Im Umgang mit Antifeminismus und der Unterstützung von Betroffenen sind konkrete Beratung, individuelle Begleitung und präventive Maßnahmen notwendig. Die Unterstützung Betroffener muss eingebettet sein in gesamtgesellschaftliche Bemühungen, die Geschlechtergerechtigkeit und Gleichberechtigung in der Gesellschaft abzusichern und weiterhin voranzubringen. Im Folgenden wird am Beispiel der Meldestelle Antifeminismus beleuchtet, welche Rolle zivilgesellschaftliche Dokumentationsstellen in diesem Prozess einnehmen können, wie Unterstützung nach antifeministischen Angriffen aussehen kann und welche Anlaufstellen Betroffene von antifeministischen Angriffen in Deutschland vorfinden.
Was sind antifeministische Angriffe? Womit sind Betroffene konfrontiert?
Kaum ein anderes gesellschaftspolitisches Feld wird derart massiv, aber gleichzeitig unbemerkt angegriffen wie die Gleichstellungs-, Geschlechter- und Familienpolitik.
Die systematische Analyse antifeministischer Angriffe und die damit verbundene Sichtbarmachung von konkreten Betroffenen-Erfahrungen können eine Grundlage bieten, das gesellschaftliche Problembewusstsein zu schärfen und die politische Dimension von organisiertem Antifeminismus zu verdeutlichen.
Antifeministische Vorfälle, so wie sie unter anderem im Zivilgesellschaftlichen Lagebild Antifeminismus 2023 der Amadeu Antonio Stiftung beschrieben werden, ereignen sich bundesweit, häufig auch im digitalen Raum und in allen Sphären unserer Gesellschaft. Sie können einzelne Übergriffe oder Ereignisse sein, oder auch ganze Dynamiken beschreiben, in denen beispielsweise über eine längere Zeit verschiedene Angriffe, wie Beleidigungen, Doxing
Die Charakterisierung von Vorfällen als antifeministisch bezieht sich vor allem auf die politische Dimension frauen- und queerfeindlicher Einstellungen und damit verbundene Handlungen, die zum Ziel haben, Errungenschaften und Bestrebungen für Geschlechtergerechtigkeit und Gleichberechtigung anzugreifen beziehungsweise zurückzudrängen. Die Bedeutung, die antifeministische Vorfälle in ihrer Gesamtheit und als politische Strategie damit für unter anderem rechtsextreme, fundamental-religiöse und antidemokratische Akteur:innen haben, wird dadurch greifbarer.
Allein mit der Erfassung antifeministischer Motivlagen sind die Vorfälle in ihrem menschenfeindlichen Gehalt und politischen Kontext häufig nicht hinreichend beschrieben. Die ideologische Verknüpfung von Antifeminismus mit anderen Ungleichwertigkeitsideologien wird in den systematisch ausgewerteten Vorfällen des Zivilgesellschaftlichen Lagebilds Antifeminismus 2023 unter anderem deutlich durch: Verschwörungserzählungen, Bezüge zu NS-Ideologie, antisemitische und/oder rassistische Dimensionen, rechtsextreme Ideologie, Ableismus, Sexarbeitsfeindlichkeit (vgl. Hartmann/Beeck 2024, S.18ff).
Antifeministische Angriffe können zunächst beschrieben werden als:
organisierte (Online-)Angriffe
physische und verbale Angriffe/Bedrohungen
antifeministische Raumnahme on- und offline
institutioneller Antifeminismus
organisierte Angriffe auf Gleichstellungsbeauftragte, Frauenverbände, Politiker:innen, Beratungsstellen
Gehsteigbelästigung
, Angriffe auf Beratungsstellen/medizinische Einrichtungen.
Zur juristischen Einordnung antifeministischer Angriffe
In der juristischen Bewertung antifeministisch motivierter Angriffe können diverse Straftatbestände, Persönlichkeitsrechtsverletzungen, Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs, aber auch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) relevant sein.
Mit der qualitativen Auswertung der 2023 an die Meldestelle Antifeminismus übermittelten Vorfälle konnten beispielhaft folgende Bereiche zugeordnet werden (vgl. Rahner 2024, S.26ff.):
Antifeministisch motivierte physische Gewalt, Körperverletzung bis Tötung
Antifeministisch motivierte Bedrohungen
Antifeministische Diskriminierung
antifeministisch motivierte Sachbeschädigung
antifeministische Beleidigung, Hatespeech und Agitation, z.B. § 185 ff. StGB
Aus der Beratungspraxis und weiterführenden Analyse lassen sich weitere konkrete Straftatbestände ableiten, die bei Antifeminismus relevant sein können: Stalking, Doxing, Beleidigung, üble Nachrede, Verleumdung, Bedrohung, Nötigung, Volksverhetzung, öffentliche Aufforderung zu Straftaten, sexuelle Belästigung sowie Delikte aus dem Bereich Cybercrime, wie koordinierte Angriffe auf technische Infrastruktur.
Strafverfolgung und juristische Unterstützung
Das Rechtssystem bietet somit eine gute Grundlage und wesentliche Straftatbestände, die bei antifeministischen Angriffen greifen können. Erfahrungsgemäß mangelt es jedoch an der Strafverfolgung, der Rechtsdurchsetzung und dem Zugang zum Rechtssystem und zu juristischer Unterstützung, vor allem für marginalisierte Betroffenengruppen. In der praktischen Unterstützungsarbeit zu Antifeminismus bestätigt sich eine Problematik, die auch Fachverbände aus dem Bereich geschlechtsspezifische Gewalt immer wieder thematisieren: Auch im Rechtssystem passiert es immer noch, dass geschlechtsspezifische Gewalt und vor allem auch digitale Gewaltformen nicht ernst genommen werden oder gar Vorurteile, wie sogenanntes Victim Blaming (den Betroffenen Schuld und Verantwortung zuweisen) und Opfermythen (Vorstellungen davon, wie Betroffene reagieren und handeln müssten) eine Rolle in der Bewertung und Verfolgung von Straftaten spielen. Besonders deutlich zeigen sich antifeministische Narrative und die problematischen Auswirkungen der Bemühungen antifeministischer Akteur:innen bei Verfahren an Familiengerichten und Jugendämtern, wo Umgangsentscheidungen regelmäßig zu einer weiteren Gefährdung gewaltbetroffener Frauen und Kinder führen (vgl. Frauenhauskoordinierung/Hammer 2022 sowie CORRECTIV 2023).
Juristische Einschüchterung und „Litigation PR“ als antifeministische Strategie
Auch der Einsatz juristischer Mittel selbst muss als Feld antifeministisch motivierter Angriffe betrachtet werden. Mit zivilrechtlichen Maßnahmen, wie Abmahnungen und Unterlassungsaufforderungen können Bedrohungsszenarien geschaffen werden, um einzelne Betroffene, Aktivist:innen, Nichtregierungsorganisationen (NGOs) oder auch Journalist:innen einzuschüchtern. Die strategische Einschüchterung kritischer Stimmen aus Zivilgesellschaft und Öffentlichkeit mittels rechtlicher Schritte wird auch SLAPP (Strategic Lawsuits Against Public Participation, zu deutsch: Strategische Klagen gegen öffentliche Beteiligung) genannt.
Eine Dunkelfeldstudie des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft (IDZ) Jena kommt 2023 zu dem Ergebnis, dass juristische Interventionen gegen Personen, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren, spätestens seit 2015 zugenommen haben und „es sich dabei teilweise um eine gezielte Strategie der extremen Rechten handelt, um kritische Berichterstattung, Äußerungen oder Aktionen zu verhindern oder einzuschränken“ (Helmert/Thürling/Treidl/Mönig 2023, S.4).
Ähnlich gelagerte Angriffe gegen Personen, die sich öffentlich für feministische Themen und Geschlechtergerechtigkeit einsetzen, befinden sich bisher kaum im Fokus der Öffentlichkeit. Betroffen sind mutmaßliche Opfer von sexualisierter Gewalt (vgl. Zimmermann 2023) und Initiativen beziehungsweise Journalist:innen, die über Vorwürfe sexualisierter Gewalt (vgl. Kräher 2023), über antifeministische Akteur:innen wie fundamental-christliche Abtreibungsgegner:innen (vgl. Hoffmann 2020) oder organisierte Väterrechtlicher (vgl. Meisner 2024) berichten.
Vor allem aussage- und presserechtliche Verfahren werden dabei nicht selten durch gezielte juristische Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, sogenannte Litigation PR (zu deutsch: strategische Kommunikation während und nach Prozessen), begleitet. Als antifeministische Strategie können Litigation PR und juristische Interventionen gegen öffentliche Äußerungen vermutlich Betroffener und kritische Berichterstattung die öffentliche Meinungsbildung maßgeblich mitgestalten. Diese Litigation PR kann dabei an gesellschaftlich weitverbreitete antifeministische betroffenenfeindliche Einstellungen anschließen, zum Beispiel an die bereits erwähnten Phänomene des Victim Blamings und der Opfermythen. Die einschüchternde Symbolkraft für Betroffene von sexualisierter Gewalt und öffentliche Debatten über den Umgang mit Betroffenen darf nicht unterschätzt werden (vgl. Kräher 2023).
Juristische Verfahren und damit verbundene antifeministisch aufgeladene Debatten haben somit nicht nur Auswirkungen auf die Involvierten. Die Art und Weise wie sie medial oder gesellschaftlich diskutiert und eingeordnet werden, kann auch eine gewisse Strahlkraft entfalten und sich auf gesamtgesellschaftliche Diskussion ähnlicher Fälle in der Zukunft, sowie auf Umgangsmöglichkeiten anderer potenziell Betroffener negativ auswirken.
Zur Funktion zivilgesellschaftlicher Dokumentations- und Anlaufstellen
Die Meldestelle Antifeminismus
Im Februar 2023 hat die Meldestelle Antifeminismus als bundesweite Dokumentations- und Anlaufstelle ihre Arbeit aufgenommen. Ziel ist es, systematisch antifeministische Vorfälle zu dokumentieren und die Erfahrungen derjenigen sichtbarer zu machen, die antifeministische Angriffe erleben. Initialer Ausgangspunkt war die Feststellung, dass die Auswirkungen antifeministischer Angriffe und Debatten gesellschaftlich unterschätzt und teilweise banalisiert werden. Gestartet wurde die Meldestelle Antifeminismus von der Fachstelle Gender, GMF und Rechtsextremismus der Amadeu Antonio Stiftung.
Als zivilgesellschaftliches Projekt arbeitet die Meldestelle betroffenenorientiert und will differenzierte Antworten auf die Frage bieten, wie sich Antifeminismus als breites gesellschaftliches Phänomen äußert und wer in welcher Form betroffen ist. Sie richtet sich dabei an Menschen und Organisationen, die antifeministisch motivierte Angriffe, Bedrohungen und Diskriminierung erfahren oder deren Rechte, Sicherheit und gesellschaftliche Teilhabemöglichkeiten durch die Verbreitung antifeministischer Ideen und Mobilisierungen eingeschränkt werden. Das können zum Beispiel Frauen und/oder queere Personen sein, deren Rechte auf körperliche, sexuelle und politische Selbstbestimmung angegriffen oder infrage gestellt werden.
In konkreten Fällen unterstützt die Meldestelle Antifeminismus
Verbesserungen im Opferschutz
Zivilgesellschaftliche Monitoring- und Dokumentationsstellen, die betroffenenzentriert arbeiten, sind seit vielen Jahren fest etablierte politische Praxis. Rechtsstaat und Politik profitieren enorm von den aus dem zivilgesellschaftlichen Monitoring erhobenen Daten. Oftmals sind zivilgesellschaftliche Meldestellen und deren Arbeit der Ausgangspunkt, um im Opferschutz Betroffenenperspektiven überhaupt erst sichtbarer zu machen.
Antifeministische Vorfälle wurden bisher nicht systematisch bundesweit erfasst. Das will die Meldestelle Antifeminismus ändern. Nur mit aussagekräftigen Daten können gezielte Interventions- und Präventionsangebote entwickelt werden. In der betroffenenorientierten Erfassung von Vorfällen ist die Sichtbarmachung unterschiedlicher Betroffenenperspektiven zentral. Dies geschieht immer auch unter Bezugnahme auf wissenschaftliche Forschung und Fachdebatten. Mit den Ergebnissen ist es möglich, konkrete Empfehlungen – wie Antidiskriminierungsmaßnahmen, Wissen über Gewaltformen/Sensibilisierung, Schutzkonzepte für die jeweiligen Handlungsfelder oder eigenen Strukturen – an Politik und staatliche Institutionen zu formulieren, um zu Verbesserungen im Bereich des Opferschutzes oder der Einordnung von Antifeminismus als Hasskriminalität beizutragen (vgl. Hartmann/Rahner 2023).
Anerkennung von Unrecht und gesellschaftlicher Verantwortung
Ein Aspekt zivilgesellschaftlicher Monitoring-Arbeit unter phänomenspezifischem Fokus ist immer auch die Begleitung gesellschaftlicher Debatten. Einordnungen und Analysen, zum Teil auch Chroniken dokumentierter Vorfälle, werden der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. So soll das Verständnis und Problembewusstsein bezüglich der jeweiligen Gewalt- und Diskriminierungsformen geschärft und ein konkreter lebensweltlicher Zugang zu den Erfahrungen der Betroffenen geschaffen werden. Diese öffentlichkeitswirksame Funktion kann genauso für Betroffene selbst relevant sein. Ein Bewusstsein darüber, dass das Erlebte (auch von anderen) als Unrecht benannt und in seiner politischen Dimension eingeordnet wird, kann dabei helfen, es nicht mehr nur als Einzelfall zu verstehen. Individuelle Erfahrungen werden in einen gesellschaftlichen Kontext gesetzt. Machtverhältnisse und strukturelle Bedingungen, in denen antifeministisch motivierte Übergriffe geschehen, werden sichtbarer. So wird etwa die gesellschaftliche Verantwortung für den Abbau von frauenfeindlichen Strukturen und Einstellungen in der Gesellschaft und die konkrete Unterstützung Betroffener eingefordert. Indem Betroffene ihre Erfahrungen „zur Verfügung“ stellen, verleihen sie diesen Forderungen Gewicht.
Für Betroffene kann die Öffentlichkeitsarbeit zivilgesellschaftlicher Meldestellen und die Aufnahme ihrer persönlichen Erfahrungen in die Dokumentationen somit auch als Anerkennung des erlebten Unrechts bedeutsam sein – eine Anerkennung, die gesellschaftlich oder im eigenen Umfeld häufig nicht ausreichend gegeben ist. Aus der Trauma- und Gewaltforschung ist bekannt, dass dies ein wesentlicher Faktor für die erfolgreiche Verarbeitung von Gewalterfahrungen sein kann. Zu wissen, dass es andere gibt, die ähnliche Erfahrungen machen und es auch gesellschaftlich verankerte Machtverhältnisse sind, die antifeministische Angriffe begünstigen, kann gegen die Effekte individualisierender Schuldzuschreibungen wie Victim Blaming wirken (vgl. Brenssell/Hartmann/Schmitz-Weicht 2021).
Zugang zu Unterstützung und Sensibilisierung von Polizei und Justiz
Für viele Betroffene ist es aus unterschiedlichen Gründen nicht immer leicht oder möglich, Vorfälle bei der Polizei anzuzeigen oder direkt Zugang zu Beratungsstellen zu finden. Zum einen gibt es bürokratische Hürden, die den Schritt einer Anzeige erschweren. Zum anderen fühlen sich Betroffene von Frauenfeindlichkeit, Sexismus oder Queerfeindlichkeit häufig nicht ernst genommen, befürchten weitere diskriminierende Erfahrungen oder bezweifeln den Erfolg eines strafrechtlichen Verfahrens. Die Hürden sind besonders hoch, wenn Rassismuserfahrungen oder Ableismus hinzukommen oder ein unsicherer Aufenthaltsstatus vorliegt.
Ein von Strafverfolgungsbehörden unabhängiger betroffenenzentrierter Ansatz in der Dokumentation von Vorfällen ermöglicht Betroffenen zunächst einen ergebnisoffenen und auf Wunsch auch anonymen Kontakt. Dieser kann in eine Weiterverweisung an spezifische Fachberatung münden, mit der am Ende auch eine informierte Entscheidung bezüglich einer Anzeigenstellung verbunden sein kann. Um sich mit einem Vorfall an die Meldestelle Antifeminismus zu wenden, müssen zunächst keine Voraussetzungen erfüllt sein. Die Dokumentation und Kategorisierung als antifeministischer Vorfall können unabhängig davon erfolgen, ob eine Anzeige vorliegt oder bestimmte Straftatbestände greifen würden. Nicht immer lassen sich Vorfälle und Erfahrungen in einzelne Straftatbestände fassen, teilweise liegen sie in Graubereichen. Die juristische Überprüfung dahingehend ist dabei nicht Aufgabe eines zivilgesellschaftlichen Monitorings. Die Dokumentation von Vorfällen, die aus oben genannten Gründen nicht in polizeiliche Statistiken eingehen und/oder unterhalb von Strafbarkeitsgrenzen liegen, sind dennoch von großer Relevanz. In ihrer Summe zeichnen sie ein aussagekräftiges Bild und tragen zur Sichtbarmachung klar gewaltförmiger/diskriminierender Erfahrungen bei, die sonst in keiner öffentlichen Statistik auftauchen würden.
Dies bedeutet nicht, dass zivilgesellschaftliche Stellen ihrer Erfassung und Dokumentation keine prüfbaren Kriterien oder Verifizierungsverfahren zugrunde legen. In der Regel werden diese Kriterien forschungsbasiert entwickelt, fortlaufend evaluiert und transparent dargestellt. Zivilgesellschaftlichen Meldestellen geht es dabei nicht um die Aufweichung oder „ideologische“ Ausweitung von Strafnormen. Vielmehr sollen belegbare Daten das sogenannte Hellfeld der polizeilichen Statistiken ergänzen. Für Polizei und Justiz sollen Maßnahmen aufgezeigt werden, die Hürden für Betroffene senken und Opferschutz sowie Rechtsdurchsetzung verbessern können.
Gefährdungseinschätzung und konsequente Verfolgung geschlechtsspezifischer Gewalt
Wissen über Inhalte, Akteur:innen und die Verbreitung antifeministischer Ideologie ist auch für Sicherheitsbehörden von Relevanz. Antifeminismus fungiert als Türöffner in rechtsextreme oder verschwörungsideologische Weltbilder und spielt nachweislich eine zentrale Rolle in der Radikalisierung rechtsextremer Attentäter (vgl. Wolf/Hell 2021).
Die Abwertung von Weiblichkeit, brutale Frauenfeindlichkeit und geschlechtsspezifische Gewalt sowie queer- und insbesondere transfeindliche Ideologien waren in Verbindung mit Rassismus und Antisemitismus in den letzten Jahren ein zentrales Motiv für rechtsextreme, rechtsterroristische Gewalttaten und Attentate (vgl. u.a. Agena/Rahner 2021, Brate/Suromai 2022, Kracher 2022, Ayyadi 2023). In der internationalen Forschung zu geschlechtsspezifischer Gewalt werden konkrete Zusammenhänge zwischen Partnerschaftsgewalt und Attentaten aufgezeigt. So gibt es Erkenntnisse, dass der Großteil der Verantwortlichen von „mass shootings“ in den USA bereits eine Geschichte und/oder rechtkräftige Verurteilung wegen häuslicher Gewalt/Gewalt gegen Frauen hatte (Geller/Booty/Crifasi 2021).
Antifeministische Einstellungen und die Verbindung zu rechtsextremem und anderem menschenfeindlichen, wie rassistischem oder antisemitischem Gedankengut können für die Gefährdungseinschätzung bei (Ex-)Partnerschaftsgewalt oder Stalking ein relevanter Faktor sein, der in entsprechenden Fall-Gutachten und Assessment-Tools noch zu wenig berücksichtigt wird. Antifeminismus kann eine wesentliche Rolle in der Motivation und Legitimation geschlechtsspezifischer Gewalttaten bis hin zu Femiziden spielen, die in der Regel nicht als politisch motiviert eingeordnet werden.
Antifeminismus und geschlechtsspezifische Gewalt sind, wenn man es so ausdrücken will, immer auch eine Frage der inneren Sicherheit des Landes. Auch diese Zusammenhänge und damit verbundene Anforderungen an behördliche Gefährdungseinschätzung und Prävention können durch zivilgesellschaftliches Monitoring und Praxisforschung verdeutlicht werden.
Prävention und Intervention für gesellschaftliche Veränderungen
Vertieftes Wissen über die Funktions- und Wirkweise von Antifeminismus bildet eine wesentliche Grundlage in der Unterstützung nach antifeministischen Angriffen. Ein Problembewusstsein, das auf den Erfahrungen und Perspektiven von Betroffenen basiert, ist Voraussetzung gesellschaftlicher Veränderungen. Auch für erfolgreiche Präventionsarbeit ist ein Verständnis von Motivlagen und gesellschaftlichem Nährboden antifeministischer Vorfälle essenziell. Nur mit dem Wissen um diese Zusammenhänge können potenziell Betroffene besser geschützt werden.
Die langfristige Unterstützung Betroffener und eine wirksame Prävention kann daher nur erfolgreich sein, wenn Bildungsarbeit, Demokratie- und Gleichstellungsarbeit und politische Verantwortungstragende die Relevanz von Antifeminismus berücksichtigen und mit anderen Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit zusammendenken. Dazu gehört ebenso, die Aufmerksamkeit auf einen wesentlichen Effekt antifeministischer Angriffe zu lenken, der auch als „Shrinking Spaces“ bezeichnet wird und die bedrohliche Einschränkung zivilgesellschaftlicher Handlungsräume meint. In der Expertise Auswirkungen von Antifeminismus auf Frauenverbände, die die Amadeu Antonio Stiftung im Auftrag des Deutschen Frauenrats erarbeitet hat, wird aufgezeigt, dass eine Normalisierung antifeministischer Positionen die Arbeit frauenpolitisch engagierter Personen zunehmend erschwert.
Zivilgesellschaftliche Monitoring- und Dokumentationsstellen haben also einen klaren menschenrechtlichen Auftrag, der aus dem Recht auf ein Leben möglichst frei von Gewalt und Diskriminierung hervorgeht.
Dieser Auftrag wird in den vergangenen Jahren durch Diskreditierungen und populistische Falschdarstellung zivilgesellschaftlicher Monitoring-Arbeit vermehrt infrage gestellt. Die öffentliche Wahrnehmung der Anliegen, die hinter der betroffenenzentrierten Arbeit zu Antifeminismus stehen, scheint in Teilen zudem durch öffentliche Debatten geprägt, die die Auseinandersetzung mit Geschlechtergerechtigkeit, Gleichstellung und Gewaltschutz als „Kulturkampf“ oder Angriff auf die Meinungsfreiheit markieren. Diese Debatten werden unter anderem mit Verkürzungen und frauen- sowie queerfeindlichen Argumenten geführt und können bereits als Teil antifeministischer Dynamiken verstanden werden. Der Effekt: Das, was Antifeminismus und antifeministisch motivierte Angriffe für Betroffene konkret bedeuten, und welche massiven Auswirkungen und Bedrohungslagen damit verbunden sind, rückt in den Hintergrund.
Feministische Praxis und Solidarität als Selbstermächtigung
Die grundlegende Antwort auf Antifeminismus in seinen verschiedenen Ausprägungen ist die Stärkung und Verteidigung von Geschlechtergerechtigkeit, Gleichstellung und Gewaltschutz in allen gesellschaftlichen Bereichen. Hierfür sind unter anderem politischer Wille, der Einbezug von Antifeminismus in sicherheitspolitische Debatten und die Stärkung zivilgesellschaftlicher Monitoring- und Unterstützungsstrukturen zu Antifeminismus notwendig.
In der konkreten Praxis und der Unterstützung von Betroffenen können folgende Aspekte und Ressourcen hilfreich sein:
Organisation von kollegialen Beratungs- und Austauschrunden zum Umgang mit antifeministischen Angriffen (so zum Beispiel für Gleichstellungsbeauftragte regelmäßig organisiert durch Bundesarbeitsgemeinschaft kommunaler Frauenbüros und Gleichstellungsstellen).
Informationsmaterial zu antifeministischen Narrativen und Strategien, konkrete bildungspolitische Angebote (beispielsweise das Website-Projekt „Gegen Antifeminismus“ der Amadeu Antonio Stiftung), Auseinandersetzung mit den Mechanismen der Verbreitung von Desinformationen und Verschwörungsnarrativen
Argumentationstrainings, Empowerment-Trainings
Nachhaltige Auseinandersetzung mit und Entwicklung von Schutz- und Präventionskonzepten zum Umgang mit antifeministischen Angriffen oder in der Vorbereitung von Veranstaltungen und Publikationen. Hierfür kann auf externe Unterstützung und Fachberatung zurückgegriffen werden.
Breite zivilgesellschaftliche Bündnisse und Netzwerke – der Einsatz für Geschlechtergerechtigkeit kann nicht getrennt werden von anderen Themen sozialer Gerechtigkeit.
Konkrete Maßnahmen, um Betroffene von antifeministischen Hasskampagnen und Angriffen nicht allein zu lassen, Solidarität organisieren, für Entlastung sorgen – auch hier immer betroffenenzentriert, das heißt, nicht gegen den Willen der Betroffenen handeln oder eine weitere Gefährdung in Kauf nehmen.
Gesten und Worte, die zeigen, dass gesehen wird, was gerade passiert, auch wenn es in diesem Moment nicht viel anderes gibt, das getan werden kann.
Sich über Unterstützungs- und Beratungsmöglichkeiten informieren und für einen niedrigschwelligen Zugang zu Beratung, finanzieller und juristischer Unterstützung für Betroffene einsetzen.
Wo finden Betroffene und Zivilgesellschaft Unterstützung?
Psychosoziale Unterstützung und Fachberatung
Projekt Externer Link: Meldestelle Antifeminismus der Amadeu Antonio Stiftung
Projekt Externer Link: Fachstelle Gender, gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und Rechtsextremismus der Amadeu Antonio Stiftung
Hilfsangebote in der Externer Link: Fachberatung bei geschlechtsspezifischer Gewalt, Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe
Bundesverband Externer Link: Mobile Beratung
Verband der Externer Link: Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt
Unterstützung und Beratung bei digitaler Gewalt mithilfe von Externer Link: HateAid
Portal für Kommunalpolitik gegen Hass und Gewalt Externer Link: Stark im Amt
Juristische Unterstützung
Projekt Externer Link: Gegenrechtsschutz
Anlaufstelle Externer Link: NO SLAPP
Finanzielle Unterstützung für Betroffene
Fonds gegen geschlechtsspezifische Gewalt Externer Link: Tilda
Finanzielle Hilfe durch den Externer Link: SHEROES Fund der Amadeu Antonio Stiftung
Antifeministische Vorfälle und Angriffe dokumentieren
Bundesweite Externer Link: Meldestelle Antifeminismus
Länderspezifisch:
Projekt Externer Link: Berliner Register
Fachbereich Antifeminismus Externer Link: mobirex Baden-Württemberg
Meldestelle bei Externer Link: m*power Rheinland-Pfalz
Monitoring Externer Link: LOBBI Mecklenburg Vorpommern
Beratung und fachliche Vernetzung
BAG Externer Link: Bundesarbeitsgemeinschaft kommunaler Frauenbüros und Gleichstellungsstellen
Das in der Heinrich-Böll-Stiftung angesiedelte Externer Link: Gunda-Werner-Institut und das Externer Link: Netzwerk Antifeminismus begegnen
Bildungs-, Beratungs- und Forschungsinstitut Externer Link: Dissens – Institut für Bildung und Forschung e.V.
Fachstelle gegen Antifeminismus und Queerfeindlichkeit Baden-Württemberg (FAQ BW)
Projekt Externer Link: Spotlight – Antifeminismus erkennen und begegnen
Dachverband der Migrantinnenorganisationen Externer Link: DaMigra
Bukof Externer Link: Kommission Antifeminismus an Hochschulen
Bundesverband Externer Link: Queere Bildung
Bundesverband Externer Link: Trans*
Erweiterung von Kompetenzen und Handlungswissen zum Umgang mit Antifeminismus, Konzepte der Bildungsarbeit
Mediathek Externer Link: Antifeminismus begegnen
Publikation Externer Link: Antifeministische Behauptungen erkennen und widerlegen
Pädagogische Handreichung: Externer Link: Zwischen Sensibilisierung und Handlung in der Bildungsarbeit zu Antifeminismus. Dissens – Institut für Bildung und Forschung e. V.
Broschüre Externer Link: Antifeminismus als Demokratiegefährdung?! Gleichstellung in Zeiten von Rechtspopulismus. Bundesarbeitsgemeinschaft kommunaler Frauenbüros und Gleichstellungsstellen und Fachstelle Gender, GMF und Rechtsextremismus
Borschüre Externer Link: Auswirkungen von Antifeminismus auf Frauenverbände. Deutscher Frauenrat und Fachstelle Gender, GMF und Rechtsextremismus
Diskursatlas Externer Link: Antifeministische Narrative von Andreas Kemper (Heinrich-Böll-Stiftung)
Reader Externer Link: Antifeminismus und Feminismen der Migrationsgesellschaft. Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit e. V. (IDA)
Pageflow-Seite von Spotlight Externer Link: What the hell is... ANTIFEMINISMUS?!