Die Wertvorstellungen und Ideen zum gesellschaftlichen Zusammenleben, die im Antifeminismus vertreten werden, greifen zentrale demokratische Werte an. Denn Antifeminismus ist nicht nur eng mit Sexismus, Misogynie (Frauenfeindlichkeit) und LGBTIQ*-Feindlichkeit verwoben, sondern antifeministisch organisierte Akteur:innen befördern oft auch rassistische, antisemitische und weitere diskriminierende Ideologien. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) bezeichnet Antifeminismus explizit als „antidemokratisch“, weil er eine bestimmte Menschengruppe diskriminiere: „Es handelt sich, in der organisierten Form [des Antifeminismus], um bewusste Angriffe auf Menschenrechte, Chancengleichheit, Gleichstellung sowie die Teilhabe am öffentlichen Leben“ (BMFSFJ, 2022).
Antifeminismus ist eine antidemokratische Ideologie, die absichtsvoll und organisiert von unterschiedlichen Akteur:innen mit spezifischen Strategien verbreitet wird.
Antifeministische Narrative sind breit gefächert und sehr unterschiedlich. Zudem befinden sich antifeministische Positionen immer im Wandel und passen sich den aktuellen Umständen an. In der Forschung und Analyse antifeministischer Bestrebungen, Strategien und Narrative zeigt sich immer wieder, dass „[…] Antifeminismus in seinen verschiedenen Erscheinungsformen als Gegenreaktion auf emanzipatorische Kämpfe und Errungenschaften gewertet werden [kann]. Sein Ziel ist es, die patriarchale Ordnung beizubehalten, in der geschlechtsspezifisch zugewiesene, hierarchisch verfasste Rollen weiterhin ihre Gültigkeit haben“ (Gottschlich, Daniela/Katz, Christine 2021, S. 86). So haben
Diese ideologischen Positionen zu erkennen und zu hinterfragen, sollten zentrale Inhalte politischer Bildungsarbeit zu Antifeminismus sein. Denn politische Bildung hat die Aufgabe und das Ziel, Demokratie zu stärken und so zu einer freien, offenen und konfliktfähigen Gesellschaft beizutragen. Dabei ist sie unparteiisch, aber nicht wertfrei. Vielmehr soll politische Bildung das Verständnis von und die Auseinandersetzung mit demokratischen Werten und Menschenrechten fördern. Sie muss und will daher auch gerade dort ansetzen, wo diese Werte und Grundlagen des Zusammenlebens angegriffen werden.
Antifeminismus thematisieren
Aus der Varianz der Themen ergibt sich, dass antifeministische Narrative auch in solchen politischen Bildungsangeboten eine Rolle spielen können, die sich nicht (explizit) mit Antifeminismus auseinandersetzen. Geschlechterrollenbilder, Macht- und Herrschaftsverhältnisse wie auch emanzipatorische Kämpfe spielen in vielen politischen Bildungskontexten eine Rolle – sei es in Angeboten zu Themen wie „Solidarität“, „Freiheit“ oder „Identität“, oder in Aushandlungs- und Entscheidungsprozessen oder Beteiligungsverfahren. Da Antifeminismus an antisemitische, verschwörungserzählerische und rassistische Ideologien anknüpft, kann er auch in Bildungsangeboten zu diesen Themen besprochen werden. Es ergeben sich somit viele Ansatzpunkte, um auch bei politischen Bildungsangeboten, die nicht auf dieses Thema fokussieren, auf antifeministische Elemente Bezug zu nehmen.
Antifeminismus ist gesellschaftlich weit verbreitet. Insbesondere in digitalen Räumen wird dabei vielfach eine scheinbar unverfängliche Ansprache genutzt. In Beiträgen auf Youtube, TikTok oder Instagram wird gewandert oder gebacken, bevor inhaltliche Überleitungen zu antifeministischen Narrativen geschehen. Häufig gehen damit auch antisemitische, rassistische und andere antidemokratische Erzählungen und Einstellungen der Creator:innen einher. Einen guten, kurzen Überblick zur Relevanz antifeministischer Influencer:innen gibt es im Artikel „
Es ist auch Aufgabe der politischen Bildung, lebensweltbezogene Angebote zu machen. Die politische Sozialisation von (jungen) Menschen findet neben dem direkten sozialen Umfeld (Familien, Freund:innen, Kolleg:innen in Ausbildung und Beruf et cetera) auch durch und in Medien und digitalen Räumen statt. So sind beispielsweise medial vermittelte Vorstellungen von Rollenbildern, eines „guten Lebens“ et cetera, wichtig für die Selbstwahrnehmung und Erwartungen an das Umfeld. In digitalen Räumen sind antidemokratische Ideologien besonders „erfolgreich“. Unter anderem, weil die Verbreiter:innen stark emotionalisieren, sich einfacher Narrative bedienen und dadurch vermeintlich simple Antworten auf komplexe Fragen finden.
Ein kurzer Leitfaden für die politische Bildungsarbeit zu Antifeminismus
Ein Grundsatz aller politischen Bildungsangebote ist es, die Adressat:innen als mündige Menschen zu behandeln, sie nicht zu überwältigen und nicht zu überfordern. So heißt es im
Mit Blick auf Antifeminismus kann ein Weg sein, sich mit einigen Fragen und Aspekten bezüglich Rollenbildern, Geschlechtlichkeit sowie feministischen und antifeministischen Zielen (selbst-)kritisch auseinanderzusetzen. Dabei müssen nicht zwangsläufig antifeministische Erzählungen und Argumentationen reproduziert und betrachtet werden. Stattdessen kann auch der Wert feministischer demokratischer Errungenschaften, Strukturen oder Möglichkeiten thematisiert und analysiert oder der Bezug dieser Aspekte zu Menschenwürde und Menschenrechten thematisiert werden.
Bezogen auf Antifeminismus kann dies bedeuten:
das breite demokratische Spektrum im Hinblick auf unterschiedliche Fragen und Haltungen mit Bezug zu Geschlecht, Geschlechterrollen, Sexualität, Identität und Orientierung zu diskutieren.
in Abgrenzung zu einem breiten demokratischen Spektrum einzelne antidemokratische Forderungen und deren reale und mögliche Konsequenzen zu thematisieren.
die eigene Sozialisiation in Bezug auf feministische Positionen, Gender, reproduktive Rechte, LGBTIQ*, Rollenbilder zu reflektieren.
sich mit den möglichen Sozialisationen der Adressat:innen in Bezug auf oben genannte Themen auseinanderzusetzen.
bei der Konzeption von Angeboten mitzudenken, dass Teilnehmende und Teamende insbesondere in digitalen Lebenswelten schon vielfach mit antifeministischen Narrativen in Berührung gekommen sein könnten. Es kann daher angebracht sein, im Team zu diskutieren: Wie kann der Umgang mit (scheinbar) unauffälligen Aussagen sowie mit geteiltem Social-Media-Content während der eigenen Bildungsangebote aussehen? Inwiefern kann und will ich als Lernbegleitung selbst antifeministische Aussagen hören, sehen, registrieren, verstehen, darauf reagieren oder sie ignorieren?
sich selbst Wissen über Grundlagen von Antifeminismus anzueignen (beispielsweise Ziele, Narrative, Strategien, Akteur:innen), um intervenieren zu können, wenn diese eingebracht werden.
gleichzeitig einen sensiblen Umgang mit den unterschiedlichen Lebensrealitäten, Sorgen, Ängste, Erfahrungen und Vorstellungen der Teilnehmenden zu wahren.
Ziele und Ansätze politischer Bildung zu Antifeminismus
Ziel politischer Bildung ist es, „[…] das Wissen und die Fähigkeiten zu vermitteln, die nötig sind, um aktiv an politischen Prozessen mitzuwirken.“
Für die Förderung politischer Urteilsfähigkeit in Bezug auf Antifeminismus könnten Ziele beispielsweise sein, dass Teilnehmende genauso in der Lage sind, Narrative und Absichten antifeministischer Akteur:innen zu analysieren und reflektiert zu beurteilen wie feministische Ziele und Forderungen. Hierfür könnten Aussagen antifeministischer Akteur:innen in einem politischen Bildungsformat betrachtet und bestehende sowie mögliche Konsequenzen eruiert werden.
Um die politische Handlungsfähigkeit zu fördern, könnten Ziele sein, eigene Interessen und Haltungen in Bezug auf Geschlechterverhältnisse, geschlechtliche Identität, Rollenverständnisse, individuelle Freiheiten und gesellschaftliche sowie politische Verantwortlichkeiten und Rahmenbedingungen zu formulieren. Es könnten dabei eigene Meinungen in Bezug zu unterschiedlichen feministischen oder auch antifeministischen Forderungen und Haltungen gesetzt werden, um einerseits differenzierte demokratische Haltungen auf einem breiten Spektrum zu betrachten und andererseits Grenzen des Demokratischen aufzuzeigen. Das kann ganz konkret geschehen, indem zum Beispiel die aktuellen Lebensplanungsfragen der Teilnehmenden wie Berufswünsche oder Familiengestaltung aufgegriffen werden.
Angebote, die stärker auf den Bereich der methodischen Fähigkeiten abzielen, können den Antifeminismus aufgreifen, der insbesondere Nutzer:innen sozialer Medien in vielen Formen begegnet. Ziel kann hier beispielsweise sein, für Strategien der Vermittlung antidemokratischer Narrative in Social-Media-Content zu sensibilisieren. Dies kann etwa durch die Analyse von Videos oder Bildern am Beispiel antifeministischer Beiträge aus den Plattformen und Umfeldern der Adressat:innen erreicht werden.
Beispiele politischer Bildung zu Antifeminismus
Anhand der oben dargestellten Ziele politischer Bildung können konkrete Methoden und Formate der politischen Bildung entwickelt werden. Die Tatsache, dass Antifeminismus teilweise in sozialen Medien im Trend liegt, zeigt auf, dass sich gerade digitale politische Bildungsformate mit der Sensibilisierung und Stärkung demokratischer Haltungen ihm gegenüber beschäftigen sollten.
In der politischen Bildungslandschaft gibt es schon eine Vielfalt an Angeboten zum Thema Antifeminismus insbesondere für Multiplikator:innen. Im Folgenden wird ein kompakter Überblick über vorhandene Angebote – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – gegeben.
Die Bildungsangebote von Externer Link: Dissens – Institut für Bildung und Forschung zielen darauf ab, Wissen zu Antifeminismus zu vermitteln und die eigene demokratische Haltung zu stärken. Sie bieten außerdem einen Raum, Reaktionen in Bezug auf antifeministische Aussagen zu erproben. Die Angebote richten sich an Zivilgesellschaft, Multiplikator:innen, Engagierte sowie Interessierte.
Das Projekt Externer Link: Spotlight – Antifeminismus erkennen und begegnen sensibilisiert in unterschiedlichen Workshopangeboten für antifeministische Narrative und Akteur:innen und unterstützt die Teilnehmenden in der Auseinandersetzung damit. In der Projektwebsite ist eine Pageflow-Seite integriert, die sich interaktiv mit Antifeminismus beschäftigt. Das Angebot richtet sich an interessierte (junge) Erwachsene aus Zivilgesellschaft, Bildung und Politik, die als Multiplikator:innen wirken (wollen).
Der Externer Link: Schwerpunkt „Antifeminismus“ des Projekts Migrant:innen aktiv unterwegs – MIAU! beinhaltet diverse Angebote der digitalen politischen Bildung, die für Antifeminismus sensibilisieren und die selbstständige Auseinandersetzung damit fördern. Darin enthalten ist unter anderem ein virtueller Escape Room zum gemeinsamen Spielen und Reflektieren, digitale Mini-Games zur Gesprächseröffnung und aufbereitete Materialien zur Nutzung und Weiterverbreitung. Die Hilfestellungen richten sich an (junge) Engagierte ab 16 Jahren.
Interner Link: Detox Identity bietet unterschiedliche Workshopformate an. Der Workshop „Antifeministen von morgen?“ richtet sich an Fachkräfte der Jugendbildung. Er beinhaltet die Auseinandersetzung mit antifeministischen Narrativen und welche Attraktivität sie vor allem für junge Männer bieten und erarbeitet feministische demokratische Perspektiven.