Die Finanzierung der Rentenversicherung hängt maßgeblich von der demografischen Entwicklung und von den ökonomischen Rahmenbedingungen ab. Die Folgen des demografischen Umbruchs sind bekannt: Durch die anhaltend niedrige Geburtenhäufigkeit und die weiter ansteigende Lebenserwartung verschiebt sich der Altersaufbau der Bevölkerung: Mehr Menschen im höheren Lebensalter stehen weniger Menschen im mittleren Lebensalter gegenüber. Das heißt: die mittlere Generation wird durch steigende Beiträge und/oder Steuern stärker belastet. Diese Belastung fällt allerdings geringer aus, wenn die Bevölkerung durch eine weitere Bevölkerungszuwanderung weniger stark abnimmt und sich die Altersrelationen entspannen.
Demografischer Wandel
Nach den Vorausberechnungen des Statistischen Bundesamtes wird sich der Anteil der 65-Jährigen und Älteren an der Gesamtbevölkerung deutlich von 22,1 Prozent (2021) auf 27,5 Prozent (2070) erhöhen. Damit wird gut jeder Vierte zur älteren Generation zählen. Zur "älteren Generation" wird allerdings gegenwärtig die Gruppe der 65-Jährigen und Älteren gezählt. Ob die 65- bis 70-Jährigen im Jahr 2070 noch als "alt" gelten oder ob im Zuge der ansteigenden Lebenserwartung und auch eventuell steigender Alterserwerbstätigkeit die Grenze dann erst zum Beispiel ab 70 Jahren gesetzt wird, bleibt abzuwarten. Bei einer Grenzziehung ab 70 Jahren im Jahr 2070 würde natürlich der Altenanteil an der Bevölkerung entsprechend niedriger ausfallen.
Allerdings sind die demografischen Verschiebungen keineswegs der einzige und auch nicht der wichtigste Faktor für die Finanzierung des Sozialstaates allgemein und für die Alterssicherungssysteme im Besonderen. Die zukünftigen finanziellen Belastungen der nachrückenden Generation lassen sich nicht allein aus der Gegenüberstellung von "älterer" Bevölkerung und Bevölkerung "im erwerbsfähigen Alter" ableiten. Der Blickwinkel ist zu erweitern: Es geht um die Relation von "Aktiven" zu "Inaktiven" insgesamt, d.h. um das Problem, welcher Anteil der Wertschöpfung auf all jene Personen übertragen werden muss, die über kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit verfügen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass auch Kinder und Jugendliche kein eigenes Erwerbseinkommen haben und von der mittleren (Eltern-)Generation finanziert werden müssen. Es sind also nicht nur die Älteren, die Übertragungen erhalten. Auch unter den Personen im Erwerbsalter ist nur ein Teil erwerbstätig und bezieht ein Erwerbseinkommen. Zu den Nicht-Erwerbstätigen zählen vor allem Menschen in Ausbildung, Arbeitslose und Hausfrauen. Die Erwerbstätigenzahlen und -quoten sind daher entscheidend für die Finanzierung der Alterssicherung. Hinsichtlich der Besetzungsstärke der "aktiven" Generation ist die Zahl der tatsächlich Erwerbstätigen zentral und nicht die der Personen im erwerbsfähigen, mittleren Alter.
Erwerbsbeteiligung und wirtschaftliche Entwicklung
Insofern ist die zukünftige Entwicklung der Erwerbsbeteiligung der Bevölkerung entscheidend. Demografische Berechnungen müssen daher mit Prognosen über die Entwicklung von Arbeitsmarkt, Arbeitslosigkeit und Erwerbstätigkeit kombiniert werden. Auf demografische Vorausberechnungen reduzierte Aussagen geben ein einseitig verkürztes und damit falsches Bild über die Zukunft.
In Hinblick auf die Finanzierung der Renten für eine wachsende Anzahl älterer Menschen ist es nicht nur wichtig, wie groß die Zahl der im Erwerbsleben stehenden aktiven Bevölkerung ist, welches Arbeitsvolumen sie auf sich vereinigen und welchen Finanzierungsbeitrag sie über Steuern oder Beiträge leisten. Es ist auch zu beurteilen, ob und in welchem Maße die höheren Belastungen zu verkraften sind. Die Belastbarkeit/Belastungsfähigkeit hängt maßgeblich davon ab, welche Höhe die individuellen Einkommen haben, die in Zukunft erwirtschaftet werden. Die Einkommensentwicklung und auch -verteilung entscheidet, ob es gelingt, steigende Beitrags- und/oder Steuerbelastungen auch ohne Realeinkommensverluste zu verkraften. Zu berücksichtigen sind also die gesamtwirtschaftlichen Trends, nämlich die Zuwachsraten von Beschäftigung, Sozialprodukt, Produktivität und Arbeitseinkommen. Die Verteilungsfrage zwischen den Generationen lässt sich entschärfen, wenn es zu rückläufiger Arbeitslosigkeit, steigenden Erwerbstätigenquoten und Produktions-, Produktivitäts- und Einkommenszuwächsen kommt.
Die Bedeutung der ökonomischen Rahmenbedingungen für die Finanzierung der Rentenversicherung zeigt sich, wenn auf die Entwicklung der vergangenen Jahre zurückgeblickt wird. Seit 2001 bestand mehrfach die Gefahr, dass die laufenden Einnahmen nicht ausreichen würden, um die Rentenleistungen zu finanzieren. Da die Gesetzliche Rentenversicherung im Umlageverfahren finanziert wird und die Rücklagen zwischen 2001 und 2007 deutlich weniger als eine Monatsausgabe abdeckten, musste nach Lösungen auf der Einnahmen- und der Ausgabenseite gesucht werden, um das drohende Defizit abzuwenden. Seit 2008 änderte sich jedoch das Bild: Die Rentenversicherung macht Überschüsse, die laufenden Einnahmen sind höher als die laufenden Ausgaben, die Rücklagen steigen an. Zentrale Ursache für diesen Umbruch war und ist die Lage auf dem Arbeitsmarkt. Seit etwa 2005/2006 sinkt die Zahl der Arbeitslosen, die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten steigt. Dies wirkt sich positiv auf die Höhe und Entwicklung der Beitragseinnahmen aus. Die Kassen der Rentenversicherung füllen sich und der Beitragssatz konnte gesenkt werden − trotz der Mehrausgaben durch mehrfache Rentenreformen seit 2014.
Die Einbindung der demografischen Prozesse in den gesamtwirtschaftlichen Zusammenhang zeigt, dass durch günstige ökonomische Bedingungen die Belastungen verringert werden können und leichter zu tragen sind. Gleichwohl lösen sich die zukünftigen demografischen Belastungen nicht einfach auf, denn die geburtenstarken Jahrgänge kommen erst jetzt ins Rentenalter. Diese Belastungen lassen sich nicht wegreformieren, aber anders verteilen. Dies gilt nicht nur für die umlagefinanzierten Alterssicherungssysteme (Rentenversicherung, Beamtenversorgung, Grundsicherung, Alterssicherung der Landwirte usw.) sondern gleichermaßen für die kapitalfundierten Altersversorgungssysteme (betriebliche Altersversorgung, private Vorsorge).
Umstieg auf ein Kapitaldeckungsverfahren?
Eine Umstellung auf das Kapitaldeckungsverfahren löst die demografischen Probleme nicht, da eine steigende Lebenserwartung entweder zu höheren Sparleistungen bzw. Versicherungsbeiträgen oder aber zu sinkenden Leistungen führt. Infolge der Verschiebung der Anteilsrelationen zwischen Jüngeren und Älteren, müssen die weniger werdenden Jüngeren in dem Moment, in dem die stark besetzten Älteren ihr Kapital auflösen wollen und müssen, stärker sparen, um den Kurswert der Anlagen nicht absinken zu lassen. Machen sie das nicht, müssen die Älteren mit geringeren Erträgen rechnen. Ruheständlern sowie dem Rest der Bevölkerung steht für ihre Konsumnachfrage immer nur das Volkseinkommen (bzw. das realwirtschaftliche Dienstleistungs- und Güterangebot) des jeweils laufenden Jahres zur Verfügung. Denn auch beim Kapitaldeckungsverfahren muss die kleiner werdende Gruppe der Erwerbstätigen ihren Konsum einschränken, wenn der Konsum der größer werdenden Gruppe der Älteren wächst.
Angesichts des Desasters, das die Alterssicherung in Ländern mit stark kapitalfundierten Systemen in der Finanzkrise 2008/09 erlebte, ist es stiller geworden um die Forderungen nach einer Umstellung der Alterssicherung vom Umlage- auf das Kapitaldeckungsverfahren. Ein besonderes Problem für die kapitalmarktabhängigen Alterssicherungssysteme – und zwar sowohl für die Lebensversicherungen als auch für die betrieblichen Pensionskassen und -fonds – stellen die dauerhaft niedrigen Zinsen dar, die infolge der Notenbankpolitik in nahezu allen Ländern das Marktgeschehen bestimmen. Neue öffentliche Anleihen, in denen die Lebensversicherungen ihre Kapitalbestände bevorzugt (aus Sicherheitsgründen) anlegen, weisen nur äußerst geringe Zinsen und Renditen auf und tendieren (bei kurzfristigen Papieren) gegen Null. Die einst als sicher geltenden Staatsanleihen aus Krisenländern haben zwar sehr hohe Zinsen, sind aber äußerst unsicher geworden, da wie im Fall von Griechenland ein Schuldenschnitt und entsprechende Verluste nicht auszuschließen sind.