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Aspekte der Lebenslagen Älterer | Rentenpolitik | bpb.de

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Aspekte der Lebenslagen Älterer

Gerhard Bäcker Ernst Kistler

/ 7 Minuten zu lesen

Ausreichenden Finanzmitteln kommt gerade für die Lebenslage älterer Menschen eine Schlüsselfunktion zu: Eine Voraussetzung, um auch im Alter so lange wie möglich unabhängig und selbstständig zu leben, eine angemessene Wohnung zu unterhalten, soziale Kontakte aufrechtzuerhalten und die viele freie Zeit aktiv zu gestalten.

Die Buchhändlerin Helga Weyhe aus Salzwedel arbeitete auch mit 90 Jahren noch in ihrem Laden: gerade in der Gruppe der Hochaltrigen gibt es erhebliche Unterschiede in den Lebenslagen. (© picture-alliance/dpa)

Lebenserwartung

Der demografische Wandel, die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung und der gesellschaftliche/soziale Wandel haben die Lebensbedingungen und Lebenslagen auch der Älteren und Alten deutlich − und im Durchschnitt zweifellos positiv − verändert.

Die durchschnittliche fernere Lebenserwartung für einen Mann, der das 65. Lebensjahr vollendet hat ist in den letzten 120 Jahren von gut 10 Jahren auf 17,6 Jahre gestiegen (bei Frauen von gut 10,5 auf rund 21 Jahre). Dabei werden durchschnittlich auch mehr Jahre des längeren Lebens in Gesundheit verbracht. Gerade unter den jungen Alten, denjenigen in der so genannten dritten/aktiven Lebensphase sind heute mehr fitte Personen mit durchschnittlich besserer Gesundheit als noch eine Generation zuvor. Dem korrespondiert eine besonders bei Älteren gestiegene, wenn auch im Vergleich zur Bevölkerung insgesamt erwartungsgemäß deutlich unterdurchschnittlich positive subjektive Bewertung des eigenen Gesundheitszustands (vgl. Tabelle "Subjektive Bewertung des eigenen Gesundheitszustandes").

Subjektive Bewertung des eigenen Gesundheitszustandes nach Altersgruppen 1992 bis 2012

Angaben in Prozent

GutZufriedenstellendSchlecht
199220121992201219922012
Insgesamt524930331718
unter 40 Jahre7570192268
40 - 59 Jahre484834351716
60 Jahre u. älter233043413529

Daten gerundet, Quelle: Quelle: Grabka 2016, S. 292.

Hochaltrigkeit

Die Zunahme der Hochaltrigkeit, üblicherweise festgemacht an ein Leben jenseits des 80. Geburtstages, kann als ein herausragender Indikator des demografischen und sozialen Wandels der Gesellschaft bezeichnet werden (vgl. Abbildung "Bevölkerung im Alter 80 Jahre und älter 1950 − 2070"). Sozialpolitisch bedeutsam ist hier dennoch die enge Beziehung zwischen Krankheit, Hilfe- und Pflegebedürftigkeit und einem sehr hohen Alter (vgl. weiter unten).

Feminisierung des Alters

Bevölkerung nach Altersgruppen und Geschlecht 2022 (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/4.0/deed.de

Bedingt durch die höhere Lebenserwartung von Frauen überwiegt deren Anteil an der älteren Bevölkerung (vgl. Abbildung "Bevölkerung nach Altersgruppen und Geschlecht 2022"). Aktuell beträgt die Geschlechterverteilung bei den über 70-Jährigen knapp drei Fünftel Frauen zu zwei Fünftel Männer. Mit zunehmendem Alter verschiebt sich die Relation immer weiter zu Gunsten der weiblichen Bevölkerung. Im Alter von über 80 Jahren machen die Frauen 61 Prozent der Bevölkerung aus, im Alter von über 85 Jahren sind es nahezu 65 Prozent.

Singularisierung des Alters

Im höheren Lebensalter leben Menschen vermehrt allein (vgl. Abbildung "Alleinstehende nach Geschlecht und Altersgruppe"). Bei den 65-bis 75-Jährigen sind dies (2021) etwa 26 Prozent der Bevölkerung.

Dieser Anteil steigt mit einem höheren Lebensalter kontinuierlich an. Dabei handelt es sich weit überwiegend um Frauen. So leben Frauen, die 85 Jahre und älter sind, zu 57,2 Prozent allein. Sie leben vor allem deswegen allein, weil sie verwitwet sind. Neben der höheren Mortalität der Männer spielen auch die Unterschiede bei den Heiratsaltern eine Rolle.

Zunehmend bestimmen aber auch älter werdende Singles (Ledige, Geschiedene) den Trend zur Singularisierung des Alters (vgl. Abbildung "Alleinstehende nach Geschlecht und Altersgruppe 2021").

Eigenständiges Wohnen im Alter

Dem Wohnen älterer Menschen kommt eine ganz besondere Bedeutung für die Lebenslage im Alter zu. In den eigenen vier Wänden wird nicht nur die weitaus meiste Zeit im Alter verbracht, auch bestimmen die konkreten Wohnbedingungen oftmals über die Chancen selbstständigen Lebens z. B. bei schweren körperlichen Einschränkungen zunehmend aber auch mit Blick auf z. B. demenzielle Probleme. Unter den Wohnformen älterer Menschen dominieren die Zwei- und Einpersonenhaushalte. Mehrgenerationenhaushalte, also das Leben zusammen mit Kindern (und sogar Enkelkindern), spielen heute kaum noch eine Rolle. Die Älteren wollen − so lange dies möglich ist − eigenständig wohnen und leben.

Zu beachten ist, dass knapp 60 Prozent der Älteren (65-74 Jahre) heute in Wohneigentum leben, dabei im Westen deutlich häufiger als im Osten. Die Eigenständigkeit des Wohnens, und dies auch noch dann, wenn im höheren Lebensalter der Partner verstorben ist, ist keineswegs automatisch mit einer Isolation und fehlendem familiären Zusammenhalt gleichzusetzen.

Gesundheitliche Lage

Pflegebedürftige und Pflegequoten nach Altersgruppen 2021 (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/4.0/deed.de

Schwere Krankheiten und Pflegebedürftigkeit sind keine unausweichlichen Begleiterscheinungen des Alters. Aber beide Risiken steigen mit fortschreitendem Lebensalter (vgl. Abbildung "Pflegebedürftige und Pflegequoten nach Altersgruppen" 2021). Dies gilt vor allem für die Phase der Hochaltrigkeit. Das Krankheitsbild der Älteren ist dabei durch Multimorbidität und Chronifizierung von Krankheiten geprägt. Und im sehr hohen Lebensalter kommt es vermehrt zu Demenzerkrankungen. Von daher sind Erreichbarkeit, Quantität und Qualität sozialer, gesundheitlicher und pflegerischer Dienste und Angebote von ganz besonderer Bedeutung für die Lebenslage gerade älterer Menschen.

Pflegebedürftigkeit ist zumeist Ergebnis chronischer Erkrankungen und Multimorbidität und ebenfalls eng mit der Hochaltrigkeit verknüpft. Mehr als 80 Prozent der 90-Jährigen und älteren sind pflegebedürftig. Schaut man sich hingegen die "jüngeren Alten" und die "mittleren Alten" an, so hat das Risiko der Pflegebedürftigkeit eine geringere Bedeutung.

Einbindung in familiäre und soziale Netzwerke

In ganz besonderer Weise wird die Lebenslage im Alter von funktionsfähigen Familien- und übrigen sozialen Netzwerkbeziehungen bestimmt. Wie empirische Befunde belegen, ist die Familie unverändert die zentrale Institution zur sozialen Integration sowie zur emotionalen und instrumentellen Unterstützung älterer Menschen. Von einem grundlegenden Generationenkonflikt kann keine Rede sein (vgl. Interner Link: Demografischer Wandel und Rentenfinanzierung).

Dies dokumentiert sich am eindrucksvollsten in der häuslichen Pflege, da nahezu drei Viertel der Pflegebedürftigen zu Hause versorgt werden, davon weit überwiegend durch engste Familienangehörige und mit Unterstützung ambulanter Dienste. In Heimen werden primär solche älteren Menschen im sehr hohen Alter versorgt, die schwer pflegebedürftig sind. Aber selbst im Alter von 90 und mehr Jahren werden rund 70 Prozent zu Hause versorgt.

Findet die pflegende Person nach dieser Phase nicht mehr zurück in eine Erwerbstätigkeit, so kann das negative Folgen für das eigene Einkommen im Alter haben.

Allerdings: Der demografische und soziale Wandel führt zu einer tendenziellen Schwächung familiärer Unterstützungsnetzwerke und -ressourcen, vor allem aus dem Umfeld der Töchter, Schwiegertöchter und Enkelkinder. Die Kindergeneration wird wegen der niedrigen Geburtenrate kleiner. Der Anteil der Älteren, die keine Kinder (mehr) haben, hat zugenommen. Auch die steigende Erwerbsquote von Frauen hat ihre Auswirkungen: Heute sind mehr als zwei Drittel aller Frauen im Alter von 50 bis 60 Jahren erwerbstätig.

Immer mehr Angehörige – zumeist Frauen jenseits des 45. Lebensjahres – müssen Berufstätigkeit und Pflegeverpflichtungen miteinander vereinbaren. Den höchsten Anteil privat Pflegender findet man in der Altersgruppe der 55- bis 65-Jährigen, wobei auch der Anteil der pflegenden Männer langsam steigt. Und aufgrund der steigenden regionalen und beruflichen Mobilität fallen die Wohnorte der älteren Generation und ihrer Kinder häufig auseinander. Eine Ausweitung an Diensten zur Förderung und Aufrechterhaltung der selbstständigen Lebensführung Älterer und zur besseren Vereinbarkeit von Berufstätigkeit und Pflege ist deshalb unabdingbar.

Einkommen und Vermögen

Ein ausreichendes Alterseinkommen ist grundlegende Voraussetzung dafür, dass auch ältere Menschen aktiv und gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilnehmen und teilhaben können. Um auch im Alter so lange wie möglich unabhängig und selbstständig zu leben, eine angemessene Wohnung zu unterhalten, soziale Kontakte anzuknüpfen und aufrechtzuerhalten sowie um die freie Zeit aktiv zu gestalten – dafür bedarf es ausreichender Finanzmittel. Ihnen kommt gerade für die Lebenslage älterer Menschen eine Schlüsselfunktion zu.

Die finanzielle Situation der Bevölkerung, darunter auch der älteren Generation, hat sich in den zurückliegenden Jahrzehnten erheblich verbessert. Der größte Teil der Älteren hat an der Steigerung des gesellschaftlichen Wohlstands teilgenommen. Die Einkommenssituation Älterer differiert allerdings stark nach der früheren Stellung im Beruf (vgl. Interner Link: Höhe und Verteilung der Gesamteinkommen im Alter). Zugleich hat sich das Risiko der Altersarmut vergrößert (vgl. Interner Link: Altersarmut). Hinsichtlich des Vermögens- und speziell Immobilienbesitzes stellen sich Ältere im Schnitt besser als Junge. Durchschnittlich haben die 55- bis 64-Jährigen die höchsten liquidierbaren Vermögensbestände, besonders auch in Form selbstgenutzter Immobilien (die normalerweise geringere Wohnkostenbelastungen im Alter bedeuten). Vgl. dazu das BpB-Dossier „Interner Link: Armut und Reichtum“.

Gesellschaftliche Integration

Mit der im Vergleich zu früher besseren finanziellen Basis und dem besseren Gesundheitszustand der Älteren, aber auch mit dem steigenden durchschnittlichen Bildungsstatus − allmählich wachsen anteilig immer mehr Personen mit höherem allgemeinem und beruflichem Bildungsabschluss ins Rentenalter hinein − geht einher, was mit der Floskel (bzw. dem Altersbild) vom "aktiven Alter" umschrieben wird: Ältere sind heute im Durchschnitt aktiver als noch die Generation ihrer Eltern. Sie sind mobiler, nehmen Angebote der Verkehrs- und kulturellen Infrastruktur stärker wahr, nutzen Angebote der Infrastruktur für Ältere stärker, die es früher auch noch nicht in diesem Umfang gegeben hat (Seniorentreffs etc.).

Damit eng verbunden ist eine stärkere soziale Integration und (immaterielle) Teilhabe der Älteren in der Gesellschaft, vom bürgerschaftlichen Engagement über die Häufigkeit sozialer Kontakte allgemein bis hin zu Kontakten im sozialen Nahraum. So konstatiert die Bundesregierung z. B.: "Zwar nehmen auch hierzulande die sozialen Kontakte mit dem Alter ab, aber nur sechs Prozent der älteren Menschen berichten, dass sie niemanden haben, um persönliche Angelegenheiten zu besprechen. Diese Quote liegt nur 0,8 Prozentpunkte über derjenigen der 30- bis 64-Jährigen, und sie ist die niedrigste in der EU" .

Lebenszufriedenheit

Schließlich, "zeigt sich, dass EU-weit ältere Menschen seltener unzufrieden mit ihrer Lebenslage sind oder sich unglücklich fühlen als der Durchschnitt der Bevölkerung. Besonders ausgeprägt ist dies jedoch in Deutschland. Dort liegt der Anteil der unzufriedenen oder unglücklichen Älteren um ein Drittel unter dem Durchschnitt der Gesamtbevölkerung" .

Laut Soziooekonomischem Panel 2012 gab es zum Beispiel keinen Unterschied in der allgemeinen Lebenszufriedenheit von über 60-Jährigen und der Gesamtbevölkerung Bei einer differenzierenden Abfrage erweisen sich die Älteren als deutlich zufriedener mit ihrer Wohnung und Freizeit und zufriedener sind sie mit ihrem Haushaltseinkommen und persönlichen Einkommen. Deutlich unzufriedener sind sie mit ihrer Gesundheit.

Weitere Inhalte

Gerhard Bäcker, Prof. Dr., geboren 1947 in Wülfrath ist Senior Professor im Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen. Bis zur Emeritierung Inhaber des Lehrstuhls "Soziologie des Sozialstaates" in der Fakultät für Gesellschaftswissenschaften der Universität Duisburg-Essen. Forschungsschwerpunkte: Theorie und Empirie des Wohlfahrtsstaates in Deutschland und im internationalen Vergleich, Ökonomische Grundlagen und Finanzierung des Sozialstaates, Systeme der sozialen Sicherung, insbesondere Alterssicherung, Arbeitsmarkt und Arbeitsmarktpolitik, Lebenslagen- und Armutsforschung.

Ernst Kistler, Prof. Dr., geboren 1952 in Windach/Ammersee, verstorben 2021, war Direktor des Internationalen Instituts für Empirische Sozialökonomie, INIFES gGmbH in Stadtbergen bei Augsburg. Forschungsschwerpunkte: Sozial- und Arbeitsmarktberichterstattung, Demografie, Sozialpolitik, Armutsforschung.