Nigeria
Während draußen auf den Straßen von Agege die Männer zusammenströmen und ihre Gebetsteppiche ausrollen, während sie in tausendfacher Gleichzeitigkeit ihre Häupter Richtung Mekka beugen und der Verkehr, der Lärm, das Gewusel dieser Stadt im Südwesten Nigerias für einen Moment zum Erliegen kommen, sitzt Hadizatu Ahmed hinter ihrem Haus und denkt laut darüber nach, wann sie ihr erstes Kind geboren hat.
Sie sei ungefähr 70 Jahre alt, sagt Hadizatu Ahmed, genau wisse sie das nicht. Geheiratet habe sie mit fünfzehn. Einen Schneider. Ein Jahr später habe sie ein Mädchen auf die Welt gebracht, Habiba. Ein Jahr später eine Fehlgeburt. Zwei Jahre später kam Danjuma, ein Junge.
Dann nahm sich ihr Mann eine zweite Frau. Hadizatu Ahmed bekam die beiden Räume rechts des Flures, die sie noch heute bewohnt. Die andere Frau die beiden links. Hadizatu Ahmed setzte sich zum Ziel, ihrem Mann mehr Kinder zu gebären als die andere.
Kurz darauf brachte sie Tiggani zur Welt, den zweiten Jungen. Noch im selben Jahr entband die andere Frau ein Mädchen.
Ein Jahr später bekam Hadizatu ein Mädchen, Ladi. Und die Zweitfrau einen Jungen.
Hadizatu: eine weitere Tochter, Teni. Dann noch eine, Mariam. Die Zweitfrau: einen Sohn, dann eine Tochter.
Hadizatu: wieder eine Tochter, die aber bald die Malaria holte. Die Zweitfrau: einen Jungen.
Hadizatu: wieder ein Mädchen, Fatima. Und die Zweitfrau kurz darauf das letzte Kind dieser Familie, ebenfalls ein Mädchen.
Hadizatu Ahmed hatte den familieninternen Wettbewerb gewonnen, acht zu sechs, aber es habe sich angefühlt wie eine Niederlage, sagt sie, weil sie nur zwei Söhne hatte und die andere drei.
Vierzehn Kinder – ihr Mann habe in der Nachbarschaft gut dagestanden, sagt sie, aber es war nichts gegen den alten Bello, der habe es auf dreißig gebracht, allerdings mit vier Frauen. Und schon gar nichts gegen Kabii, bei dem müssen es um die vierzig Kinder gewesen sein.
Nach dem Ende des Gebets werfen die Männer vor Hadizatu Ahmeds Haus wieder ihre Motorräder an. Frauen balancieren Plastikschalen auf dem Kopf. Kleine Kinder gehen an den Händen der größeren. Menschen hängen außen an einem gelben Sammeltaxi, das in die Schlaglöcher hinein- und wieder aus ihnen herausrumpelt. Menschen sitzen auf dem Dach eines Lastwagens. Menschen winken, Menschen lachen, Menschen schreien. Überall Menschen.
Als Hadizatu Ahmed jung war, stand hier Wald. Heute ist Agege Teil der 21-Millionen-Metropole Lagos, der größten Stadt Afrikas. Seit Hadizatu Ahmed ihr erstes Kind bekam, hat sich die Bevölkerung Nigerias vervierfacht, auf 200 Millionen.
Jede Nigerianerin bekommt durchschnittlich 5,4 Kinder.
Das ist nur Nigeria. In den Nachbarländern sind die Zahlen ähnlich. Niger hat die höchste Geburtenrate der Welt: 7,2 Kinder pro Frau. Mali: 5,9. Tschad: 5,8. Burkina Faso: 5,2. Und das ist nur Afrika. Afghanistan: 4,4. Jemen: 3,8. Papua-Neuguinea: 3,6.
In jeder Sekunde werden irgendwo auf der Welt vier Kinder geboren, während zwei Menschen sterben. Seit Sie angefangen haben, dieses Dossier zu lesen, ist die Weltbevölkerung um etwa 200 Menschen angewachsen. Schon lange ahnen die Menschen, sie könnten einmal zu viele werden. Maler haben die drohende Enge auf der Erde in Öl gebannt. Hollywood hat Filme gedreht, in denen Kolonien auf fernen Planeten entstehen, weil es auf der Erde nicht mehr genug Nahrung gibt. Der Schriftsteller Dan Brown hat in einem Roman eine Verschwörerbande beschrieben, die ein Virus verbreitet, das ein Drittel der Menschheit unfruchtbar macht. Das Buch heißt Inferno.
Es stimmt ja: Ein Mensch braucht Essen. Die Nahrung muss irgendwo gedeihen. Ein Mensch braucht Kleidung. Die Baumwolle muss irgendwo wachsen. Ein Mensch braucht ein Dach über dem Kopf. Das Haus muss irgendwo stehen.
Der Platz auf der Erde ist begrenzt. Sie kann nur eine endliche Zahl an Menschen tragen. Derzeit sind es 7,7 Milliarden.
Wie lange noch bis zum Inferno?
Elf Milliarden – das Maximum
New York
Im 19. Stock eines Hochhauses in Midtown Manhattan arbeiten zwölf Wissenschaftler daran, die Zukunft der Menschheit vorherzusagen. Ihr Chef, Frank Swiaczny, ist ein 52 Jahre alter Deutscher, der mal Fotograf für den Mannheimer Morgen war. Als er keine Lust mehr hatte, Bilder von Autounfällen zu knipsen, studierte er Geografie. Heute leitet er für die Vereinten Nationen ein Team aus Statistikern und Demografen, das berechnet, wie sich die Weltbevölkerung entwickeln wird.
Um die Zukunft vorherzusagen, müssen Swiacznys Leute erst einmal die Gegenwart verstehen – und die Vergangenheit.
Seit 1950 fließen jedes Jahr neue Angaben in die Datenbank der Vereinten Nationen, es sind Geburts- und Sterberaten, Ein- und Auswanderungszahlen aus 235 Ländern und Territorien. Manchmal sind die Daten sehr genau, wie jene aus Norwegen, wo man per Knopfdruck jederzeit nachsehen kann, wie viele Einwohner das Land aktuell hat. Manchmal sind die Daten sehr ungenau, wie jene aus dem Libanon – letzte Volkszählung 1932 – oder aus Syrien und dem Kongo, wo es Kriege seit Jahren unmöglich machen, die Einwohner zu zählen.
Swiacznys Leute verifizieren die Daten, bereinigen sie, wühlen sich sogar durch Erhebungen, die jene Menschen zu fassen versuchen, die schwer zu fassen sind, wie die Obdachlosen auf den Straßen New Yorks und die Nomaden in den Wüsten Arabiens.
All diese Zahlen formt der Computer zu Entwicklungslinien, und die zeigen meist nach oben.
Die Weltbevölkerung wächst, seit Jahrtausenden schon. Als die Jäger und Sammler vor 12.000 Jahren sesshaft wurden, lebten wahrscheinlich keine zehn Millionen Menschen auf der Welt. Jesus von Nazareth hatte bereits 300 Millionen Mitmenschen. William Shakespeare im 16. Jahrhundert 400 Millionen. Überall auf der Welt bekamen Frauen damals viele Kinder. Aber da viele von ihnen früh starben, blieb die Bevölkerungsgröße stabil. Manchmal sorgten Epidemien oder Kriege sogar für einen Rückgang.
Dann stiegen die Zahlen im 18. Jahrhundert auf einmal an, ausgehend von Europa. Dank produktiverer Landwirtschaft und besserer medizinischer Versorgung überlebten jetzt viel mehr Kinder. Um das Jahr 1800 gab es erstmals eine Milliarde Menschen auf der Welt. Es folgten Revolutionen, die den Menschen länger leben ließen: Impfungen, Krankenversicherung, Antibiotika.
1928 zwei Milliarden.
1959 drei Milliarden.
1973 vier Milliarden.
1986 fünf Milliarden.
1998 sechs Milliarden.
2010 sieben Milliarden.
Um die weitere Entwicklung der Weltbevölkerung vorherzusagen, benutzt Frank Swiacznys Team ein Modell, das im Detail sehr kompliziert, im Kern aber sehr einfach ist: Die Bevölkerungszahl des nächsten Jahres entspricht jener des derzeitigen Jahres plus Geburten minus Todesfälle. Das lässt sich dann, basierend auf Wahrscheinlichkeiten, Jahr für Jahr weiterrechnen. Die Vereinten Nationen prognostizieren die Zahlen bis ins Jahr 2100.
Alle zwei Jahre geben sie neue Vorhersagen bekannt, und so nimmt im Juni dieses Jahres Frank Swiaczny hinten im Pressezentrum der Vereinten Nationen Platz, während sein Chef vorn auf dem Podium sitzt. Zwei Dutzend Journalisten sind da, eine Kamera überträgt live ins Internet.
Swiacznys Chef sagt, die Weltbevölkerung werde weiterwachsen und um das Jahr 2100 elf Milliarden erreichen.
Elf Milliarden. Noch mal fast dreieinhalb Milliarden mehr.
Am nächsten Tag sitzt Frank Swiaczny in seinem Büro, da hat sich die Nachricht schon rund um die Welt verbreitet.
Euronews aus Frankreich: "Im letzten halben Jahrhundert ist die Zahl der Menschen regelrecht explodiert. Dieses Wachstum wird weitergehen."
RTVE aus Spanien: "Es gibt zwei Protagonisten in der demografischen Explosion: Afrika und Asien."
Spiegel Online aus Deutschland: "Die Weltbevölkerung wächst weiter rasant."
Allerdings: Das Wort "rasant" ist auf der Pressekonferenz nicht gefallen, auch nicht das Wort "Explosion". Es entspricht nicht den Prognosen, weshalb Frank Swiaczny darüber nur den Kopf schütteln kann.
Die Wahrheit steckt ja schon in den Zahlen der Vergangenheit, man muss nur ein wenig genauer hinschauen.
Die Menschheit benötigte 128 Jahre, um von einer Milliarde auf zwei Milliarden zu kommen. Für die darauffolgende Milliarde brauchte sie 31 Jahre. Für die nächste noch 14, dann noch 13 und schließlich nur noch 12. Die Menschheit wuchs immer schneller. Aber dann brauchte sie für eine weitere Milliarde, jene, die sie auf sieben Milliarden brachte, erneut 12 Jahre. Bis zur nächsten Milliarde wird es wieder 13 Jahre dauern, bis zur darauffolgenden 14, dann sogar 20 Jahre.
Das Wachstum hat sich nicht beschleunigt, es hat sich verlangsamt.
Die elf Milliarden, auch das sagte Swiacznys Chef bei der Pressekonferenz, werden laut den Berechnungen der Vereinten Nationen keine weitere Zwischenstation auf dem Weg zu einer weiteren Rekordmarke sein. Sie sind das Maximum.
Eines der größten Ereignisse der Menschheitsgeschichte steht bevor, der Moment, in dem Homo sapiens seine größte Ausbreitung erreicht haben wird. Über Jahrtausende wurden die Menschen immer mehr und mehr. Bald werden sie weniger.
Die Ursache dafür wird kein Krieg sein, auch keine Krankheit, keine Hungersnot, wie sie in der Vergangenheit das Bevölkerungswachstum mitunter gebremst haben, nein, die Ursache wird viel mächtiger sein als all das. Das Schrumpfen der Menschheit wird eine bewusste Entscheidung der Menschen sein. Oder besser: Es ist eine bewusste Entscheidung. Denn sie ist längst gefallen.
"Erst starb die Schule, dann das Dorf"
Südkorea
An der Mündung des Tamjin-Flusses, ganz im Süden der Koreanischen Halbinsel, steht, zweistöckig und knallgelb gestrichen, die Grundschule des Dorfes Daegu. Der Fußballplatz vor dem Gebäude ist verwaist, in den Strafräumen sprießt Unkraut. Im Gebäude lange Flure, seltsam still.
In einem Zimmer im Erdgeschoss sitzen die Schüler der zweiten Klasse vor ihrer Lehrerin und singen leise ein Lied. Sie sind zu fünft. Im ersten Stock die dritte Klasse (zwei Schüler), die vierte (einer), die fünfte (ebenfalls einer). Im Klassenzimmer der sechsten arbeiten fünf Kinder an Plakaten zum Thema Chrysanthemen.
14 Schüler – in einem Gebäude, ausgelegt für 200.
Hätte die neue Direktorin, Lee Ju Young, nicht diese Idee gehabt, wäre die Schule wahrscheinlich schon geschlossen. Als Lee, eine höfliche, feingliedrige Frau Mitte fünfzig, hier im vergangenen Jahr ihren Dienst antrat, war sie seit 30 Jahren Lehrerin. In dieser Zeit hat sie ein regelrechtes Schulsterben beobachtet. Allein in ihrem Landkreis seien es mindestens zehn gewesen, sagt sie, zweimal habe sie selbst an Schulen unterrichtet, die geschlossen wurden, weil es keine Schüler mehr gab.
Es sei immer dasselbe gewesen, sagt sie. Erst habe die Schule dichtgemacht, dann die Post und irgendwann der Supermarkt. "Erst starb die Schule, dann das Dorf."
Als sie ihren neuen Job begann, stellte Lee Ju Young fest: Für die erste Klasse gab es genau null Anmeldungen. Sie musste sich etwas überlegen.
Hier, im ländlichen Süden Koreas, der noch geprägt ist von Landwirtschaft und Fischerei, gibt es viele alte Frauen, die nie eine Schule besucht haben. Also schlug sie der Elternvertretung vor: Warum die Schule nicht öffnen für Senioren?
Als Erste meldete sich die Mutter des Elternsprechers, eine 70-Jährige, die ihr Leben lang auf Reisfeldern geschuftet hatte, eine Analphabetin. Sechs weitere Frauen kamen hinzu. Im März dieses Jahres begrüßte Lee Ju Young eine neue erste Klasse: sieben Schülerinnen, zwischen 70 und 82 Jahre alt.
An diesem Novembermorgen sitzen sie, während nebenan die Zweitklässler singen, in einer Reihe vor ihrer Lehrerin, schwarz gefärbte Haare, krumme Rücken und Beine, einige lachen mit unvollständigen Zahnreihen. Vorsichtig malen sie Schriftzeichen in ihre Hefte. Eine beschreibt ihr Wochenende: "Ich habe gefrühstückt. Dann bin ich zum Dorftreffpunkt gegangen." Eine andere übt ihren Namen: "Geum Hwang Gol".
Die Schulleiterin stemmt sich gegen einen Trend, von dem sie weiß, dass er nicht zu stoppen ist. Jedes Jahr schließen in Südkorea Dutzende Schulen. In einem Stadtteil der Provinzstadt Gwangju machten allein dieses Jahr 40 von 400 Kindergärten dicht. Seit 41 Monaten melden die Statistikbehörden jeden Monat einen Rückgang der Geburtenzahlen.
Will eine Gesellschaft ihre Bevölkerungszahl halten, müssen die Frauen durchschnittlich 2,1 Kinder gebären. In Südkorea sind es noch 0,98, so wenige wie nirgendwo sonst auf der Welt.
Das ist nur Südkorea. In den Nachbarländern sind die Zahlen ähnlich. Taiwan: 1,2. Singapur: 1,2. Hongkong: 1,3. Japan: 1,5.
Und das ist nur Asien. Portugal: 1,2. Deutschland: 1,5. Kanada: 1,6. Kuba: 1,7.
Mehr als die Hälfte aller Länder weltweit sind bereits unter das sogenannte Reproduktionsniveau gesunken, unter ihnen alle Industrienationen (außer Israel). Langfristig schrumpfen sie. All diese Länder haben ein Stadium erreicht, das Experten wie Frank Swiaczny als Stufe drei des demografischen Modells bezeichnen.
Stufe eins galt von Beginn der Menschheit an bis ins europäische 18. Jahrhundert: hohe Geburtenrate, hohe Sterberate. Die Bevölkerung ist stabil oder wächst nur langsam.
Stufe zwei tritt ein, wenn sich eine Gesellschaft modernisiert, bessere Medizin, bessere Ernährung: Die Geburtenrate ist noch hoch, aber die Sterberate sinkt. Die Bevölkerung wächst schnell.
In Stufe drei geht dann auch die Geburtenrate zurück, das Wachstum schwächt sich ab und kommt zum Erliegen. Warum?
In Europa begann dieser Prozess im 19. Jahrhundert. Die Industrialisierung zog die Menschen in die Städte, wo sie nicht mehr auf Feldern arbeiteten, sondern in Fabriken. Auf dem Land waren Kinder hilfreich gewesen. Zwei Hände mehr zum Säen und Ernten. Außerdem kosteten Kinder wenig, trugen aber, jedes für sich, die Chance auf eine große Zukunft in sich. Ein Kind zu bekommen war ein Investment.
In der Stadt lebten viele Arbeiter nun in winzigen Wohnungen, zu klein für große Familien. Beim Geldverdienen konnten die Kinder kaum helfen, essen mussten sie trotzdem. Kinder waren, ökonomisch gesehen, eine Last geworden.
In ganz Europa wuchsen Dörfer zu Städten und Städte zu Metropolen, und überall entschieden Paare nach langen Arbeitstagen für wenig Lohn: Sie können sich kein weiteres Kind leisten. Eins, zwei, vielleicht drei bekamen sie satt. Fünf oder sechs waren undenkbar geworden.
Überbevölkerung wird langfristig kein Problem sein
Luxemburg unterschritt in den 1950er-Jahren als erstes Land weltweit das Reproduktionsniveau. Es folgten der Rest Europas und dann, im Lauf des 20. Jahrhunderts, die Schwellen- und einige Entwicklungsländer. Überall zog das Versprechen auf Wohlstand die Bauern in die Städte. Seoul und Tokio wuchsen zu Megastädten, megagroß und megateuer. Rio de Janeiro und Mexico City expandierten wie im Zeitraffer. Genau wie Neu-Delhi und Dhaka.
2008 lebten weltweit erstmals mehr Menschen in der Stadt als auf dem Land.
In Südkorea, wo heute bereits 82 Prozent in Städten wohnen, könnte die Bevölkerung nach Berechnung der Vereinten Nationen innerhalb einer Generation um fast zehn Prozent schrumpfen. Chinas Einwohnerzahl könnte – verstärkt durch die jahrzehntelange Ein-Kind-Politik – regelrecht kollabieren. Auch das Milliardenland Indien liegt nur noch knapp über dem Reproduktionsniveau von 2,1. Brasilien, das bevölkerungsreichste Land Südamerikas, schon darunter – genau wie ganz Europa.
Dass die Weltbevölkerung pro Sekunde um zwei Menschen wächst, liegt allein daran, dass es zwei Regionen auf der Erde gibt, in denen noch immer sehr viele Kinder geboren werden: den Mittleren Osten und, vor allem, Afrika. Was nicht heißt, dass nicht auch dort bereits einige Länder Stufe drei erreicht haben.
Die Nigerianerin Hadizatu Ahmed hat acht erwachsene Kinder. Keines von ihnen hat ebenfalls acht Kinder. Die genaue Zahl ihrer Enkel hat sie nicht im Kopf. Ihr ältester Sohn, der im Hof neben ihr sitzt, versucht zu helfen, am Ende einigen sie sich auf "ungefähr 26". Das wären durchschnittlich drei.
Man nimmt es nicht wahr, wenn man durch Agege läuft, wo überall zu viele Menschen zu sein scheinen, zu viele Passagiere für ein Taxi, zu viele Betende für eine Moschee, zu viele Kinder für einen Fußballplatz, doch die Wahrheit ist: Die Frauen hier bekommen zwar noch immer viele Kinder, aber es sind weniger als früher.
Keine Region der Welt wird sich laut Prognosen der Vereinten Nationen schneller urbanisieren als Afrika. Lagos wird um das Jahr 2030 zu den größten Städten der Welt gehören, Ende des Jahrhunderts könnte es die größte von allen sein.
Doch dann, so wie Seoul, das erst explosionsartig wuchs, dieses Jahr aber erstmals wieder unter die Zehn-Millionen-Einwohner-Grenze sank, wird aller Wahrscheinlichkeit nach auch Lagos irgendwann wieder schrumpfen, genau wie Nigeria und ganz Afrika, der letzte Kontinent, der bis dahin noch Bevölkerungswachstum generiert hatte.
Das sollte es den Menschen der Zukunft leichter machen, mit dem endlichen Platz auf diesem Planeten auszukommen. Übervölkerung wird, langfristig betrachtet, kein Problem sein. Die Menschheit muss nur die Elf-Milliarden-Beule überstehen. Schafft sie das?
New York
In seinem Büro sagt Frank Swiaczny, Warnungen, die Erde könne nicht genug Nahrung produzieren für die vielen Menschen, die auf ihr lebten, habe es schon immer gegeben, und sie seien immer falsch gewesen.
Der britische Ökonom Robert Malthus prophezeite im 18. Jahrhundert, schon bald würden Hunger und Verelendung über die Welt kommen, weil die Nahrungsmittelproduktion langsamer wachse als die Bevölkerung. Es war genau umgekehrt. Noch zu Malthus’ Lebzeiten entwickelten die Menschen besseres Saatgut, die Landmaschinen wurden leistungsfähiger, die Werkzeuge günstiger, dank effizienterer Zuchtverfahren stieg das durchschnittliche Gewicht einer Kuh von 370 auf 800 Pfund.
1968 schrieb der amerikanische Biologe Paul Ehrlich in seinem Bestseller Die Bevölkerungsbombe: "Der Kampf, die Menschheit zu ernähren, ist verloren. In den 1970ern und 1980ern werden Hunderte Millionen Menschen verhungern." Seither hat sich die Bevölkerung mehr als verdoppelt, Hungersnöte gibt es kaum mehr. Im Gegenteil, heute sterben weit mehr Menschen an Fettleibigkeit als an Unterernährung. Neue Pestizide und Herbizide, noch besserer Dünger und noch leistungsfähigere Maschinen haben die Erträge der Felder rund um die Welt weiter erhöht. Schon heute wird genug Nahrung für elf Milliarden Menschen produziert.
"Sie müsste nur anders verteilt werden", sagt Frank Swiaczny. Elf Milliarden satt zu kriegen müsse kein Problem sein.
Aber werden nicht die zusätzlichen CO₂-Emissionen, die diese zusätzlichen Menschen verursachen werden, den Klimawandel weiter beschleunigen? Dort, wo die Bevölkerung wachse, sagt Swiaczny, werde wenig emittiert. Eine nigrische Familie mit sieben Kindern besitzt kein Auto, wird wahrscheinlich nie fliegen und lebt vom Ertrag ihrer eigenen Felder. Ihr CO₂-Ausstoß tendiert gegen null.
Der Großteil der weltweiten Treibhausgas-Emissionen fällt dort an, wo kaum Kinder geboren werden, in Südkorea, China, Deutschland, dort, wo die Fabriken stehen, wo jedes Jahr, obwohl es weniger Menschen gibt, mehr geflogen, mehr Auto gefahren und mehr Fleisch gegessen wird.
Sollte die Welt daran scheitern, den Klimawandel zu stoppen, dann wird es nicht an den zusätzlichen Menschen im Niger liegen, sondern daran, dass die Industrieländer es nicht schaffen, rechtzeitig ihre Emissionen zu senken.
"Die Vereinten Nationen überschätzen das Wachstum"
Wien
An einem Oktoberabend federt Wolfgang Lutz auf die Bühne im Festsaal der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Die Wände: überbordender Stuck. Die Decke: ein gigantisches Gemälde der antiken Götterwelt. Das Licht: warm, aus kristallenen Leuchtern. In diesem Gebäude der Vergangenheit spricht Wolfgang Lutz von der Zukunft.
Vor einem Publikum aus Wissenschaftlern, Regierungsbeamten und Journalisten erstellt Wolfgang Lutz eine Bestandsaufnahme der Nachhaltigkeitsziele, deren Einhaltung sich die Weltgemeinschaft vorgenommen hat. Säulen, Linien und Zahlenkolonnen zeigen den Fortschritt bei den Themen Klima, Ernährung und Wirtschaft an. Lutz’ eigentlicher Fachbereich aber ist die Entwicklung der Weltbevölkerung.
Wolfgang Lutz, Professor an der Universität Wien, ist Demograf, einer der einflussreichsten weltweit. Seit Jahren publiziert er in den wichtigsten Fachzeitschriften. Auch Frank Swiaczny schätzt seine Expertise. Sogar Frank Swiazcny, muss man sagen. Denn im Kern machen beide dasselbe. Sie benutzen dieselben Zahlen und ein ähnliches Modell, um das Bevölkerungswachstum vorherzusagen – nur kommt Wolfgang Lutz zu anderen Ergebnissen.
"Die Vereinten Nationen überschätzen das Wachstum", sagt Lutz, "das tun sie seit Jahrzehnten, weil ihr Modell veraltet ist."
Wolfgang Lutz erklärt das an einem Beispiel. Man solle sich eine Gesellschaft von 1000 Menschen vorstellen, von der man weiß, dass sie zuletzt eine Wachstumsrate von zwei Prozent hatte. Vor dem Zweiten Weltkrieg, als die Demografie noch am Anfang stand, hätten Forscher gesagt: "Diese Gesellschaft wird nächstes Jahr aus 1020 Menschen bestehen."
Nach dem Zweiten Weltkrieg merkten die Wissenschaftler aber, dass das nicht unbedingt stimmt. Dann nämlich, wenn es in dieser Gesellschaft besonders wenige Frauen im gebärfähigen Alter gibt – oder besonders viele. Dann wird diese Gesellschaft im nächsten Jahr vielleicht nur 1010 Mitglieder haben oder schon 1040.
Die Demografen fügten also Alterskohorten in ihre Modelle ein, die Prognosen wurden genauer.
Das ist, grob vereinfacht, der Stand, auf dem Wissenschaftler noch heute rechnen, auch die Vereinten Nationen. Nicht aber Wolfgang Lutz.
Er sagt, neben dem Alter gebe es ein zweites Kriterium, das die Geburtenrate ebenso direkt beeinflusse. Eines, das von den Vereinten Nationen ignoriert werde, das aber, wenn man es berücksichtige, die Prognosen vielleicht sogar stärker verändere als damals die Einführung des Alters.
Nigeria
Ihr fünftes Kind gebar Hadizatu Ahmed an einem Montag, und da ihr und ihrem Mann kein Name einfiel, nannten sie das Mädchen Teni, "Montag". Heute ist Teni 42 Jahre alt und lebt in einer Zweizimmerwohnung im Zentrum von Lagos. Sie sitzt auf einem modrig riechenden Sofa und erzählt, dass das Leben, in das sie hineingeboren wurde, für Mädchen wenige Chancen vorsah.
Ihr Vater habe nur an zwei Formen der Mädchenbildung geglaubt, sagt Teni: an die Hausarbeit und den Koran. Teni ging trotzdem zur Grundschule, ihre Mutter wollte es so. Nach sechs Jahren bestand sie die Zulassungsprüfung für die weiterführende Schule. Sie konnte gut mit Zahlen umgehen, machte sich Hoffnung, einmal bei einer Bank zu arbeiten. Mit achtzehn war sie bereit für die Abschlussprüfung, aber ihr Vater sagte, er könne die Gebühr nicht bezahlen.
Teni blieb zu Hause, vier Jahre lang. Im Wesentlichen, sagt sie, habe sie diese Zeit damit verbracht, die Liebesgeschichten in einem Magazin namens Super Story zu lesen, das sie sich von ihrem Essensgeld kaufte. Sie verzichtete auf eine Mahlzeit und bekam dafür eine Traumwelt.
Ihre Freundinnen kriegten Kinder, manche schon das zweite oder dritte, aber anders als sie wollte Teni einen Mann, den sie liebte. Wie die Frauen in den Geschichten. Sie heiratete mit 24. Auch nicht die große Liebe, aber ihre Tante sagte, er sei ein Guter.
Sie zog mit ihm in den Norden und bat ihn um Geld, um endlich die Abschlussprüfung nachzuholen – er weigerte sich. Nach drei Jahren hatte sie selbst genug gespart. Sie bestand. Kurz darauf bekam sie einen Sohn und schrieb sich, er war erst wenige Wochen alt, an der Universität ein, Grundschullehramt.
Ihrem Mann gefiel das nicht. Manchmal habe er sie geschlagen, sagt sie. Aber ihr sei das Studium wichtig gewesen, sie habe etwas aus sich machen wollen. Also ließ sie sich scheiden. Und studierte weiter. Nach sechs Jahren machte Teni das Examen. Sie war 33 Jahre alt, Grundschullehrerin und hatte ein Kind.
Heute, neun Jahre später, sagt sie: "Ein, zwei weitere Kinder wären schön, aber ich habe keinen Mann."
Die Unterschiede zwischen Hadizatu Ahmed, der Mutter, und Teni Ahmed, der Tochter, sind zahlreich: die Generation, die Anzahl der Kinder, die Lebensphilosophie. Wolfgang Lutz würde all das dennoch auf ein Wort runterbrechen – Interner Link: Bildung.
"Das Gehirn ist das wichtigste Reproduktionsorgan", sagt er. Schon wenig Bildung macht einen Unterschied. Wenn Frauen verstehen, dass Kinderkriegen nicht gottgegeben ist, sondern eine bewusste Entscheidung sein kann, ihre Entscheidung, bekommen sie automatisch weniger Kinder. Je besser sie die sozialen und ökonomischen Kosten verstehen, die ein Kind mit sich bringt, desto strategischer planen sie. Teenager-Schwangerschaften werden weniger, Frauen beginnen zu verhüten, und da sie ihrem Nachwuchs die besten Chancen ermöglichen wollen, fördern sie lieber wenige Kinder viel als viele Kinder wenig.
Je besser Frauen gebildet sind, desto später bekommen sie Kinder. Erst muss noch die Prüfung bestanden, der erste Job gesichert, der Studienkredit zurückgezahlt, das Ende der Probezeit oder die nächste Gehaltserhöhung abgewartet werden.
Bildung ist die beste Verhütung. Das ist vielfach belegt, zeigt sich aber nirgendwo so deutlich wie in der bildungshungrigsten Gesellschaft von allen – der südkoreanischen.
Schon Kindergartenkinder lernen hier lesen und schreiben. Grundschüler nehmen nach der Schule noch Privatstunden. Teenager bereiten sich jahrelang auf die Zulassungsprüfungen der Elite-Unis vor. 37 Prozent der Südkoreaner haben einen akademischen Abschluss, so viele wie nirgendwo sonst auf der Welt.
Noch vor etwa 20 Jahren waren es vor allem Männer, die auf die Universitäten gingen. Seither drängen die Frauen in den Bildungs- und Arbeitsmarkt. Heute arbeiten auch sie jahrelang hin auf die guten Jobs in den Regierungsbehörden und den Konzernzentralen von Samsung und Hyundai. Haben sie dann endlich einen dieser Jobs bekommen, sagen sie sich oft: Ich gebe das nicht auf für ein Kind.
In Südkorea kommen all die Effekte, die zu einem Rückgang der Bevölkerung führen, wie unter einem Brennglas zusammen. Bildungshunger. Aufstiegslust. Urbanisierung. Teure Wohnungen. Wohlstandsegoismus. Südkorea ist die extreme Ausprägung eines Effekts, der sich inzwischen fast überall auf der Welt zeigt.
"Diese Gesellschaft wird zerstört werden"
Die Philippinen, ein Land, in dem Frauen vor 60 Jahren noch durchschnittlich sieben Kinder bekamen, belegen im Global Gender Gap Report des Weltwirtschaftsforums mittlerweile Platz acht und sind damit noch vor Deutschland eine der geschlechteregalitärsten Gesellschaften der Welt. Heute werden dort noch drei Kinder pro Frau geboren.
Während die Geburtenraten in den Industrienationen über mehr als ein Jahrhundert hinweg langsam gefallen sind, brechen sie in manchen Entwicklungsländern regelrecht ein. Eine ähnliche Entwicklung erwartet Wolfgang Lutz im Laufe dieses Jahrhunderts für große Teile Afrikas. Mittlerweile gehen auch südlich der Sahara 80 Prozent aller Mädchen zur Schule. Fast überall sinken die Geburtenraten. In dieser Woche wurde auf der Bevölkerungskonferenz der Vereinten Nationen in Nairobi darüber gesprochen, wie die Gleichstellung der Frau vorangetrieben und die Bildung weiter verbessert werden kann.
Wolfgang Lutz unterscheidet in seinen Berechnungen zusätzlich zum Alter der Menschen nach sieben Bildungsgruppen, von "keine Schule besucht" bis "Hochschulabschluss". Er kommt zu dem Ergebnis, dass die Weltbevölkerung die elf Milliarden nie erreichen wird, sondern nur etwas mehr als neun. Sie wird dieses Maximum auch nicht Ende des Jahrhunderts erreichen, sondern um das Jahr 2070. Ende des Jahrhunderts wird sie wieder abnehmen und vielleicht sogar schon fast das Niveau von heute erreicht haben.
Wenn Wolfgang Lutz’ Prognosen stimmen, wird das Problem Überbevölkerung, langfristig betrachtet, auf eine sehr handhabbare Größe schrumpfen. Allerdings wird dann ein neues Problem auftauchen, das auf den ersten Blick wie eine Wohltat für den Planeten anmutet, aber ein geradezu revolutionäres Potenzial in sich trägt: Unterbevölkerung.
Südkorea
"Diese Gesellschaft wird zerstört werden", sagt Lee Sang Lim, ein Demograf des südkoreanischen Forschungsinstituts Kihasa. Um das Jahr 2050 werden mehr als 40 Prozent der Bevölkerung älter sein als 65. Derzeit wird die Rente der Senioren finanziert von den Jungen, die arbeiten. Genau wie die Krankenversicherung, die Hörgeräte, Rollatoren und Hüftoperationen. 2050 aber wird es nicht mehr genug Junge geben.
Die modernen Gesellschaften dieser Welt funktionieren alle nach dem gleichen Muster: Es gibt Versorger und Versorgte. Meist heißt das: Junge, die geben, und Alte, die nehmen. Dieses Prinzip ist so selbstverständlich – man vergisst leicht, dass es nur funktioniert, wenn das Verhältnis stimmt, wenn es also, grob vereinfacht, mehr Versorger als Versorgte gibt.
Seit Nationalstaaten existieren, war das immer und überall der Fall. Bald wird sich das ändern, und Südkorea wird wahrscheinlich das erste Land sein, in dem das Verhältnis kippt.
Das ist nicht nur eine schlechte Nachricht für die Alten. Es ist eine schlechte Nachricht für alle. Die südkoreanische Regierung fürchtet, die Wirtschaft könne zusammenbrechen, weil es zu wenige Menschen gibt, die noch Produkte herstellen können. Und Lee Sang Lim sagt, viele der verbliebenen Arbeitsfähigen werden dann die falschen Jobs haben. In Südkorea gibt es Hunderttausende Lehrer und Professoren, jedes Jahr kommen neue hinzu. Wen sollen sie in der Zukunft unterrichten?
"Eigentlich müsste man heute schon anfangen, massenhaft Lehrer umzuschulen, aber versuchen Sie das mal! Die klammern sich an ihre Jobs", sagt Lee.
In Südkorea ging es jahrzehntelang nur nach oben. Mehr Wachstum, größere Städte, bessere Bildung – mehr Menschen. Jetzt müsste sich das Land strategisch verkleinern. "Aber das haben wir nicht gelernt", sagt Lee. "Wie es überhaupt kein einziges Land gibt, das das gelernt hat, weil es diese Situation noch nie gab. Südkorea ist der Testballon für andere. Leider sieht es im Moment so aus, als werde er platzen."
Lee hat ausgerechnet, dass die Südkoreanerinnen heute zwischen 4,5 und 4,8 Kinder kriegen müssten, um bis zur Mitte des Jahrhunderts wieder ein gesundes Verhältnis von Alten und Jungen zu erreichen. Stattdessen fiel die Geburtenrate im vergangenen Jahr unter eins.
Seit 2006 hat die südkoreanische Regierung 270 Milliarden Dollar investiert, um die Bevölkerung zu motivieren, wieder mehr Kinder zu bekommen. Sie hat dafür gesorgt, dass Eltern die Entbindungskosten nicht mehr selbst zahlen müssen, wie es vorher üblich war, sie hat staatliche Krippen und Kindergärten gebaut, ein Elterngeld aufgelegt und ein Kindergeld von 150 Euro pro Kind. Der Mittwoch wurde zum "Familientag" ernannt. In vielen Behörden und Großunternehmen ertönt seither um 18 Uhr eine Durchsage, die Mitarbeiter sollten jetzt nach Hause gehen und sich um ihre Familie kümmern. In einem Bauunternehmen wird dann laute klassische Musik gespielt, in einer Behörde das Licht ausgeschaltet, um sicherzustellen, dass wirklich niemand im Büro bleibt (was häufig nicht funktioniert).
Egal, was die Regierung unternahm, die Geburtenrate sank weiter – ähnlich wie in anderen Staaten.
In Singapur finanzierte eine Behörde mit der Abkürzung SDU Salsa-Kurse, bei denen sich Menschen kennenlernen sollten. Sie hat außerdem die Nacht des 9. August zur "National Night" erklärt, in der Paare Sex haben sollen. In einem eigens angefertigten Rap-Song heißt es: "Ich weiß, du willst es. Die SDU will es auch."
Hat nichts gebracht.
In Spanien gab es eine "Regierungsbeauftragte für die demografische Herausforderung". Der Volksmund nannte sie "Sexzarin". Sie entwickelte eine nationale Strategie für mehr Nachwuchs.
Hat auch nichts gebracht.
Seit Sie angefangen haben, dieses Dossier zu lesen, sind in Spanien 21 Menschen geboren worden. Und 24 gestorben.
Egal, ob die Menschheit elf Milliarden erreicht oder nur neun, ob Frank Swiaczny recht hat oder Wolfgang Lutz, irgendwann wird die Bevölkerung der Erde schrumpfen. In einigen Regionen wird es dann noch Wachstum geben, während die meisten Gesellschaften schon mit der Alterung kämpfen. Spätestens dann dürfte ein Wettbewerb um Einwanderer einsetzen. Um die letzten jungen Leute. Die werden aus Afrika kommen. Auch aus Lagos, dann wahrscheinlich die größte Stadt der Welt. Die Kinder von Hadizatu Ahmeds etwa 26 Enkeln könnten Ende des 21. Jahrhunderts so umworben sein wie einst Fließbandarbeiter und heute Programmierer – zumindest für einige Jahrzehnte. Bis auch Afrika schrumpft.
Der Beitrag erschien zuerst in der Wochenzeitung DIE ZEIT: Bastian Berbner: "7,7 Milliarden Menschen ...", in: DIE ZEIT, Nr. 47/2019, S. 15ff. Online unter: Externer Link: https://www.zeit.de/2019/47/demografie-entwicklung-bevoelkerung-alter-armut-einwanderung