Das Ideal der lebenslangen Ehe, das der Normalfamilie zugrunde liegt, bildet die Basis der abgeleiteten Alterssicherung von Frauen. Die Idee des Mannes als Ernährer und der nicht-erwerbstätigen Frau, das klassische Ernährer- oder "male breadwinner-Modell", wird im deutschen Alterssicherungssystem fortgeschrieben. Während der Erwerbsphase des Mannes bzw. der Familien- und Hausarbeitsphase der Frau leben idealtypisch beide Partner von den materiellen Ressourcen des Familienernährers. Durch die am vorherigen Einkommensniveau und der dauerhaften Beschäftigung des Mannes ausgerichteten – zumindest vom Ziel her noch – lebensstandardsichernden Rentenansprüche des Ernährers, wird das Ehepaar in der Nacherwerbsphase über die Altersrente(n) des Mannes versorgt.
Verstirbt der Mann und entfällt damit die Rente (oder vor Eintritt des Ruhestandsalters das Arbeitseinkommen) als Haupteinkommensbestandteil des Ehepaares, so ersetzt die Rentenversicherung durch das Hinterbliebenenrecht die Ernährerfunktion des Mannes: Die Witwe ist dann über den von ihrem verstorbenen Mann abgeleiteten Rentenanspruch materiell versorgt. Daraus ergibt sich, dass die Frau in der Normalfamilie ihre materiellen Ressourcen und ihre soziale Sicherung zumindest weitgehend über den Ehemann bezieht. Das impliziert allerdings materielle und soziale Abhängigkeit und setzt weiterhin das Funktionieren dieses Familienmodells und das Fortbestehen der Ehe bis zum Tod voraus.
Aufgrund ihres abgeleiteten Charakters sind Witwenrenten ein Spiegelbild der Verteilungsverhältnisse der originären Männerrenten. Dies allerdings auf einem deutlich niedrigeren Niveau. Wie die Tabelle zeigt, sind die durchschnittlichen Zahlbeträge der Witwenrenten bzw. der Renten wegen Todes gering.
Durchschnittliche Zahlbeträge der Renten wegen Todes nach Rentenarten 2022 im Bestand
Westdeutschland, Angaben in €/Monat
€/Monat | |
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Renten wegen Todes insgesamt | 651 |
Witwenrenten | 722 |
Witwerrenten | 361 |
Waisenrenten | 220 |
Erziehungsrenten | 991 |
Quelle: Deutsche Rentenversicherung Bund (2023), Rentenversicherung in Zahlen.
Durchschnittsbeträge ebnen Unterschiede ein, dies gilt auch für die Witwenrenten. Betrachtet man die Verteilung der Witwenrenten auf einzelne Zahlbetragsgruppen (vgl. Abbildung "Verteilung der Witwenrenten und der Versichertenrenten von Frauen, Westdeutschland 2022"), so wird sichtbar, dass sie sich mit 55,9 Prozent auf Beträge zwischen 600 und 1.200 € konzentrieren. Dies ist bei den Versicherungsrenten von Frauen, die also auf versicherungspflichtiger Erwerbstätigkeit und Beitragszahlungen beruhen, deutlich anders: Hier konzentrieren sich die Zahlbeträge mit 60,3 Prozent auf den Bereich unter 900 Euro.
Je nach Höhe der Rente des Verstorbenen stellt sich insofern das Niveau der Witwensicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung höchst unterschiedlich dar. Frauen, die auf die Ehe als Versorgungsinstanz gesetzt und "gut" geheiratet haben, verfügen über die höchsten Ansprüche (vgl. Abbildung "Verteilung der Witwenrenten und der Versichertenrenten von Frauen, Westdeutschland 2022").