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Vom Defizit- zum Ressourcenmodell | Rentenpolitik | bpb.de

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Vom Defizit- zum Ressourcenmodell Altersbilder und Lebenslagen von Älteren

Gerhard Bäcker Ernst Kistler

/ 2 Minuten zu lesen

Wurden in der – gar nicht so weiten – Vergangenheit die Älteren in der Gesellschaft weitgehend als inaktive, bedürftige Personen angesehen und auch entsprechend behandelt, so hat sich bei diesem Altersbild geradezu ein Paradigmenwechsel vollzogen. Woran liegt das?

Motorradausflug ins Grüne: die "Generation Silber" gilt auch als eine interessante Käufergruppe. (© picture-alliance/dpa)

Die Alten- und Alterssicherungspolitik wird in der Gesellschaft von den jeweils dominierenden Altersbildern geprägt

Heute ist weniger von Defiziten, sondern fast nur noch von der "Generation Silber" die Rede, den fitten, aktiven Alten als interessanter Käufergruppe. Die dominierenden Altersbilder können sich langfristig geradezu "umdrehen": Wie an anderen Stellen in diesem Dossier ausgeführt (vgl. Interner Link: Geschichte der Rentenversicherung in Deutschland und Interner Link: Heraufsetzung der Altersgrenzen), ist in der Arbeitsmarkt- und Rentenpolitik ein Paradigmenwechsel von einem "Defizitmodell" des Alters zum so genannten "Ressourcenmodell" zu beobachten.

In zwei Punkten kommt das besonders zum Ausdruck:

  • Lange Zeit dominierte die Vorstellung von nur noch hilfebedürftigen Alten, die nicht mehr arbeiten können und daher einer Rente bedürfen. Als Ausdruck des Defizitmodells kann z. B. angesehen werden, wie bei der Einführung der Gesetzlichen Rentenversicherung die Altersgrenze von damals 70 Jahren für die Altersrenten begründet wurde:

    Neben der im Vordergrund stehenden Absicherung gegen das Invaliditätsrisiko wurde für diejenigen (wenigen), die das 70. Lebensjahr in Arbeit bzw. überhaupt erreichten, pauschal und ohne Gesundheitsprüfung unterstellt, dass sie ab diesem Alter nicht mehr arbeiten können. Heute wird, die stark gestiegene durchschnittliche Lebenserwartung und die vielen gesunden, fitten Älteren im Blick, betont, dass (alle) Älteren länger arbeiten können, auch im Ruhestand, und darüber hinaus eine Inpflichtnahme der Älteren für das bürgerschaftliche Engagement, die Betreuung von Enkeln und für Pflegeaufgaben etc. propagiert.

  • Dominantes und durchaus mehrheitlich der Realität entsprechendes Altersbild war von Bismarck bis zur "Großen Rentenreform" des Jahres 1957 die Vorstellung von den armen Alten. Ihre materielle Situation, aber auch immaterielle Aspekte ihrer Lebenslage (z. B. soziale Kontakte, gesellschaftliche Teilhabe) wurden vor allem als defizitär angesehen − in den meisten Fällen wohl auch zu recht.

Heute wird mit Blick auf die im Durchschnitt fitteren Alten dagegen ein sehr positives Bild von "der" Lebenslage der Älteren gezeichnet.

Aus dem Bild von einem "Dritten, aktiven Lebensalter" zwischen Rentenalter und zumindest dem 75. oder 80. Lebensjahr speist sich auch die verbreitete Vorstellung von den "Silver Agern" als lukrativer Zukunftsmarkt. Allerdings: Der nicht unerhebliche Anteil weniger fitter und nicht wohlhabender Älterer wird häufig ausgeblendet.

Dass weder (so die häufig gebrauchten Bezeichnungen) das Defizit- noch das Ressourcenmodell − oder ganz einfach, dass Durchschnittswerte nicht die sehr unterschiedlichen Lebenslagen der Älteren hinreichend beschreiben, wird in wissenschaftlichen Analysen wieder belegt.

Entscheidend für ein realistisches Bild der Lebenslage Älterer − aber gleichermaßen auch anderer (Alters-)Gruppen in der Gesellschaft ist die Einsicht in die geringe Aussagekraft von Durchschnittswerten, wenn die Streuung, also die gruppenspezifischen Unterschiede in den Lebenslagen nicht berücksichtigt wird. Vereinfacht: "Die" Alten gibt es nicht.

Weitere Inhalte

Gerhard Bäcker, Prof. Dr., geboren 1947 in Wülfrath ist Senior Professor im Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen. Bis zur Emeritierung Inhaber des Lehrstuhls "Soziologie des Sozialstaates" in der Fakultät für Gesellschaftswissenschaften der Universität Duisburg-Essen. Forschungsschwerpunkte: Theorie und Empirie des Wohlfahrtsstaates in Deutschland und im internationalen Vergleich, Ökonomische Grundlagen und Finanzierung des Sozialstaates, Systeme der sozialen Sicherung, insbesondere Alterssicherung, Arbeitsmarkt und Arbeitsmarktpolitik, Lebenslagen- und Armutsforschung.

Ernst Kistler, Prof. Dr., geboren 1952 in Windach/Ammersee, verstorben 2021, war Direktor des Internationalen Instituts für Empirische Sozialökonomie, INIFES gGmbH in Stadtbergen bei Augsburg. Forschungsschwerpunkte: Sozial- und Arbeitsmarktberichterstattung, Demografie, Sozialpolitik, Armutsforschung.