Altersrenten und Altersgrenzen
Der Anspruch auf eine Altersrente ist an das Vorliegen bestimmter Voraussetzungen (sog. Wartezeiten) und an das Erreichen von Altersgrenzen geknüpft. Der Eintritt des Versicherungsfalls ist also unabhängig von der tatsächlichen Erwerbsfähigkeit des betreffenden Versicherten. Vielmehr wird eine Weiterarbeit zwar nicht ausgeschlossen, aber auch nicht mehr zugemutet. Betrachtet man die Altersgrenzen in der gesetzlichen Rentenversicherung, so bildete seit 1916 in der Arbeiterrenten- und bereits seit 1912 in der Angestelltenrentenversicherung das 65. Lebensjahr grundsätzlich die für alle gültige Regelaltersgrenze.
Diese Regelaltersgrenze wird seit Beginn des Jahres 2012 schrittweise auf das 67. Lebensjahr heraufgesetzt: Es besteht jedoch die Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen bereits vorzeitig eine Rente zu beziehen. Dies betrifft Schwerbehinderte (ebenfalls schrittweise Anhebung von 60 auf 62 Jahre) sowie sogenannte langjährig Versicherte (63 Jahre) und besonders langjährig Versicherte (63 bzw. 65 Jahre). Bei einem vorzeitigen Rentenbeginn werden die Renten durch Abschläge (0,3 Prozent je vorgezogenem Monat) gekürzt. Eine Verschiebung des Rentenbezugs und eine Weiterarbeit auch über die Regelaltersgrenze hinaus sind durch das Rentenrecht ausdrücklich vorgesehen. Für jeden über die Regelaltersgrenze hinaus (bis maximal zwei Jahre) versicherungspflichtig länger gearbeiteten Monat wird ein monatlicher Rentenzuschlag von 0,5 Prozent gezahlt. Neben dem Bezug einer Altersrente kann weiterhin einer Erwerbsarbeit nachgegangen werden. Dieser Hinzuverdienst ist bei vorgezogenen Altersrenten durch Hinzuverdienstgrenzen limitiert; ab Erreichen der Regelaltersgrenze aber uneingeschränkt möglich.
Erwerbsminderungsrenten
Rentenzahlungen aufgrund von Erwerbsminderung gliedern sich in Renten wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung. Entscheidend dafür ist der Zeitumfang, in dem eine Tätigkeit noch ausgeübt werden kann. Wer weniger als sechs Stunden (aber mindestens drei Stunden) täglich arbeitsfähig ist, erhält eine teilweise Erwerbsminderungsrente. Bei einer Restleistungsfähigkeit von unter drei Stunden wird eine volle Erwerbsminderungsrente gewährt. Erwerbsminderungsrenten und Rehabilitation stehen dabei in einem unmittelbaren Zusammenhang. Nach dem Grundsatz "Rehabilitation vor Rente" geht es darum, Heilbehandlungen für Erwerbsgeminderte bzw. von Erwerbsminderung bedrohte Versicherte zu übernehmen, um ihre Arbeitsfähigkeit wiederherzustellen oder zu erhalten. Zur Beurteilung der Schwere der Erkrankung erfolgt eine ärztliche Prüfung. Im Rahmen des Antragsverfahrens (auf Basis ärztlicher Gutachten und Unterlagen, auch z. B. von der Krankenkasse) wird seitens eines Amtsarztes zu allererst geprüft, ob durch Maßnahmen der medizinischen und/oder beruflichen Rehabilitation die Erwerbsfähigkeit wiederhergestellt oder zumindest verbessert werden kann.
Hinterbliebenenrenten
Die Berufstätigkeit von Frauen, gerade von Ehefrauen und Müttern, nimmt seit Jahren zu. Das traditionelle Modell der Hausfrauen- und Versorgerehe, bei dem die Frau sich ausschließlich um den Haushalt und die Kindererziehung kümmert und kein eigenes Einkommen hat, dominiert heute nicht mehr. Aber von der Gleichstellung der Geschlechter auf dem Arbeitsmarkt sind wir noch weit entfernt. Der Mann ist immer noch hauptzuständig für den Einkommenserwerb, die Frau verdient deutlich weniger und ergänzt − häufig auf der Basis von Teilzeitarbeit − das Familieneinkommen. Entfällt durch den Tod des Mannes sein Einkommen oder seine Rente, geraten die Familienangehörigen, die Ehefrau und die Kinder, in eine existentielle Notlage. Diese Lücke füllt die Hinterbliebenenrente. Hinterbliebenenrenten werden an Waisen, Witwen oder Witwer gezahlt.
Kindererziehungszeiten
Die Berücksichtigung von Zeiten der Kindererziehung – eingeführt ab 1986 – erfolgt in dem grundsätzlich an der Erwerbstätigkeit (mit Beiträgen) orientierten Versicherungssystem durch vom Staat gezahlte Beiträge. Als Kindererziehungszeiten gelten die Zeiten der Erziehung eines Kindes in den ersten drei Lebensjahren nach der Geburt für Kinder, die ab 1992 geboren wurden. Für vor 1992 geborene wurden lange Jahre nur 12 Monate anerkannt. Durch die Rentenreform seit 2014 ("Mütterrente") ist diese Zeit auf 30 Monate verlängert worden.
Finanzierung
Die Gesetzliche Rentenversicherung verfügt über eine eigene Finanzhoheit. Das heißt, sie führt einen eigenständigen Haushalt, der nicht Teil des Bundeshaushalts ist, sondern getrennt von diesem ist. Die Finanzierung erfolgt über Beiträge und ergänzende Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt. Beiträge und Zuschüsse fließen in den Haushalt der Rentenversicherung und unterliegen dabei einer strengen Zweckbindung. Der Beitragssatz wird im Gesetzgebungsverfahren festgelegt und liegt 2023 bei 18,6 Prozent. Die Beitragszahlung wird je zur Hälfte von den Versicherten und ihren Arbeitgebern übernommen (paritätische Finanzierung). Allerdings unterliegen Einkommensbestandteile, die eine obere Grenze (Beitragsbemessungsgrenze) überschreiten, keiner Beitragspflicht.
Neben den Beiträgen finanziert sich die Gesetzliche Rentenversicherung durch Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt, die aus dem allgemeinen Steueraufkommen getragen werden. Damit sollen die allgemeinen gesellschaftspolitischen Aufgaben der Rentenversicherung finanziert und der Verantwortung des Bundes für die Stabilität dieses wichtigsten Sozialversicherungszweiges Rechnung getragen werden.
Ausgaben
Im Sozialleistungssystem ist die Gesetzliche Rentenversicherung der mit Abstand größte Leistungsträger. Dabei dominieren die Ausgaben für die Versicherten- und Hinterbliebenenrenten. Die Verwaltungs- und Verfahrenskosten haben bei der GRV eine nur geringe Bedeutung (1,4 %); im Unterschied zur privaten Lebens- und Rentenversicherung arbeitet die GRV äußerst "kostengünstig".
Auf einen Blick: Leistungen und Finanzierung der Rentenversicherung
Stand: 2021/2022
Zahl der Rentenzugänge (Versichertenrenten) | 1.300.000 | |
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Anteil (2022) der Rentenzugänge an allen Zugängen | ||
Altersrenten | 84,2 % | |
Erwerbsminderungsrenten | 15,8 % | |
Renten im Rentenbestand | 25,9 Mio. | |
Altersrenten | 18,6 Mio. | |
Hinterbliebenenrenten | 5,5 Mio. | |
Erwerbsminderungsrenten | 1,8 Mio. | |
Regelaltersgrenze | Schrittweise Heraufsetzung auf 67 Jahre | |
2023 | 66 Jahre | |
Vorgezogene Altersgrenzen | ||
Langjährig Versicherte (Wartezeit 35 Jahre) mit Abschlägen | 63 Jahre | |
Besonders langjährige Versicherte (Wartezeit 45 Jahre) ohne Abschläge | 65 Jahre (vorübergehend ab 63 Jahren, ansteigend; 2024: 64 Jahre) | |
Schwerbehinderte abschlagsfrei | Schrittweise Heraufsetzung von 63 auf 65 Jahre | |
Schwerbehinderte mit Abschlägen | Schrittweise Heraufsetzung von 60 auf 62 Jahre | |
Rentenabschläge in % der Rentenzugänge | Frauen | Männer |
Ost | 42,4 % | 26,3 % |
West | 26,0 % | 20,8 % |
Rentenausgaben (ohne Knappschaft) | 353,9 Mrd. Euro | |
Anteile der Rentenarten an den Rentenausgaben | ||
Altersrenten | 78,4 % | |
Hinterbliebenenrenten | 14,8 % | |
Erwerbsminderungsrenten | 6,8 % | |
Gesamtausgaben der Gesetzlichen Rentenversicherung | ||
in % aller Sozialleistungen | 29,7 % | |
in % des Sozialprodukts | 9,4 % | |
Beitragssatz 2023 | 18,6 % | |
Bundeszuschuss zur Rentenversicherung | ||
in Euro | 81 Mrd. Euro | |
in % der Rentenausgaben | 22,8 % | |
Rücklagen in Monatsausgaben | 1,7 |