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Religionspluralismus | Religionspluralismus weiter gedacht | bpb.de

Religionspluralismus weiter gedacht Einleitung Religionsverständnis im Wandel Gelebte Religion Religionspluralismus Ausblick der Veranstalter

Religionspluralismus

/ 3 Minuten zu lesen

Professor Heiner Bielefeldt im Gespräch..

3.1 Zwischenfazit – Herausforderungen

Aus den bisherigen Wortbeiträgen zeigt sich, dass der Umgang mit Religionspluralismus sich doch stark weiterentwickelt hat, wir jedoch in Deutschland nun vor der nächsten Etappe stehen, die es zu erklimmen gilt.

Auf der einen Seite ist in vielen Orten Deutschlands die Religionspluralität im Alltag angekommen. Menschen begegnen anders gläubigen Personen. Auch wenn man sich nicht in allen Bereichen auskennt, oder Details bekannt sind, besteht an einigen Stellen ein erhöhtes Bewusstsein über die Tatsache, dass es unterschiedliche Glaubensrichtungen gibt. Jetzt ist die zunehmend vielfältige Gesellschaft in Deutschland an dem Punkt angekommen, sich nicht nur die Frage zu stellen, wie sie damit umgeht, sondern dies vielmehr als Teil der Normalität in jeglicher Facette des Lebens zu sehen – anstatt es stark kulturell und damit auch räumlich geographisch zu verorten.

Eine ähnliche Art von Frage stellt sich auch auf weiteren, durchaus formaleren Ebenen, wie z.B. im öffentlichen Raum. Im bisherigen Selbstverständnis sehen Staat und Religion(sgemeinschaften) ihre Beziehung zueinander eher dichotom und getrennt - durchaus über die reine gegenseitige Nichteinmischung hinaus. Nun sind Institutionen und institutionelle Akteure herausgefordert, mit der Religionspluralität umzugehen und dem kooperativen Selbstverständnis des Staates mit Religion besser gerecht zu werden und auf bisherigen Errungenschaften aufzubauen. Dies mag an der einen oder anderen Stelle beinhalten, dass bestehende Strukturen in einem Selbstreflexionsprozess ausgrenzende Mechanismen und Machtstrukturen auflösen und plurale Zugänge und damit neue Normalitäten ermöglichen.

Auf weniger formaler Ebene stellt sich Ähnliches dar: Mit Unterschieden umgehen, ohne darin Einschränkungen der eigenen Gewohnheit zu sehen, was derzeit an einigen Stellen dazu führt, die Gewohnheit rückhaltlos, abgrenzend und uneingeschränkt nach außen zu tragen, um das Territorium der bestimmenden Mehrheitsgesellschaft abzustecken. In diesem Zusammenhang führte Herr Bax PEGIDA als Beispiel an. Es gibt aber auch subtilere Beispiele, wie das Begehen des Ramadan in der Flüchtlingsunterkunft als Problem und das Feiern von Weihnachten am selben Orte als keines anzusehen, ähnlich dem bereits oben erwähnten Beispiel des Sonntags als Ruhetag, oder des Glockenläutens als Ruf zum Gebet. In der angestrebten Zusammenarbeit und dem Gespräch mit und zwischen Religionsgemeinschaften stellt sich daher die Frage, ob der reine Fokus auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede ausreicht um den gewünschten Grad gesellschaftlicher Kohäsion zu erreichen. Gibt es u.U. auch weitere Perspektiven und Betrachtungsweisen, wie bereits Heiner Bielefeldt in seinem Vortrag ansprach?

3.2 Bisherige Veränderungsprozesse

Bei der Veranstaltung "Religionspluralismus weiter gedacht" kam während der gesamten Gespräche, formell und informell, zum Ausdruck, dass sich auf diesem Gebiet durchaus etwas verändert. Bezogen auf Prof. Bielefeldts Frage zu Anfang: "Religionsfreiheit in Deutschland: gibt’s da ein Problem?" antwortet er: "Es kommt drauf an". Aus formalerer und rein rechtlicher Perspektive ist Deutschland im internationalen Vergleich gut aufgestellt. Der Gesetzgeber hat sich über die letzten Jahrzehnte auch entsprechend dem Rechtsverständnis den Gegebenheiten angepasst, seien es auch zunächst die Veränderung des Begriffs "Staatskirchenrecht" zu "Religionsverfassungsrecht". Des Weiteren stellt der Gesetzgeber rein formal auch die rechtlichen Rahmenbedingungen, so dass sich Religions- und Weltanschauungsfreiheit entfalten kann. Dies beweisen auch Urteile des Bundesverfassungsgerichts, z.B. der "Kopftuchentscheid". Es bleibt im Kontext der Religionsfreiheit mitunter die Frage offen, wie man breitflächig in der Gesellschaft für dieses Menschenrecht einsteht und es nicht als ein separates zu den ‚anderen‘ Menschenrechten sieht, worauf Bielefeldt warnend hinwies. Hierbei differenzierte er, dass das Menschenrecht nach Artikel 4 den Menschen schützt, der ein religiöses, weltanschauliches Bekenntnis hat und nicht die Religion selbst. Denn damit würde der Gesetzgeber und Staat seine Unparteilichkeit gegenüber einzelnen Gruppen verletzen und nicht allen einen Raum zur freien Entfaltung geben können, anschließend an den Punkt, den Thomas Krüger am Vormittag machte mit der Anmerkung, dass Religionsfrieden und –Freiheit nur dann gewährleistet werden kann, wenn Religion durch ihren Absolutheitsanspruch nicht ab- oder ausgrenzt. Was für ein Religionsverständnis würde eine solche Haltung fördern?

Auf der rein praktischen und alltäglichen Ebene wies Staatsministerin Aydan Özoğuz darauf hin, dass, ob offen artikuliert oder nicht, Glaube ein häufiger Motivationsgrund für Engagement ist, welches für den gesellschaftlichen Zusammenhalt essentiell ist. Verschiedene Religionsgemeinschaften haben in gesellschaftlichen Themengebieten, die auch in ihre Zuständigkeit fallen, an Kompetenz aber auch Vielfalt gewonnen, so bspw. muslimische Initiativen in der Flüchtlingshilfe. Auch hier wieder die Frage, wie können diese Erfahrungen uns dabei unterstützen, ein Religionsverständnis zu entwickeln, der sich mit diesen Beobachtungen kongruent zeigt?

Fussnoten