eines Wettbewerbs mit mehreren Mannschaften. In der Praxis gibt es Wettbewerbe, die im K.-o.-System ausgetragen werden (zum Beispiel der DFB-Pokal). Die nationalen Meisterschaften werden im Ligabetrieb, also im Spielmodus "Jeder gegen jeden", ausgetragen. Schließlich gibt es Mischformen mit Gruppenphasen und anschließenden K.-o.-Runden (UEFA Champions League und UEFA Europa League, Welt- und Europameisterschaften).
Das Louis-Schmeling-Paradoxon
Dass Fußballunternehmen zu einem bestimmten Grad kooperieren müssen, ist nicht die einzige Besonderheit. Seit 1964 gilt unter Sportökonomen die These, dass sportliche Wettkämpfe möglichst knapp ausgehen müssen, die Kontrahenten müssen also möglichst "auf Augenhöhe" sein. Wenn ein Sportler beziehungsweise eine Mannschaft zu dominant ist, wird es für die Zuschauer schnell langweilig. Das Zuschauerinteresse sinkt und damit auch das Erlöspotenzial. Wiederum gilt: Während gewöhnliche Unternehmen wirtschaftlich profitieren, wenn es keine oder nur schwache Konkurrenz gibt, ist ein Sportler auf möglichst starke Konkurrenz angewiesen, um Einnahmen erzielen zu können.
Zurückzuführen ist diese Erkenntnis auf den amerikanischen Ökonomen Walter C. Neale . Er legte in einem Aufsatz dar, dass es für Sportler besser sei, nur ein klein wenig besser als der Gegner zu sein, weil das sportliche Duell dadurch spannender und für die Zuschauer attraktiver wird. Zu große Überlegenheit ist demnach zwar gut für das sportliche Ehrgefühl, aber schlecht für den Geldbeutel. Neale illustrierte diesen Sachverhalt am Beispiel des Boxsports und erklärte, dass ein Boxer (wie Joe Louis) einen möglichst ebenbürtigen Gegner (wie Max Schmeling) benötigt, um seine sportlichen Erfolge lukrativ vermarkten zu können.
Der Zusammenhang leuchtet unmittelbar ein, gerade am Beispiel des Boxsports: Wenn ein Boxer seine Kämpfe regelmäßig bereits in Runde 1 durch K. o. gewinnt und die übertragenden Fernsehsender nicht einmal die erste Werbepause erreichen, hat das entsprechend negative Auswirkung auf die erzielbaren Werbeeinnahmen. Aus diesem Grund werden in vielen Sportarten Maßnahmen ergriffen, welche die sportliche Ausgeglichenheit fördern sollen. In den amerikanischen Teamsportarten gibt es diverse Maßnahmen wie zum Beispiel "Salary Caps" (Gehaltsobergrenzen). In der Formel 1 wurden in der Vergangenheit immer wieder die Regeln verändert, wenn ein Fahrer oder ein Team sportlich zu dominant geworden war.
Das Louis-Schmeling-Paradoxon ist für die Vermarktung von Sportveranstaltungen sehr relevant und in der Sportökonomie wenig umstritten. Dennoch gibt es Ausnahmen: Manch ein Sportereignis zieht seine Attraktivität gerade aus dem ungleichen Kräfteverhältnis der Kontrahenten. So übt der Mythos des Unbesiegbaren gelegentlich eine besondere Faszination aus. Die Übermacht eines Usain Bolt hat dem Publikumsinteresse an den Finalläufen über 100 und 200 Meter bei den Olympischen Spielen 2012 jedenfalls nicht geschadet. Auch im Fußball sorgt das Duell "David gegen Goliath" immer wieder für volle Stadien. Die ersten Runden des DFB-Pokals sind oft nur deshalb spannend, weil die eigentlich haushoch überlegenen Bundesligisten bei Amateurmannschaften ins Straucheln geraten können.
Der Versuch, den sportlichen Wettbewerb möglichst ausgeglichen zu gestalten, ist aus Vermarktungsgründen somit berechtigt. Bei der Suche nach geeigneten Maßnahmen ist jedoch stets darauf zu achten, dass die Glaubwürdigkeit des Sports nicht beschädigt wird. Favoriten mit einem Handicap zu versehen, würde vom Publikum wohl kaum akzeptiert werden. Für den Profifußball wurde ein Mechanismus gefunden, der nur indirekt wirkt: Die zentrale Vermarktung der Medienrechte durch die DFL ermöglicht eine gleichmäßigere Verteilung der Fernsehgelder auf die Vereine, als wenn diese ihre Medienrechte in Eigenregie verkaufen würden. So erhält in Deutschland der Verein mit den höchsten Einnahmen aus Medienrechten lediglich das Doppelte des erlösschwächsten Vereins.
In Spanien liegt dieses Verhältnis laut der Prüfungsgesellschaft Deloitte ungefähr bei 13:1, weil die spanischen Vereine ihre Medienrechte bisher in Eigenregie vermarktet haben und kein Finanzausgleich erfolgt. Die beiden Top-Clubs Real Madrid und der FC Barcelona erhalten knapp 40 Prozent der gesamten TV-Erlöse. Auch aufgrund dieser massiven Erlösspreizung ist die spanische Liga sportlich weniger ausgeglichen und weniger spannend als die Bundesliga. Die spanische Liga hat ihre Konsequenzen gezogen und ab der Spielzeit 2016/17 sollen die TV-Rechte nun – wie international üblich – zentral vermarktet werden.
Gleichwohl hatte das deutsch-deutsche Champions League-Finale 2013 auch in Deutschland eine intensive Diskussion ausgelöst, ob der Bundesliga spanische Verhältnisse drohen und Bayern München und Borussia Dortmund künftig die Meisterschaft unter sich ausspielen. Trotz der Zentralvermarktung und der relativ gleichmäßigen Verteilung der TV-Gelder hat sich die Situation in Deutschland seit 2013 weiter zugespitzt. Bayern München ist seitdem sportlich derart dominant, dass es inzwischen nicht einmal mehr zu einem echten sportlichen Zweikampf kommt, sondern Bayern München allein die Liga beherrscht.
Welches Ziel verfolgen Fußballunternehmen?
Unternehmen streben danach, größtmögliche finanzielle Gewinne zu erwirtschaften. Dies ist die Standardannahme der Wirtschaftstheorie. Im Einzelfall verfolgen Unternehmen auch andere Ziele. So kann ein Unternehmen vor allem daran interessiert sein, Marktanteile zu gewinnen oder möglichst schnell den eigenen Bekanntheitsgrad zu erhöhen, auch wenn dadurch auf mögliche monetäre Gewinne verzichtet werden muss. Im Regelfall sind dies jedoch vorübergehende Phasen, die letztlich nur Bestandteil einer langfristig angelegten Gewinnmaximierungsstrategie sind.
Fußballunternehmen verfolgen hingegen grundsätzlich ein anderes Ziel. Für sie geht es um maximalen sportlichen Erfolg, nicht um maximalen finanziellen Gewinn . Selbstverständlich haben die Klubs großes Interesse an möglichst hohen Einnahmen. Dies ist aber lediglich Mittel zum Zweck, denn hohe Einnahmen ermöglichen die Verstärkung des Spielerkaders und steigern somit die Chancen auf sportlichen Erfolg.
Dem ehemaligen Vorstandschef des Hamburger SV, Bernd Hoffmann, wird die Aussage zugeschrieben, das Ziel eines Profiklubs sei größtmöglicher sportlicher Erfolg bei Vermeidung der Insolvenz. Wirtschaftliche Solidität ist für Fußballunternehmen also eher eine Nebenbedingung als ein eigenständiges Ziel. Letztlich geht es um größtmöglichen sportlichen Erfolg – wobei jeder Klub für sich festlegt, was darunter zu verstehen ist. Einige haben die Meisterschaft als Ziel, andere die Qualifikation für einen europäischen Wettbewerb und einige werten bereits den Klassenerhalt als Erfolg. Es mag unspektakulär klingen, dass Fußballunternehmen nicht nach finanziellem, sondern nach sportlichem Erfolg streben. Für zahlreiche Aspekte der Unternehmensführung ist dieser Sachverhalt jedoch von großer Bedeutung. So ist es wenig erstaunlich, dass Börsengänge von Fußballunternehmen für die Aktionäre im Regelfall kein gutes Geschäft waren.
Positionswettbewerb
Das Streben nach maximalem sportlichem Erfolg führt zu einer weiteren Besonderheit: Positionswettbewerb. Wirtschaft ist üblicherweise ein Positivsummenspiel. Wenn zwei oder mehrere Unternehmen miteinander im Wettbewerb stehen, konkurrieren sie zwar um Marktanteile, die Größe des Marktes ist jedoch nicht fix, sondern variabel. Wettbewerb verbessert die Produktqualität und erhöht oft auch die Produktauswahl. Je attraktiver das Angebot, desto mehr Kunden sind kaufbereit – der Markt wächst. Unternehmen können also ihre Umsatz- und Gewinnziele selbst dann verwirklichen, wenn die Konkurrenz stark und ebenfalls erfolgreich ist.
Die Situation im Profifußball stellt sich komplett anders dar, denn Fußball ist im Ligabetrieb ein Nullsummenspiel. Jede tabellarische Verbesserung eines Klubs hat zwangsläufig die Verschlechterung mindestens eines anderen Klubs zur Folge. Der Positionswettbewerb hat erhebliche wirtschaftliche Folgen: Da die Qualifikation für die Champions League oder die Europa League sowie der Klassenerhalt erhebliche Mehreinnahmen für die Klubs bedeuten, besteht ein Anreiz, zusätzliche Investitionen zu tätigen, um diese Mehrerlöse zu realisieren. Es liegt in der Natur des Positionswettbewerbs, dass dieser Anreiz für zahlenmäßig mehr Klubs besteht, als lukrative Tabellenplätze zu vergeben sind. In der sportökonomischen Literatur wird dieser Sachverhalt unter den Begriffen "Überinvestitionen", "ruinöser Rüstungswettlauf" und "Rattenrennen" behandelt . Fehlinvestitionen sind nicht vermeidbar, weil nicht alle Klubs gleichzeitig die finanziell lukrativen Plätze erreichen können.
Als Kommerzialisierung wird die wirtschaftliche Erschließung eines prinzipiell nicht wirtschaftlichen Gesellschaftsbereichs bezeichnet. Dass die Bundesliga einen Kommerzialisierungsprozess durchlebt (hat), steht außer Frage. Dabei ist die Kommerzialisierung ein evolutorischer Prozess, dessen Startpunkt nicht eindeutig benannt werden kann. Auch dürfte der Prozess heute noch nicht am Ende sein. Geld spielte im Fußball schon immer eine Rolle. Doch die Spielergehälter aus den Anfangsjahren der Bundesliga waren im Vergleich zu heute lediglich eine Aufwandsentschädigung. Nur wegen der prinzipiellen Gehaltszahlung von Kommerz zu sprechen, ist kaum sachgerecht, denn schließlich würde auch niemand behaupten, dass der Amateurfußball heutzutage kommerzialisiert ist, nur weil einige Spieler der höheren Ligen gelegentlich vierstellige Gehälter verdienen.
Kommerzialisierung muss an etwas anderem festgemacht werden als an der bloßen Tatsache, dass mit dem Sport Geld verdient werden kann. So kann Kommerzialisierung bedeuten, dass Produkte, die mit dem Fußball oder mithilfe des Fußballs produziert werden, über den Markt, also nach dem Prinzip von Leistung und Gegenleistung, verkauft werden . Die Kommerzialisierung des Sports lässt sich in vier Phasen einteilen :
Nullphase: In dieser Phase geht es noch ausschließlich um den Sport, kommerzielle Einflüsse sind noch nicht vorhanden.
Instrumentalisierungsphase 1: Der Sport wird durch gesundheitsbezogene oder politische Interessen vereinnahmt.
Instrumentalisierungsphase 2: Die Vermarktungsphase – der Sport beginnt sich zur Show zu entwickeln.
Produktionsphase: Die Produktion sportlicher Leistung durch sportfremde Investoren.
Die Fußball-Bundesliga befindet sich mindestens in Phase 3, in Teilen sogar schon in Phase 4. Als Meilenstein der Kommerzialisierung gilt die Einführung der Trikotwerbung durch Eintracht Braunschweig. In der Saison 1972/73 nahm die Eintracht als erster Bundesligist das Markenzeichen des Kräuterlikörs "Jägermeister" – einen Hirschkopf – auf die Brust.
Bernd Franke und Hartmut Konschal bei der Präsentation des neuen Sponsors: Eintracht Braunschweig umschifft 1973 die bestehenden Regeln und der Jägermeister-Hirsch verdrängt den Löwen im Vereinslogo von der Spielerbrust - damals für einen niedrigen sechsstelligen D-Mark-Betrag. Heute nimmt die Bundesliga durch Trikotwerbung knapp 120 Millionen Euro ein.
Die Spieler wurden damit erstmals als Werbefläche genutzt, die Bundesliga war spätestens jetzt in der Instrumentalisierungsphase 2 angekommen. In diese Phase gehört auch der im vergangenen Jahrzehnt einsetzende Trend, dass Bundesligisten im Rahmen der Saisonvorbereitung Testspiele in Asien absolvieren. Der Grund dafür ist kein sportlicher, sondern der offen kommunizierte Wunsch, mit solchen Gastspielen Fans in den aufstrebenden Schwellenländern zu gewinnen. Es geht um das Erschließen neuer Märkte – das Spiel hat also keinen sportlichen Wert, sondern dient vornehmlich der Show und finanziellen Interessen.
Im Rahmen der Instrumentalisierungsphase 2 gab es ein einschneidendes Ereignis: die Einführung des Privatfernsehens. Als der Fernsehsender RTL im Jahr 1988 mit der Sendung "Anpfiff" (als Nachfolger der ARD-Sportschau) die zusammenfassende Berichterstattung der Bundesliga übernahm, änderte sich vieles: Während bei der Sportschau im Regelfall Ausschnitte von lediglich drei Partien gezeigt wurden, lieferte Anpfiff bewegte Bilder von sämtlichen Spielen. Auch stand bei der Sportschau zuvor Sachlichkeit im Vordergrund, RTL hingegen setzte auf mehr Unterhaltungselemente. Da sich die privaten Fernsehsender nicht durch Gebühren, sondern durch Werbung finanzierten, wurde das Sendeformat auf die Bedürfnisse und Wünsche der werberelevanten Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen zugeschnitten. Das Sendekonzept musste im Vergleich zur Sportschau also "verjüngt" werden.
Für die Bundesliga selbst war allerdings ein anderer Aspekt bedeutsamer. Der Markteintritt der Privatsender veränderte die Medienlandschaft zugunsten der Liga beziehungsweise zugunsten des Deutschen Fußball-Bundes (DFB). Um die vom DFB angebotenen Fernsehübertragungsrechte gab es nun einen heißen Wettbewerb. Vorher gab es nur einen Anbieter (DFB) und einen Nachfrager (die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender), es handelte sich also um ein bilaterales Monopol. In der neuen Medienlandschaft war der DFB nun Angebotsmonopolist, um dessen Produkt mehrere Nachfrager konkurrierten. Folgerichtig sprangen die Preise der Fernsehrechte von 18 (1987/88) auf über 40 Millionen D-Mark (1988/89) pro Saison. In der Spielzeit 1992/93 lag der Wert der Medienrechte bereits bei über 120 Millionen D-Mark.
Doch dies war erst der Anfang einer Preisspirale, die in den Folgejahren durch den intensiven Wettbewerb auf der Nachfrageseite, neue technische Möglichkeiten, immer mehr Sendeplätze und einer gestiegenen gesellschaftlichen Bedeutung des Fußballs immer weiter gedreht wurde. Durch die ausgeweitete und modernisierte Fernsehberichterstattung konnten neue Zuschauergruppen für den Fußball begeistert werden. Hinzu kam der Gewinn der Weltmeisterschaft 1990 durch die DFB-Elf, der den Fußball im gerade erst wiedervereinigten Deutschland weiter in die Mitte der Gesellschaft rückte.
Einen weiteren Schub erhielt der Wert der Fernsehrechte durch den Start des Bezahlfernsehens in Deutschland. Neben der zusammenfassenden Berichterstattung im Free-TV gab es fortan die Möglichkeit, die Spiele im Pay-TV live und in voller Länge zu sehen. Der letzte Verkauf der Fernsehrechte (für die vier Spielzeiten ab 2013/14) war schließlich geprägt von den Vermarktungsmöglichkeiten durch das Internet und durch mobile Endgeräte. Mit durchschnittlich 628 Millionen Euro pro Saison stieg der Wert der Medienrechte um gut 50 Prozent. Die Auslandsrechte steuern rund 70 Millionen Euro zu der Gesamtsumme bei. Für den neu zu verhandelnden TV-Vertrag erwarten Experten nun einen weiteren erheblichen Erlössprung, mit dem die Milliardengrenze (p.a.) überschritten werden soll.
Die vierte und letzte Phase der Kommerzialisierung (Produktionsphase) hat die Bundesliga insofern bereits erreicht, als mit den sogenannten Werksklubs Bayer Leverkusen und VfL Wolfsburg zwei Mannschaften in der Bundesliga spielen, die ihre Existenz beziehungsweise ihren sportlichen Erfolg primär dem finanziellen Engagement der Konzerne Bayer (Leverkusen) und VW (Wolfsburg) verdanken. Mit RB Leipzig schickt sich ein weiterer von einem Unternehmen hochgezüchteter Klub an, die Bundesliga alsbald durcheinanderzuwirbeln. Auch die Teilnahme der TSG Hoffenheim an der Bundesliga ist kein Produkt des originären sportlichen Wettbewerbs, sondern das Ergebnis erheblicher finanzieller Zuwendungen des Milliardärs Dietmar Hopp – auch wenn es sich bei Dietmar Hopp wohl eher um einen Mäzen als um einen auf Rendite ausgerichteten Investor handelt. Anfang 2014 sorgte zudem Hertha BSC Berlin für Aufsehen, weil der international bekannte Finanzinvestor KKR Anteile am Hauptstadtclub erwarb.
Obwohl die Bundesliga die vierte Phase der Kommerzialisierung in Teilen bereits erreicht hat, dürfte der Prozess noch nicht abgeschlossen sein. Es gibt noch ausreichend Potenzial, die Kommerzialisierung auszudifferenzieren. Weitere Vermarktungsmöglichkeiten warten darauf, erschlossen zu werden . So regte der Marketing-Vorstand des Hamburger SV im November 2015 die Diskussion an, künftig auch Bundesliga-Spiele in Asien auszutragen, um (potenzielle) asiatische Fans vor Ort besser zu erreichen und die internationalen Vermarktungsmöglichkeiten dadurch besser auszuschöpfen.
Die Kommerzialisierung des Fußballs hat ihre Spuren auch in der Verbandsstruktur hinterlassen. Bis zum Jahr 2000 waren die Vereine der ersten und zweiten Liga Mitglied im Deutschen Fußball-Bund (DFB) und der DFB war Veranstalter der Bundesliga. Im Jahr 2000 wurde der Ligaverband als Zusammenschluss der deutschen Profivereine gegründet, das operative Geschäft wurde dem Tochterunternehmen DFL Deutsche Fußball Liga GmbH übertragen. Der Ligaverband ist Mitglied im DFB und veranstaltet seit dem 1. Juli 2001 gemeinsam mit dem DFB die Bundesliga. Die Kernaufgaben der DFL sind die Organisation und Vermarktung des Profifußballs. Dazu gehört die Lizenzierung der 36 Profivereine. Dem strengen und anspruchsvollen Lizenzierungsverfahren ist es zu verdanken, dass die Bundesliga im internationalen Vergleich als die wirtschaftlich solideste Liga gilt. Besondere Bedeutung kommt der Vermarktung der Medienrechte (Fernsehen, Radio, Internet) für das In- und das Ausland zu. Die DFL hat die Vermarktung der Medienrechte vom DFB übernommen.
Fußball ist tendenziell ein strukturkonservativer Sport. Dies liegt vor allem daran, dass die maßgeblichen Funktionäre in den nationalen und internationalen Verbänden den Charakter des Spiels sehr bewusst nicht verändern wollen. Der Fußball soll einfach bleiben und seinen gesellschaftlichen Erfolg mit allen seinen Vor-, aber auch mit etwaigen Nachteilen fortsetzen. Die jahrelang intensiv und kontrovers geführte Diskussion über die Einführung eines Videobeweises zeigt, wie groß die Widerstände gegen substanzielle Veränderungen sind. Umso einschneidender war ein Ereignis in den 1990er-Jahren: Das sogenannte Bosman-Urteil im Jahr 1995 war für den europäischen Vereinsfußball eine Revolution.
Der belgische Fußballprofi Jean-Marc Bosman hatte gegen eine von ihm als zu hoch empfundene Ablösesumme geklagt, weil er dadurch seine Arbeitnehmerfreizügigkeit eingeschränkt sah. Neben den auch nach Vertragsende geltenden Ablösesummen waren die Ausländerklauseln für die Spieler eine Barriere, ihren Arbeitsplatz frei zu wählen. Wenn – wie bis in die 1990er-Jahre üblich – nur zwei Ausländer zeitgleich pro Spiel eingesetzt werden dürfen, haben die Vereine nur geringe Anreize, ihren Spielerkader mit einer größeren Zahl ausländischer Spieler zu besetzen.
Tatsächlich bekam Bosman Recht. Der Europäische Gerichtshof erklärte mit seinem Urteil die bis dahin geltenden Transferregeln und Ausländerbeschränkungen für ungültig. Daraus ergaben sich für den Profifußball zwei markante Veränderungen:
Für Spieler, die nach der Vertragslaufzeit einen Vereinswechsel anstreben, wird keine Ablösesumme mehr fällig.
Die Nationalität eines Spielers würde fortan nur noch eine untergeordnete Rolle spielen. Wegen der entfallenden Ausländerbegrenzung konnte viel stärker als früher auf ausländische Spieler gesetzt werden.
Ad 1: Zunächst wurde vermutet, die nun entfallenden Ablösesummen würden die Spielergehälter entsprechend erhöhen. Dies ist zwar mikroökonomisch, nicht aber makroökonomisch plausibel. Tatsächlich entfallen ja nicht nur die Transferausgaben für den Verein, der einen neuen Spieler verpflichten möchte, sondern es entfallen auch die Transfereinnahmen bei dem Verein, der den Spieler abgibt. Im Ergebnis steht in einer Welt ohne Transferentschädigungen also insgesamt nicht mehr Geld für Spielergehälter zur Verfügung als in einer Welt mit Transferentschädigungen . Eine pauschale Umverteilung von den Vereinen zu den Spielern hat es durch das Bosman-Urteil direkt jedenfalls nicht gegeben. Dazu steht die Beobachtung steigender Spielergehälter seit dem Bosman-Urteil nicht im Widerspruch, denn höhere Gehaltszahlungen sind insbesondere deshalb möglich, weil die Umsätze in der Bundesliga seit Ende der 1980er-Jahre – wie bereits skizziert – deutlich gestiegen sind. Der "zu verteilende Kuchen" ist also unabhängig vom Bosman-Urteil größer geworden.
In der Praxis sind Ablösesummen entgegen erster Erwartungen nicht verschwunden. Zwar können Spieler nach der Vertragslaufzeit tatsächlich ablösefrei wechseln – und oft geschieht dies auch, jedoch ist es ebenso üblich, sie vor Ablauf der Vertragslaufzeit (oft ein Jahr vorher) abzugeben, um doch noch eine Ablösesumme aushandeln zu können.
Ad 2: Während der Wegfall der Ablösesummen hauptsächlich die Spieler und Vereine betraf, ist die Aufhebung der Ausländerbeschränkungen auch für den Fußballfan und das Fußballpublikum ein einschneidendes Erlebnis. Der Ausländeranteil in den Mannschaften erhöhte sich drastisch (vgl. Grafik): Vor dem Bosman-Urteil lag der Ausländeranteil bei den Lizenzspielern zwischen 15 und 20 Prozent. Nach dem Urteil stieg dieser Anteil sprunghaft an und liegt heute bei 48 Prozent. Im Eishockey war die Entwicklung mit einem Anstieg von gut 10 Prozent auf knapp 70 Prozent noch gravierender. Doch der Blick auf den Ausländeranteil unter den Lizenzspielern zeigt nur die halbe Wahrheit, denn damit ist noch nichts über die Ausländerquote unter den elf eingesetzten Akteuren ausgesagt: Tatsächlich ist es nicht unüblich, dass Bundesligisten ganz ohne oder lediglich mit einem deutschen Spieler auflaufen.
BL-Lizenzspieler Ausländeranteil (bpb)
Ausländeranteil in der Bundesliga 1992/93 - 2007/08 (noch keine aktuelleren Daten vorhanden) (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
Ausländeranteil in der Bundesliga 1992/93 - 2007/08 (noch keine aktuelleren Daten vorhanden) (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
Interner Link: Vgl. hierzu die interaktive Infografik: Wie hat sich der Ausländeranteil in der Bundesliga seit 1963 entwickelt? Neben dem höheren Ausländeranteil hat auch die Spielerfluktuation zugenommen. Vereinstreue ist bei den Spielern zur absoluten Ausnahme geworden. Diese Entwicklung ist gewiss nicht nur auf das Bosman-Urteil zurückzuführen, aber das Urteil hat es den Spielern wesentlich erleichtert, sich als "Unternehmer in eigener Sache" zu verstehen. So ist Fußball zwar – naturgemäß – auch heute noch ein Mannschaftssport, zuweilen drängt sich jedoch der Eindruck auf, dass es sich bei Fußballern um Einzelsportler handelt, die sich notgedrungen in Mannschaften integrieren, um ihre Wettkämpfe überhaupt austragen zu können. Zu dieser Entwicklung dürften auch die Spielerberater beziehungsweise Spielervermittler beigetragen haben. Durch sie hat die Verhandlungsmacht der Spieler gegenüber den Vereinen deutlich zugenommen.
Als ein potenzielles Problem des Bosman-Urteils wurde schnell erkannt, dass ein hoher Ausländeranteil und die hohe Fluktuation im Spielerkader zu einem Problem für die Fans werden könnten, weil für sie die Identifikationsmöglichkeiten schwinden. Im Gegensatz zu normalen Konsumgütern entscheidet für einen Fußballfan nicht primär die Produktqualität. Fans halten im Regelfall auch dann zu ihrem Verein, wenn die sportlichen Leistungen schwach sind. Ökonomisch formuliert, bestehen für Fans zwischen den Vereinen faktisch keine Substitutionsmöglichkeiten. Der Grund dafür ist die hohe emotionale Bindung vieler Fans zu ihrem Lieblingsverein und den Spielern. Wenn sich die Spieler allerdings wie die oft zitierten "Söldner" verhalten und selbst nur eine emotionale Bindung zum Geld, nicht aber zu den sie bezahlenden Vereinen aufbauen, so besteht die Gefahr, dass sich auch die Fans vom Fußball distanzieren. Bis heute ist dies ein Problem für den harten Kern der Fans. Allerdings zeigt sich, dass sich diese Fans im Regelfall – mangels Alternative – nicht vom Fußball abwenden, sondern dass sie die veränderte Situation zähneknirschend akzeptieren. Die seit dem Bosman-Urteil insgesamt gestiegene Popularität zeigt, dass Kundengruppen hinzugekommen sind, die sich für den Fußball eher wegen des Eventcharakters und weniger wegen der traditionellen Fußball- und Vereinswerte interessieren.
Als zweites Problem wurde erkannt, dass ein höherer Ausländeranteil in der Bundesliga zwangsläufig zu weniger Spielpraxis der deutschen Spieler führt, was mittel- und langfristig negative Auswirkungen auf die Leistung der Nationalmannschaft haben könnte. Dies ist nicht nur ein theoretisches, sondern auch ein praktisches Problem geworden. Die Leistungsdichte der Nationalmannschaften in Europa (aber auch weltweit) ist nun höher, weil viele Nationalspieler aus sportlich schwächeren Ländern nun Spielpraxis und Erfahrung in den europäischen Top-Ligen sammeln konnten. Die ehemals schwächeren Länder haben also aufgeholt. "Kleine Gegner gibt es nicht mehr" ist im internationalen Fußball seit Jahren ein geflügeltes Wort. Vor allem in England zeigten sich die Folgen: Während die mit ausländischen Stars gespickten Mannschaften auf Klubebene international größte Erfolge feierten, verpasste die englische Nationalmannschaft die Qualifikation zur Europameisterschaft 2008.
Sowohl der Weltverband FIFA als auch der europäische Verband UEFA haben sich der skizzierten Probleme angenommen und mehrfach versucht, die Zahl der einheimischen Spieler zu erhöhen. So hatte die FIFA im Mai 2008 die sogenannte 6+5-Regel beschlossen, wonach in einer Mannschaft mindestens sechs Spieler zu stehen hätten, die für das jeweilige Land spielberechtigt sind. In einem Bundesligaspiel hätten also nur noch fünf Ausländer pro Mannschaft eingesetzt werden dürfen. Inzwischen ist die UEFA von der 6+5-Regel jedoch wieder abgerückt. Nachdem die Ausländerbegrenzung für die Bundesliga zur Saison 2006/07 aufgehoben wurde, hat die Bundesliga die von der UEFA praktizierte Local-Player-Regelung übernommen. So mussten in der Saison 2006/07 mindestens vier, in der Saison 2007/08 mindestens sechs und in der Saison 2008/09 mindestens acht lokal ausgebildete Spieler bei den Bundesligisten als Lizenzspieler/-in unter Vertrag stehen .
Das Bosman-Urteil und der zunehmende Einsatz von Spielerberatern hat die Verhandlungsmacht der Spieler erhöht. Darüberhinaus werden die Interessen der Spieler heute aber auch durch die Spielergewerkschaft VDV (Vereinigung der Vertragsfußballspieler e. V.) professioneller vertreten. Die VDV wurde 1987 von drei Bundesligaprofis (u. a. Benno Möhlmann) gegründet.
Mit Blick auf die Tradition von Arbeitergewerkschaften, deren Hauptziele bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne sind, ist eine Gewerkschaft für eine Sportlerelite mit Spitzengehältern erklärungsbedürftig. In der Tat wirken die Arbeitsbedingungen und die Gehälter eines Bundesligaprofis auf den ersten Blick nicht so, als müssten die wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen durch eine machtvolle Interessenvereinigung noch weiter verbessert werden. Ein genauerer Blick zeigt jedoch zweierlei:
Erstens ist der sportliche und wirtschaftliche Erfolg von Bundesligaprofis nur eine Momentaufnahme. Fußballprofis verdienen außerordentlich viel Geld in sehr kurzer Zeit. Nur wenige Spieler bringen es auf 15 Berufsjahre. Aus mehreren Gründen reicht das in dieser Zeit verdiente Geld im Regelfall jedoch nicht für den Rest des Lebens. Nur ein geringer Prozentsatz ist nach dem Ende der Fußballkarriere finanziell unabhängig. Ein weit größerer Prozentsatz war in der Vergangenheit hingegen zu einem späteren Zeitpunkt auf staatliche Sozialleistungen angewiesen .
Zweitens ist Arbeitslosigkeit auch im Profifußball ein relevantes Thema. Die Öffentlichkeit nimmt im Regelfall nur die unter Vertrag stehenden Profis wahr. Für Spieler, die zum Beispiel wegen Verletzungsanfälligkeit oder Formschwäche keinen Arbeitgeber finden, steht sehr schnell die Existenz auf dem Spiel. Im Gegensatz zu "regulären" Arbeitnehmern ist der Arbeitsmarkt für Fußballer sehr eng. Da Fußballern aufgrund ihres jungen Alters oft eine Berufsausbildung fehlt, ist auch der Weg in den regulären Arbeitsmarkt kurzfristig versperrt oder zumindest sehr steinig.
Fußballprofis verdienen also außerordentlich gut, aber sie leben mit einem hohen Berufsrisiko, und die berufliche Zukunft nach der Profikarriere ist oft ungewiss. An diesen Punkten setzt die Spielergewerkschaft an. Nach eigenen Angaben sieht sie ihre Aufgaben in der "… Wahrung und Förderung der wirtschaftlichen, sozialen, beruflichen und kulturellen Interessen ihrer Mitglieder sowie des Fußballsports im Allgemeinen".
Die VDV ist vom DFB und von der DFL offiziell anerkannt und vertritt seine über 1.300 Mitglieder unter anderem in den Bereichen Vorsorge, Recht und Bildung. Die Mitgliedschaft ist nicht an eine bestimmte Liga gebunden. So beschäftigt die VDV im Bereich Weiterbildung einen eigenen "Laufbahncoach", mit dessen Hilfe sich die Spieler gezielt auf die Zeit nach dem Profifußball vorbereiten können. Außerdem unterstützt die Spielergewerkschaft ihre Mitglieder in den Bereichen Steuerberatung und Risikovorsorge (Krankheit, Invalidität, Altersvorsorge). Über das DFB-VDV-Versorgungswerk können die Profis eine steuerbegünstigte Altersvorsorge (nachgelagerte Besteuerung) abschließen, die mit Vollendung des 60. Lebensjahrs als lebenslange Rente oder in Form einer Einmalzahlung ausgezahlt wird.
Darüberhinaus kümmert sich die VDV um die Wiedereingliederung vertragsloser Fußballer. Die VDV bietet im Zeitraum von Juli bis September Trainingscamps für arbeitslose Profis, die seit mindestens drei Monaten VDV-Mitglieder sind, an. Auf diese Weise können sich die betroffenen Fußballer fit halten – mit professionellem Training und auch mit Testspielen gegen hochklassige Gegner. Rund 80 Prozent der Trainingscamp-Teilnehmer finden im Anschluss wieder einen neuen Arbeitgeber im Profifußball.
Bis zur Saison 1998/99 hatten sämtliche deutsche Erst- und Zweitligisten die Rechtsform des Vereins. Der wirtschaftliche Boom machte die Möglichkeit zur Umwandlung der Vereine in Kapitalgesellschaften erforderlich. Im Oktober 1998 beschloss der DFB-Bundestag, dass künftig auch in Kapitalgesellschaften umgewandelte Vereine am Spielbetrieb teilnehmen dürfen.
Mehrere Gründe sprachen für die Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen. Angesichts der Millionenumsätze der Profivereine drohte eine Rechtsformverfehlung. Der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb eines gemeinnützigen Vereins ist zwar generell durch das sogenannte Nebenzweckprivileg gedeckt, aber Juristen waren mehrheitlich der Meinung, dass im konkreten Fall der Bundesligisten das Nebenzweckprivileg überschritten wurde . Hinzu kam die Absicht, das Management der Fußballvereine zu professionalisieren. Dies sollte in einer Kapitalgesellschaft leichter gelingen als in einem Verein. Der Hauptgrund für die Umwandlung dürfte jedoch der gestiegene Kapitalbedarf der Vereine sein . Um die teuren Spielerkader und die damals notwendigen Stadionaus- oder -neubauten zu finanzieren, mussten neue Finanzierungsquellen erschlossen werden.
Tatsächlich haben die Fußballunternehmen bei der Finanzierung seit der Jahrtausendwende neue Wege beschritten. Ein Meilenstein war der Börsengang von Borussia Dortmund (als Kommanditgesellschaft auf Aktien) im Jahr 2000. Es war der erste und bislang einzige Börsengang eines deutschen Fußballunternehmens. Mit einem Emissionserlös von rund 130 Millionen Euro war der Börsengang für Borussia Dortmund ein finanzieller Erfolg, für die Aktionäre war er jedoch eine herbe Enttäuschung.
Start der BVB-Aktie (@dpa - Sportreport)
Borussia Dortmund wirbt am 31.10.2000 für den Start der BVB-Aktie an der Frankfurter Börse (@dpa - Sportreport).
Borussia Dortmund wirbt am 31.10.2000 für den Start der BVB-Aktie an der Frankfurter Börse (@dpa - Sportreport).
Sie mussten – wie zuvor die Aktionäre vieler börsennotierter Fußballunternehmen im europäischen Ausland – im weiteren Verlauf deutliche Kursverluste hinnehmen. Direkt nach dem Börsengang erreichte die BVB-Aktie am 31. Oktober 2000 einen Höchstkurs von 9,41 Euro, um danach einen lang anhaltenden Abschwung bis unter den Wert von einem Euro zu erleiden. Selbst nach dem Gewinn von zwei deutschen Meisterschaften und nach dem Einzug in das Champions League-Finale 2013 konnte sich der Aktienkurs gerade einmal zwischen 3,50 und 4 Euro einpendeln. Nach einem kurzzeitigen Hoch von gut 5 Euro im Sommer 2014 – dies dürfte den gestiegenen Marktwerten der Dortmunder Nationalspieler nach dem WM-Sieg geschuldet sein – sank der Aktienkurs infolge der sportlichen Krise während der Spielzeit 2014/15 wieder unter 3,50 Euro und hat nach dem erfolgreichen Saisonstart 2015/16 bei etwa 4 Euro einen neuen Orientierungspunkt gefunden. Der Praxistest hat damit in Deutschland die theoretischen Bedenken – und die enttäuschenden Erfahrungen im Ausland – gegenüber Börsengängen von Fußballunternehmen bestätigt .
Der Dortmunder Börsengang war nicht die einzige Innovation im Bereich der Finanzierung: Dortmunds Erzrivale, der FC Schalke 04, sorgte mit der sogenannten Schechter-Anleihe für Aufsehen. Statt eines gewöhnlichen Bankkredits hatte sich der Revierklub auf Vermittlung des Briten Stephen Schechter über Asset Backed Securities (ABS) finanziert, bei denen künftige Zahlungsansprüche (wie Zuschauereinnahmen) verbrieft und verpfändet wurden. Inzwischen hat der FC Schalke 04 die Schechter-Anleihe vorzeitig abgelöst und den Restbetrag umfinanziert.
Im Jahr 2012 war es wiederum der FC Schalke 04, der als erster Bundesligist eine sogenannte Mittelstandsanleihe über den Kapitalmarkt platziert hat. Damit hat sich der Profifußball wieder ein kleines Stück in Richtung "regulärer" Wirtschaft fortentwickelt. Zuvor hatten einige Vereine (unter anderem der FC St. Pauli und Hansa Rostock) "Fan-Anleihen" ausgegeben. Die Vereine wenden sich damit direkt an die Zahlungsbereitschaft ihrer Fans, bieten im gegenwärtigen Niedrigzinsumfeld attraktive Konditionen und gewähren – bei Erreichen eines konkret definierten sportlichen Zieles – zum Teil sogar einen Zinsaufschlag.
Prinzipiell wird der Wettbewerbsdruck die Klubs künftig verstärkt neue Finanzierungswege beschreiten lassen. Mit Blick auf das "Geschäftsmodell Fußball" haben einige Finanzierungsformen gute Aussichten auf Erfolg. Zu den erfolgversprechenden Modellen gehören die strategischen Partnerschaften zwischen Sponsoring-Unternehmen und Bundesligaklubs. Auch Mäzene werden ihren Platz im Fußball haben. Die "Forfaitierung" bzw. Abtretung von Marketing-Rechten ist bereits vielfach erprobt und hat sich bewährt. Schließlich stehen auch die Erfolgsaussichten für Finanzinvestoren in ausgewählten Fällen nicht schlecht.
Dagegen dürften verschiedene Finanzierungsformen keine große Zukunft haben: Mittelstandsanleihen, Asset Backed Securities und ein Börsengang wurden in der Bundesliga zwar bereits praktiziert, doch unter Berücksichtigung der Interessen aller Beteiligten sind die oben genannten Finanzierungsformen attraktiver. Leicht ungewiss ist die Zukunft der Genussscheine. Sie dürften aufgrund emotionaler Investitionsmotive von Fans nicht ganz von der Bildfläche verschwinden. Reine Bankdarlehen spielen zwar heute noch eine wichtige Rolle in der Kapitalstruktur diverser Bundesligisten, doch die Bedeutung des Bankdarlehens dürfte tendenziell abnehmen.
Die Transformation von gemeinnützigen Vereinen zu umsatzorientierten Wirtschaftsunternehmen wirft die Frage auf, wem das Unternehmen gehört, wer etwaige Gewinnaneignungsrechte hat und wer die unternehmerischen Entscheidungen trifft. Die DFL hat eine spezielle Regel in ihre Satzung (§ 8, Absatz 2) aufgenommen, nach der es Investoren nicht möglich ist, die Stimmenmehrheit an einer Kapitalgesellschaft zu erwerben, die für die Liga spielberechtigt ist. Wenn also Vereine ihre Lizenzspielermannschaft in eine Kapitalgesellschaft ausgliedern, dann müssen mindestens 50 Prozent plus eine Stimme beim Mutterverein verbleiben. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass – im Gegensatz zur britischen Liga – alle Entscheidungen vom Verein und nicht von Investoren getroffen werden. Allerdings dürfen Investoren die Kapitalmehrheit halten.
Die 50+1-Regel ist umstritten . Befürworter sehen durch sie traditionelle Sportwerte vor sportfremden Interessen geschützt. Gegner argumentieren, die Bundesliga würde finanziell (und damit langfristig auch sportlich) im internationalen Vergleich zurückfallen. Wenn Investoren dauerhaft von der 50+1-Regel abgeschreckt werden, kann die Bundesliga mit ausländischen Ligen wie zum Beispiel der Premier League nicht mehr mithalten, in denen Mäzene und Investoren große Summen in Vereine wie Manchester City und Chelsea London stecken. Zudem ständen faktisch auch in der Bundesliga bereits mehrere Vereine massiv unter dem Einfluss externer Geldgeber (Bayer Leverkusen, VfL Wolfsburg, TSG Hoffenheim). Diese Kritik und die Unsicherheit darüber, ob ein Gericht bei einer Klage die 50+1-Regel kippen würde, hat letztlich zu einer Aufweichung der Regel geführt. Mehrheitliche Beteiligungen sind nun möglich, wenn ein Wirtschaftsunternehmen den betreffenden Verein bereits seit mehr als 20 Jahren ununterbrochen und erheblich unterstützt hat.
Die jüngere Vergangenheit zeigt, dass die 50+1-Regel Investoren nicht grundsätzlich abschreckt: So ist bei Bayern München nach Adidas und Audi mit der Allianz bereits der dritte strategische Partner eingestiegen. Bei Hertha BSC Berlin hat sich mit dem Finanzinvestor KKR sogar ein Unternehmen finanziell engagiert, das für seine strikte Renditeorientierung bekannt ist – und das, obwohl es nur eine kleine Minderheitsbeteiligung eingegangen ist und somit keine Zugriffsmöglichkeiten auf das operative Geschäft hat. Dieses Vorgehen widerspricht der Theorie, wonach Investoren nur dann zu einem Engagement bereit sind, wenn sie über die Stimmenmehrheit die Entscheidungen im Verein treffen können. Ob sich die Erwartungen des Investors KKR dennoch erfüllen, wird die Zukunft zeigen müssen.
Finanzielles Fairplay
Im europäischen Fußball haben diverse Vereine mit hohen Schulden zu kämpfen. Zudem finanzieren mehrere Vereine ihre laufenden Ausgaben nur noch zum Teil durch Einnahmen, die aus dem operativen Fußballgeschäft stammen. Der Einfluss von Mäzenen beziehungsweise Investoren hat insbesondere im britischen Fußball deutlich zugenommen (die 50+1-Regel gilt speziell für Deutschland). Dies führt zu "unnatürlichen" Geldflüssen, die den sportlichen Wettbewerb verzerren. Zudem können Vereine, die von unnatürlichen Geldflüssen profitieren, in akute wirtschaftliche Bedrängnis geraten, wenn Mäzene/Investoren ihre Zahlungen einstellen und der betroffene Verein die Ausgaben plötzlich wieder aus den laufenden Spielbetriebseinnahmen bestreiten muss.
Zur Unterscheidung von Mäzenen, Sponsoren und Investoren: Ein Mäzen engagiert sich finanziell, ohne eine direkte Gegenleistung zu fordern. Mäzene handeln also weitgehend altruistisch (auch wenn Ruhm und Ehre als nicht-finanzielle Gegenleistung durchaus eigennützige Motive befriedigen können). Im Gegensatz zum Mäzen erwartet ein Sponsor für sein finanzielles Engagement eine Gegenleistung. Meist geht es dabei um die Vermarktung eines bestimmten Produktes oder um die Steigerung des Bekanntheitsgrades eines Unternehmens. Dabei ist unerheblich, ob sich Leistung und Gegenleistung wertmäßig entsprechen. Schließlich sind Investoren Kapitalanleger, deren Ziel die Vermögenssteigerung ist. Diese konzeptionelle Unterscheidung lässt sich in der Praxis nicht immer eindeutig einhalten. Die Grenzen zwischen den einzelnen Gruppen sind mitunter fließend.
Um den Fehlentwicklungen entgegenzuwirken, hat die UEFA das sogenannte "finanzielle Fairplay" für die europäischen UEFA-Wettbewerbe eingeführt und in das Reglement zur Klublizenzierung integriert . Das finanzielle Fairplay – im Mai 2010 bewilligt und im Jahr 2012 aktualisiert – gibt den Vereinen verschiedene Kriterien in den Bereichen Sport, Infrastruktur, Recht und insbesondere Finanzen vor. So gilt, dass über die letzten drei Jahre die relevanten Einnahmen die relevanten Ausgaben mindestens ausgleichen müssen. Wird diese Vorgabe verfehlt, wird zusätzlich das davor liegende Jahr berücksichtigt und bewertet, ob zumindest eine positive Entwicklung gegeben ist. Im Juni 2012 beschloss das UEFA-Exekutivkomitee die Einrichtung einer Finanzkontrollkammer, welche die Einhaltung unter anderem der Fairplay-Regeln überwachen soll. Bei Verstößen darf die Kontrollkammer Disziplinarmaßnahmen verhängen und über die Startberechtigung für die UEFA-Wettbewerbe entscheiden. In Analogie zur Staatsschuldenkrise werden die Regeln des finanziellen Fairplays auch als "Schuldenbremse" bezeichnet. Das finanzielle Fairplay ist 2013/14 in Kraft getreten.
Der Ansatz der UEFA, faire Wettbewerbsbedingungen zu schaffen und der Verschuldung der Vereine entgegenzuwirken, ist zu begrüßen. Allerdings sind die Regeln leicht zu umgehen – und es spricht einiges dafür, dass Vereine von den Umgehungsmöglichkeiten Gebrauch machen werden. So kann die UEFA nicht überwachen, ob die Sponsorenverträge zu marktkonformen Konditionen abgeschlossen werden. Dafür müsste die UEFA bewerten und überprüfen können, ob eine Sponsoring-Maßnahme für das jeweilige Unternehmen den gezahlten Betrag auch wert ist – im Sinne von Umsatzsteigerung und/oder Imagegewinn. Da diese Bewertung praktisch nicht möglich ist, können Mäzene ihre Zahlungen, die durch das finanzielle Fairplay eigentlich unterbunden werden sollen, durch überhöhte Sponsoring-Verträge "tarnen". Schon heute ist dies zum Beispiel in Großbritannien ein Problem . Daneben gibt es eine unüberschaubare Reihe weiterer Möglichkeiten, die Financial-Fairplay-Regeln zu umgehen. Zum Beispiel können die Ehefrauen von Spielern mit üppigen Werbeverträgen ausgestattet werden . Derartige Zahlungen an das Umfeld der eigentlichen Akteure werden sich auch bei größten Anstrengungen nicht wirksam unterbinden lassen.
Prinzipiell war also schon klar, dass es auf Dauer kein wasserdichtes Regelwerk geben könnte – zu groß sind die finanziellen Anreize, die Regeln zu umgehen. Zudem gab es Bedenken, ob das Reglement einer juristischen Überprüfung standhalten würde. Inzwischen gibt es neue Entwicklungen: Im Sommer 2015 hat die UEFA das eigene Regelwerk stark verwässert. Künftig sollen die Klubs die Möglichkeit haben, Verluste von mehr als 30 Millionen Euro im Jahr bei der UEFA anzumelden, um gemeinsam nach Auswegen aus der finanziellen Klemme zu suchen. Damit sind die Regeln des finanziellen Fairplay zahnloser geworden. Außerdem sollen externe Geldgeber nur noch die Nachhaltigkeit ihres Fußballengagements nachweisen und darlegen, dass dadurch die Einnahmen aus dem originären Fußballgeschäft erhöht werden. Es steht zu befürchten, dass die guten Absichten, die mit dem finanziellen Fairplay verfolgt werden, künftig nicht mehr zu entsprechend guten Ergebnissen führen werden. Das ist insofern bedauerlich, weil gemäß dem UEFA-Finanzbericht 2013/14 das Reglement durchaus erfolgreich war. So sind dank finanziellem Fairplay die Verluste der europäischen Vereine vor 2013/14 binnen zwei Jahren von EUR 1,7 Mrd. auf EUR 800 Mio. mehr als halbiert worden.
Wettbewerbsbehörden
Der wirtschaftliche Erfolg stellt die Bundesliga nicht nur auf der betriebswirtschaftlich-organisatorischen Ebene vor Herausforderungen. DFB und DFL werden immer wieder mit dem Bundeskartellamt konfrontiert. Da das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen auch für den Profifußball gilt, kam es in der Vergangenheit insbesondere bei der zentralen Vergabe der Fernsehrechte durch die DFL regelmäßig zur Konfrontation mit dem Kartellamt . Nach sehr kontroversen Auseinandersetzungen hat sich das Kartellamt zuletzt milder gezeigt und die Zentralvermarktung unter Auflagen für zulässig erklärt. Die Liga und die Bundesligisten werden sich aber auch künftig vermehrt mit Rahmenbedingungen und Einflüssen auseinandersetzen müssen, die für Wirtschaftsunternehmen zum Tagesgeschäft gehören. Dazu gehört unter anderem der Umgang mit Wettbewerbsbehörden, Analysten und kritischen (Wirtschafts-)Medien.
Dauerbrenner Fernsehrechte
Trotz der inzwischen kooperativeren Haltung des Bundeskartellamtes bleibt das Thema Fernsehrechte ein Dauerbrenner. Das bestehende Regime der Zentralvermarktung wird inzwischen von ganz unterschiedlichen Seiten kritisiert. Ein latenter Unruheherd ist der FC Bayern München. Der deutsche Rekordmeister muss durch die Zentralvermarktung im Vergleich zur Einzelvermarktung von allen Bundesligisten die größten Umsatzeinbußen hinnehmen. Nach eigener Aussage könnte der FC Bayern die Medienerlöse auf rund 200 Milliarden Euro pro Jahr vervierfachen, wenn er die Medienrechte in Eigenregie vermarkten könnte. Die Differenz kann als Solidarbeitrag des FC Bayern für die Liga verstanden werden, um die finanzielle und damit die sportliche Ausgeglichenheit zumindest halbwegs aufrecht zu erhalten. Für den Bayern München ist die Bundesliga – nach eigenem Bekunden – zwar immer noch die Basis, doch der Stellenwert der UEFA Champions League gewinnt rasant an Bedeutung. Deshalb muss der FC Bayern auch beim Thema TV-Erlöse inzwischen zweigleisig fahren und sich nicht nur mit dem Rest der Liga, sondern vor allem mit den ausländischen Spitzen-Klubs vergleichen.
Der Wettbewerbsvorteil der britischen Premier League ist offensichtlich: Der neu abgeschlossene TV-Vertrag für die Jahre 2016 bis 2019 warf bereits in der Sommerpause 2015/16 seinen Schatten voraus, als die britischen Klubs auf dem Transfermarkt in ganz großem Stil aktiv wurden. Aus der Inlandsvermarktung werden die britischen Klubs insgesamt rund 6,9 Milliarden Euro, also 2,3 Milliarden Euro pro Jahr erhalten. Das ist gegenüber dem laufenden TV-Vertrag ein Plus von rund 70 %. Der Vergleich mit der Bundesliga zeigt, wie weit Deutschland bei den TV-Erlösen abgeschlagen ist. Der aktuelle TV-Vertrag bringt pro Saison durchschnittlich 628 Millionen Euro. Selbst wenn es der Deutschen Fußball Liga gelingen sollte, beim neuen TV-Vertrag für die Spielzeiten ab 2017 jährliche Erlöse oberhalb der Milliardengrenze zu erzielen, wäre ein derart verbesserter Vertrag im Vergleich zu den englischen Zahlen ziemlich bescheiden. Der TV-Kuchen bleibt für die Bundesliga also absehbar kleiner – und von diesem kleinen Kuchen erhält der deutsche Rekordmeister durch den geltenden Verteilungsschlüssel obendrein noch ein sehr kleines Stück. Europaweit liegt Bayern München bei den TV-Erlösen nur auf Platz 26.
In dieser Gemengelage ist es kaum verwunderlich, dass der deutsche Rekordmeister im Winter 2015 offenbar nach Möglichkeiten sucht, seinen Anteil an den TV-Erlösen zu erhöhen. Medienberichten zufolge ist Bayern-Vorstand Karl-Heinz Rummenigge beim Bundeskartellamt vorstellig geworden, um innerhalb des bestehenden Zentralvermarktungsregimes individuelle Vermarktungsmöglichkeiten auszuloten – zum Beispiel bei der Auslands- oder Internet-Vermarktung. Zugleich verstärkte er den Druck auf die DFL, die TV-Erlöse zu erhöhen.
Druck kommt aber auch von anderer Seite. Einige der Traditionsvereine – zum Beispiel der Hamburger SV – drängen darauf, den Verteilungsschlüssel bei den TV-Erlösen zugunsten der publikumswirksamen Traditionsvereine zu verändern. Ihr Argument: Traditionsvereine sorgen mit ihrer großen Anhängerschaft nicht nur für volle Stadien, sondern auch für hohe TV-Einschaltquoten und damit tragen sie maßgeblich zum kommerziellen Erfolg der Liga bei. Andere Klubs, die durch externe Geldgeber zwar finanziellen und sportlichen Erfolg, aber trotzdem nur wenige Fans haben, erzielen oft geringe Einschaltquoten. Es ist durchaus richtig, dass beim geltenden Verteilungsschlüssel, der den sportlichen Erfolg finanziell honoriert, Traditionsvereine einige Klubs subventionieren, die dank externer Geldgeber ohnehin finanzstark sind. Der FC St. Pauli ging mit einem – inzwischen wieder zurückgezogenen – Antrag sogar so weit, dass Werksklubs, die durch eine Ausnahmegenehmigung von der 50+1-Regel freigestellt sind, keine oder deutlich reduzierte TV-Erlöse bekommen sollten. Es zeichnet sich also ab, dass die Fernsehrechte auch in Zukunft ein wiederkehrendes Streit-Thema sein werden .
Fazit
Steigende Eintrittspreise und Topspielzuschläge erschweren vor allem für junge und sozial schwachgestellte Fußballfans den Stadionbesuch.
Die Fußball-Bundesliga hat sich in den vergangenen Jahren beziehungsweise Jahrzehnten mit Erfolg eine wesentlich professionellere Struktur gegeben. Der Sport wird zielgerichtet vermarktet und erzielt kontinuierlich neue Umsatzrekorde. Im Vergleich zu den anderen wichtigen Fußballligen in Europa gilt die Bundesliga als wirtschaftlich besonders solide. Den Verantwortlichen ist bei der Kommerzialisierung bislang die Gratwanderung gelungen, den Fußball zu modernisieren und wirtschaftlich profitabel zu machen, ohne dabei den traditionellen Fan zu verlieren. Dieser Grat ist schmal. Die Wurzeln des heutigen wirtschaftlichen Erfolgs hat der Fußball schon vor vielen Jahren gelegt – als ursprünglicher, unterhaltsamer und finanzierbarer Sport für die breite Masse. Als steriles Show-Produkt für "die oberen Zehntausend" würde der Fußball seinen Reiz, seinen identifikationsstiftenden Charakter und damit seine gesellschaftliche Bedeutung verlieren. Die künftigen Herausforderungen erfordern deswegen weiterhin viel Sorgfalt und Fingerspitzengefühl, wenn der Fußball auch künftig ein Ereignis sein soll, das alle gesellschaftlichen Schichten in seinen Bann zieht.
Jörn Quitzau hat als Sportökonom und Bankvolkswirt zahlreiche Aufsätze und Kommentare über die wirtschaftlichen Aspekte des Profi-Fußballs geschrieben sowie verschiedene Vorträge zu dem Thema gehalten. Unter anderem betreibt er die Internetseite Externer Link: fussball-oekonomie.de. In der Online-Ausgabe der Zeitschrift CAPITAL schreibt Jörn Quitzau eine Kolumne über Fußballökonomie. Außerdem drückt er jeden Samstag für Borussia Mönchengladbach fest die Daumen.
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