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Dienstag, 10. Februar 2015 | Entgrenzter Rechtsextremismus? | bpb.de

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Dienstag, 10. Februar 2015 Tagungsbericht: "Entgrenzter Rechtsextremismus? Internationale Perspektiven und Gegenstrategien"

/ 12 Minuten zu lesen

Der zweite Tag der Fachtagung stand maßgeblich im Zeichen der unausgesprochenen Fragestellung: Was wie tun? Dabei stand zum Auftakt das "Wie" und das "Wie nicht" im Vordergrund einer Diskussion.

Gelingensbedingungen und Stolpersteine – eine Gesprächsrunde

Hanne Wurzel, Leiterin des Fachbereichs Extremismus der Bundeszentrale für politische Bildung, leitete von der internationalen Bestandsaufnahme in Bezug auf Rechtsextremismus zur pädagogischen Praxis über mit der selbstkritischen Frage, was in der Bildungsarbeit gelinge und was nicht. Ursula Bischoff warf zunächst einen Blick auf die Struktur der Bundesprogramme gegen Rechtsextremismus und für Demokratie, die sich seit 2001 in drei Säulen entwickelt hat. Die Bundesprogramme umfassten erstens lokale Aktionspläne, zweitens Beratungsnetzwerke, Opferberatungen sowie Unterstützung für Ausstiegs- und Distanzierungswillige und drittens Modellprojekte. Gerade im Rahmen jener Projekte, so Bischoff, bestehe der Raum, etwas auszuprobieren, ohne den Zwang Ergebnisse zu produzieren.

Daher wäre es gerade hier möglich, am meisten über Erfolgsmöglichkeiten und Fallstricke der pädagogischen Arbeit in diesem Themenfeld zu lernen. Stephan Bundschuh knüpfte daran an und wies darauf hin, dass gerade dann Erfolge zu verzeichnen seien, wenn integrierte Handlungskonzepte umgesetzt werden. Wichtig sei dabei die Netzwerkarbeit. Die aber brauche Zeit und das sei zumindest bei den Modellprojekten die Krux, aufgrund ihrer begrenzten Laufzeit von lediglich drei Jahren. Im Anschluss stellte Bundschuh drei Thesen in den Raum: Die "Arbeit gegen Rechts" gelinge immer, so die erste provokante Formulierung. Gemeint ist damit, dass Rechtsextremismus verstärkt (auch) wieder als politische Ideologie begriffen werden müsse und nicht nur als sozialpädagogische Herausforderung. Das bringe aber auch mit sich, dass "ich" vor Ort immer gefordert bin, etwas dagegen zu setzen, wenn ich etwas dagegen habe. "Ich" meint alle Akteure: Eltern, Lehrer, Trainer, Nachbarn, Verwandte, Bürger. Bundschuh hob in seiner zweiten These darauf ab, dass auch mit Erwachsenen gearbeitet werden müsse und nicht nur immer mit der Zielgruppe der 12- bis 18-Jährigen. Auch wenn wir für diese bisher nur wenige Konzepte haben und sie schwer zu erreichen seien. Weiterhin müssen junge Menschen ernst genommen werden, auch wenn sie sich in einem rechtsextrem orientierten Umfeld bewegen.

Das strahle grundsätzlich aus in ihr Umfeld und greife andere an. Ihnen müsse gesagt werden, dass sie jetzt in einem Alter seien, wo sie politisch verantwortlich sind für das, was sie politisch ausstrahlten. "Ich nehme sie an diesem Punkt ernst", so Bundschuh, "ernster als sie sich vielleicht nehmen". Drittens gelte es die Momente der "konformistischen Revolte" (als solche müsse sie im Rechtsextremismus benannt werden) Jugendlicher im Sinne von Bedürfnissen und Interessen ernst zu nehmen. Daraus folgt, dass ihre Welterklärungsmodelle mit ihnen diskutiert werden sollten, aber eben auch Fragen nach Möglichkeiten der Teilhabe an der Gesellschaft, einschließlich der Diskussion über eine weitere Demokratisierung der Demokratie. Dieser Punkt trieb auch Andrea Müller um. Er schilderte zunächst, dass er in der Praxis heute noch immer erlebe, dass Rechtsextremismus bagatellisiert werde. Jugendliche erzählten in Beratungssituationen von Bedrohungsszenarien und Problemen vor Ort.

Doch die Zuständigen (Bürgermeister/-innen, Schulrektorinnen und Schulrektoren, Polizei) weigerten sich allzu oft, diese überhaupt wahrzunehmen oder gar anzuerkennen. Dabei gelte es, die Herausforderungen ernst zu nehmen und mit eigenen Identifikationsangeboten zu werben. Doch wo bleibe, fragte Müller, unsere demokratische Vision, unsere Vision einer menschenrechtsorientierten, nicht primär marktorientierten Demokratie? Silke Baer schloss schließlich wieder an den Ausführungen von Ursula Bischoff an. Der Verein Cultures Interactive, für den Baer tätig ist, sei eins der angesprochenen Gewächse, das aus Modellprojekte erwachsen ist. "Wir leben quasi nur durch und für die Entwicklung, Erprobung und Durchführung von Modellprojekten und sind ansonsten in keinerlei Regelstrukturen verhaftet", konstatierte sie. Gelingen würde ihre Arbeit, beziehungsweise grundsätzlich die Arbeit in diesem Feld, wenn erstens die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen stimmten. Dafür müsse, wie Müller bereits andeutete, Rechtsextremismus und Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit als Problem wahr- und ernst genommen werden.

Zweitens bedürfe es einer stabilen Förderung. Das meine nicht nur die finanzielle Seite, sondern auch den Austausch und die Unterstützung durch andere sowie durch jene Institutionen, in deren Auftrag gearbeitet werde. Drittens sei eine sozialräumliche Problemwahrnehmung zentral. Es gelte, das Problem- und Bedrohungspotential vor Ort wahrzunehmen, auch Erwachsene als Zielgruppe zu begreifen und die Zusammenarbeit mit den Regelstrukturen einzuüben und zu leben. Erfolge zeigten sich vor allem, wenn langfristig und engagiert sozialräumlich gearbeitet werde, nur so ließe sich auf Dauer überhaupt so etwas wie Vertrauen aufbauen.

Diskutantinnen und Diskutanten

Prof. Dr. Stephan Bundschuh ist Professor für Kinder- und Jugendhilfe am Fachbereich Sozialwissenschaften der Hochschule Koblenz. Er studierte Philosophie, Soziologie und Geschichte mit einer Promotion in Philosophie. Er war langjähriger Geschäftsführer des Informations- und Dokumentationszentrums für Antirassismusarbeit in Düsseldorf. Seine Lehr- und Forschungsschwerpunkte sind: Kinder- und Jugendhilfe, Sozialraumorientierung, Autoritarismus und Interkulturalität. Er veröffentlichte u. a.: Prävention gegen Autoritarismus (in: Wolfgang Sander (Hrsg.): Handbuch politische Bildung. 4. völlig überarb. Aufl., 2014).

Dr. Ursula Bischoff ist wissenschaftliche Referentin am Deutschen Jugendinstitut e. V., Außenstelle Halle/Saale. Sie studierte Soziologie an der Universität Leipzig und wurde an der Humboldt Universität zu Berlin promoviert. Sie arbeitete unter andere an der Universität Leipzig und dem Umweltforschungszentrum Leipzig mit den Schwerpunkten Arbeitsmarktforschung, Migration und Sozialer Wandel. Ihre Publikationen befassen sich im Kontext der Migrationsforschung mit Prozessen räumlicher Mobilität und damit verbundenen sozialen Veränderungen sowie mit der Evaluation unterschiedlicher Programme, z. B. zur Rechtsextremismusprävention.

Andrea Müller ist Supervisor, Coach, Berater und Referent in den Arbeitsfeldern Rechtsextremismus, Abwertungsmentalitäten und Demokratieförderung sowie Teilhabe und (Jugend-)Partizipation. Er studierte Sozialarbeit an der FHO Emden und Supervision in sozialen und pädagogischen Arbeitsfeldern an der Universität Bremen und war langjähriger Mitarbeiter und pädagogischer Leiter des Lidicehauses in Bremen sowie Leiter der Modellprojekte Rechte Jugendliche-Ratlose Eltern und des PraktikerInnentreffens Jugendarbeit in rechten Szenen zum Erfahrungsaustausch über Anforderungen, Möglichkeiten und Grenzen sozialpädagogischer Zugänge im Umgang mit Rechtsextremismus und rechtsaffinen Jugendlichen. Er veröffentlichte u. a.: Handlungsempfehlungen zur Beratung von Familien rechtsextremer Jugendlicher (2014).

Silke Baer ist Mitbegründerin und pädagogische Leiterin von Cultures Interactive e. V. (CI). Sie arbeitet seit 2001 in der Jugendkulturarbeit sowie in der Rechtsextremismus- und Gewaltprävention, zudem leitet sie das EU-Projekt WomEx-Frauen und Genderaspekte in Prävention und Intervention. Sie hat für die praktische Arbeit Train-the-Trainer-Materialien, Handlungskonzepte zur Bearbeitung von Rechtsextremismus und modulare Multiplikatorinnen- und Multiplikatorenweiterbildungen entwickelt. Sie veröffentlichte u. a.: Verantwortlich Handeln: Praxis der Sozialen Arbeit mit rechtsextrem orientierten und gefährdeten Jugendlichen (hrsg. mit Kurt Möller und Peer Wiechmann. 2014).

Moderatorin der Gesprächsrunde: Hanne Wurzel, sie ist seit März 2013 Leiterin des Fachbereiches Extremismus in der Bundeszentrale für politische Bildung. Sie studierte Geschichte, Spanische Philologie, Politik- und Erziehungswissenschaften an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Direkt nach dem Studium wurde sie 1985 Referentin bei der Bundeszentrale für politische Bildung und ist dort seit 1993 in verschiedenen leitenden Positionen tätig. Sie hat zahlreiche Veranstaltungen und Großkongresse zur politischen Bildung und Sicherheitspolitik konzipiert und durchgeführt.

Weltcafé

In Europa und in Nordamerika existiert eine Vielzahl von Institutionen, Organisationen und Initiativen, die sich gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus einsetzen. Elf von ihnen stellten sich im Rahmen eines Interner Link: Weltcafés vor.

Wie und in welcher Form in Russland Hate-Crime-Opfer unterstützt werden können, stellte Ute Weinmann, Co-Koordinatorin des Civic Assistance Committee aus Moskau vor. Marilyn Mayo von der Anti-Defamation League aus den USA erläuterte, wie sie in den Vereinigten Staaten erfolgreich gegen Antisemitismus und Hate Groups intervenierten. Um Interventionen geht es auch in der Arbeit von HOPE not hate aus Großbritannien, die Graeme Atkinson präsentierte. Mit breit angelegten Kampagnen und zielgruppenspezifischen Ansprachen ist es beispielsweise gelungen, der British National Party (BNP) zu begegnen. Dem Monitoring muslimfeindlicher Angriffe widmet sich in Großbritannien primär die Initiative Tell Mama. Fiyaz Mughal zeigte, wie über diese Arbeit mehr Sensibilität für das Thema entstehe. Sensibilität und Toleranz ist auch Ansatz des schwedischen "Tolerance Project", im Rahmen dessen, wie Lovisa Fhager Havdelin vortrug, versucht wird, an Schulen Heranwachsende in ihren Haltungen zu festigen, so dass sie für Vorurteile etc. weniger empfänglich seien. Antisemitische Ressentiments seien, so Alain David von der Ligue Internationale Contre le Racisme et l'Antisémitisme (LICRA), Vizepräsident von Licra Dijon, in der Vorstellung der Initiative, eine zunehmende Herausforderung in Frankreich – nicht erst seit den Anschlägen von Paris im Januar 2015.

Über die Möglichkeiten internationaler Vernetzung sprach Geert Ates, Direktor von United for Intercultural Action. Der Amsterdamer schilderte, wie sie in vielen Ländern Multiplikatorinnen und Multiplikatoren gewännen und erfolgreich schulten. In der Regel gehe es dabei um Sensibilisierungen in Bezug auf Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, die, wusste Miriam Attias, Projektmanagerin beim Finnish Refugee Council vor dem Hintergrund ihres Projekts Restorative Community Mediation zu berichten, sich kommunal mitunter gut bearbeiten ließen. Allerdings, betonte Stephen Nolan, Co-Direktor von Trademark Belfast, solle man sich davor hüten, kurze knappe Bildungsprogramme inhaltlich zu überfrachten. Wichtig sei aus seiner Perspektive, zunächst Verhaltensänderungen in Unternehmen zu befördern – das Sein könne auf Dauer dann vielleicht auch das Bewusstsein verändern. Auf eine Veränderung von Perspektiven hoffen auch die Verfasser der Carta di Lampedusa, die Davide Carnemolla aus Venedig vorstellte. Entstanden ist sie vor dem Hintergrund einer Flüchtlingstragödie vor der kleinen Mittelmeerinsel im Jahr 2013. Wie wichtig es ist, mit Minderheiten zu arbeiten und sie zu stärken, machte Daniel Grebeldinger von der NGO Nevo Parudimos aus Rumänien deutlich, die marginalisierte Roma unterstützt.

Diskussion: Bekämpfung rechtsextremistischer Gewalt durch Hate-Crime-Gesetze?

Interner Link: Audiodokumentation der Diskussion

Spätestens seit der Aufdeckung des "Nationalsozialistischen Untergrundes" wird auch in Deutschland wieder über eine explizite gesetzliche Strafverschärfung für Gewalttäter diskutiert, die aus Hass auf vermeintlich Andere handeln. Zudem streiten unterschiedliche Akteure über die behördlichen Statistiken sogenannter Hassverbrechen. Das Konzept der Hate Crimes und deren Erfassung spielt auch in der internationalen Debatte eine wichtige Rolle. Geht die Strafverschärfung durch Hass als Motiv über bloße Symbolpolitik hinaus? Wie können Polizei und Justiz befähigt werden, rechtsextremistisch motivierte Taten zu erkennen? Welche Erfahrungen haben andere Länder mit dem Hate-Crime-Konzept gemacht?

Moderator Tim Aßmann vom Bayrischen Rundfunk lud die Teilnehmenden zu Beginn der Abschlussdiskussion ein, den Begriff Hate Crime als Gesprächsgrundlage zunächst gemeinsam zu definieren. Robert Kusche von der sächsischen Beratung für Opfer rechter und rassistischer Gewalt erklärte, dass damit der Angriff auf eine einzelne Person gemeint sei, die gezielt als angenommener Stellvertreter für eine vorgestellte Gruppe attackiert wird – und nicht aus persönlichen Motiven. An den jeweiligen Betroffenen solle vielmehr ein Exempel statuiert werden, die Botschaft stehe also im Mittelpunkt des Verbrechens. Hate-Crimes könnten daher auch als Botschaftsverbrechen definiert werden. Ist die deutsche Gesetzgebung ausreichend, um derartige Hate Crimes angemessen zu sanktionieren? Zu dieser Frage äußerte sich Kusche eher skeptisch. Eine Änderung der Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV), an der sich Staatsanwältinnen, Staatsanwalte und Richter/-innen orientierten, sei an sich ausreichend. Gül Pinar vom Deutschen Anwaltsverein pflichtete Kusche in diesem Punkt bei. Und verwies außerdem auf den §46 des Strafgesetzbuchs, nach dem Gerichte und Staatsanwaltschaften bei der Urteilsbegründung Beweggründe und Ziele des Täters sowie seine Umstände zu berücksichtigen hätten. Leider werde der Ermessenspielraum hier allzu oft nicht genutzt.

Allerdings ermögliche zum Beispiel das Mittel der Nebenklage, die nicht in alle Fällen zugelassen ist, die Betroffenenperspektive im Prozess zu stärken und sichtbar zu machen. Joanna Perry erteilte zu großen Erwartungen an eine Hate-Crime-Gesetzgebung zunächst eine Absage. Diese würde allein nicht dafür sorgen können, derartige Kriminalität wirkungsvoll zu unterbinden. Hingegen machte sie zwei Punkte stark: Erstens könne Hate-Crime-Gesetzgebung dazu motivieren, die tatsächlichen Gründe für eine Straftat auch zu ermitteln und zweitens werde der Akt eines Hate Crimes gesellschaftlich deutlich besser sichtbar. Als Beispiel führte sie das Monitoring in Großbritannien an, das auch dezidiert die Betroffenenperspektive beleuchtet. Und eben diese sei auch in der Lage, den Stil öffentlicher Diskussionen zu verändern.

Seth Marnin, der sich aus US-amerikanischer Perspektive in die Diskussion einschaltete, merkte hierzu an, dass all diese Prozesse sehr langsam abliefen und ein schneller Bewusstseinswandel kaum zu beobachten sei. Nachdem in den USA jahrelang darüber debattiert worden sei, ob Verbrechen gegen Homosexuelle und Transsexuelle auch als Hate Crime angesehen werden sollten, wurde ein entsprechendes Gesetz auf Bundesebene 2009 verabschiedet. In 46 Bundesstaaten und im District of Columbia existierten nun entsprechende Gesetze, allerdings unterschieden sie sich in der Benennung potentieller Hate-Crime-Opfergruppen. Wichtig sei, so Marnin weiter, dass in entsprechenden Gerichtsverfahren nicht das individuelle Ausmaß des Hasses geklärt werden müsse, sondern lediglich, ob jemand Opfer geworden ist, weil er oder sie beispielsweise schwarz, homosexuell, transgender oder Jude ist.

Kusche griff diese Forderung nochmals auf betonte, dass es deshalb eben nicht primär um eine Strafverschärfung gehe, sondern um eine Präzisierung möglicher Tatmotive. Den derzeit vorliegenden Gesetzesentwurf vom Bundesministerium der Justiz bewertete Kusche als zu schwammig. Ein geschlossener Merkmalkatalog müsse zwingender Bestandteil einer Hate-Crime-Gesetzgebung sein, dieser ließe sich am besten auf Basis wissenschaftlicher Studien bestimmen. Tim Aßmann wandte ein, ob sich dadurch der Status quo der Arbeit in den Strafverfolgungsbehörden tatsächlich verändern ließe? Auf diese Frage angesprochen machte Joanna Perry sich dafür stark, gezielte Trainings mit den beteiligten Akteuren durchzuführen. Dies helfe beim Erkennen der Motivmuster eines Hate Crimes. Mitunter seien feste Vorurteile von Polizistinnen und Polizisten dabei aber ein erhebliches Hindernis. Deutlich wurde in der kontrovers geführten Debatte letztlich, dass eine Hate-Crime-Gesetzgebung die Chance biete, Verbrechen aus Hass auf vermeintlich Andere besser sichtbar zu machen und die Betroffenen als Opfer eines unpersönlichen und daher schwer fassbaren Ressentiments nicht alleine zu lassen. Aber allein mit einem neuen Gesetz wäre es an dieser Stelle nicht getan, da waren sich die Diskutantinnen und Diskutanten zum Abschluss einig.

Diskutantinnen und Diskutanten

Seth Marnin ist stellvertretender Direktor der Abteilung für Rechtsangelegenheiten und des regionalen Bürgerrechtsrates der Anti-Defamation League in New York City. Bis zur Aufnahme seiner heutigen Tätigkeit, arbeitete er fünf Jahre in einer Anwaltskanzlei in New York City und war fast 15 Jahre als Hochschullehrer tätig. Sein Studium absolvierte er an der University at Albany und an der School of Law der University of Conneticut. Er ist Autor von zahlreichen Amicus-Curiae-Schriftsätzen für Berufungsgerichte und den obersten Gerichtshof.

Joanna Perry ist seit Januar 2011 Referentin für Hate Crime im Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte (ODHIR) der OSZE. Zuvor war sie für die Strafverfolgungspolitik bei Victim Support in Großbritannien verantwortlich und arbeitete für den Crown Prosecution Service. Sie studierte in Bristol und London, ist Dozentin am Birkbeck College der University of London und hat den Ko-Vorsitz des internationalen Netzwerkes für Hate Studies.

Gül Pinar ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Strafrecht in Hamburg. Sie hat als Stipendiatin der Friedrich-Ebert-Stiftung Rechtswissenschaften in Hamburg studiert und dort auch ihr zweites Staatsexamen abgelegt. Sie ist Mitglied des Strafrechtsausschusses des Deutschen Anwaltvereins (DAV).

Robert Kusche ist Politikwissenschaftler mit dem Schwerpunkt radikale Rechte und Hate Crimes in Osteuropa. Er studierte in Berlin, Dresden, Moskau und Birmingham. Heute leitet er als Geschäftsführer die sächsischen Beratungsstellen für Betroffene rechtsmotivierter und rassistischer Gewalt des RAA Sachsen e. V. Zuvor war er beim Netzwerk für Demokratie und Courage (NDC) sowie bei der Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus (BAGKR) tätig. Verschiedene Veröffentlichungen zum Thema.

Die Diskussion moderierte Tim Aßmann. Er ist Politikredakteur für den Bayerischen Rundfunk (BR). Vor seiner Anstellung beim BR 2001, war er beim dpa-Landesdienst Bayern. Sein Aufgabenbereich liegt in der aktuellen Berichterstattung für die Hörfunkprogramme des BR und der ARD. Seine thematischen Schwerpunkte sind: Innere Sicherheit, Justiz, Bundeswehr und Rüstungsexportpolitik. Er berichtete über die NS-Prozesse gegen John Demjanjuk und Otto Scheungraber, ist seit 2013 stellvertretender Leiter des ARD-Reporterpools beim NSU-Prozess und Co-Autor des BR-Hörfunk-Features "Viele Fragen, wenige Antworten – Die mühsame Aufarbeitung rechten Terrors".

Ausklang

In ihrem Schlusswort hob Hanne Wurzel, Leiterin des Fachbereich Extremismus der Bundeszentrale für politische Bildung, noch einmal ab auf den Stellenwert der politischen Bildung. Sie gelte es in der Präventionsarbeit viel stärker zu berücksichtigen. Eine der Fragen, die auf dieser Tagung im Plenum, in Vertiefungsangeboten oder im Weltcafé wiederholt diskutiert wurde, lautete: Wie können wir bei Jugendlichen und Erwachsenen eine Haltung entwickeln, so dass sie rechtsextremen Parolen und Akteuren tatsächlich widerstehen und widersprechen. "Landeszentralen für politische Bildung, die Bundeszentrale und, ein großer Schatz, den wir in Deutschland haben: das plurale Trägernetz mit unterschiedlichsten Einrichtungen, können hier Wissen, Erfahrungen und Kompetenzen vermitteln". Dafür ist es aber notwendig, beschloss Hanne Wurzel die Tagung, dass die Expertisen aus den unterschiedlichen Handlungsfeldern zusammengeführt werden und eine übergreifende Vernetzung stattfindet – daran müsse in Zukunft verstärkt gearbeitet werden.

Fussnoten