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Pro und Contra hinsichtlich des Finanzierungsverfahrens | Rentenpolitik | bpb.de

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Pro und Contra hinsichtlich des Finanzierungsverfahrens Aktienrenten: Kapitaldeckung als Finanzierungsalternative?

Gerhard Bäcker Ernst Kistler

/ 3 Minuten zu lesen

Für bzw. gegen das Umlage- wie das Kapitaldeckungsverfahren werden jeweils verschiedene Argumente ins Feld geführt. Zu beachten ist, dass hinter diesen Argumenten auch ideologische Positionen und massive materielle Interessen stehen.

Blick in die Börse Frankfurt. (© picture-alliance/dpa)

In der Debatte um das Pro und Contra der beiden Alternativen werden von der jeweiligen Seite vielfältige Argumente vorgebracht und auch empirische Belege respektive modellhafte Berechnungen zur Beweisführung vorgelegt. Allerdings gibt es zu vielen dieser "Beweise" meist auch entsprechende Gegenbeispiele bzw. methodische Kritik. Im Folgenden kann nur ein Überblick über die Argumente gegeben werden, um anschließend einige der wichtigsten Streitpunkte kurz zu vertiefen.

Beide Finanzierungsverfahren bergen Risiken/Probleme

Das Umlageverfahren vertraut auf die Stabilität der Lohn- bzw. Erwerbseinkommen und ist daher mit Arbeitsmarktrisiken und demographischen Risiken behaftet. Das Kapitaldeckungsverfahren vertraut auf die Stabilität der Kapitalmärkte bzw. der Kapitaleinkommen und ist damit insbesondere den Risiken von Inflation und Kursverlusten ausgesetzt.

Deutscher Bundestag (1998), S. 344.

Argumente für die Kapitaldeckung

  • Kapitalgedeckte Systeme sind nicht von negativen Entwicklungen am Arbeitsmarkt (z.B. atypische Beschäftigung, Arbeitslosigkeit) und von der Lohnentwicklung abhängig.

  • Die individuellen Renditen der Altersvorsorgebeiträge sind in kapitalgedeckten Alterssicherungssystemen höher als im Umlagesystem. Die Rentner:innen profitieren von den Wert- und Kurssteigerungen auf den internationalen Kapitalmärkten.

  • Die Ansammlung von Kapitalbeständen erfordert ein zusätzliches/höheres Sparvolumen. Dies trägt zu höheren Investitionen, einer steigenden Arbeitsproduktivität und einem höheren Wirtschaftswachstum bei.

  • Ein auf einem Kapitalstock basierendes Alterssicherungssystem ist weniger demografieabhängig. Die jeweilige Generation sorgt durch die Kapitalbildung für sich selbst vor und ist nicht darauf angewiesen, dass die nachrückende Generation bereit und fähig ist, Teile ihres Einkommens im Umlageverfahren auf die Älteren zu übertragen.

  • Im (privatwirtschaftlichen) kapitalgedeckten Bereich der Altersvorsorge sind die Ansprüche der Versicherten besser gegen staatliche Eingriffe (Kürzungen, Umverteilungsmaßnahmen) geschützt.

  • Die Akzeptanz von (auch zwangsweise vorgeschriebenen) Beitragsleistungen an kapitalfundierte Alterssicherungssysteme ist höher als im Umlageverfahren.

Argumente für das Umlageverfahren

  • Kapitalfundierte Systeme sind abhängig von der Entwicklung auf den internationalen Kapital- und Finanzmärkten und unterliegen insofern erhöhten Risiken, die bis hin zum Verlust des Vermögens führen können. Aufgrund dieser Kapitalmarktabhängigkeit sind die Renditen und damit die Höhe der späteren Alterseinkünfte unkalkulierbar.

  • Bei der Höhe der Rendite aus kapitalgedeckten Systemen kommt es nicht nur darauf an, wie hoch das Vermögen bzw. der Rentenzahlbetrag beim Erreichen der Altersgrenze ist, sondern ob die Erträgnisse aus dem Vermögen auch ausreichen, um eine jährliche Leistungsanpassung zu garantieren, die den Preisniveauanstieg ausgleicht und auch den allgemeinen Wohlstandszuwachs wiedergibt ("Dynamisierung").

  • Auch Inflationstendenzen bis hin zu Währungsreformen gefährden die Kapitaldeckung; dagegen bieten umlagefinanzierte Alterssicherungssysteme einen Schutz vor Inflation und Krisen (wie z. B. Kriegsfolgen, Währungsreformen).

  • Politische Umbrüche und/oder eine kurzfristige Abdeckung neuer Risiken lassen sich nur in einem Umlagesystem bewältigen. So wäre die Eingliederung der ostdeutschen Rentner:innen bzw. Rentenversicherung in das westdeutsche System bei einem Kapitaldeckungsverfahren unmöglich gewesen.

  • Die Bestands- wie die Zugangsrentner:innen in den neuen Bundesländern hätten Jahre bzw. Jahrzehnte warten müssen, bis sich ihre Beiträge verzinst hätten. Der Großteil der Rentner:innen wäre völlig leer ausgegangen. Auch die Einführung der Pflegeversicherung im Jahr 1995 mit der sofortigen Auszahlung von Leistungen hat sich nur durch das Umlageverfahren realisieren lassen. Es ist allseits unbestritten, dass die Wiedervereinigung so nicht möglich gewesen wäre, wenn in der Bundesrepublik die Rentenversicherung als kapitalgedecktes System finanziert gewesen wäre.

  • Tendenziell gilt gleiches für die Aufnahme der Spätaussiedler. Der umlagefinanzierte Kern der Rentenversicherung hat (zusammen mit Staatszuschüssen) auch entscheidend dazu beigetragen, die Weltwirtschaftskrise und die Folgen des II. Weltkriegs bzw. der beiden Währungsreformen zu überwinden.

  • Nur ein Umlageverfahren erlaubt es, in größerem Maße solidarische Komponenten einzubauen. Solange nämlich kapitalgedeckte private Systeme freiwillig sind, und der Solidarausgleich nicht durch gesetzliche Regelungen zwingend vorgegeben ist, werden die Benachteiligten, d. h. die sog. "guten Risiken", das System verlassen bzw. erst gar nicht beitreten.

  • Die Verwaltungskosten (inkl. der Gewinnmargen und Marketingkosten) sind in kapitalgedeckten privaten Versicherungen um ein mehrfaches höher als in der Gesetzlichen Rentenversicherung.

  • Kapitalgedeckte Alterssicherung ist genau genommen ebenso demografieabhängig wie ein Umlageverfahren. Auch ein erhöhtes Sparen (soweit nicht nur verschiedene Formen des Vorsorgesparens substituiert werden) führt nicht automatisch zu mehr Investitionen und Wachstum.

  • Die riesigen privaten Altersvorsorgevermögen (in Pensionskassen, Pensionsfonds und bei Versicherungen) sind in Folge der Suche nach hohen und höchsten Renditen eine wesentliche Triebkraft für die Überhitzungen und Spekulationen auf den internationalen Finanz- und Kapitalmärkten.

  • Sind öffentliche Systeme kapitalfundiert, so besteht die Gefahr, dass schon bei kleineren Rücklagen die Begehrlichkeiten der Politik wachsen, diese Gelder für andere öffentliche Leistungen oder für Beitrags- und Steuerentlastungen oder für die Rückführung staatlicher Schulden einzusetzen.

Es gilt der Spruch "Eher legt sich der Hund einen Wurstvorrat an, als dass der Finanzminister Rücklagen bei den Sozialversicherungsträgern unangetastet lässt."

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Gerhard Bäcker, Prof. Dr., geboren 1947 in Wülfrath ist Senior Professor im Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen. Bis zur Emeritierung Inhaber des Lehrstuhls "Soziologie des Sozialstaates" in der Fakultät für Gesellschaftswissenschaften der Universität Duisburg-Essen. Forschungsschwerpunkte: Theorie und Empirie des Wohlfahrtsstaates in Deutschland und im internationalen Vergleich, Ökonomische Grundlagen und Finanzierung des Sozialstaates, Systeme der sozialen Sicherung, insbesondere Alterssicherung, Arbeitsmarkt und Arbeitsmarktpolitik, Lebenslagen- und Armutsforschung.

Ernst Kistler, Prof. Dr., geboren 1952 in Windach/Ammersee, verstorben 2021, war Direktor des Internationalen Instituts für Empirische Sozialökonomie, INIFES gGmbH in Stadtbergen bei Augsburg. Forschungsschwerpunkte: Sozial- und Arbeitsmarktberichterstattung, Demografie, Sozialpolitik, Armutsforschung.