Neben der sozialen Bedeutung des Fußballs im Allgemeinen sind gerade im Profibereich wirtschaftliche Faktoren dominierend. Die Gesamtumsätze sind allein in der 1. Bundesliga seit 1990 um das 20-Fache auf fast zwei Milliarden Euro angewachsen
Bis die Bänder reißen? Verletzungen im Profifußball und Möglichkeiten der Prävention
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Die Spielgeschwindigkeit sowie die Anzahl der Aktionen im Spiel erhöhen sich. Die physischen Anforderungen an die Spieler steigen. Aber der Körper des Spielers ist keine Maschine und die Verletzungsgefahren steigen. Was bedeutet das für das Training und was muss Prävention heute leisten?
Körperliche Belastungs- und Beanspruchungsgrößen im Profifußball
Verletzungen im Profifußball sind in Typisierung und Zustandekommen eng verknüpft mit den spezifischen Anforderungen, die dort an die Spieler gestellt werden. So haben wir es mit einem komplexen Anforderungsprofil zu tun, welches sich aus hohen physiologischen/körperlichen, technischen und taktischen Anteilen zusammensetzt. Ein Grund hierfür ist zum Beispiel in der Spielanlage zu sehen, die sich im Laufe der Zeit geändert hat. Neue taktische Ausrichtungen und Spielphilosophien im modernen Profifußball stellen die Spieler vor erhebliche konditionelle Anforderungen und verlangen technische Fertigkeiten, die unter Gegner-, Zeit- und Situationsdruck präzise ausgeführt werden müssen. Auch tragen bessere athletische und konditionelle Fähigkeiten der Spieler dazu bei, dass die Spielgeschwindigkeit in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat
Auch wenn die Nettospielzeit sich im Profibereich, respektive bei Weltmeisterschaften seit 1966, und auch im Ligabetrieb nicht wesentlich erhöht hat, so ist doch eine deutliche Zunahme der Intensitäten zu verzeichnen. So legen Profifußballer heutzutage im Durchschnitt pro Spiel eine Distanz zwischen zehn und zwölf Kilometern zurück, Spitzenwerte liegen bei über 14 Km. Mehr als doppelt so viel wie in den Anfangsjahren der Bundesliga. Darüber hinaus steigt neben der insgesamt zurückgelegten Distanz auch die Zahl an intensiven und hochintensiven Laufleistungen
In der Summe kommt jeder Spieler auf 1.000 bis 1.400 Kurzaktionen pro Spiel, wobei alle vier bis sechs Sekunden eine neue Aktion stattfindet
Verletzungsformen und Verletzungshäufigkeiten im Profifußball
Aus Studien und Erhebungen, die vom Lehrstuhl für Sportmedizin der Ruhr-Universität Bochum gemeinsam mit der VBG und den Spitzenverbänden im Fußball seit Anfang der 1990er-Jahre in regelmäßigen Abständen durchgeführt wurden und werden, ergibt sich für die 1. und 2. Bundesliga folgendes Bild (vgl. hierzu die Infografik zu Verletzungen im Profifußball):
Verletzungen der Oberschenkelmuskulatur sowie der Knie- und Sprunggelenke sind im Profifußball dominierend. In der Summe belaufen sich die Anteile auf 50 bis 60 Prozent.
Jeder Spieler im Berufsfußball erleidet pro Saison im Schnitt etwa zwei Verletzungen.
Vier von fünf Spielern erleiden zumindest eine Verletzung pro Saison.
Die Fußballprofis der drei höchsten Ligen kommen abzüglich einer sechswöchigen Wettkampf- und Trainingspause auf theoretisch circa 630.000 Arbeitstage. Durch Verletzungsfolgen fallen knapp 85.000 Tage hiervon weg. Umgerechnet auf einen Mannschaftskader bedeutet dies, dass 13,5 Prozent der Spieler permanent nicht einsetzbar sind.
Die Kosten für Verletzungen im Profifußball summieren sich, Behandlungskosten und Personalkosten zusammengefasst, auf etwa 90 Millionen Euro pro Saison. Der Gesamtumsatz der drei ersten Ligen beträgt circa zwei Milliarden Euro pro Saison.
Die Verletzungen konzentrieren sich hauptsächlich auf die Beinregion, wobei die hohe Zahl an Knieverletzungen, vorwiegend Bandrupturen, auffällt. Die Folgen sind in der Regel eine Operation im Rahmen eines stationären Krankenhausaufenthaltes, ambulante Nachbehandlung, Rehabilitationsmaßnahmen und eine Arbeitsunfähigkeit, die im Mittelwert bei 50 Tagen liegt.
Das Risiko von Verletzungen ist in den ersten 15 Einsatzminuten etwas höher als in den übrigen Spielphasen.
Knieverletzungen sind über die gesamte Spieldauer hinweg mit gleicher Häufigkeit zu beobachten, sodass hier mutmaßlich weniger Ermüdungseffekte dominierend sind als vielmehr koordinative Probleme grundsätzlicher Art.
Häufig wirken keine Gegenspieler in der Spielsituation mit, die zur Knieverletzung führt. Weniger als 10% der Knieverletzungen ereignen sich im Rahmen eines Foulspiels durch den Gegenspieler.
Knieverletzungen sind mit Abstand die gravierendsten Verletzungen im Profifußball. Sie verursachen Kosten in Höhe von 33 Millionen Euro, also 37 Prozent der Gesamtkosten. Danach folgen mit 14 Millionen Euro Sprunggelenkverletzungen und mit zehn Millionen Euro Oberschenkelverletzungen.
Damit entfallen rund zwei Drittel der Verletzungskosten auf die funktionelle Kette „untere Extremität“.
Je offensiver die Position des verletzten Spielers ist, desto häufiger steht die Verletzung mit einem Foulspiel des Gegners in Verbindung. Der Anteil der Verletzungen ohne Foul beträgt auf allen Feldpositionen etwa 80 Prozent.
Vor diesem Hintergrund gibt es wichtige Hinweise darauf, mit welchen Präventivmaßnahmen vor allem das gravierende und existenzielle Problem der Knieverletzungen angegangen werden kann.
Möglichkeiten zur Prävention von Verletzungen
Prinzipiell kann man bei Präventivmaßnahmen zwischen vier größeren Feldern differenzieren:
Training und Regeneration
Konzeption und Organisation
Ausrüstung und Einrichtungen
Diagnostik und Versorgung
Im Bereich Trainings und Regeneration erscheinen propriozeptive und koordinative Übungsinhalte neben spezifischem Krafttraining nach der aktuellen Literatur und den Erfahrungen das Mittel der Wahl zu sein. Insbesondere Trainingsprogramme mit einer Gewichtung von neuromuskulären und propriozeptiven Anteilen zur Vermeidung von Kreuzbandverletzungen haben in verschiedenen Studien eine signifikante Effektivität zur Reduzierung der Verletzungshäufigkeit gezeigt.
Darüber hinaus wird im Fußball das Training der Rumpfkraft, der Sprungkraft sowie der Kraft der Beinbeuger oft vernachlässigt. Gerade die Stabilisation des Rumpfes ist aber wichtig für die Kraftübertragung bzw. als Widerlager während der Flugphase, um im Lauf oder Sprung koordiniert und effektiv agieren und den Ball spielen zu können. Die angesprochenen Maßnahmen werden jedoch nur dann Akzeptanz im Profibereich finden, wenn sie zum einen fußballspezifisch auf den Profibereich adaptiert werden und zum anderen vermittelt werden kann, dass es sich nicht um ausschließlich präventive, sondern vorwiegend um leistungserhaltende und leistungsverbessernde Trainingsformen handelt. Verletzungen der Leistengegend unter Beteiligung der Adduktoren sind die häufigste Art von Leistenverletzungen im Fußball. Es finden sich Hinweise auf ein erhöhtes Risiko bei Spielern, deren Hüft-Adduktoren Kraftdefizite aufweisen. Exzentrisches Krafttraining der Hüft-Adduktoren mit Therabändern kann hier eventuelle Defizite beseitigen
Daneben sind Aufwärmen und Mobilisieren über mehrere Minuten unverzichtbare Bestandteile der Vorbereitung auf Training und Wettkampf. Dabei geht es nicht nur um die Aktivierung des Herz-Kreislauf-Systems, sondern auch darum, die Belastungstoleranz von Muskeln, Sehnen und Bändern zu erhöhen.
Im Bereich Konzeption und Organisation ist eine kontinuierliche Schulung von Schiedsrichter und Offiziellen wünschenswert. Fair-Play und Respect Kampagnen werden vermutlich kaum zu einer direkten Senkung von Verletzungshäufigkeiten führen, können aber helfen, ein Problembewusstsein zu entwickeln. Wichtiger wäre hier die Einführung einer Verletzungs- und Belastungsdokumentation für die jeweiligen Teams, um individuelle Defizite der Spieler frühzeitig erkennen und mit Blick auf die Verletzungsprävention angehen zu können.
Verletzt auf der Bank: Willi Koslowski vom FC Schalke 04 (© imago/Metelmann)
Im Bereich der medizinischen Betreuung sind Leitlinien zu beachten, die eine Reintegration verletzter Spieler in den Wettkampfbetrieb regeln. Dies ist insbesondere nach Knieverletzungen zu beachten, da auch hier eine Vorverletzung als ein entscheidender Risikofaktor für eine Rezidiv- oder Folgeverletzung zu nennen ist. So wird z.B. bei Kreuzbandrissen eine Ausfallzeit von ca. 6 Monaten genannt. Tatsächlich sind aber je nach Schädigung der beteiligten Strukturen Heilungsprozesse erst nach 12 bis 24 Monaten abgeschlossen.
Im Falle der zunehmend häufiger berichteten Problematiken, die mit Kopfverletzungen und wiederholten, auch leichteren Gehirnerschütterungen einher gehen, gibt es seit mehreren Jahren international abgestimmte Leitlinien zur Erfassung des Schweregrades von Gehirnerschütterungen bzw. zur Rückkehr verletzter Spieler in den Spielbetrieb
Grafik: Verletzungen im Profifussball
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Dr. Thomas Henke ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Sportmedizin und Sporternährung der Ruhr-Universität Bochum. Er leitet den Arbeitsbereich Sportunfallforschung und -prävention. Einer der Arbeitsschwerpunkte von Thomas Henke ist die Entwicklung und Implementierung von Maßnahmen zur Sportunfallprävention. Thomas Henke ist Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft Sicherheit im Sport (ASiS).
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