Die Bundesrepublik gehört heute zu den ältesten Nationen der Welt. Nach Prognosen des Statistischen Bundesamts lag das Durchschnittsalter 2015 bei 44 Jahren und 3 Monaten. Weltweit liegt es laut Vereinten Nationen bei lediglich 29,6 Jahren. Und auch im Vergleich mit anderen entwickelten Ländern in der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) liegt Deutschland deutlich über dem Durchschnitt von knapp 40 Jahren.
Dass Deutschlands Bevölkerung zu den ältesten der Welt gehört, könnte trotz eines zuletzt beobachteten leichten Rückgangs des Durchschnittsalters durch den starken Zuzug überproportional vieler junger Menschen auch in den kommenden Jahrzehnten so bleiben. Bis 2030 soll es in der Bundesrepublik laut Prognose des letzten Weltbevölkerungsberichts der Vereinten Nationen auf 48,6 Jahre ansteigen, nur sechs Staaten (China, Griechenland, Spanien, Portugal, Italien und Japan) werden dann eine ältere Bevölkerung haben. Der europäische Altersdurchschnitt soll dann bei 44,7 Jahren liegen. Zu den jüngsten Industrienationen werden dann laut Bevölkerungsvorausberechnung der UN Australien (39,8), die USA (40,0), Island (40,1) und Irland (41,3) zählen.
Bis 2050, der durchschnittliche Deutsche ist dann bereits 51,4 Jahre alt, wird Deutschland den Verienten Nationen zufolge allerdings aus den Top Ten der ältesten Bevölkerungen herausfallen. Mit Südkorea (53,9), Japan (53,3), Singapur (53,0) und China (52,7) könnten sich dann erstmals vier asiatische Industrienationen unter den ersten zehn finden, das jüngste Durchschnittsalter in der OECD werden dann voraussichtlich Australien (41,4) und die USA haben (beide 41,7).
Auch die Fertilität ist derzeit in Deutschland (1,5 Kinder pro Frau) unter dem europäischen Durchschnitt von 1,6 und dem Durchschnitt der OECD-Länder (1,76). In den kommenden Jahrzehnten soll diese Zahl laut UN-Bevölkerungsvorausberechnung zwar auf durchschnittlich 1,62 Kinder pro Frau steigen, damit aber noch immer im unteren Drittel der Industrienationen bleiben.
Derzeit ist nur ein Land der Welt ist älter als Deutschland: Japan. Die ostasiatische Nation, die als erstes nicht-westliches Land zum Kreis der Industrienationen aufgeschlossen hat, verfügt über die älteste Bevölkerung der Erde. Heute liegt das Durchschnittsalter dort bei bereits 46,5 Jahren, bis 2030 steigt es noch einmal auf 51,5 Jahre an.
Japan, Modellregion des Alterns
Woran liegt das? Seit Ende der 1980er Jahre ist in Japan ein gesellschaftlicher Umbruch im Gange. Das Wirtschaftswachstum ist gesunken. Anstatt immer neuen Wohlstand zu generieren, hielt Japan sein Niveau nur mit Anstrengungen und Rückschlägen. Die Nachkriegsjahre waren geprägt von einer rasanten Vermehrung des Wohlstands, die Geburtenzahlen schossen in die Höhe – die Babyboomer wurden in der zweiten Hälfte der 1940er Jahre geboren, deutlich früher als in Deutschland. "Dankai Sedai" heißen die Menschen der geburtenstarken Jahrgänge dort: die “Klumpengeneration”. Das Renteneinstiegsalter liegt in Japan aktuell bei 61 Jahren. Im Frühjahr 2013 wurde beschlossen, es bis 2025 schrittweise auf 65 Jahre zu erhöhen.
Nirgendwo werden die Menschen so alt wie in Japan. Bei 83,7 Jahren liegt die Lebenserwartung laut Weltgesundheitsorganisation WHO im Moment. Erreicht ein Mensch das Rentenalter, hat er in der Regel noch Jahrzehnte gesunden Lebens vor sich. Arbeiten wird er dann in den meisten Fällen aber nicht mehr, dafür sorgen unter anderem strenge Rentengesetze. In der langanhaltenden Krise wird es für junge Japanerinnen und Japaner immer schwieriger, einen festen Job mit Aufstiegschancen zu finden. Besonders die Frauen suchen in den unsicheren Zeiten vermehrt nach Sicherheit, sodass sich auch in den jüngeren Generationen konservative Lebensentwürfe durchgesetzt haben. Eine Folge davon ist auch der Einbruch der Kinderzahlen. Heute liegt die zusammengefasste Geburtenziffer bei lediglich 1,4 Kindern pro Frau.
Zeigt das Beispiel Japan, was auch in der Bundesrepublik in ein paar Jahren Wirklichkeit wird? Zum Teil: Alterung lässt sich nicht aufhalten oder umkehren, dafür ist die Fertilität schon zu lange zu niedrig und die Bevölkerungszusammensetzung ungünstig – es gibt viele alte Menschen und zu wenig potenzielle Eltern. Doch während Japan, auch seine Jugend, an bisherigen Leitbildern festhält, öffnet sich die deutsche Gesellschaft gegenüber alternativen Lebensformen, wie der Patchwork-Familie. Diese Pluralität hat zwar nur indirekt mit Alterung zu tun, ist aber ein Hinweis darauf, wie flexibel eine Gesellschaft dabei ist, sich auf veränderte Bedingungen einzustellen.
Viel wichtiger ist noch ein weiterer Faktor: die Migration. Nur 2,2 Millionen Ausländerinnen und Ausländer leben in Japan. Bei den rund 127 Millionen Einwohnern in Japan entspricht das gerade einmal einem Anteil von knapp zwei Prozent. Im Vergleich zu anderen Industriestaaten ist das extrem wenig. In Deutschland lebten 2015 laut Statistischem Bundesamt etwa 17,1 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund, bei einer Einwohnerzahl von knapp 82 Millionen entspricht das rund 21 Prozent. Die Nettozuwanderung ist in den vergangenen Jahren noch einmal deutlich angestiegen – also schon abzüglich derer, die Deutschland gleichzeitig verließen.
Über das demografische Problem macht sich auch die japanische Politik ihre Gedanken. Vorsichtige Reformen wirken jedoch zu langsam und sie werden Japan nicht davor bewahren können, Vorreiter einer Entwicklung zu sein, die auf den Großteil der Industrieländer zukommt: eine Gesellschaft der Alten.
Auch wenn Deutschland sich in wesentlichen Punkten von Japan unterscheidet, gibt es mit niedriger Fertilität, den Jahrgängen der Babyboomer, die in Rente gehen, einer hohen Lebenserwartung und dem Abflachen des Wirtschaftswachstums eine Reihe von Merkmalen, die beide Länder teilen.