Um es vorweg zu schicken: Städte sind nur bedingt miteinander vergleichbar. Zu sehr unterscheiden sie sich teils in ihrer Geschichte, den geografischen Gegebenheiten oder auch dem Umland. Diese Unterschiede sind auch mit entscheidend für städtisches Wachstum – andere Faktoren wiederum können von den Städten selbst gesteuert und mitgestaltet werden.
In den meisten deutschen Großstädten nimmt die Bevölkerung seit der Jahrtausendwende überdurchschnittlich stark zu. Dresden und Freiburg sind zwei der Großstädte mit wachsender Bevölkerung. Als Großstadt gelten in Deutschland Gemeinden mit mindestens 100.000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Zurzeit leben 31 Prozent der Deutschen in Großstädten, das sind rund 25 Millionen Menschen. Dresden gehört mit seinen rund 540.000 Einwohnerinnen und Einwohnern zu den größeren Großstädten; Freiburg mit knapp 230.000 Bewohnern zu den kleineren.
Beide Städte haben zwischen den Jahren 2000 und 2015 eine sehr positive Bevölkerungsentwicklung verbuchen können: Das Wachstum lag in Freiburg bei fast 10 Prozent und in Dresden sogar bei über 16 Prozent. In Dresden wurden in den 1990er-Jahren noch Schulen geschlossen, da es zu wenige Kinder gab. Heute investiert die Stadt in Kinderbetreuung und Bildung. Was charakterisiert die beiden wachsenden Städte Dresden und Freiburg? Was macht ihr städtisches Wachstum aus?
Wandel zur Wissens- und Dienstleistungsgesellschaft
Freiburg im Breisgau hat die Besonderheit, eine Grenzstadt zu sein. Die Stadt in Baden-Württemberg liegt unweit von Frankreich und der Schweiz, nahe Basel und Straßburg. Freiburg war nie eine klassische Industriestadt und profitiert heute vom Übergang von der Industrie- zur Wissens- und Dienstleistungsgesellschaft in Deutschland. "Weil es stets nur einen kleinen Industriesektor gab, mussten wir früh auf Bildung, Wissenschaft, Dienstleistung und Gesundheitswesen setzen", sagt Toni Klein, Pressesprecher der Stadt Freiburg.
So ist heute die Freiburger Albert-Ludwigs-Universität (inkl. Universitätsklinikum) mit über 17.000 Angestellten der größte Arbeitgeber der Stadt. Die Universität mit Klinikum sorgt wiederum dafür, dass sich Unternehmen unter anderem aus den Bereichen Bio-, Informations- und Medizintechnik vor Ort ansiedeln. Vor allem zieht die Universität viele Studierende an: aktuell sind es über 25.000.
Auch Dresden ist ein wichtiger Hochschulstandort und auch dort spielt die Zahl der aktuell 44.500 Studierenden eine entscheidende Rolle für das Wachstum der Bevölkerung. Im Jahr 2013 wuchs die städtische Bevölkerung besipielsweise um über 5.000 Bewohner: Dieser Anstieg ging vor allem auf die Zuwanderung in die Stadt zurück und zwar in erster Linie von 18- bis 24-Jährigen. Ende 2016 hatte Dresden 553.036 Einwohnerinnern und Einwohner.
Wachstum durch Zuwanderung
Freiburg und Dresden sind keine Ausnahme: "Die meisten der wachsenden Städte sind Universitätsstädte", sagt Brigitte Adam, Wissenschaftliche Oberrätin im Referat Stadtentwicklung im Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR). "Dresden – und das gilt auch für die Universitätsstadt Freiburg – profitiert von der Vielzahl an Studierenden." Dafür verantwortlich ist auch ein demografischer Effekt: Die Altersgruppe der 18- bis 29-Jährigen ist zurzeit stark besetzt: Sie sind die Kinder der geburtenstarken Jahrgänge der 1950er- und 1960er-Jahre.
Aufgrund des demografischen Wandels wird die Altersgruppe der 18- bis 29-Jährigen auf lange Sicht jedoch schrumpfen, bleibt die Geburtenhäufigkeit auf dem aktuellen relativ niedrigen Niveau. Und damit werden auch die hohen Studierendenzahlen langfristig sinken. "In vier bis fünf Jahren wird die Zahl der Studierenden rückläufig sein. Langfristig wird sich dann zeigen, welche Städte mehr oder weniger stark betroffen sind. Oder vielleicht auch alle im gleichen Maße", sagt Adam. Auch an anderen Universitätsstandorten weiß man um solche Bevölkerungsprognosen und stellt sich zunehmend international auf. Im Jahr 2014 waren erstmals über 300.000 ausländische Studierende an deutschen Hochschulen eingeschrieben, das waren 11,5 Prozent aller Studierenden in Deutschland. Zudem ist im Vergleich zum Jahr 2006 die Anzahl ausländischen wissenschaftlichen Personals an deutschen Hochschulen bis 2014 um 84 Prozent auf insgesamt 40.000 gestiegen.
Städtisches Wachstum schafft Herausforderungen
Universitäten und Fachhochschulen sind entscheidend, um städtisches Wachstum zu fördern, auch ein stabiler Arbeitsmarkt ist dafür wichtig. Aber nicht nur. "Städte brauchen verschiedene, sich ergänzende Standortfaktoren, um zu wachsen", sagt Brigitte Adam vom BBSR. "Auch weiche Standortfaktoren sind wichtig, wie dezentrale Strukturen, Kultur- und Freizeitangebote." Diese weichen Faktoren seien mit entscheidend, ob Städte für die Bevölkerung attraktiv sind. Adam hat anhand verschiedener Studien untersucht, was deutsche Städte attraktiv macht. Neben Bildungs- und Kulturangeboten gehören dazu auch Betreuungs- und Gesundheitsleistungen – am besten alles gut erreichbar.
Solche kurzen Wege bietet Freiburg seinen Einwohnerinnen und Einwohnern. Außerdem profitiert die Stadt von ihrer Grenzlage: Es gibt viele Möglichkeiten zum kulturellen Austausch. Freiburg ist bekannt für seine vielen Sonnentage und sein schönes Umland – die Lebensqualität ist hoch. Doch das städtische Wachstum stellt Freiburg zugleich vor eine Herausforderung: Denn damit verbunden ist die Nutzung neuer Flächen sowie die Verdichtung des Stadtgebiets. Zugleich ist Freiburg eine Stadt, in der die Partei Die Grünen schon lange im Gemeinderat vertreten ist, Umwelt- und Naturschutz sind zentrale Themen. "Anhaltendes städtisches Wachstum ist in Freiburg nur begrenzt möglich, will man nicht noch mehr Verdichtung und weniger Naturschutz", sagt Toni Klein. "Hier einen Ausgleich zu schaffen, ist ein diffiziles Thema."
Wachsen und Schrumpfen
Eine weitere Herausforderung, die Freiburg und andere Großstädte betrifft, ist der Mietmarkt. "Wir haben in Freiburg mit steigenden Mietpreisen zu kämpfen", sagt Toni Klein. "Die Stadt wirkt dem entgegen, damit zum Beispiel junge Familien nicht abwandern müssen." Freiburg fördert unter anderem preisgünstigen Wohnungsbau zur Miete sowie als Eigentum, zum Beispiel durch Genossenschaften oder Baugemeinschaften. Zugleich baut die städtische Wohnungsbaugesellschaft Freiburger Stadtbau ihren Bestand an kostengünstigen Wohnungen aus, zurzeit hält diese 11.000 Wohnungen.
In Dresden hingegen ist der Wohnungsmarkt weiterhin entspannt, auch wenn er sich in der vergangenen Dekade dramatisch verändert hat und die ortsübliche Miete im Jahresvergleich zuletzt um 6,8 Prozent gestiegen ist - der stärkste Mietanstieg seit zehn Jahren. "Vor zehn Jahren gab es auf dem Dresdner Wohnungsmarkt noch einen Leerstand von zehn bis zwölf Prozent. Heute sind es noch drei bis vier Prozent", so Kai Schulz. "Aber der Druck auf dem Mietmarkt in Dresden ist nicht so hoch wie in München oder Hamburg. Man bekommt hier noch gut Wohnungen."
Dresden wächst deutlich stärker als die umliegende Region – ähnlich ist es in Leipzig, Potsdam und Jena. In den neuen Bundesländern kämpfen viele kleine und mittlere Städte und Gemeinden gegen das Schrumpfen an. "Der ländliche Raum dünnt hier stark aus", sagt Brigitte Adam. "Die Großstädte profitieren quasi davon. Sie werden erst einmal weiter wachsen."
Weiterführende Links
Die Attraktivität großer Städte – ökonomisch, demografisch, kulturell
hrsg. vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR)
Externer Link: www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/Veroeffentlichungen/Sonderveroeffentlichungen/2012/DL_
AttraktivitaetStaedte.pdf
Wachsen oder Schrumpfen? (BBSR)
Externer Link: http://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/Veroeffentlichungen/AnalysenKompakt/2015/DL_12_2015.pdf
Stadtentwicklungsbericht 2016 der Bundesregierung
Externer Link: http://www.bmub.bund.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Nationale_Stadtentwicklung/stadtentwicklungsbericht_breg_2016_bf.pdf