Referierende:
England: Prof. Dr. Shamit Saggar, University of Essex Italien: Monica Colombo, Universität Mailand-Bicocca Schweden: Anna-Lena Lodenius, Journalistin, Årsta
Moderation:
Tim Lochocki, HU Berlin
Die Einleitung zum Thema übernahm der Moderator Timo Lochocki mit einem Zitat, das die Symbolhaftigkeit immigrationsrelevanter Themen für den politischen Diskurs unterstreichen sollte: "Migration in its endless motion sorrounds and pervades almost all aspects of contemporary society". Dieses Bonmot des griechischen Sozialwissenschaftlers Nikos Papastergiadis illustriert die duale und damit so leicht instrumentalisierbare Symbolmacht immigrationsverwandter Thematiken: sie stehen auf der einen Seite als ostentatives Narrativ für eine hoch globalisierte, individualisierte und säkularisierte Weltordnung und damit freilich auch im Umkehrschluss als perfektes Feindbild und Sündenbock rechtspopulistischer Agitation gegen den Sozialen Wandel der letzten Jahrzehnte.
Die erste Präsentation der Länderstudie übernahm Shamit Saggar der University of Essex. Er unterstrich hier die zentrale Bedeutung kultureller Aspekte immigrationverwandter Debatten in England, wohingegen utilitaristische Aspekte seines Erachtens klar von sekundärer Bedeutung zu sein scheinen. Herr Saggar zog hier als Beispiel eigene Studien heran, die belegen, dass gezielte Informationskampagnen über ökonomische Vorteile von Immigration nach England keine messbar höheren Zustimmungsraten zu selbiger erzeugen konnten. Seine finalen Aussagen lassen sich dahingehend zusammenfassen, dass rechtspopulistische Anti-Multikulturalismus-Parteien in England daher so große Erfolge feiern können, da die etablierten Parteien zentrale Sorgen der Wähler nicht ernst genug genommen hätten. Hierin sieht er allerdings auch die größte Gefahr: ein allzu weites Entgegenkommen gegenüber "Volkes Stimme" würde zu einer abgeschotteten und geschlossenen Gesellschaft führen.
Der zweite Vortrag wurde von Monica Colombo von der Universität Mailand gehalten. Sie stellte v.a. auf die Rhetorik der rechtspopulistischen Lega Nord in Italien ab und präsentierte und illustrierte viele Beispiele ihrer immigrationsfeindlichen Kampagnen. Frau Colombo unterstrich die Kriminalisierung von Immigranten, die thematisierte Sorge zu welcher Gesellschaft sich Italien bei weiterer Zuwanderung entwickeln könnte und die das wiederkehrende Narrativ des christlichen Fundaments der italienischen Nation, das als bedroht porträtiert wird.
Frau Anna-Marie Lodenious rundete die Vortragsrunde mit einer Vorstellung der schwedischen Zuwanderungsdebatten ab. Sie stellte dar, dass Einwanderer und Multikulturalismus für die eher rurale und an Homogenität gewohnte schwedische Bevölkerung eine große Herausforderung darstellt. Das zentrale schwedische Narrativ des "Volksheimes" sei stetig wiederkehrender Sehnsuchtsort rechtspopulistischer Rhetorik: Immigration und Multikulturalismus bedrohe die nostalgische (und wohl vermeintlich illusionäre) Idee einer ökonomisch und kulturell homogenen schwedischen Gesellschaft. Nach einer guten halben Stunde Nachfragen und Diskussionen konnte sich das Panel darauf verständigen, dass Zuwanderung und Multikulturalismus als kulturelle Bedrohung dargestellt werden, die eine nostalgische (und wohl verklärte) homogene Gesellschaftsvorstellung vieler europäischer Buerger fundamental herausfordern.