Seit Bismarcks Zeiten wird darüber gestritten, welche der beiden Finanzierungsalternativen der anderen überlegen sei. Dabei wird jedoch regelmäßig vergessen zu erwähnen, wie sich das System der Gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) diesbezüglich entwickelt hat. Es ist wenig bekannt, dass die Gesetzliche Rentenversicherung ursprünglich stärker auf einem Kapitaldeckungsverfahren basierte.
In der Aufbauphase wurden die noch geringen Mittel im Kapitalstock – bei geringeren Leistungsausgaben – durch einen Finanzierungsbeitrag aus Steuermitteln aufgestockt. Im historischen Verlauf hat der Staatszuschuss einen lange wachsenden Anteil der Einnahmen der GRV ausgemacht. Grund war nicht zuletzt der Ausgleich für so genannte versicherungsfremde Leistungen.
Insbesondere durch die zweimaligen Währungsreformen – im Gefolge der Weltwirtschaftskrise 1923 und nach dem II. Weltkrieg – wurden die bei der Rentenversicherung akkumulierten Kapitalreserven entwertet (was für Lebensversicherungen, Teile der betrieblichen Alterssicherung und die berufsständischen Versorgungswerke der freien Berufe noch deutlicher galt).
Nach der Währungsreform 1948 wurde im Prinzip wieder eine kapitalgedeckte Rentenfinanzierung mit einem Abschnittsdeckungsverfahren für zehnjährige Deckungsabschnitte angestrebt (vgl. Kasten).
Der Übergang von der Kapitaldeckung in Richtung Umlagesystem
Sowohl Regierung als auch SPD sahen ein "Abschnittsdeckungsverfahren" jeweils für zehnjährige Deckungsabschnitte vor, also (noch) kein reines Umlageverfahren. Dies war im Vergleich zum vorherigen System mit einem deutlich geringeren Vermögensaufbau in der Rentenversicherung verbunden. Beschlossen wurde schließlich, dass innerhalb eines Zehnjahreszeitraums der Beitragssatz jeweils konstant bleiben sollte, aber am Ende des "Deckungsabschnitts" sollte eine Rücklage von etwa einer Jahresausgabe verbleiben.
Dennoch wird hier konzeptionell die Abkehr von der Vorstellung der Wiederherstellung eines "Kapitaldeckungsverfahrens" in der gesetzlichen Rentenversicherung vollzogen, dessen Wiedereinführung erheblichen zusätzlichen Finanzbedarf zum Aufbau einer hohen Vermögensreserve erfordert und Leistungsausweitungen, geschweige denn solche im vorgesehenen Maße, unmöglich gemacht hätte.
Quelle: Schmähl (2005), S. 419 f.
Die endgültige Umstellung auf ein reines Umlageverfahren erfolgte 1969 mit dem Dritten Rentenversicherungs-Änderungsgesetz und einer Reduzierung der Rücklage der GRV auf drei Monatsausgaben. Diese wurde dann 2004 mit dem Rentenversicherungs-Nachhaltigkeitsgesetz auf eine Schwankungsreserve von 1,5 Monatsausgaben als oberen Zielwert ("Nachhaltigkeitsrücklage") weiter reduziert.
Seit einigen Jahren (seit etwa 2009) kommt es – vor dem Hintergrund einer steigenden Beschäftigung und einer Zunahme von Beitragszahlern und der entsprechenden Anpassung der steuerfinanzierten Bundeszuschüsse – zu kleinen Überschüssen in der GRV, die allerdings nur ausreichen, um (2022) 1,7 Monatsausgaben abzudecken (vgl. Kapitel Finanzierung der Gesetzlichen Rentenversicherung und Abbildung „Entwicklung der Rücklagen der Gesetzlichen Rentenversicherung 1990 – 2022)“
Dabei ist umstritten, ob diese für höhere Rücklagen verwendet werden sollen (im Sinne einer Vorsorge für die Zeit eines steigenden Rentnerquotienten, also um dann Beitragssatzsteigerungen abzufedern – man spricht hierbei auch von einer vorübergehenden "Teilkapitaldeckung") oder ob es, wie gesetzlich normiert, zu einer (weiteren) Absenkung des Beitragssatzes kommen soll.
Hinsichtlich des gesamten Alterssicherungssystems steht jedoch der Fixierung der ersten Säule GRV auf ein Umlagesystem mit der Absenkung des Sicherungsniveaus durch die Rentenreformen und speziell mit der Riesterrente von 2001 ein Bedeutungszuwachs der kapitalgedeckten Rente auf der dritten Ebene gegenüber (vgl.
Faktisch bedeutet dieser Schritt zur Substitution eines Teils der GRV-Absicherung durch eine private Altersvorsorge eine Ausweitung der Bedeutung des kapitalfundierten Systems.