Die jahrzehntelangen Kontinuitäten rechtsterroristischer Gewalttaten bis heute sind offensichtlich und machen deutlich, dass Maßnahmen gegen Rechtsextremismus auf verschiedenen Ebenen ansetzen müssen. Sozialpädagogische Präventions- und Deradikalisierungsarbeit – auch mit potenziell gewaltbereiten – Jugendlichen, Aufklärungsangebote seitens Akteur:innen politischer Bildung in Bezug auf Rassismus, Antisemitismus und andere Formen struktureller Gewalt sowie eine Erinnerungsarbeit im Gedenken an die zahlreichen Ermordeten und Opfer rechtsextremer Gewalttaten sind wichtig, reichen aber noch nicht aus, um dem Problem der Kontinuität des Rechtsextremismus nachzukommen.
Autoritäre rechte Dynamiken
Das Erkennen rechtsextremer Phänomene und Akteur:innen ist dabei keineswegs simpel. Personen mit rechtsextremen Einstellungen lassen sich in nur sehr wenigen Ausnahmefällen noch anhand szenetypischen Auftretens oder äußerlicher Kennzeichen identifizieren. Diese kommen lediglich dann zum Einsatz, wenn die entsprechenden Personen ihre Ideologie gezielt gegenüber anderen zum Ausdruck bringen wollen, etwa als Identifikationsmerkmal bei Kundgebungen der rechten Szene. Teilweise wird Zugehörigkeit auch mit weniger bekannten Symbolen ausgedrückt, die nur von Szenemitgliedern identifiziert werden sollen. Unerkannt bleibt beim Fokus auf solche zum Teil verfassungswidrigen Kennzeichen der weitaus größere Teil rechtsextremer Akteur*innen, die nicht direkt als solche identifiziert werden wollen oder aus strategischen Gründen bewusst eine vordergründige Distanz zur organisierten und gewaltbereiten Neonaziszene herstellen.
Insbesondere Untersuchungen wie die regelmäßig durchgeführten Mitte-Studien oder die Autoritarismus-Studien haben wiederholt gezeigt, dass Einstellungen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit bei einem konstant hohen Anteil der Bevölkerung verbreitet und damit nicht etwa Phänomene sind, die lediglich an sogenannten gesellschaftlichen Rändern aufzufinden sind. Das Agieren von Politiker:innen der Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD), für die teilweise enge Verbindungen einzelner Politiker:innen in rechtsextreme Gruppen gut dokumentiert sind, hat zudem gezeigt, dass es fließende Übergänge zwischen rechtspopulistischen und rechtsextremen Einstellungen und Handlungen gibt.
Rechtspopulistische Argumentationsstrategien nutzen diese diffusen Grenzen bei der Diskussion gesellschaftlicher Herausforderungen, wie etwa um die Aufnahme geflüchteter Personen oder Anstrengungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie. Dadurch gelingt es, rechtsautoritäre Narrative in breite öffentliche Diskurse einzuführen. In diesem Sinne fungieren bestimmte Themen und daran anknüpfende Ablehnungsmuster als Bindeglieder zwischen rechtsautoritären und rechtsextremen Deutungen.
Denkt man über Strategien gegen Rechtsextremismus nach, müssen also auch genau jene Bindeglieder und deren Nutzung durch rechtspopulistische Akteur:innen einbezogen werden. Maßnahmen müssen daher schon präventiv gedacht werden und nicht erst bei strafbaren und eindeutig rechtsextremen Handlungen ansetzen. Die Maßnahmen sollten entsprechend nicht nur organisierte rechtsextreme Gruppierungen anvisieren – weshalb wir in diesem Beitrag nachfolgend, weiter gefasst, von gesamtgesellschaftlichen autoritären „rechten Dynamiken“ und nicht nur von Rechtsextremismus sprechen werden, wenn wir diese gesellschaftlichen Agitationen rechtsautoritärer Akteur:innen und daran anknüpfende Thematisierungen und Narrative meinen.
Neben diesen Kontinuitäten rechtsautoritärer Dynamiken ist auch auf die historische Konstanz rechtsterroristischer Gewalt hinzuweisen. Antisemitische und rassistische Anschläge wie in Halle oder Hanau müssen aufrütteln und dürfen nicht in Vergessenheit geraten, wie es bei vergangenen rechtsextremen Morden zum Teil der Fall war. Sie machen auch deutlich, dass es historisch eine Kontinuität rechtsextremer Gewalttaten gibt und die BRD nach Ende der NS-Zeit keine Phase ohne rechtsextreme Gewalt erlebt hat. Während sich Phänomene und Gewalttaten des Rechtsextremismus verändern können, bedeutet dies dennoch, zu konstatieren, dass alle bisherigen Anstrengungen nicht bewirken konnten, dass das Potenzial rechtsextremer und rechtsautoritärer Einstellungen in den vergangenen Jahren wesentlich abgenommen hat oder Rechtsextremismus gar vollständig eingedämmt werden konnte.
Staatlich geförderte Ansätze und Maßnahmen gegen Rechtsextremismus
Während im Fall der Ermittlungen in der Mordserie der rechtsextremen terroristischen Vereinigung „Nationalsozialistischer Untergrund“ (kurz: NSU) deutlich wurde, dass die Ermittler:innen den von den betroffenen Familien immer wieder thematisierten rassistischen Hintergrund der Morde lange ausblendeten und stereotype Ablehnungsmuster gegenüber Menschen mit Migrationsgeschichte die Suche nach Tatmotiven leiteten, scheint die Gefahr rechtsautoritärer Dynamiken mittlerweile in staatlichen Institutionen bewusster wahrgenommen zu werden. Insbesondere der rechtsextreme Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten und CDU-Politiker Walter Lübcke scheint hier einschneidend gewesen zu sein.
Die Anstrengungen zur Bekämpfung rechtsextremer Netzwerke und Aktivitäten umfassen ganz unterschiedliche Ebenen, die am Beispiel des Maßnahmenkatalogs gegen Rechtsextremismus für den Zeitraum 2021–2024 verdeutlicht werden können. Der Maßnahmenkatalog wurde im Dezember 2020 unter anderem als Reaktion auf den rechtsterroristischen Anschlag in Hanau beschlossen : von Gesetzesinitiativen zur Ausweitung von Befugnissen des Verfassungsschutzes bis zur Förderung demokratischer Programme lassen sich vielfach Versuche nachzeichnen, rechtsautoritäre Dynamiken auszubremsen und entsprechende rechtsextreme Netzwerke aufzulösen. Auch die aktuelle Bundesregierung bezeichnet den Rechtsextremismus als „derzeit (…) größte Bedrohung unserer Demokratie“ und kündigt in ihrem Koalitionsvertrag an, die geplanten Maßnahmen nicht nur fortzuführen, sondern noch auszuweiten.
Aufgrund dieser Breite staatlicher Maßnahmen mutet eine umfassende Bewertung schwierig an. Zudem könnte die zu erwartende Wirkung dieser Maßnahmen kaum unterschiedlicher sein. Nach den Erfahrungen des NSU und der damaligen Ermittlungsarbeit bzw. den Versuchen einer umfassenden Aufklärung werden etwa die Maßnahmen, die Rechte des Verfassungsschutzes auszuweiten oder ein gemeinsames Extremismus- und Terrorabwehrzentrum auszubauen, auch kritisch bewertet . Gleichwohl kann der Maßnahmenkatalog nicht auf diese Aspekte reduziert werden. Einerseits soll durch Forschung auch ein kritischer Blick auf die genannten exekutiven Apparate ermöglicht werden, andererseits sind weitreichende Förderungen zivilgesellschaftlicher Initiativen und Projekte ein zentraler Bestandteil des Pakets.
Grob lässt sich der überwiegende Teil der Maßnahmen des Pakets in vier Teilbereiche untergliedern. Ein erster Schwerpunkt liegt im Bereich der Forschung über Rechtsextremismus und Rassismus, ein zweiter Schwerpunkt im Bereich der Förderung bestehender sowie dem Aufbau neuer zivilgesellschaftlicher Projekte, ein dritter Bereich sind gesetzliche und institutionelle Veränderungen – vor allem im Bereich des Strafgesetzes –, und abschließend lassen sich, viertens, noch Maßnahmen zur Förderung der Inklusion bzw. des interkulturellen Austauschs benennen.
Dabei wird erkennbar, dass die Vielfalt der geplanten Maßnahmen grundsätzlich adäquat zum vielgestaltigen Problem des Rechtsextremismus passt. Insbesondere die Stärkung diverser Projekte der Demokratieförderung und politischen Bildung im Bereich Antirassismus sind im Sinne der hier vorgestellten Problembestimmung als produktive Mittel hervorzuheben. Dennoch muss konstatiert werden, dass spezifische Bereiche des Phänomens Rechtsextremismus nur wenig Eingang in das Maßnahmenpaket gefunden haben. Lediglich in Maßnahme 64 wird rechtsextreme Gewalt konkret thematisiert, allerdings nur in der Form der besseren Unterstützung von Betroffenen. Dies ist zweifelsfrei ein wichtiges Vorhaben, nichtsdestotrotz scheint es, gerade in Bezug auf aktuelle Ausbrüche rechtsextremer Gewalttaten, wenig zu sein.
Eine Verbesserung der analytischen Werkzeuge, damit rechter Terrorismus und Gewalttaten besser verstanden und damit auch besser verhindert werden können – womit auch einer zukünftigen Täter-Opfer-Umkehr durch die Sicherheitsbehörden entgegengewirkt werden könnte –, sind bisher nicht explizit vorgesehen.
Aber auch in Bezug auf die inhaltlichen Elemente des Rechtsextremismus können Leerstellen erkannt werden. Sich auf den Themenbereich Rassismus zu konzentrieren erscheint uns sicherlich sinnvoll. Kaum oder gar keine Berücksichtigung finden im Maßnahmenkatalog aber sozialdarwinistische Elemente rechtsextremen Denkens, wie die Abwertung wohnungsloser Menschen, sowie die grundlegende Feindschaft gegen Personen, die in einem rechtsextremen Weltbild als schwach oder nicht der Norm entsprechend gelesen werden, wie bspw. queere Personen, Menschen mit psychischen Krankheiten oder Behinderungen.
Insgesamt kann aber positiv die Stärkung der Projekte und Initiativen der Zivilgesellschaft hervorgehoben werden, denn damit kann das Problem des Rechtsextremismus in seiner Breite angegangen werden, was in der hier vertretenen Perspektive produktiver scheint als eine Anpassung des Strafgesetzbuchs – schließlich sind die meisten Formen rechtsextremer Praxen bereits strafbar. Autoritäre rechte Dynamiken greifen insbesondere Krisenerfahrungen auf und suggerieren unter Nutzung rechtspopulistischer Diskursstrategien scheinbar einfache Lösungen für komplexe Problemlagen, zumeist durch Identifizierung eines konkreten antisemitischen, queerfeindlichen, rassistischen, antifeministischen Feindbilds.
Damit knüpfen solche Feindbilder so stark an gesellschaftliche Entwicklungen und Deutungskämpfe an, dass punktuelle, wenn auch vielfältige isolierte Einzelmaßnahmen allein nicht ausreichen werden, um rechtsautoritäre Dynamiken auszubremsen und die davon ausgehende Gefahr für liberale Demokratien einzudämmen.
Gleichzeitig macht die Tatsache, dass die AfD, die teils als rechtsextrem wahrgenommen wird, auch – demokratisch legitimiert – Teil staatlicher Institutionen ist, die Komplexität deutlich, die sich dadurch für den Kampf gegen Rechtsextremismus ergibt. Es braucht zusätzlich breite zivilgesellschaftlich getragene Initiativen und auch pädagogische Angebote gegen Rechtsextremismus und für eine nachhaltig gelebte demokratische Praxis.
Zivilgesellschaftliche Initiativen, Unterstützungs- und Bildungsangebote und pädagogische Aktivitäten
Neben der Schaffung rechtlicher Grundlagen und staatlicher Infrastruktur für den Kampf gegen Rassismus und Rechtsextremismus braucht es weitere Angebote und Maßnahmen gegen rechtsautoritäre Dynamiken, die der Komplexität des Phänomens gerecht werden. Daher gilt der Blick dem gesamten Angebotsspektrum, das ineinander verschränkte und einander wechselseitig ergänzende Angebote umfasst bzw. umfassen sollte. So gilt es etwa, gesellschaftlich Angebote für verschiedene Zielgruppen ausreichend bereitzuhalten und sich nicht einseitig etwa auf die rechte Szene selbst zu beschränken. Angebote und Förderungen braucht es so mindestens für
die (zivil)gesellschaftliche Öffentlichkeit,
Betroffene und Opfer rechtsextremer Gewalt,
Fachkräfte, Institutionen oder Einzelpersonen, die selbst nicht Opfer oder Betroffene sind, aber Unterstützung brauchen,
Personen aus dem rechtsextremen Spektrum, die aus der Szene aussteigen wollen, bzw. Personengruppen, die besonders gefährdet sind, in die rechte Szene abzudriften.
Insgesamt erscheint es zudem besonders vielversprechend, Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen in ihrem Alltag ein demokratisches Miteinander und dadurch einen Bezug zu er- und gelebter Demokratie auch jenseits von Wahlen zu ermöglichen. Während sich die zuvor genannten Angebote und Maßnahmen mehr oder weniger unmittelbar auf rechtsautoritäre Dynamiken beziehen, handelt es sich bei demokratischer Erziehung und Bildung um ein Grundrecht von Kindern und Jugendlichen, das auch unabhängig von Rechtsextremismusprävention einzulösen ist.
Gleichwohl verspricht eine lebendige Beziehung zu einer demokratischen Praxis der Alltagsgestaltung in allen pädagogischen Bereichen Kindern und Jugendlichen besonders wirksam die Bedeutung demokratischen Zusammenlebens als schützenswerte Lebenspraxis zu vermitteln. Der überwiegende Teil der nachfolgend ausgeführten zivilgesellschaftlichen und pädagogischen Initiativen und Gegenstrategien bezieht sich teils explizit auf Demokratiekonzepte, teils implizit über menschenrechtsbasierte oder antifaschistische Grundierungen ihrer Arbeit. Im Folgenden werden exemplarisch zivilgesellschaftliche und pädagogische Initiativen für die vier genannten Bereiche vorgestellt.
Angebote von und für eine (zivil)gesellschaftliche Öffentlichkeit
Neben der klassischen Gedenkstättenarbeit und -pädagogik bzw. der „geschichtsbewussten Bildungsarbeit“ etablierte sich gerade im Kontext gegenwärtiger rechtsextremer Taten eine Reihe zivilgesellschaftlicher Initiativen, deren erstes Ziel vorrangig darin besteht, das Abebben gesellschaftlicher Aufmerksamkeiten für die Taten zu verhindern, an die ermordeten Menschen zu erinnern und auf die politischen Hintergründe und gesellschaftlichen Ursachen der Taten aufmerksam zu machen.
Die Initiative „Kein Schlussstrich“ sorgt(e) so unter anderem auch dafür, dass breite Kritik etwa an der lange rassistischen und einseitigen Ermittlungspraxis gegen Familienangehörige der Opfer im Kontext des NSU-Komplex möglich wurde, und erhöhte den Druck, die gesellschaftlichen Ursachen zu bearbeiten. Zivilgesellschaftliche Initiativen können so auch als Korrektiv fungieren, sodass über demokratische Resonanzräume Probleme in staatlichen Institutionen sichtbar werden . So können diese auch dazu beigetragen, die Sensibilität für rechtsextreme Netzwerke in Polizei und Bundeswehr zu erhöhen und diese letztendlich aufzudecken und zu verfolgen. In optimaler Konsequenz könnten sie auch zum Anlass genommen werden, dass das Erkennen rechtsextremer Einstellungen und die Sensibilisierung für einen aufgeklärten, kritischen Umgang damit Eingang in die Auswahl und Ausbildung angehender Polizist:innen und Soldat:innen findet.
Ebenso setzen sich zivilgesellschaftliche Initiativen teilweise für die Errichtung von Gedenkräumen und -veranstaltungen ein und tragen so dazu bei, an rechtsextreme Taten nicht nur immer wieder zu erinnern, sondern auch dahinter liegende Strukturen weiter kritisierbar zu machen und dadurch langfristig verändern zu können. Die Initiative „19. Februar Hanau“ hat mit „140 qm in Hanau gegen das Vergessen“ einen zivilgesellschaftlichen Raum geschaffen, der nicht nur zum Erinnern und Gedenken einlädt, sondern antirassistische Bildungsarbeit leistet, kritisch den Untersuchungsausschuss zu dem rechtsterroristischen Mord begleitet sowie die Einrichtung eines Opferfonds für Betroffene von rechtsextremer Gewalt fordert.
Zudem lassen sich unter diesem Punkt solche Initiativen erfassen, die – oft auf vielfältige aktivistische und ästhetische Art und Weise – mit einem gesellschaftlichen Bildungs- und Aufklärungsanspruch das Thema Rechtsextremismus in die Zivilgesellschaft hineintragen. Dazu gehören neben klassischen Demonstrationen auch Ausstellungen, Kunst- oder Theaterprojekte, die bspw. jüngst in Erinnerung an die Selbstenttarnung des NSU vor zehn Jahren umgesetzt wurden und die einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Diese Projekte können als Erinnerungsarbeit verstanden werden, sind jedoch gleichzeitig auch im Sinne politischer Bildungsarbeit zu verstehen, die eine gesteigerte Aufmerksamkeit für Rechtsextremismus und Rassismus erzeugen können.
Auch antifaschistische Recherchegruppen sowie deren Vernetzungsarbeit sind ein zentraler Bestandteil zivilgesellschaftlicher Initiativen gegen rechte Dynamiken , die ehrenamtlich getragen werden und vor allem auf kommunaler Ebene zur Information und Aufdeckung rechtsextremer Akteur:innen, Strukturen und Netzwerke beitragen.
Angebote für Opfer und Betroffene rechtsextremer Gewalt
Als weitere Gegenmaßnahmen können auch die Beratung und die Hilfen für Betroffene und Opfer rechtsextremer Gewalt sowie für deren Angehörige genannt werden. Neben psychosozialer sowie rechtlicher Unterstützung und einer Begleitung bei Gerichtsverhandlungen wird manchmal auch eine Vernetzung mit weiteren Betroffenen oder Kontakte zu anderen Hilfestellen angeboten. Es existieren bundeslandspezifisch verschiedene niedrigschwellige, in der Regel anonyme und kostenfreie Anlaufstellen – zum Teil ehrenamtlich getragen, zum Teil auch professionsspezifisch begleitet (etwa konkrete psychologische Unterstützung).
Dabei werden, online wie offline, unterschiedliche menschenfeindliche Gewaltformen fokussiert. Ein parteiliches, oft solidarisches oder empowerndes Agieren steht im Vordergrund. Umgesetzt werden die Beratungsangebote zumeist mehrsprachig. Insgesamt, so wird konstatiert, sind die Beratungsbedarfe trotz einer Erhöhung der Fördermittel zum Teil kostenmäßig kaum zu decken – von einer flächendeckenden Versorgung diesbezüglich kann jedenfalls noch nicht die Rede sein. Andere Initiativen bieten neben psychologischer und rechtlicher Beratung auch eine Übernahme von Prozesskosten. Zudem sind viele Opferberatungsstellen verbandlich organisiert und engagieren sich etwa für den Aufbau eines „Opferberatungsfonds“ oder geben Publikationen heraus, die die Ausmaße von rechtsextremer, antisemitischer und rassistischer Gewalt dokumentieren.
Angebote für Fachkräfte, Gruppen und Einzelpersonen
Etabliert und professionalisiert sind mittlerweile vor allem die seit den 2000er-Jahren entstandenen mobilen Beratungsteams, die sich an Grundsätzen von (aufsuchender) Gemeinwesenarbeit orientieren und sich gleichzeitig als zivilgesellschaftliche Initiativen zur Demokratiebildung verstehen. Sie agieren dezentral/mobil und aufsuchend und fokussieren neben Betroffenenberatung auch die Strukturen und Netzwerke vor Ort. Diese Art lokale Intervention könnte damit als „Brücke zwischen Einzelfall und Gesellschaftsveränderung“ gelesen werden. Mittlerweile werden die mobilen Beratungsstellen der jeweiligen Bundesländer weitestgehend staatlich gefördert und konnten sich so als ehemals zivilgesellschaftlich initiiertes Konzept verstetigen – gleichzeitig gehen damit jedoch neue politische sowie inhaltliche Herausforderungen einher.
Explizite Angebote politischer Bildung für Kinder, Jugendliche sowie Fachkräfte ermöglichen, einen analytischen Blick auf bestehende Macht- und Herrschaftsverhältnisse anzuregen, über den auch in Alltagspraktiken Ungleichwertigkeitsideologien sichtbar gemacht und als solche kritisiert werden können. Dabei berücksichtigen sie die jeweils spezifischen Adressat:innengruppen. So existieren etwa für den Bereich der Kindheitspädagogik einzelne Aus-, Fort- und Weiterbildungsangebote sowie -konzepte für Fachkräfte zur Identifizierung von und Umgang mit Ungleichwertigkeitsideologien in Kitas.
Diese gehen vor allem ressourcenorientiert vor und fokussieren überwiegend auf Diversity-Aspekte, während das Wissen über gesamtgesellschaftliche Ungleichwertigkeitsvorstellungen die Hintergrundfolie darstellt. Prominent im Feld der Jugendbildungsarbeit bieten Träger wie die Frankfurter Bildungsstätte Anne Frank eigene Programme an, die bspw. auch in Schulen stattfinden und ganze Klassenverbände bzw. Schulen adressieren. Im Vordergrund steht dabei eine Sensibilisierung für Diskriminierung und eine Positionierung dagegen. Zudem liegen mittlerweile einige theoretische Ausarbeitungen und didaktische Entwürfe vor, etwa zu rassismuskritischer Bildung für unterschiedliche Adressat:innengruppen. Auch das mediale Feld gerät zunehmend in den Fokus präventiver Bildungsangebote.
Angebote für potenzielle Aussteiger*innen
Einige Angebote, die sich zu den Maßnahmen gegen Rechtsextremismus zählen lassen, richten sich direkt an Akteur:innen der rechten Szene, um diese beim Ausstieg aus der Szene zu unterstützen. In diesem Feld lassen sich staatliche, kommerzielle und zivilgesellschaftliche Angebote der sogenannten Ausstiegsarbeit unterscheiden. Ausstiegsarbeit umfasst dabei spezifische Bildungs- und Aufklärungsangebote sowie Beratung und Unterstützung im Prozess des Ausstiegs aus der rechten Szene. Zudem existieren Angebote, die primär auf die Weiterbildung von Fachkräften fokussieren, um die Ausstiegsarbeit sozialpädagogisch zu begleiten.
Insbesondere die zivilgesellschaftlich getragenen Angebote setzen auf ein „nachfrageorientiertes“ Angebot an potenzielle Aussteiger:innen sowie deren nahes familiales Umfeld und bieten sozialpädagogische Hilfen für eine gelingende Integration in die Gesellschaft an. Ein wesentlicher Teil dieser Angebote arbeitet nach festgelegten Qualitätskriterien.
Kommerzielle Anbieter:innen setzen ebenfalls auf freiwillige Settings und betätigen sich insbesondere im Bereich der ausstiegsorientierten Bildungsarbeit durch Vermittlung von Referent:innen für Vorträge und Workshops. Hier wird gegenwärtig zunehmend kritisch die prominente Einbindung der Erzählungen von Aussteiger:innen diskutiert.
Zu den prominentesten Anbieter:innen im Feld der Ausstiegsarbeit gehört etwa „EXIT-Deutschland“. EXIT argumentiert, dass bei der Ausstiegsarbeit nicht nur eine individuelle Ablösung von der rechtsextremen Szene im Vordergrund steht, sondern auch davon ausgegangen werden kann, dass die Ausstiegsarbeit eine gesamtgesellschaftliche Maßnahme gegen Rechtsextremismus ist, da sie in einem Idealfall die rechte Szene auf lange Sicht aushöhlt bzw. mindestens präventiv Gewalttaten vorbeugt.
Um vor allem Kinder und Jugendliche vor dem Abdriften in die rechte Szene zu schützen, gibt es eine Vielzahl sozialarbeiterischer Angebote im Bereich von Streetwork oder etwa Präventionsangebote für „Einstiegsgefährdete“ , die Distanzierungsarbeit leisten.
Die nachstehende Tabelle gibt einen Überblick über die hier zusammengetragenen Maßnahmen:
Schlussbemerkungen
Anhand der Ausführungen sollte deutlich werden, dass angesichts der Komplexität autoritärer rechter Dynamiken nur die Vielfalt der genannten Initiativen und Angebote dazu beitragen kann, Rechtsextremismus nicht nur punktuell, sondern in der Breite dauerhaft entgegenzuwirken. Mit den genannten staatlichen Initiativen und zivilgesellschaftlichen Angeboten existiert ein entsprechendes großes Spektrum an Maßnahmen.
Gleichwohl zeigen sich nach wie vor strukturelle Probleme und Herausforderungen für eine gesamtgesellschaftliche Vorhaltung und Absicherung all jener Initiativen und Angebote etwa in Bezug auf die finanzielle Absicherung. Schwierigkeiten werden hier etwa anhand der andauernden Kämpfe zivilgesellschaftlicher Einrichtungen und Vereine um dauerhafte und sichere Finanzierung deutlich. Sicherheit und Kontinuität können hier einerseits über direkte Förderung erreicht werden, aber auch, indem zumindest sichergestellt wird, dass entsprechende Vereine, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren, in ihren Aktivitäten auch weiterhin als gemeinnützig anerkannt werden und die Gemeinnützigkeit nicht durch ein falsches Verständnis politischer Neutralität aberkannt wird.
Erst die Sicherung der bestehenden Angebote ermöglicht dauerhaft tragende Vernetzungsstrukturen der Angebote und Initiativen. Diese Sicherung muss zentral erfolgen, um Angebote aufeinander abzustimmen und auch in Kooperation mit Wissenschaftler:innen, Forschungseinrichtungen sowie staatlichen und politischen Akteur:innen neue Entwicklungen zu erkennen und darauf reagieren zu können.
Neben diesem strukturell zu lösenden Problem lassen sich bereits neue aktuelle problematische Entwicklungen im Feld beobachten. So ist darauf hinzuweisen, dass rechtsextrem, rassistisch und antisemitisch motivierte Gewalttaten trotz der sich in den vergangenen Jahren verstetigten und vervielfältigten Projekte zugenommen haben. Mit der Desiderius-Erasmus-Stiftung könnte zudem eine AfD-nahe Stiftung staatliche Mittel erhalten wie die anderen parteinahen Stiftungen.
Gegenwärtig bleibt abzuwarten, inwiefern sich im Kontext aktueller gesellschaftlicher Entwicklungen in Bezug auf die Corona-Pandemie auch rechtsautoritäre Dynamiken durch die verstärkte Sichtbarkeit und öffentliche Thematisierung von Verschwörungserzählungen auswirken werden.