Höhe und Verteilung der Gesamteinkommen im Alter
Alterseinkommen und Altersarmut
Gerhard BäckerErnst Kistler
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Im Jahr 2019 hatten 57 Prozent der alleinstehenden älteren Männer ein Netto-Gesamteinkommen von 1.500 Euro, bei alleinstehenden Frauen sind dies nur 36 Prozent. 90 Prozent der Ehepaare mussten sich zu zweit ein Einkommen von über 1.500 Euro teilen. Weniger als 1.000 Euro hatten 28 Prozent der Frauen und 16 Prozent der Männer. Ehepaare hatten zu 2 Prozent weniger als 1.000 Euro Gesamteinkommen. Diese Daten lassen erkennen, dass "die Bäume nicht in den Himmel wachsen".
Die Abbildungen "Einkommensquellen der Personen ab 65 Jahren, alte Bundesländer 2019" enthält für die alten Bundesländer die Bezieherquoten von Zahlungen aus der eigenen Alterssicherung sowie die jeweiligen durchschnittlichen Bruttobeträge für über 65-Jährige.
Die für die jeweiligen Bezieher:innen dominanten Einkommensgrößen sind − als Konsequenz aus der oben geschilderten Situation − die GRV und die Beamtenversorgung (mit Bezieherquoten, die ihren Bevölkerungsanteilen entsprechen). Bei der berufsständischen Versorgung von Freiberuflern/Selbstständigen ist das Bild heterogener: Die gezahlten Durchschnittsbeträge sind relativ hoch, die Bezieherquoten aber gering. Viele Selbstständige haben eine andere (private) - manche auch keine - Form der Altersvorsorge; einige sind in der Gesetzlichen Rentenversicherung.
3.3 Einkommensquellen der älteren Bevölkerung (ab 65 Jahren), neue Bundesländer 2019 (bpb)
Einkommensquellen der älteren Bevölkerung (ab 65 Jahren), neue Bundesländer 2019 (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/4.0/deed.de
In den neuen Bundesländern sehen die Verhältnisse anders aus. Wie aus der Abbildung "Einkommensquellen der Personen ab 65 Jahren, neue Bundesländer 2019" ersichtlich, haben hier weder die betriebliche Alterssicherung noch die weiteren Systeme der ersten Ebene eine wirkliche Bedeutung. Die Gesetzliche Rentenversicherung umfasst praktisch die gesamte Bevölkerung; der Aufbau der betrieblichen Altersversorgung (auch im öffentlichen Dienst) kommt nur sehr langsam voran.
Höhere Betriebsrenten bei höheren GRV-Renten
In Ost- aber auch in Westdeutschland sind die Beträge aus den betrieblichen Zusatzsystemen wesentlich geringer als diejenigen aus den Regelsystemen. Hinzu kommt, dass es im Allgemeinen gerade nicht diejenigen Rentnerinnen und Rentner mit den geringeren Rentenzahlbeträgen sind, die über eine betriebliche Altersversorgung aus der zweiten Säule verfügen. Wenn dies dennoch der Fall ist, sind die Beträge im Durchschnitt als Ergänzung zwar nicht unerheblich, aber doch nicht wirklich hoch.
Neben der Rente werden relativ weniger andere Einkommen erzielt. Unter den "anderen Alterssicherungsleistungen" dominiert die Beamtenversorgung (daher ist der Anteil dieser Einkommenskomponente in Ostdeutschland sehr niedrig). Der höhere Anteil der "Restlichen Einkommen" bei Ehepaaren ist zum Teil durch eine noch berufstätige (meist jüngere) Ehefrau bedingt, teilweise auch durch die ansteigende Erwerbstätigkeit im Rentenalter und durch die längere Erwerbstätigkeit bei Selbstständigen.
Hohe und niedrige Renten und das Brutto-Haushaltseinkommen
Sozialpolitisch von besonderem Interesse ist der Zusammenhang zwischen der Höhe der individuellen gesetzlichen Altersrente von Älteren und der durchschnittlichen Höhe der Haushaltsbruttoeinkommen. Sehr niedrige Renten bedeuten, wie mehrfach angesprochen, keinesfalls, dass diese Personen auch in jedem Fall über ein nur geringes Haushaltsbruttoeinkommen verfügen.
Solche sehr geringen individuellen GRV-Renten sind meist durch kurze Beitragszeiten bedingt (Frauen mit Familienpause bzw. anschließend nur begrenzter Erwerbsintegration; Personen mit Statuswechsel von sozialversicherter Beschäftigung in die Selbstständigkeit oder ins Beamtenverhältnis). Vereinfacht gesagt haben diese Statuswechsler normalerweise dann anderweitige und meist durchaus höhere Alterseinkommen. Als Problemgruppe sind dabei aber teilweise die "Solo-Selbstständigen" anzusehen.
Bei den ehemals als Arbeiter bzw. Angestellte tätigen Personen mit geringen bis mittleren Einkommen ist oft trotz z. T. durchaus langen Beitragszeiten die gesetzliche Rente eher niedrig − und es kommen sehr oft keine oder nur sehr geringe andere Alterseinkommen hinzu. Solche zusätzlichen Alterseinkünfte − vor allem aus privater und/oder betrieblicher Altersvorsorge − finden sich häufiger und mit höheren Beträgen erst bei Rentnern bzw. Rentnerhaushalten mit bereits relativ hohen Renten aus der Gesetzlichen Rentenversicherung.
Bei alleinstehenden Männern und bei Ehepaaren ist ein relativ deutliches West-Ost-Gefälle der durchschnittlichen Haushaltsnettoeinkommen zu konstatieren. Unter den alleinstehenden Frauen ist dieser Unterschied, bedingt durch die insgesamt (noch) vollständigeren Erwerbsbiographien ostdeutscher Frauen und die höheren Witwenrenten im Westen, eher gering.
Bei dem vergleichsweise höheren Haushaltsnettoeinkommen von Ehepaaren ist zu beachten dass davon zwei Personen leben müssen. Wird das Haushaltseinkommen pro Kopf betrachtet - auch unter Berücksichtigung einer Bedarfsgewichtung als Nettoäquivalenzeinkommen - verringert sich die Einkommens- und Versorgungslage entsprechend.
Einkommensschichtung
Einkommensverteilung von Ehepaaren und Alleinstehenden
Die Abbildung "Verteilung der Gesamteinkommen im Alter 2019" zeigt auf der Datengrundlage der Studie ASID 2019 zunächst in allen Gruppen eine breite Streuung der Nettoeinkommen in Seniorenhaushalten. Erwartungsgemäß findet sich in Haushalten von Alleinstehenden, v. a. von alleinstehenden Frauen, ein höherer Anteil von besonders Einkommensschwachen: Über ein Nettohaushaltseinkommen unter 1.000 Euro verfügten 2019 laut dieser Studie 16 Prozent der alleinstehenden Männer, bzw. 28 Prozent der Frauen.
Einkommensverteilung von Rentner- und Pensionärshaushalten
Die nachfolgende Tabelle zeigt auf Basis der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2018 die Einkommensschichtung (Haushaltsnettoeinkommen) aller Haushalte und im Vergleich der Rentner- und Pensionärshaushalte. Sichtbar ist eine erheblich bessere materielle Situation von Pensionärshaushalten. Dies spiegelt sich auch in der Streuung nach Einkommensklassen wider.
Einkommensschichtung von Rentner- und Pensionärshaushalten im Vergleich Haushaltsnettoeinkommen 2018
Angaben in Prozent
Haushaltseinkommen von … bis unter … Euro
unter 900
900 - 1.300
1.300 - 1.500
1.500 - 2.000
2.000 - 2.600
2.600 - 3.600
3.600 - 5.000
5.000 - 18.000
Haushalte insg.
Rentnerhaushalte
11
16
8
19
18
17
7
4
100
Pensionärshaushalte
-
-
-
(4)
9
25
30
30
100
Haushalte insgesamt
7
10
5
13
14
18
15
16
100
Quelle: Statistisches Bundesamt (2023)
Während im oberen Einkommensbereich ab 3.600 Euro 60 Prozent der Pensionärshaushalte zu finden sind, sind es 31 Prozent aller Haushalte und bei den Rentnerhaushalten nur 11 Prozent.
Ein Haushaltsnettoeinkommen von weniger als 1.300 Euro haben 17 Prozent aller Haushalte und 27 Prozent der Rentnerhaushalte; Pensionärshaushalte dagegen sind sogar bis zur Einkommensklasse bis 1.500 Euro/Monat wegen zu geringer Besetzungszahlen in der Stichprobe statistisch nicht auswertbar.
Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass Rentner- und Pensionärshaushalte durchschnittlich aus weniger Personen bestehen als beim Durchschnitt aller Haushalte (d. h. inklusive Jüngerer).
Zusammenfassung
Wirklich hohe andere Einkommenskomponenten kommen − abgesehen von Statuswechslern, die nach einer meist kürzeren Phase sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung Beamte oder Selbstständige wurden − offensichtlich nur bei solchen Rentnerhaushalten hinzu, die auch bereits relativ höhere Renten aus der Gesetzlichen Rentenversicherung beziehen. Auch anhand anderer Datenquellen, wie etwa dem "Sozioökonomischen Panel", einer wissenschaftsgetragenen Großerhebung, wird dieser Befund bestätigt: "Es zeigt sich …, dass die zusätzliche Absicherung in Form von Betriebs- und Privatrenten heute besonders bei Personen fehlen, die nur über geringe Gesamteinkommen verfügen. Auch Kapitaleinkünfte und selbst genutztes Wohneigentum folgen diesem Muster. Mit dem Erwerbseinkommen verhält es sich nicht anders" .
Die Kumulation von zusätzlichen Einkommen verläuft - grafisch dargestellt - in einer "U-Form"-Kurve: Bei ganz geringen GRV-Renten handelt es sich häufig um Statuswechsler, die nur kurz einbezahlt haben und dann in ein anderes Alterssicherungssystem gewechselt sind. Bei vielen Bezieher:innen von Renten in der Höhe von ca. fünf- oder sechshundert Euro sind die zusätzlichen Alterssicherungsansprüche oft gering: Erst ab Renten im mittleren und vor allem höheren Bereich nimmt dann auch der Bezug weiterer Alterseinkommen und deren Höhe wieder zu.
Damit zeigt sich, dass es sozialpolitisch problematisch ist, mit durchschnittlichen Alterseinkommen zu argumentieren oder ein Bild von einer durchgängig, ja auch nur mehrheitlich in "Saus und Braus" lebenden Rentnergeneration zu zeichnen, um den so genannten Generationenkonflikt zu schüren oder weiteren Renteneinschnitten den Boden zu bereiten (vgl. Kasten).
Quellentext"Das wohl großzügigste Rentensystem der ganzen Welt"?
"Noch partizipieren die Alten an der Fun-Gesellschaft. Heerscharen von Rentnern lassen sich, finanziert vom deutschen Umlagesystem, von Luxuslinern durch die Weltmeere schaukeln und von Jet-Clippern zu den entlegensten Stränden dieser Erde transportieren. Das wohl großzügigste Rentensystem der gesamten Welt hat Deutschland zu Weltmeistern beim Tourismus gemacht und eine atemberaubende Infrastruktur mit Seebädern und Vergnügungsvierteln auf Mallorca, den Kanaren und vielen anderen Inseln der Welt geschaffen. Kaum irgendwo sonst wird den Aktiven so viel von ihrem Arbeitseinkommen weggenommen, wie es in Deutschland geschieht, um den Alten ein auskömmliches Transfereinkommen zu sichern".
Hans-Werner Sinn (2005), S. 54.
Vom Zuwachs des materiellen Wohlstands haben bei Leibe nicht alle Alten gleichermaßen partizipiert, was speziell die Frage nach dem Vorhandensein von Altersarmut und der Gefahr wachsender Altersarmut aufwirft (vgl. Interner Link: Wachsende Altersarmut in der Zukunft?). Auch ist immer mit zu bedenken, dass Senior:innen entgegen der landläufigen Vorstellung eines sich mit dem Alter verringernden Einkommensbedarfs in vielen Fällen gerade deutlich höhere Bedarfe haben: Pflegebedürftigkeit, eingeschränkte Mobilität und oft auch häufigere Erkrankungen sind entsprechende Beispiele - man denke nur an die Zuzahlungen bei Medikamenten etc.
Über diesen wichtigen Debatten zur materiellen Lage darf aber nicht vergessen werden, dass es auch vom Geld (ein Stück weit) unabhängige Aspekte der Integration Älterer in die Gesellschaft gibt. Die Teilhabechancen von Seniorinnen und Senioren bestimmen sich nämlich nicht nur über die Alterseinkommen, so zentral diese Dimension auch ist. In einer alternden Gesellschaft müssen z. B. auch Wohnungen, Verkehrsmittel, Einkaufsstätten so gestaltet werden, dass auch Älteren die Nutzung möglich ist. Die Teilhabechancen Älterer hängen nicht zuletzt von den Altersbildern in den Köpfen aller Generationen, den Generationenbeziehungen, ab - die wiederum von Fehlinformationen über die materielle Lage der Älteren oder Hetzkampagnen von den "gierigen Alten" und dem "großzügigsten Rentensystem" nicht getrübt werden sollten.
Gerhard Bäcker, Prof. Dr., geboren 1947 in Wülfrath ist Senior Professor im Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen. Bis zur Emeritierung Inhaber des Lehrstuhls "Soziologie des Sozialstaates" in der Fakultät für Gesellschaftswissenschaften der Universität Duisburg-Essen. Forschungsschwerpunkte: Theorie und Empirie des Wohlfahrtsstaates in Deutschland und im internationalen Vergleich, Ökonomische Grundlagen und Finanzierung des Sozialstaates, Systeme der sozialen Sicherung, insbesondere Alterssicherung, Arbeitsmarkt und Arbeitsmarktpolitik, Lebenslagen- und Armutsforschung.
Ernst Kistler, Prof. Dr., geboren 1952 in Windach/Ammersee, verstorben 2021, war Direktor des Internationalen Instituts für Empirische Sozialökonomie, INIFES gGmbH in Stadtbergen bei Augsburg. Forschungsschwerpunkte: Sozial- und Arbeitsmarktberichterstattung, Demografie, Sozialpolitik, Armutsforschung.
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