Einkommensquellen und Einkommensarten im Alter
Alterseinkommen und Altersarmut
Gerhard BäckerErnst Kistler
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Die Einkommen der Bevölkerung, auch der älteren Menschen, setzen sich aus verschiedenen Komponenten zusammen. Bei den Älteren sind dies in erster Linie die Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung, aber auch Renten aus der betrieblichen Altersversorgung und der privaten Altersvorsorge.
Zu den Einkommen im Alter zählen neben den Renten aus den unterschiedlichen Ebenen bzw. Säulen der Alterssicherung, d.h. aus den staatlichen Regelsystemen und aus den betrieblichen und privaten Systemen der zweiten und dritten Säule auch Leistungen aus anderen Sozialsystemen (so Kriegsopferrenten oder Unfallrenten), einkommensabhängige Transfers (wie das Wohngeld) und − im Fall von Bedürftigkeit − Leistungen der Grundsicherung im Alter.
Daneben sind gegebenenfalls noch weitere Einkommensarten zu berücksichtigen, die wie Einkünfte aus Erwerbsarbeit (abhängige und selbstständige Arbeit) oder Einkünfte aus Vermögen (Gewinne, Zinsen, Mieten) marktgesteuert sind. Nicht auszuschließen, wenngleich heute sehr selten (vgl. Interner Link: Grenzen einer familiären Absicherung) sind innerfamiliäre Einkommensübertragungen (von den Kindern zu den Eltern). Indirekte, nur schwer quantifizierbare einkommens- und wohlfahrtsrelevante Aspekte gehen eventuell vom Vermögensbesitz (z. B. in der Form einer selbst genutzten Immobilie) und von nicht monetären Versorgungsansprüchen aus (früher vor allem beim Austrag von Landwirten häufig).
Haushaltskontext
Der Blick allein auf die individuellen Einkommen reicht allerdings nicht aus, um die Einkommens- und Versorgungslage eines (älteren) Menschen zu erkennen. Denn Ehepaare (Paare) wirtschaften gemeinsam und leben vom gemeinsamen Einkommen. Deshalb ist auf den Haushaltszusammenhang und das Haushaltseinkommen abzustellen. Auch richten sich Anspruch und Höhe bestimmter Transfers (z.B. Wohngeld und Grundsicherung) nicht nach dem Individualeinkommen, sondern nach dem Haushaltseinkommen.
Sowohl auf der Individual- als auch auf der Haushaltsebene ist dabei zwischen Brutto- und Nettobeträgen zu unterscheiden, da die meisten der genannten Einkommensarten auch bei Älteren der Steuer- und Beitragspflicht unterliegen.
Nicht einfach zu lösen ist allerdings die Frage, wie sich ein Haushalt älterer Menschen definiert: Soll auf Haushalte mit nur einer Bezugsperson ab 65 Jahre (mit evtl. jüngerer/jüngerem Partnerin/Partner) abgestellt werden oder auf Haushalte, in denen beide Personen 65 Jahre und älter sind, oder lediglich auf Haushalte, in denen beide Partner eine gesetzliche Rente beziehen?
Altersrenten und Hinterbliebenenrenten aus der Gesetzlichen Rentenversicherung
In einem ersten Schritt betrachten wir die Renten aus der Gesetzlichen Rentenversicherung. Dabei sind Mehrfachrentenbezüge zu berücksichtigen, d.h. dass eine Person auch zwei Renten erhalten kann, so vor allem eine eigene Rente und eine Hinterbliebenenrente. Es ist also nach dem Rentnerstatus zu unterschieden, d.h. zwischen Mehrfach- und Einzelrentner:innen (bzw. bei letzteren nach EM-Renten, Renten wegen Alters und Renten wegen Todes).
Zwei Beispiele sollen verdeutlichen, dass es hierbei um quantitativ erhebliche Größenordnungen geht:
Von den im Jahr 2022 gut 21 Millionen Rentnerinnen und Rentnern in Deutschland (Personenkonzept) waren knapp 20 Prozent Mehrfachrentner:innen. Hierbei handelt es sich um Personen, die neben einer Versichertenrente (Alters- oder Erwerbsminderungsrente) eine Hinterbliebenenrente beziehen. Bei den Männern beträgt dieser Anteil 5,8 Prozent, bei den Frauen ist er mit 30,1 Prozent sehr viel höher (vgl. Interner Link: Hinterbliebenenrenten).
Im Jahr 2022 bezogen deutschlandweit etwa 4,5 Millionen Frauen eine Witwenrente, davon rund 3,7 Millionen als zweite Rente neben einer eigenen − häufig niedrigen − Versichertenrente. Ausschließlich eine Witwenrente bezogen 0,8 Millionen Frauen, darunter viel mehr Frauen in den alten Bundesländern.
Der vergleichsweise kleine Anteil von Männern, die neben ihrer eigenen Rente eine Witwerrente beziehen ist auf den ersten Blick erstaunlich, da seit 1986 Witwen und Witwer gleichgestellt sind (vgl. Interner Link: Hinterbliebenenrenten).
Die Gründe sind jedoch leicht zu benennen:
Die Lebenserwartung von Frauen liegt deutlich höher als die der Männer; sie beziehen ihre Renten daher länger. Zugleich ist bei Ehepaaren ein Altersabstand zwischen den Partnern feststellbar; die Ehemänner sind im Schnitt 3 bis 4 Jahre älter als ihre Frauen. Diese beiden Faktoren überlagern sich und führen dazu, dass in aller Regel die Ehefrauen ihre Männer überleben und daher im höheren Alter im Rentenbestand überwiegen.
Durch das so genannte Anrechnungsmodell bei der Berechnung von Hinterbliebenenrenten wird eigenes Einkommen oberhalb eines Freibetrages zu 40 Prozent auf den abgeleiteten Anspruch auf die Rente des Partners/der Partnerin angerechnet. Da trotz gestiegener Frauenerwerbsquote die Erwerbsbeteiligung wie auch die Entlohnung von Frauen niedriger sind als bei Männern, gibt es Witwerrenten daher seltener.
Renten aus der betrieblichen Altersversorgung und der privaten Altersvorsorge
In einem Alterssicherungssystem mit drei "Säulen" oder "Schichten" ist es normal, dass auf der individuellen Ebene verschiedene Alterssicherungsleistungen bestehen. Angesichts der Reformen der jüngeren Vergangenheit ist das auch politisch intendiert: Betriebliche und private Vorsorge sollen die Kürzungen des Versorgungsniveaus der Gesetzlichen Rentenversicherung, der "ersten Säule", kompensieren.
Datenquelle: Die Erhebung "Alterssicherung in Deutschland" (ASID)
Informationen zu dieser Verknüpfung verschiedener Alterssicherungsleistungen und zu den Gesamteinkommen älterer Menschen lassen sich nicht aus der Rentenstatistik entnehmen, da diese als Prozessstatistik allein über die Zahlung der gesetzlichen Renten Auskunft geben kann. Deshalb ist man auf (repräsentative) Befragungsdaten angewiesen. Zentrale Datenquelle ist hier die in mehrjährigem Abstand durchgeführte Erhebung "Alterssicherung in Deutschland" (ASID).
Die Wiederholungsstudie „Alterssicherung in Deutschland“ (ASID) liefert Informationen über die Einkommenssituation der Bevölkerung ab 55 Jahren auf der Ebene von Personen- und Ehepaaren. Den Kern bildet die Erfassung der Höhe der Einkommen aus den unterschiedlichen Einkommensquellen, differenziert nach eigenen und abgeleiteten Leistungen.
Nach den Ergebnissen der ASID machen die gesamten Renten aus der Gesetzlichen Rentenversicherung deutschlandweit knapp Zweidrittel des gesamten Bruttoeinkommens aller Seniorenhaushalte mit einer Bezugsperson ab 65 Jahre aus (vgl. Abbildung "Struktur der Gesamteinkommen der älteren Bevölkerung 2019"). Aus anderen Alterssicherungssystemen stammt knapp ein weiteres Fünftel, aus der privaten Vorsorge noch einmal ein Zehntel. Der Rest verteilt sich auf Transferleistungen und "sonstige Einkommen".
Von Interesse ist nun die Verknüpfung dieser Einkommensquellen.
Als häufigste Form des Zusammentreffens von Leistungen aus verschiedenen Systemen erweist sich der Bezug einer Betriebsrente neben einer gesetzlichen Rente.
Weinger häufig fällt eine GRV-Versichertenrente mit einer Rente aus der Zusatzversorgung für Arbeiter und Angestellte des Öffentlichen Dienstes zusammen. Und der gemeinsame Bezug einer gesetzlichen Rente und einer Pension aus der Beamtenversorgung lässt sich inur sehr selten feststellen.
Die Ergebnisse belegen aber auch, dass die Mehrheit der ab 65-Jährigen über keine zusätzlichen Alterssicherungsleistungen verfügt, sondern nur auf die gesetzliche Rente angewiesen ist. Dies ist insbesondere in den neuen Ländern der Fall.
Gerhard Bäcker, Prof. Dr., geboren 1947 in Wülfrath ist Senior Professor im Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen. Bis zur Emeritierung Inhaber des Lehrstuhls "Soziologie des Sozialstaates" in der Fakultät für Gesellschaftswissenschaften der Universität Duisburg-Essen. Forschungsschwerpunkte: Theorie und Empirie des Wohlfahrtsstaates in Deutschland und im internationalen Vergleich, Ökonomische Grundlagen und Finanzierung des Sozialstaates, Systeme der sozialen Sicherung, insbesondere Alterssicherung, Arbeitsmarkt und Arbeitsmarktpolitik, Lebenslagen- und Armutsforschung.
Ernst Kistler, Prof. Dr., geboren 1952 in Windach/Ammersee, verstorben 2021, war Direktor des Internationalen Instituts für Empirische Sozialökonomie, INIFES gGmbH in Stadtbergen bei Augsburg. Forschungsschwerpunkte: Sozial- und Arbeitsmarktberichterstattung, Demografie, Sozialpolitik, Armutsforschung.
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