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Versichertenkreis Grundlagen der Gesetzlichen Rentenversicherung

Gerhard Bäcker Ernst Kistler

/ 3 Minuten zu lesen

Die Gesetzliche Rentenversicherung (GRV) ist keine Pflichtversicherung für die gesamte Bevölkerung, also keine Volks- oder Bürgerversicherung, sondern in ihrem Kern eine Absicherung der abhängig beschäftigten Arbeitnehmer. Die Grundentscheidung der Bismarck'schen Sozialversicherung, die soziale Absicherung auf die Industriearbeiter zu beschränken (Arbeiterversicherung), macht sich also bis heute bemerkbar.

Die Grundentscheidung der Bismarck'schen Sozialversicherung, die soziale Absicherung auf die Industriearbeiter zu beschränken, macht sich bis heute bemerkbar. (© picture alliance/chromorange pixel)

Struktur der aktiv Versicherten in der GRV 2021 (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/4.0/deed.de

Allerdings ist in den zurückliegenden Jahren und Jahrzehnten der Kreis der Pflichtversicherten über die Arbeitnehmer:innen hinaus ausgeweitet worden. Pflichtversichert sind heute über Arbeiter:innen und Angestellte hinaus (vgl. Abbildung "Struktur der aktiv Versicherten in der GRV 2021"):

  • Wehr- und Zivildienstleistende sowie Personen im Freiwilligendienst, deren Beiträge voll vom Bund übernommen werden;

  • die Empfänger:innen von Lohnersatzleistungen der Bundesagentur für Arbeit,

  • Bezieher:innen von Krankengeld,

  • Personen, für die eine Kindererziehungszeit anzurechnen ist,

  • Mütter oder Väter für die Dauer der Elternzeit,

  • private Pflegepersonen,

  • bestimmte Gruppen selbstständig Gewerbetreibender wie Künstler, Publizisten, Heimarbeiterinnen, Hausgewerbetreibende und Handwerker.

  • Seit 1999 unterliegen auch sog. arbeitnehmerähnliche Selbstständige der Rentenversicherungspflicht (für die übrigen Zweige der Sozialen Sicherung besteht bei dieser Personengruppe jedoch keine Versicherungspflicht).

Selbstständige in der GRV

Bei den arbeitnehmerähnlichen Selbstständigen handelt es sich um solche Personen, die – mit Ausnahme von Familienangehörigen – keine versicherungspflichtigen Arbeitnehmer:innen beschäftigen und regelmäßig und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind. Im Gegensatz zu den scheinselbstständigen Arbeitnehmer:innen (s. u.) gelten sie als unzweifelhaft selbstständig. Folglich müssen sie auch die Rentenversicherungsbeiträge allein bezahlen, ohne dass der Auftraggeber mit herangezogen wird. Die Entscheidung über die Rentenversicherungspflicht trifft allein der zuständige Rentenversicherungsträger. Allerdings besteht bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen (z. B. über 50 Jahre, Vorhandensein einer Lebensversicherung oder einer betrieblichen Versorgungszusage) die Möglichkeit, sich von der Versicherungspflicht befreien zu lassen. Voll versicherungspflichtig in allen Zweigen der Sozialversicherung und damit auch in der GRV sind auch die scheinselbstständigen Arbeitnehmer:innen. Hier handelt es sich um Personen, die über die beiden für arbeitnehmerähnliche Selbstständige geltenden GRV-Pflichtversicherungskriterien hinaus auch noch die für Arbeitnehmer:innen typischen Arbeitsleistungen erbringen, Weisungen des Auftraggebers unterliegen, in deren Arbeitsorganisation eingebunden sind und nicht unternehmerisch am Markt auftreten. Hier hat der Auftraggeber als Arbeitgeber auch die Hälfte der Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen.

Freiwillig Versicherte und "passiv Versicherte"

Es besteht auch die Möglichkeit einer freiwilligen Versicherung. Gemessen an der Zahl der Pflichtmitglieder machen die freiwillig Versicherten aber nur einen sehr kleinen Anteil an den aktiv Versicherten aus (vgl. Tabelle "Die Versicherten in der GRV 2021").

Erheblich größer sind aber Anzahl und Anteil der sog. "passiv Versicherten“. Bei den rund 18 Mio. passiv Versicherten handelt es sich um Personen, die bereits Rentenanwartschaften erworben haben, aber aktuell weder in einem pflichtigen noch in einem freiwilligen Versicherungsverhältnis stehen. Denn all diejenigen, die 5 Beitragsjahre geleistet haben und danach ins Ausland gegangen oder als Selbstständige in ein Berufsständisches Versorgungswerk eingetreten oder als spätere Beamt:innen Anspruchsberechtigte der Beamtenversorgung geworden sind, haben auch in der GRV Anwartschaften auf eine Alterssicherung erworben. Ebenso sind hier Hausfrauen/-männer mit früheren Beitragszeiten zu nennen.

Die Versicherten in der Gesetzlichen Rentenversicherung 2021

In Mio., am Jahresende

Aktiv Versicherte39,21
darunter:
Pflichtversicherte 34,66
und zwar*:
versicherungspflichtig Beschäftigte, darunter32,55
Altersteilzeitbeschäftigte0,28
Leistungsempfänger:innen nach dem SGB III (Arbeitslosengeld I) 0,74
sonstige Leistungsempfänger:innen 0,77
Pflegepersonen0,96
Selbstständige 0,33
Freiwillig Versicherte 0,21
Geringfügig Beschäftigte, versicherungsfrei 3,90
Passiv Versicherte 17,80
Versicherte insgesamt57,01

Fußnote: * Mehrfachnennungen möglich

Quelle: Deutsche Rentenversicherung (2023), Statistik-Portal;

Der Charakter der Gesetzlichen Rentenversicherung als Pflichtversicherung der Arbeitnehmer:innen ist aber verschiedentlich durchbrochen. So gibt es die Versicherungsfreiheit kraft Gesetzes. Diese gilt insbesondere für Beamt:innen und beamtenähnliche Personen mit Ansprüchen aus der Beamtenversorgung.

Entwicklung der Versichertenzahl

In den zurückliegenden Jahren ist die Zahl der Versicherten kontinuierlich gestiegen: Die Zahl der aktiv Versicherten noch ohne Rentenbezug, die zum weit überwiegenden Teil (zu 90 Prozent) pflichtversichert und zu einem kleinen Teil freiwillig versichert sind, hat sich in den alten Bundesländern bei den Männern leicht, bei den Frauen stark erhöht (vgl. Abbildung "Aktiv Versicherte 1984 − 2021").

Ursächlich dafür ist neben der demografischen Entwicklung vor allem die Zunahme der Frauenerwerbstätigkeit. Hierzu zählt statistisch ab 1999 auch die geringfügige Beschäftigung. Dies macht bei den Frauen den Sprung von 1998 auf 1999 verständlich. In den neuen Bundesländern lässt sich demgegenüber ein leichter Rückgang der aktiv Versicherten feststellen. In der Summe errechnen sich für das Jahr 2021 rund 39 Millionen aktiv Versicherte.

Weitere Inhalte

Gerhard Bäcker, Prof. Dr., geboren 1947 in Wülfrath ist Senior Professor im Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen. Bis zur Emeritierung Inhaber des Lehrstuhls "Soziologie des Sozialstaates" in der Fakultät für Gesellschaftswissenschaften der Universität Duisburg-Essen. Forschungsschwerpunkte: Theorie und Empirie des Wohlfahrtsstaates in Deutschland und im internationalen Vergleich, Ökonomische Grundlagen und Finanzierung des Sozialstaates, Systeme der sozialen Sicherung, insbesondere Alterssicherung, Arbeitsmarkt und Arbeitsmarktpolitik, Lebenslagen- und Armutsforschung.

Ernst Kistler, Prof. Dr., geboren 1952 in Windach/Ammersee, verstorben 2021, war Direktor des Internationalen Instituts für Empirische Sozialökonomie, INIFES gGmbH in Stadtbergen bei Augsburg. Forschungsschwerpunkte: Sozial- und Arbeitsmarktberichterstattung, Demografie, Sozialpolitik, Armutsforschung.