Am 5. November 2024 siegte Donald Trump in den USA bei den Präsidentschaftswahlen. Einen Tag später postete der US-Neonazi, Holocaustleugner (Der Spiegel 2023) und Medienmacher Nick Fuentes auf der Social-Media-Plattform X: “Your body, my choice. Forever.” Fuentes ist ein „white nationalist online provocateur“ (van Schenck 2024, S. 151), der in verschiedenen Medienformaten rassistische und antisemitische Positionen vertritt. Er nahm damit Bezug auf die Abtreibungsdebatte, welche im Wahlkampf eine große Rolle gespielt hatte. Die Demokratin Kamala Harris hatte sich für den Schutz und die Wiederherstellung des Rechtes auf Abtreibung und für Selbstbestimmungsrechte ausgesprochen. Laut dem Institute for Strategic Dialogue (ISD), einer Denkfabrik für Konfliktforschung, Extremismus und Terrorismus, erhielt der misogyne Slogan von Fuentes nicht nur millionenfache Klicks, sondern wurde tausendfach geteilt und dominierte innerhalb weniger Tage auch Räume außerhalb des Internets wie beispielsweise Schulhöfe (Frances-Wright/Ayad 2024).
Mit seinem Tweet markierte Fuentes Trumps Wiederwahl als Sieg der Abtreibungsgegner:innen und machte gleichzeitig deutlich, wie deren Positionen mit patriarchalen Geschlechterhierarchien in Verbindung stehen: Männern wird die rechtmäßige Macht (my choice) über den weiblichen Körper (your body) zugesprochen. Die Aneignung und das Verunglimpfen einer der Kernforderungen feministischer Bewegungen, die Entscheidungsmacht über den eigenen Körper zu haben (my body, my choice), macht die Aussage zudem explizit
Misogynie, Sexismus und Antifeminismus spielen eine große Rolle in Ideologien der Rechten beziehungsweise der Far Right
Antifeminismus, Misogynie und male supremacism äußern sich auf unterschiedliche Weise in der Rhetorik sowie den Aktionsformen der Far Right. Darüber hinaus sind antifeministische Haltungen auch in der Gesellschaft verbreitet, was Positionen von far-right Gruppen und Parteien anschlussfähig und ein Umdenken in Bezug auf Gegenmaßnahmen notwendig macht.
Antifeminismus, Male Supremacism und Ideologien der Ungleichwertigkeit
Ideologien sind Vorstellungen darüber, wie eine Gesellschaft organisiert sein soll. Der Rechtsphilosoph Norberto Bobbio unterscheidet dabei zwischen linken und rechten Ideologien: Linke Ideologien basieren auf dem Prinzip der Gleichheit. Sie streben an, Ungleichheiten und die daraus resultierende Diskriminierung und Benachteiligung auszugleichen. Rechte Ideologien orientieren sich am Prinzip der Hierarchie. Hierarchien werden als „natürliche“ Ordnungen betrachtet, die durch natürliche ungleiche Ordnungen begründet sind (Bobbio/Cameron 1996, S. 37). Oft werden diese Ungleichheiten als sich ergänzende Rollen innerhalb eines hierarchischen Ganzen interpretiert, beispielsweise im Verhältnis zwischen Männern und Frauen. In diesem Verständnis lassen sich patriarchale, heteronormative und sexistische Vorstellungen als Teil eines Systems rechter Ideologien der Ungleichwertigkeit einordnen.
Ideologien der Ungleichwertigkeit beziehen sich oft auf eine idealisierte Vergangenheit, in der soziale Hierarchien intakt waren – eine "Retropie", die in der Realität nie existierte. Rechte Retropien betonen
In der Erzählung der Far Right wurden diese gesellschaftlichen patriarchalen Hierarchien durch progressive Bewegungen – besonders das Civil Rights Movement in den USA und antirassistische Bewegungen sowie den Feminismus – gestört. Durch diese Narrative kommt dem Feminismus, neben anderen Akteur:innen, eine wichtige Rolle als Widersacherin zu, worin sich die antifeministische far-right Grundhaltung begründet. Dies kann beispielsweise daran erkannt werden, dass ein zentraler Bestandteil antifeministischer Erzählungen die vermeintliche Kampagne des Feminismus sowie gesellschaftlicher und politischer Eliten gegen die „traditionelle Männlichkeit“ ist (Rahner 2021, S. 341–342). Der Antifeminismus richtet sich damit nicht ausschließlich gegen Feminist:innen oder Frauen. Er schließt ebenso Bi- und Homosexuelle, trans* und inter* Personen sowie gleichstellungsorientierte Männer ein, die mit der (Forderung nach) Auflösung „natürlicher“ Hierarchien in Verbindung gebracht werden (Kemper 2024, S. 9). Über die Positionierung des Feminismus als unterdrückerisches Elitenprojekt reklamieren insbesondere Männer, die sich ihrer Position in der Hierarchie beraubt sehen, einen Opferstatus für sich. Dadurch wird Antifeminismus als vermeintliche Selbstwehr legitimiert, womit er Parallelen zu anderen, wie etwa rassistischen oder antisemitischen, Verschwörungserzählungen aufweist und an diese anknüpfbar ist (Meiering et.al. 2020).
Antifeminismus in der Far Right
Genderthemen sind innerhalb far-right Parteien und Bewegungen seit jeher präsent, obwohl die Forschung dies lange vernachlässigte. Zu dezidiert antifeministischen Kampagnen gehören beispielsweise die NPD-Frauengruppen der 1970er-Jahre, die als „antifeministische Kaderschmiede“ galten (Dubslaff 2022, S. 353), sowie Kampagnen wie „Raus aus den Köpfen – Genderterror abschaffen“ (Rosenbrock 2012, S. 126) der 2000er- und 2010er-Jahre. Ein jüngeres Beispiel ist der Ring Nationaler Frauen (NPD), der 2020 auf Facebook erklärte: „Feminismus ist nicht Kampf des Weibes gegen den Mann, sondern Kampf des mißratenen [sic] Weibes gegen das wohlgeratene.“ Unter den Bezeichnungen Antifeminismus, Anti-Gender-Politik oder Anti-Genderismus
Über Themen hinweg verbindet antifeministische und far-right Strategien, dass hierbei oft rhetorische Bedrohungsszenarien aufgebaut werden. Beispielsweise werden trans* Personen seit einiger Zeit verstärkt als eine Bedrohung konstruiert. Wie in früheren Ausprägungen des Antifeminismus (von der Opposition gegen das Frauenwahlrecht bis hin zu Stimmen gegen die Kriminalisierung von Vergewaltigung in der Ehe) wird dabei mit der angeblichen Bedrohung von Körperlichkeiten
Ein weiteres Beispiel ist die Konstruktion einer einseitigen Bedrohung von Frauen(rechten) durch migrantische Gruppen, oder nicht-christliche Glaubensgemeinschaften. Erkämpfte Frauenrechte werden dabei als Element der weißen Mehrheitsgesellschaft dargestellt, die von ‘Anderen’ angegriffen werden – dieser Fokus auf einer Bedrohung von außen lenkt davon ab, dass dieselben Rechte ebenso innerhalb der Gesellschaft verletzt werden. Hier verbindet sich – rassistisch motiviert – die nationalistische Ideologie mit der Aneignung feministischer Forderungen und Errungenschaften von Selbstbestimmung. Dabei wird vernachlässigt, dass die feministischen Errungenschaften nicht zuletzt auch gegen konservative und nationalistische Gegner:innen durgesetzt werden mussten. In diesem sogenannten Femonationalismus (Farris 2017) wird anders als in traditionellen far-right Erzählungen das Ungleichheitselement und die Idee von der Überordnung des Mannes verschleiert, indem die vermeintlich von außen bedrohten Frauenrechte in den Vordergrund gestellt werden. Tatsächlich beruhen aber auch diese aktuellen Ausformungen des Antifeminismus auf der Abwertung von Lebensentwürfen, die nicht in die Vorstellung zweigeschlechtlicher, weißer Identitäten und Beziehungen fallen und damit die Natürlichkeit der male supremacist Geschlechterordnung infrage stellen. Ein prominentes Beispiel dieser Verflechtung ist auch die Verschwörungserzählung vom „Großen Austausch“. Sie vereint nicht nur antifeministische und rassistische, sondern auch antisemitische Vorstellungen.
Antifeminismus als gesamtgesellschaftliches Phänomen: Anschlussfähigkeit und Gegenstrategien
Male Supremacism und Antifeminismus sind gesamtgesellschaftlich weitverbreitet. Der Mainstream ist nicht per se gut, rational und moderat (Brown et al. 2023, S.166). Er ist vielmehr eine normative und hegemoniale Setzung darüber, welches System und welche Ansichten vorherrschend als gegeben und natürlich angenommen werden.
Tatsächlich ist Antifeminismus zu einem gewissen Grad ebenfalls Teil des gesellschaftlichen und politischen Mainstreams. Dies zeigt beispielsweise die Leipziger Autoritarismus-Studie, eine Umfrage zu autoritären Einstellungen in Deutschland, welche ergab, dass zwischen 2020 und 2024 etwa ein Viertel der Bevölkerung ein geschlossenes sexistisches und/oder antifeministisches Weltbild hatte. Noch mehr Menschen vertraten transfeindliche Einstellungen (Kalkstein/Pickel/Niendorf 2024, S. 167).
Tabelle 1: Geschlossene antifeministische, sexistische und transfeindliche Einstellungen im Zeitverlauf (in Prozent)
Antifeminismus | Sexismus | Transfeindlichkeit | |
---|---|---|---|
2020 | 19 | 25 | |
2022 | 25 | 27 | |
2024 | 23 | 25 | 37 |
Die hohen Anteile von geschlossen antifeministischen, sexistischen und transfeindlichen Einstellungen legen nahe, dass antifeministische und male supremacist Ideen und Narrative in der Gesellschaft anschlussfähig sind. Das zeigt sich beispielsweise auch in der enormen Reichweite, die antifeministische und misogyne Influencer wie Andrew Tate haben. Besonders Gruppen und Parteien, deren Weltsicht in anderen Aspekten (noch) nicht mehrheitsfähig ist, können daher davon profitieren, antifeministische und misogyne Haltungen innerhalb der Bevölkerung anzusprechen und sie über die oben genannten rhetorischen Strategien in far-right Welt- und Feindbilder auszubauen.
Dass male supremacism und Antifeminismus weitverbreitet sind, bedeutet zunächst, dass antifeministische Strategien im öffentlichen Raum stärker benannt werden müssen, besonders wenn sich politische und gesellschaftliche Akteur:innen formal zu den Rechten von Frauen und der LSBTIQ+-Community bekennen. Darüber hinaus gilt es – vor allem im Bildungskontext – Personen und Haltungen, die als antifeministisch bekannt sind, keine Plattformen zu eröffnen. Ein Beispiel hierfür ist die konsequente Ablehnung von Auftritten antifeministischer und far-right Akteur:innen auf öffentlichen Veranstaltungen oder die Verbreitung entsprechender Inhalte in den sozialen Medien. Auch die Reproduktion von Verschwörungserzählungen – selbst zum Zwecke der Aufklärung – sollte nur mit Bedacht erfolgen, da mittlerweile einige Studien belegen, dass dies zentral zum Mainstreaming beitragen kann. Darüber hinaus können