Der Vortrag bietet einen international vergleichenden Überblick über die aktuelle Situation des Rechtsradikalismus in liberalen Demokratien. Dabei legt er ein Konzept zugrunde, das Rechtsradikalismus modernisierungstheoretisch als Abwehr von gesellschaftlicher Differenzierung und rapidem soziokulturellem Wandel begreift. Ideologisch handelt es sich im Kern um einen populistischen Ultranationalismus mit diversen Strömungen vom Faschismus und gewaltbereiten Rechtsextremismus bis zum fremdenfeindlichen Rechtspopulismus; organisatorisch tritt die radikale Rechte in den verschiedenen Formen von Parteien, Bewegungen und Milieus auf. Darauf aufbauend werden zwei grundlegende Beobachtungen vorgestellt und erläutert.
Die erste Beobachtung zielt auf die Erneuerung der radikalen Rechten in westlichen Gesellschaften, welche nicht mehr klar anti-demokratisch und dazu in wachsendem Maße ethnozentrisch und islamfeindlich statt offen rassistisch auftritt. Dieser Ideologiewandel erschließt der radikalen Rechten ein stabiles Wählerpotenzial und trägt zu einer teilweisen Öffnung des mainstream diesen Parteien und Bewegungen gegenüber. Darin manifestiert sich eine Abkehr vor allem der etablierten rechten oder konservativen Parteien vom traditionellen cordon sanitaire.
Die zweite Beobachtung bezieht sich auf einen Ost-West Gegensatz in Europa nach 1989. In den neuen Demokratien Mittel- und Osteuropas haben sich rechtsradikale Parteien formiert, welche eher rückwärtsgewandt, antidemokratisch und offen rassistisch auftreten als ihre pendants im Westen. Während diese die angeblichen Zumutungen der multikulturellen Gesellschaft und Politik angreifen, erscheinen die rechtsradikalen Herausforderungen im Osten grundlegender. Sie betreffen nicht nur die Minderheitenpolitik und die Gefährdung von Grundrechten, sondern auch die politische Ordnung an sich. Im postsozialistischen Osten gab es nie einen cordon sanitaire zwischen dem mainstream und der radikalen Rechten, weshalb auch die Grenzen zwischen ihnen unschärfer sind. Dies zeigt sich nicht zuletzt darin, dass in einzelnen Ländern Mittel- und Osteuropas schon bald nach dem Ende des Staatssozialismus rechtsradikale Parteien in die Regierungsbildung einbezogen wurden, während dies in Westeuropa am Ende eines langen Annäherungsprozesses stattfand.