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Empirische Befunde zur betrieblichen Altersversorgung | Rentenpolitik | bpb.de

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Empirische Befunde zur betrieblichen Altersversorgung Betriebliche Altersversorgung

Gerhard Bäcker Ernst Kistler

/ 4 Minuten zu lesen

Zur betrieblichen Altersversorgung zählen die betriebliche Altersversorgung in der Privatwirtschaft und die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst.

Stickmeisterin bei der Arbeit: Die Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung hängt in einem hohen Maße von der Größe und der Branchenzugehörigkeit der Betriebe ab. Je größer der Betrieb, um so häufiger finden sich bei den Beschäftigten Versorgungsanwartschaften. (© picture-alliance/AP)

Verbreitungsgrad in der Privatwirtschaft

Die Informationen über den Verbreitungsgrad der betrieblichen Altersversorgung in der Privatwirtschaft sind begrenzt und wenig aktuell. Denn im Unterschied zur Gesetzlichen Rentenversicherung gibt es bei den Betriebsrenten keine prozessproduzierten Daten. Auch fehlt bislang ein Meldeverfahren, das die Unternehmen verpflichtet, den Statistischen Ämtern laufend Angaben über den Verbreitungsgrad von Betriebsrenten, die Höhe der Anwartschaften und die Höhe der Renten im Leistungsfall zu übermitteln. Insofern können Daten nur über (repräsentative) Befragungen erhoben werden. In Frage kommen hier der Mikrozensus oder Sondererhebungen. Die differenziertesten Befunde liefern die Sondererhebungen "Alterssicherung in Deutschland" (ASID) mit zuletzt Daten für das Jahr 2019.

Aktiv Versicherte mit Anwartschaften auf eine betriebliche Altersversorgung¹ 2001 – 2019 (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/4.0/deed.de

Im Jahr 2019 hatten danach 18,2 Mio. sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in der Privatwirtschaft und in der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst Anwartschaften auf eine Betriebsrente erworben.

Der Verbreitungsgrad der betrieblichen Altersversorgung lag 2019 bei rund 54 Prozent der versicherungspflichtig Beschäftigten. Da geringfügige Beschäftigungsverhältnisse (Hauptbeschäftigung) nicht erfasst werden, lässt sich davon ausgehen, dass der Verbreitungsgrad bezogen auf alle ArbeitnehmerInnen bei etwa 50 Prozent liegt. Zwar zeigt sich seit 2001 ein sichtbarer Anstieg (vgl. Abbildung "Aktiv Versicherte mit Anwartschaften auf eine betriebliche Altersversorgung 2001 − 2019"), der aber bereits ab 2011 nahezu zum Stillstand gekommen ist.

Anzahl der aktiven Anwartschaften der betrieblichen Altersversorgung 2001 – 2019 (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/4.0/deed.de

Die Abbildung "Anzahl der aktiven Anwartschaften der betrieblichen Altersversorgung 2001 − 2019 nach Durchführungswegen" lässt erkennen, dass sich ein Großteil der Anwartschaften auf die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes und auf die öffentlichen Zusatzversorgungsträger konzentriert. Hier gibt es einen hohen, tarifvertraglich abgesicherten Verbreitungsgrad. Demgegenüber bestehen bei den Beschäftigten in der Privatwirtschaft große Absicherungslücken.

Die zu einem Zeitpunkt (in einem Jahr) gemessene Zahl der Anwartschaften lässt noch keine Aussage über den Zeitverlauf zu: Seit wie viel Jahren besteht eine Anwartschaft? Wird sie bis zum Ende der Erwerbstätigkeit weiter fortgeführt und ausgebaut? Unklar ist auch, welche Risiken bei den Betriebsrenten abgedeckt sind, welche Höhe die Anwartschaften und späteren Betriebsrenten haben und ob eine regelmäßige Anpassung der Renten an die Einkommens- und Preisentwicklung vorgesehen ist.

Die Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung hängt in einem hohen Maße von der Größe und der Branchenzugehörigkeit der Betriebe ab (vgl. "Abbildung Beschäftigte mit betrieblicher Altersversorgung nach Betriebsgröße 2019"). Je größer der Betrieb, umso häufiger finden sich bei den Beschäftigten Versorgungsanwartschaften. Zwei Extreme können diesen Zusammenhang illustrieren: In Betrieben mit 1 bis 9 Mitarbeiter:innen haben 29 Prozent der Beschäftigten Anwartschaften, in Betrieben mit 1.000 Mitarbeiter:innenn und mehr liegt der Verbreitungsgrad bei 88 Prozent.

Bei den Branchen stehen die Bereiche Kredit/Versicherungen (88 Prozent) an der Spitze. Selten zu finden − mit um die 20 Prozent der Beschäftigten − ist die betriebliche Altersversorgung in den Bereichen Gastgewerbe, sonstige wirtschaftliche Dienstleistungen und Handel (vgl. Abbildung "Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung nach Wirtschaftszweigen 2019").

Verbreitungsgrad der ausgezahlten Renten

Der Verbreitungsgrad der Betriebsrenten, die aktuell an die nicht mehr Erwerbstätigen ausgezahlt werden, liegt − in Folge der erst in jüngerer Zeit erfolgten größeren Verbreitung − deutlich niedriger als der Verbreitungsgrad der Anwartschaften: Von den über 65-Jährigen bezogen in den alten Ländern im Jahr 2019 28 Prozent der Männer, aber nur 9 Prozent der Frauen eine eigene Betriebsrente. In den neuen Ländern waren es sogar nur 7 Prozent der Männer und 3 Prozent der Frauen. Unterscheidet man nach Altersjahrgängen, so steigen die Betriebsrentenzahlungen bei den jüngeren Kohorten; dies aber im Wesentlichen nur bei den Männern, kaum bei den Frauen. Denn nicht alle Arbeitnehmer:innen, die Anwartschaften erworben haben, werden später auch Betriebsrenten beziehen, wenn bei einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Unverfallbarkeitsregelung nicht greift. Benachteiligt sind dadurch vor allem Arbeitslose sowie Frauen, die ihr Beschäftigungsverhältnis wegen der Kindererziehung aufgeben.

Höhe der Betriebsrenten

Schichtung der Höhe der Betriebsrenten 2019 (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/4.0/deed.de

Nach den Befunden der Erhebung "Alterssicherung in Deutschland" zeigt sich bei der Höhe der Bruttoleistungen der betrieblichen Altersversorgung in der Privatwirtschaft eine sehr breite Streuung der Zahlbeträge: In den alten Bundesländern stehen neben hohen Leistungen einerseits sehr niedrige Leistungen andererseits gegenüber. Zugleich wird sichtbar, dass die hohen Leistungen weit überwiegend von Männern bezogen werden: 18 Prozent der Männer, aber nur 3 Prozent der Frauen erhalten eine Betriebsrente von mehr als 1.000 Euro. Für den größten Teil der Männer und den weit überwiegenden Teil der Frauen fallen die Betriebsrenten aber nur sehr niedrig aus: Weniger als 200 Euro erhalten 40 Prozent der Männer und 62 Prozent der Frauen (vgl. Abbildung "Schichtung der Höhe der Bruttorenten der betrieblichen Altersversorgung"). In den neuen Bundesländern gibt es so gut wie keine Betriebsrenten, die höher als 70 Euro liegen. Weniger als 200 Euro erhalten 63 Prozent der Männer und 76 Prozent der Frauen.

Leistungsvolumen

Leistungen der betrieblichen Altersversorgung 1991-2022 (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/4.0/deed.de

Die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung in der Privatwirtschaft betrugen – laut Sozialbudget 2022 − im Jahr 2022 knapp 29 Mrd. Euro in Deutschland. Das entspricht 2,3 Prozent aller Sozialleistungen und 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (vgl. Abbildung "Leistungen der betrieblichen Altersversorgung in Mrd. Euro und in Prozent aller Sozialleistungen 1991 - 2022"). Zum Vergleich: Die gesetzliche Rentenversicherung erbrachte Leistungen in Höhe von rund 365 Mrd. Euro. Ihr Anteil am Sozialbudget betrug damit 29,7 Prozent.

Während noch vor einigen Jahren (2001) mehrheitlich die Arbeitgeber die betriebliche Altersversorgung ihrer Beschäftigten finanziert haben, so hat mittlerweile die arbeitnehmerseitige Finanzierung der betrieblichen Alterssicherung ein hohes Gewicht bekommen (vgl. Abbildung "Finanzierungsformen der betrieblichen Altersversorgung"). Hier spielt offensichtlich die Entgeltumwandlung eine Rolle. So wurde im Jahr 2019 in Deutschland die bAV in 20 Prozent der Betriebsstätten der Privatwirtschaft die Finanzierung ausschließlich über Entgeltumwandlung – also ausschließlich über die Arbeitnehmer:innen finanziert – und in 68 Prozent der Betriebsstätten bestanden bAV-Anwartschaften, bei denen Arbeitgeber und Arbeitnehmer:innen zusammen einzahlen. Der Anteil der ausschließlich arbeitgeberfinanzierten bAV lag bei 24 Prozent. Ende des Jahres 2001 hatten die Arbeitgeber noch in 54 Prozent der Betriebsstätten die bAV ausschließlich selbst finanziert und in 25 Prozent der Betriebsstätten gab es bAV-Anwartschaften, die ausschließlich von den Arbeitnehmer:innen finanziert wurden.

Weitere Inhalte

Gerhard Bäcker, Prof. Dr., geboren 1947 in Wülfrath ist Senior Professor im Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen. Bis zur Emeritierung Inhaber des Lehrstuhls "Soziologie des Sozialstaates" in der Fakultät für Gesellschaftswissenschaften der Universität Duisburg-Essen. Forschungsschwerpunkte: Theorie und Empirie des Wohlfahrtsstaates in Deutschland und im internationalen Vergleich, Ökonomische Grundlagen und Finanzierung des Sozialstaates, Systeme der sozialen Sicherung, insbesondere Alterssicherung, Arbeitsmarkt und Arbeitsmarktpolitik, Lebenslagen- und Armutsforschung.

Ernst Kistler, Prof. Dr., geboren 1952 in Windach/Ammersee, verstorben 2021, war Direktor des Internationalen Instituts für Empirische Sozialökonomie, INIFES gGmbH in Stadtbergen bei Augsburg. Forschungsschwerpunkte: Sozial- und Arbeitsmarktberichterstattung, Demografie, Sozialpolitik, Armutsforschung.