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Stellenwert und Charakteristika der betrieblichen Altersversorgung | Rentenpolitik | bpb.de

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Stellenwert und Charakteristika der betrieblichen Altersversorgung Betriebliche Altersversorgung

Gerhard Bäcker Ernst Kistler

/ 5 Minuten zu lesen

Die betriebliche Altersvorsorge hat eine lange Tradition. Schon mit Beginn der Industrialisierung haben in Deutschland einzelne Unternehmer Versorgungswerke eingerichtet. Insbesondere langjährige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollten an das Unternehmen gebunden werden. Beispiele dafür sind u. a. Firmen wie Krupp, Siemens oder BASF.

BASF-Gebäude in Ludwigshafen: Versorgungswerke von Firmen wie Krupp, Siemens oder BASF bestanden teilweise schon vor der Einführung der Gesetzlichen Rentenversicherung (© AP)

Die betriebliche Altersversorgung hat − auch in Phasen ihrer Ausweitung − nie den Stellenwert einer umfassenden, zur Lebensstandsicherung reichenden Alterssicherung gehabt. Ihre Aufgabe war es, als freiwillige betriebliche Sozialleistung die Leistungen der Rentenversicherung aufzustocken − nicht für die Gesamtzahl der Beschäftigten, sondern für die Beschäftigten einzelner Betriebe − in der Regel Großbetriebe. Diese Ergänzungsfunktion war bis zur Rentenreform von 2001 ("Riester-Rente") maßgebend. Seitdem hat die betriebliche Altersversorgung ein verändertes, erweitertes Sicherungsziel: Die Leistungen sollen gemeinsam mit der privaten Vorsorge einen Ausgleich für die im Niveau abgesenkten Renten darstellen und werden durch Entlastungen bei den Steuer- und Beitragsabzügen oder durch Zuwendungen gefördert, um einen möglichst großen Verbreitungsgrad zu erreichen.

Zwar beruht die betriebliche Altersversorgung immer noch auf dem Grundsatz der Freiwilligkeit: Es ist die Entscheidung eines Unternehmens, ob den Mitarbeiter:innen eine betriebliche Altersversorgung zugesagt wird. Aber seit 2002 haben die Beschäftigten gegenüber dem Unternehmen das Recht auf den Aufbau einer Betriebsrente, soweit sie die Finanzierung durch eine Entgeltumwandlung selbst übernehmen.

Vielfalt der Formen

Die privatrechtliche Grundlage der betrieblichen Altersvorsorge führt dazu, dass nicht von "der" Betriebsrente gesprochen werden kann. Im Unterschied zur gesetzlichen Rentenversicherung, bei der das Leistungs- und Finanzierungsrecht exakt festgelegt ist, ergeben sich vielfältige Ausgestaltungsformen. Dies betrifft nicht nur die Frage, welche Beschäftigten in welchen Betrieben und Branchen Ansprüche erwerben, sondern auch die Art der abgedeckten Risiken (Alter, Erwerbsminderung, Tod), die Anspruchsvoraussetzungen sowie die Höhe der Rente und das Verfahren ihrer Berechnung und Anpassung. Schließlich gibt es verschiedene Durchführungswege, d. h. Organisationsformen der betrieblichen Altersvorsorge, die wiederum mit je spezifischen steuer- und beitragsrechtlichen Vorschriften verbunden sind.

Diese Vielgestaltigkeit wird jedoch durch rechtliche Rahmenbedingungen begrenzt. Durch das 1974 verabschiedete und seitdem mehrfach novellierte Betriebsrentengesetz (BetrAVG) sind wichtige Aspekte wie u.a. Insolvenzsicherung und Unverfallbarkeit gesetzlich festgelegt. Zudem wirken sich steuerrechtliche Regelungen direkt und indirekt auf die Angebote der betrieblichen Altersvorsorge aus. Zu berücksichtigen sind schließlich kollektivvertragliche Regelungen in Form von Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträgen, die die betrieblichen Altersversorgung nicht nur für einzelne Betriebe sondern auch für einzelne Branchen und Beschäftigungsbereiche regeln - hinsichtlich u.a. des Kreises der Anspruchsberechtigten, der Leistungsbedingungen sowie der Art der Finanzierung. Solche umfassenden Tarifverträge finden sich seit den 1950er Jahren für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst (Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst) und in der Bauwirtschaft (Zusatzversorgungskasse des Versorgungswerks SOKA-Bau). Tarifverträge regeln zudem die Entgeltumwandlung.

Da eine Betriebsrente aus dem Arbeitsverhältnis abgeleitet ist, lässt sie sich als eine besondere, aufgeschobene Form der Vergütung bezeichnen, für die der Betrieb eine Zusage gibt. Um diese Zusage nicht nur beim Rentenbeginn, sondern über die gesamte Rentenlaufzeit hinweg, das heißt über viele Jahre und Jahrzehnte, garantieren zu können, muss ein entsprechender Kapitalstock vorhanden sein. Die betriebliche Altersversorgung basiert damit zwingend auf bestimmten Formen des Kapitaldeckungsverfahrens (vgl. "Interner Link: Das 3-Säulen-System der Alterssicherung im Überblick"). Eine Finanzierung nach dem Umlageverfahren scheidet für Unternehmen in der Privatwirtschaft aus. Eine Ausnahme machen Pensions- oder Direktzusagen.

Finanzierung und Durchführung

Zu unterscheiden ist, ob eine Betriebsrente durch den Arbeitgeber finanziert wird (dies ist der traditionelle Weg) oder durch die Beschäftigten, indem sie dafür Teile ihres Arbeitsentgeltes einsetzen. Auch Mischformen sind möglich. Zu unterscheiden ist weiterhin, ob die Betriebsrente auf einer Leistungszusage oder einer Beitragszusage basiert. Bei Leistungszusagen sagt der Arbeitgeber seinem Beschäftigten eine Leistung in einer bestimmten Höhe zu, z.B. die regelmäßige Zahlung einer Rente, deren Höhe in der Regel von der Dauer der Betriebszugehörigkeit abhängt. Bei einer Beitragszusage besteht hingegen die Verpflichtung der Betriebe darin, regelmäßig Beiträge zum Aufbau eines Altersvorsorgekapitals zu zahlen. Zugesagt wird hier die sich aus der Beitragszahlung ergebende Leistung, deren Höhe aber nicht definiert wird, sondern vom Anlageerfolg abhängt. Gehaftet wird für den Nominalwert der gezahlten Beiträge (Mindestleistung). Der Durchführungsweg des Pensionsfonds sieht in der Regel Beitragszusagen mit Mindestleistungen vor. Die Risiken des Kapitalmarkts tragen bei Leistungszusagen also im Wesentlichen die Betriebe, bei Beitragszusagen im Wesentlichen die Beschäftigten.

Organisation und Durchführung der betrieblichen Altersversorgung sind Aufgabe des Betriebes, nicht der Beschäftigten. Eine eigenständige Durchführung, abgesichert durch Rückstellungen, kommt jedoch nur bei Großunternehmen in Betracht. Kleine oder mittlere Betriebe bedienen sich meist eines externen Durchführungsweges wie zum Beispiel einer Pensionskasse, eines Pensionsfonds oder einer Direktversicherung. Der externe Versorgungsträger verwaltet dann den Vorsorgevertrag und zahlt später auch die Leistung an die ehemaligen Betriebsangehörigen aus.

Aufgrund der kollektiven Abwicklung ist die betriebliche Altersversorgung in der Regel effizienter als eine individuelle private Altersvorsorge (niedrige Kosten und damit günstigeres Preis-Leistungs-Verhältnis) und für den Einzelnen auch einfacher und sicherer.

Funktion

Schaut man sich die historische Entwicklung der betrieblichen Altersversorgung bis in die Gegenwart an, so hängt die Bereitschaft, sich in der betrieblichen Altersversorgung zu engagieren, insbesondere ab von der Größe, der Wirtschaftskraft und dem Selbstverständnis eines Unternehmens, von den Besonderheiten der Branche sowie von der Situation in der Volkswirtschaft und auf dem Arbeitsmarkt insgesamt. Auch wenn bei der Einrichtung einer betrieblichen Altersversorgung auch sozialpolitische Ziele (Verantwortungs- und Fürsorgedenken des Unternehmens) eine Rolle gespielt haben und spielen, so wird doch die Entscheidung eines Unternehmens, den Beschäftigten insgesamt oder einzelnen Gruppen von Beschäftigten eine Altersvorsorge anzubieten, vorrangig durch unternehmensstrategische und personalwirtschaftliche Ziele bestimmt. Es geht um die Steigerung der Attraktivität des Unternehmens, um Gewinnung und Bindung qualifizierter Mitarbeiter:innen, Verminderung von Fluktuation, leistungssteigernde Motivationswirkung sowie um Vorteile bei der Unternehmensfinanzierung und um steuerliche Entlastungen.

Probleme

Das Charakteristikum der betrieblichen Altersversorgung, die Bindung der Leistung an ein Arbeitsverhältnis und an einen Betrieb, führt zu einer Reihe von Problemen, die die Reichweite und Tragfähigkeit dieser Art der Alterssicherung systemisch einschränken:

  • Da die betriebliche Altersvorsorge auf dem Kapitaldeckungsverfahren beruht, hängen die Leistungshöhe der Betriebsrente und ihre Anpassung an die Einkommens- und Preisentwicklung maßgeblich von der Entwicklung auf den Finanz- und Kapitalmärkten ab.

  • Bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist nicht sichergestellt, dass die erworbenen Ansprüche erhalten bleiben. Und bei einem Wechsel des Arbeitgebers stellt sich die Frage, ob die Rentenansprüche "mitgenommen" und übertragen werden können oder verfallen (Problem der Portabilität). Sind Unverfallbarkeit und Portabilität nicht gewährleistet, geht dies zu Lasten der Beschäftigten, insbesondere dann, wenn nur kurze oder diskontinuierliche Erwerbsverläufe vorliegen.

  • Die Sicherheit der betrieblichen Rentenleistungen ist eng an die Leistungskraft des Unternehmens geknüpft. Da es sich um sehr langfristige Verpflichtungen handelt, lassen sich wirtschaftliche Risiken, die die Zahlungsfähigkeit eines Unternehmens gefährden oder im Fall einer Insolvenz sogar ganz beenden, nicht ausschließen. Insofern bedarf es eines Insolvenzschutzes.

Weitere Inhalte

Gerhard Bäcker, Prof. Dr., geboren 1947 in Wülfrath ist Senior Professor im Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen. Bis zur Emeritierung Inhaber des Lehrstuhls "Soziologie des Sozialstaates" in der Fakultät für Gesellschaftswissenschaften der Universität Duisburg-Essen. Forschungsschwerpunkte: Theorie und Empirie des Wohlfahrtsstaates in Deutschland und im internationalen Vergleich, Ökonomische Grundlagen und Finanzierung des Sozialstaates, Systeme der sozialen Sicherung, insbesondere Alterssicherung, Arbeitsmarkt und Arbeitsmarktpolitik, Lebenslagen- und Armutsforschung.

Ernst Kistler, Prof. Dr., geboren 1952 in Windach/Ammersee, verstorben 2021, war Direktor des Internationalen Instituts für Empirische Sozialökonomie, INIFES gGmbH in Stadtbergen bei Augsburg. Forschungsschwerpunkte: Sozial- und Arbeitsmarktberichterstattung, Demografie, Sozialpolitik, Armutsforschung.