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Rechtsextreme Akteure in Deutschland | Rechtsextremismus | bpb.de

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Rechtsextreme Akteure in Deutschland Ein Überblick

Dr. Matthias Quent

/ 6 Minuten zu lesen

Rechtsextreme agieren vielgestaltig: Ihr Organisationsgrad reicht von losen Cliquen bis hin zu formalisierten Parteien. Oft lassen sie sich nur schwer dem rechtsextremen Milieu zuordnen.

Mit den Krisen der vergangenen Jahre ist rechtsextremer Protest heterogener geworden. (© picture-alliance/dpa, dpa-Zentralbild | Sebastian Kahnert)

Die öffentliche Aufmerksamkeit für Interner Link: Rechtsextremismus unterliegt zwar Trends, gleichwohl stellt dieser fortlaufend die größte Gefahr für die Demokratie in Deutschland dar. Rechtsextreme Angebotsstrukturen weisen stabile ideologische Grundmuster auf und verändern zugleich Art und Form ihres Auftretens in Reaktion auf gesellschaftliche Gelegenheitsstrukturen (siehe Infobox „Ursachen“). Dieser Text bietet ein Überblick über zeitgenössische Angebotsstrukturen des organisierten Rechtsextremismus in Deutschland, differenziert nach dessen Organisationsweisen.

UrsachenWie gewinnen Rechtsextreme Macht?

Um zunächst zu verstehen, wie und unter welchen Umständen die extreme Rechte zu Machtgewinnen kommen kann, gilt es, drei Ebenen in den Blick zu nehmen (Mudde 2009). Stark herausgefordert wird die Demokratie, wenn alle drei verstärkend ineinandergreifen.

Erstens sind die gesellschaftlichen Gelegenheitsstrukturen zu nennen – also grundlegende Rahmenbedingungen, die das Wirken und Handeln rechtsextremer Akteure begünstigen oder erschweren können. Darunter zählen Bedingungen, die für die extreme Rechte kurzfristig nicht veränderbar sind: beispielsweise demografische und sozio-ökonomische Entwicklungen, politisch-kulturelle Prägungen, sozialer (Werte-)Wandel und Normen, technologischer Fortschritt oder staatliches Handeln. Auch Krisen können Gelegenheiten schaffen bzw. verschärfen, in denen der Rechtsextremismus erstarken kann: beispielsweise im Zusammenhang mit der Weltwirtschaft, dem Finanzsystem, Migrationsbewegungen, Pandemien, Umwelt- und Klimakatastrophen oder Kriegen.

Zweitens ist das Potenzial gesellschaftlicher Nachfrage für rechtsextreme Angebote zu beachten. Die Nachfrage zeigt sich insbesondere in der Verbreitung und Zustimmungsfähigkeit rechtsextremer Einstellungen, wie sie unter anderem von der Externer Link: Autoritarismus-Studie der Universität Leipzig (Decker et al. 2022) und der Externer Link: Mitte-Studie der Universität Bielefeld (Zick/Küpper/Mokros 2023) regelmäßig erhoben werden.

Drittens sind die konkreten Angebotsstrukturen rechtsextremer Akteure zu berücksichtigen, auf denen im Folgenden der Fokus liegt. Sie umfassen die strukturellen, personellen, ideologischen, logistischen, medialen, politischen und strategischen Angebote des Rechtsextremismus.

Subkulturen, Cliquen, freie Zusammenschlüsse

Viele rechtsextreme Akteure weisen einen formal niedrigen Organisationsgrad auf. Dies kennzeichnet die erste Kategorie rechtsextremer Angebotsstrukturen. Hierzu zählen kurzfristige Zusammenkünfte, Zweckbündnisse, durch Freundschaftsbeziehungen geprägte Cliquen und sogenannte Peergroups, Protestveranstaltungen, politische Subkulturen, „Communities“ oder lose Vernetzungen über soziale Medien. Teils treten auch rechtsextreme Organisationen als informelle Bürgerbündnisse oder vermeintlich spontane Protestgruppen in Erscheinung. So inszenieren rechtsextreme Akteure beispielsweise vermeintlich unideologisches Engagement etwa gegen die Unterbringung von Geflüchteten. Gerade durch die Alltäglichkeit niedrigschwelliger, kaum formalisierter Aktivitäten und sozialer Beziehungen mit rechtsextremen Akteuren haben sie das Potenzial, rechtsextreme Ideologien zu normalisieren. Im Vergleich zu eingetragenen Vereinen oder anderen Mitgliedsvereinigungen fällt die Zuordnung zum organisierten Rechtsextremismus schwer. Dadurch ist das Milieu aber nicht ungefährlicher, sondern kann sich erfolgreich mit nicht-rechten Milieus verzahnen. Dies ist eine explizite Strategie der Normalisierung, die von Vordenkern der Interner Link: „Neuen Rechten“ so formuliert wurde.

Als eine besonders unberechenbare Gefahr haben sich aus diesem Spektrum in den vergangenen Jahren allein handelnde Gewalttäter und Terroristen erwiesen. Einzeltäter radikalisieren sich in lose vernetzten (Online-)Gemeinschaften, ohne dabei erkennbar rechtsextremen Strukturen anzugehören. Einige Forschende nutzen dafür den Begriff der stochastischen Gewalt. Diese beschreibt, wie aus vielen locker über soziale Medien verbundenen Personen einzelne hervortreten und zu gewalttätigen bis hin zu terroristischen Aktionen übergehen können (u.a. Staller/Koerner/Kron 2022).

Informelle Strukturen des Rechtsextremismus können allerdings auch einen hohen Organisationsgrad aufweisen. Insbesondere dann, wenn die nach außen unsichtbare Formalisierung bewusst gewählt ist, um sich abzuschotten und vor sozialer oder staatlicher Verfolgung zu schützen. Ein Beispiel dafür sind im Verborgenen organisierte Gruppierungen mit dem Ziel der Vorbereitung oder Durchführung konspirativer oder gar terroristischer Handlungen. Diese Gruppierungen verfügen in der Regel nicht über Mitgliederverzeichnisse oder Spendenlisten, können aber dennoch ein hohes Maß an Hierarchie, Arbeitsteilung, Vernetzung und Professionalität aufweisen.

Als Reaktion auf eine Reihe von Vereinigungsverboten in den 1990er-Jahren organisierte sich der neo-nationalsozialistische Rechtsextremismus in Deutschland zunehmend in Aktionsgruppen sogenannter „Freier Kameradschaften“ bzw. „Freier Kräfte“, die sich in überregionalen Bündnissen zusammenschlossen. Die nach außen schwer greifbaren Gruppierungen sollten die rechtsextremen Strukturen vor Maßnahmen des Staates und vor Gegenbewegungen schützen. Häufig fielen sie durch ein besonders hohes Maß an Radikalisierung und Gewaltneigung auf, während sie zugleich enge Beziehungen zu den Parteien Interner Link: „Nationaldemokratische Partei Deutschlands“ (NPD) und Interner Link: „Deutsche Volksunion“ (DVU) pflegten. Ausgestattet mit zahlreichen Erfahrungen und Kontakten bildete sich aus diesem neonazistischen Milieu der konspirative rechtsterroristische Interner Link: „Nationalsozialistische Untergrund“ (NSU) (Quent 2022).

Grundsätzlich besteht jedoch kein generalisierbarer Zusammenhang zwischen der Extremismusintensität und dem Grad der Organisation rechtsextremer Akteure. Beispielsweise wurde im September 2023 der seit 1951 bestehende eingetragene Verein Interner Link: „Artgemeinschaft – Germanische Glaubens-Gemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung e. V.“ durch das Bundesinnenministerium verboten. Der völkisch-nationalistische Verein ist für seine besonders extreme Ideologie sowie als Sammelorganisation zahlreicher rechtsextremer Kader bis ins rechtsterroristische Milieu bekannt (RBB 2023).

Informell organisierte Akteure zeichnen sich dadurch aus, dass sie über keine formalisierte Struktur verfügen wie beispielsweise eingetragene Vereine. Dennoch können diese Organisationen nach dem Vereinsrecht behandelt und verboten werden – wie im September 2023 mit dem Verbot der rechtsextremen Vereinigung „Hammerskins Deutschland“ geschehen (Bundesministerium des Inneren und für Heimat 2023). Für die Behörden ist es in diesem Fällen jedoch schwieriger, Mitglieds- und Vermögensstrukturen nachzuweisen.

Parteien und formalisiert organisierte Akteure

Viele in der Öffentlichkeit stärker wahrgenommene rechtsextreme Akteure behaupten, Teil einer breit getragenen gesellschaftlichen oder Protestbewegung zu sein. In Wirklichkeit steht dahinter häufig ein eingetragener Verein mit wenigen Hundert Unterstützer:innen wie etwa bei der rechtsextremen „Identitären Bewegung. Eine ähnliche Wirkung strebt der eingetragene rechtsextreme Verein „Ein Prozent“ an. Diese Organisationen stehen beispielhaft für Inszenierungsstrategien vermeintlicher rechter Graswurzelproteste. Tatsächlich werden diese Proteste durch elitär und hierarchisch aufgestellte Strukturen der extremen Rechten getragen, die planvoll in öffentliche Diskurse und Entwicklungen intervenieren.

Eingetragene Vereine, Parteien, Stiftungen, Medien, Verlage und andere institutionalisierte Akteure weisen einen hohen Organisationsgrad auf. Auch sogenannte „Bewegungsunternehmer“, die in privatwirtschaftlichen Rechtsformen auftreten, werden dem zugeordnet. Bewegungsunternehmer betreiben beispielsweise Propaganda, produzieren und vertreiben Szeneartikel. Gleichzeitig sind sie formalisiert und können bei Rechtsverstößen über verschiedene Vorschriften vom Vereins- bis zum Steuerrecht sanktioniert werden. Für diese formalisierten Organisationsformen sprechen neben dem Anschein von Seriosität auch die geordnete Hierarchie und Struktur. Vor allem aber birgt sie finanzielle Vorteile. So können mit Unternehmen einerseits Umsätze erwirtschaftet und Auslagen steuerlich geltend gemacht werden, die dem Aufbau der rechtsextremen Szene und der Verbreitung antidemokratischer Propaganda dienen. Andererseits können durch Vereine Spenden gesammelt und teils steuerbegünstigt verrechnet werden. Sowohl Unternehmen als auch Vereine können als gemeinnützig anerkannt werden und damit von Steuervorteilen profitieren.

Politische Parteien genießen rechtliche Sonderstellungen. Für den Rechtsextremismus haben sich diese Mitgliederorganisationen trotz Konjunkturen immer wieder als Stabilitätsanker und wichtige ideelle sowie logistische Zentren erwiesen. Dies liegt auch an den Möglichkeiten, die politische Arbeit durch finanzielle Zuwendungen, Spenden, Mitgliedsbeiträge sowie aus Steuermitteln zu organisieren und zu professionalisieren. Eine zentrale Funktion von Rechtsaußenparteien wie der Interner Link: „Alternative für Deutschland“ (AfD) liegt darin, große Wählerschaften anzusprechen. Dazu nutzen sie Strategien des Populismus.

KontroverseEinordnung der AfD

Die Einschätzung der AfD ist Gegenstand politischer Kontroversen und juristischer Auseinandersetzungen. In der Wissenschaft wird die Partei in das breite Spektrum der rechtspopulistischen und rechtsextremen Parteienfamilie eingeordnet. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) führt die AfD und ihre Nachwuchsorganisation „Junge Alternative“ bundesweit als rechtsextremen Verdachtsfall. Die AfD klagt gegen diese Einstufung. In einem ersten Urteil hat das Verwaltungsgericht Köln die Einordnung des BfV bestätigt. Dagegen ist die AfD in Berufung gegangen.

In Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen stuft der jeweilige Landesverfassungsschutz die Partei als „erwiesene“ bzw. „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ ein. Die AfD in Sachsen hat bereits angekündigt, gegen die Einstufung juristisch vorgehen zu wollen. In Thüringen hat die AfD Klage gegen einzelne Passagen des Thüringer Verfassungsschutzberichts 2021 eingereicht. Allerdings klagt der Landesverband nicht gegen die Einstufung als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“. In einigen anderen Bundesländern gilt die Partei derzeit als Verdachtsfall.

Zusätzlich existieren Klein- und Kleinstparteien mit häufig besonders explizit rechtsextremistischer Programmatik. Diese dienen zuvorderst der Organisierung radikaler Flügel und dem Aufrechterhalten sowie der Aktualisierung dogmatischer, oft neo-nationalsozialistischer Ideologien. Dies gilt aktuell für die Parteien der Interner Link: „III. Weg“, Interner Link: „Die RECHTE“ und für die Interner Link: „HEIMAT“ (früher NPD). Letztere konnte hingegen zeitweise in einigen Regionen durchaus größere Wahlerfolge verzeichnen.

Die wichtigste Partei in der extremen Rechten ist aktuell die Alternative für Deutschland. Die AfD popularisiert extrem rechte Positionen und integriert sie weit über das Feld des zuvor organisierten Rechtsextremismus hinaus. Im Zuge ihres Erstarkens hat sich auch das formell sowie das informell organisierte Vorfeld der extremen Rechten weit ausdifferenziert. Dieses Vorfeld nimmt eine wichtige Rolle in der Produktion neuer Ideologien ein. Hierzu gehören Parteigliederungen sowie Vorfeldorganisationen, Publikationen, Treffpunkte sowie Thinktanks, Stiftungen, Medien-Protestgruppen und Bewegungen von rechts außen. Auch geht es um die Vernetzungsarbeit der „Neuen Rechten“, die erfolgreich auf eine Interner Link: ethno-nationalistische Radikalisierung des Rechtspopulismus hinwirkt (Quent 2021). Die AfD verbreitet die Narrative und Positionen zuvor randständiger rechtsextremer Nischenakteure in größere Öffentlichkeiten. Ermöglicht wird dies durch ihre zahlreichen Mitarbeiter:innen und Mitglieder sowie ihre Zugänge zu Parlamenten und Medien. Zudem werden immer wieder Bezüge von Rechtsterroristen zur AfD sichtbar: Beispielsweise unterstützte der neonazistische Mörder des CDU-Politikers Dr. Walter Lübcke die AfD und radikalisierte sich im Rahmen von Protesten der Partei. An den Umsturzplänen eines Netzwerks sogenannter Reichsbürger um Heinrich XIII. Prinz Reuß war mit Birgit Malsack-Winkemann auch eine frühere Bundestagsabgeordnete der Partei beteiligt (dpa/ZDF 2023).

Mischszenen und aktuelle Entwicklungen

Heterogene oppositionelle Mischszenen und Strömungen wie die sogenannten Interner Link: Reichsbürger verzahnen sich maßgeblich über soziale Medien und Protestmobilisierungen mit rechtsextremen Akteuren und Programmatiken. In besonders großem Ausmaß war seit 2020 bei Protesten gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie festzustellen, dass unterschiedliche soziale und politische Milieus gemeinsam mit Rechtsextremen in Erscheinung traten. Aus den Protesten von u.a. Interner Link: „Querdenken“ entstanden vor allem informell strukturierte Netzwerke. Unter gezieltem Einfluss von Akteuren wie den „Freien Sachsen“ oder der AfD beschäftigten sich diese zunehmend mit anderen Themen wie dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und dessen Folgen, mit Migration oder der Klimakrise.

Ausblick

In den vergangenen Jahren hat sich der Rechtsextremismus organisatorisch und ideologisch ausdifferenziert und etabliert. Dies wurde begünstigt durch gesellschaftliche Krisen und stabilisiert durch die latente Verbreitung rechtsextremer Einstellungen in der Bevölkerung. Mit den Krisen haben sich neue heterogene Erscheinungen des Protests herausgebildet, die offen und förderlich für rechtsextreme Aufladungen und Radikalisierungsstrategien sind. Die Etablierung, Entgrenzung und die Vielgestaltlichkeit des Rechtsextremismus erschwert es zunehmend, diesen zu erkennen und ihm gezielt zu begegnen.

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Matthias Quent ist Professor für Soziologie und Vorstandsvorsitzender des Instituts für demokratische Kultur an der Hochschule Magdeburg-Stendal. Seine aktuellen Forschungsschwerpunkte sind Polarisierung und Zusammenhalt, Klimarassismus sowie rechte Reaktionen gegen ökologische Transformation und gegen Klimagerechtigkeit sowie demokratische Kultur in immersiven virtuellen Umgebungen.