Referenten:
Prof. Dr. Farid Hafez, IRPA Wien, Columbia University Prof. (em.) Dr. Wolfgang Benz, Technische Universität Berlin
Moderation:
Dr. Barbara Manthe, IDA e.V. Düsseldorf
Nach der Begrüßung und Vorstellung der Referenten eröffnete Prof. Dr. Wolfgang Benz, von 1990 bis 2011 Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung der Technischen Universität Berlin, das Panel mit einem Input über die Traditionen und Kontinuitätslinien des "Feindbilds Islam". Er erläuterte die Funktion des Feindbilds für die Inszenierung und Konstruktion eines "bedrohten Abendlandes", was sich etwa bei der Legitimation und Begründung der Kreuzzüge offenbarte. Auch die heutige extreme Rechte bedient sich solcher historischer Feindbilder und Stereotype, wenn sie etwa auf die Belagerung Wiens durch das Osmanische Reich im 16. und 17. Jahrhundert rekurriert. Die Anschläge des 11. Septembers 2001 und die – für den europäischen Kontext bedeutsame – Ermordung des niederländischen Filmemachers Theo van Gogh im Jahr 2004 befeuerten extrem rechte Verschwörungstheorien von einem angeblich bedrohten Abendland.
Prof. Dr. Farid Hafez aus Wien erörterte die Entwicklung antimuslimischer Feindbilder seit 1990: Mit dem Fall des Ostblocks ergab sich eine Lücke für Feindbilder der extremen Rechten, wobei sich viele rechtsextreme Gruppierungen von generell rassistischen Aussagen auf islamfeindliche Positionen verlagerten. Als Beispiel nannte Dr. Hafez den Slogan der FPÖ "Wien darf nicht Chicago werden“ aus der Mitte der 1990er Jahre, den sie rund zehn Jahre später in „Wien darf nicht Istanbul werden" umformulierte. Die Feindschaft gegen den Islam ermöglichte es rechten Parteien, ihre Differenzen zu überbrücken und in einen transnationalen Lernprozess – etwa in der Frage, wie Kampagnen gegen Moscheebauten zu inszenieren seien – einzusteigen. Die "Jerusalemer Erklärung", in der sich islamfeindliche Gruppierungen im Jahr 2010 während einer Israelreise ihrer antimuslimischen Einstellungen versicherten und sich auf eine angeblich jüdisch-christliche abendländische Tradition beriefen, stellte eine programmatische Wende innerhalb der extremen Rechten dar.
Die etwa 20 Teilnehmenden des Panels diskutierten im Anschluss verschiedene Aspekte der Inputs, etwa die Frage, ob es jenseits der Kooperation westeuropäischer Parteien auch eine Zusammenarbeit mit osteuropäischen Gruppierungen gebe. Darüber hinaus kam die Frage auf, aus welchen Gründen in Deutschland noch keine rechtspopulistische Partei nennenswerte Erfolge verbuchen konnte. Die Diskussion, inwieweit sich das Feindbild Islam im Laufe der Jahre verändert habe, ergab, dass sich ab 2001 etwa mit lokal von Rechtspopulisten rassistisch aufgeladenen Moscheebaudebatten das Feindbild Islam konkretisiert habe und Islamfeinde es schafften, über ein eher abstraktes Bild konkrete Personen und Bevölkerungsgruppen anzugreifen.