In vielen deutschen Städten und Gemeinden inszenieren rechtsextremistische Gruppen martialische Aufmärsche und Kundgebungen. Mit Fackeln, Fahnen und Landsknecht-Trommeln bewehrt, zitieren sie die Zeichensprache der SA. Wie ihre historischen Vorbilder versuchen sie, die Medienaufmerksamkeit auf sich zu ziehen, den öffentlichen Raum für sich zu reklamieren, die lokale Öffentlichkeit einzuschüchtern und die interne Solidarität zu bekräftigen. Mit juristischen Mitteln ist dieser rechtsextremistischen Strategie des ''Kampfs um die Straße'' nur selten beizukommen, sofern die Rechtsextremisten nicht geltendes Recht verletzen. Es ist zwar von moralischem Übel, aber leider Fakt: Solange solche Gruppen nicht verboten sind, können sie die Versammlungsfreiheit dazu nutzen, um ihr Ziel zu verfolgen, genau jene Grundrechte in Zukunft abzuschaffen, deren Geltung sie heute für sich reklamieren.
Neben einer politisch und ethisch gebotenen entschlossenen Haltung des Gesetzgebers gegenüber dem organisierten Rechtsextremismus (vgl. hierzu die ''nonpd''-Kampagne) muss die Zivilgesellschaft die Frage für sich beantworten, wie sie mit rechtsextremistischen Aufmärschen, Kampagnen und Kundgebungen umgehen will. Vielerorts wird insbesondere von manchen parteipolitischen Eliten argumentiert, es sei am besten, die Rechtsextremisten ''aktiv'' zu ignorieren, um sie in ihrer Bedeutung nicht aufzuwerten und ihnen damit jene öffentliche Aufmerksamkeit, um die sie buhlen, von vorneherein zu entziehen. Demgegenüber wird hier geltend gemacht, dass es zu einer engagierten, kritischen und öffentlichen Kommentierung der menschenfeindlichen Gesinnung der rechtsextremistischen Gruppen keine wirkungsvolle Alternative gibt. Auch wenn ein kaum vermeidbarer negativer Nebeneffekt von Kundgebungen gegen Rechtsextremismus tatsächlich die Er- bzw. Überhöhung der öffentlichen Aufmerksamkeit für Rechtsextremismus sein kann - was von den Rechtsextremisten als willkommene ''Negativ-Werbung'' verbucht wird - oder demokratische Proteste genau jene Atmosphäre organisieren, in der die rechtsextremistischen Akteure ihre abstruse Wunsch-Identität als ''nationalrevolutionäre Helden und Außenseiter'' stabilisieren können. Das ''Beschweigen'' indessen ist hochgradig interpretationsbedürftig und –fähig – es kann fatalerweise als ''Verschweigen", ''Dulden'' oder ''Begrüßen" ausgelegt werden. Demokratie- und Menschenrechtsfeindlichkeit müssen kritisch kommentiert werden und die Zivilgesellschaft muss deutlich machen, dass sie nicht gewillt ist, einem solchen Gedankengut den Alltag und die Straße zu überlassen.
Doch wie können Demonstrationen und Kundgebungen gestaltet werden, sodass möglichst viele Bürger daran teilnehmen (können), die (Medien-)Öffentlichkeit erreicht wird und die Aktion kohärent ist mit ihrem Anliegen?
Dazu 10 Tipps ..auf der nächsten Seite:
10 Tipps für einfallsreiches Demonstrieren
Hier 10 nützliche Hinweise aus der Arbeit des ''Bürgerforum Gräfenberg für Demokratie und gegen Rechtsextremismus'' (siehe www.graefenberg-ist-bunt.de):
Ein breites Aktionsbündnis schaffen, mit dem man unterschiedliche politische Milieus mobilisieren kann. Dass man sich in der antifaschistischen Arbeit nicht spalten lassen darf, das müsste doch eine der zentralen historischen Lehren für alle Demokraten sein! Die Losung "Unsere Stadt-ist-bunt" etwa stellt zwar eine Kulturalisierung der Problemstellung dar, ist aber ein kleiner gemeinsamer Nenner, auf den sich unterschiedliche Gruppierungen einlassen können.
Die Gestaltung eines für all jene Gruppen offenen politischen Meinungspodiums, die demokratische und menschenrechtliche Positionen sowie den friedlichen Widerstand ratifizieren und verwirklichen.
Perspektivwechsel auf die eigene politische Gemeinde vornehmen: Die Stadt als "Schatzkiste" und nicht als Ansammlung von "Wegguckern" konfigurieren. Dann erreicht man auch Menschen, die prinzipiell bereit sind, sich zu engagieren, aber dies aus unterschiedlichen und teils nachvollziehbaren Gründen bislang noch nicht getan haben.
Vielfältige Engagementmöglichkeit schaffen: Zur Gestaltung einer Gegendemo braucht man viele Köpfe und fleißige Hände. "Aktivitätsrollen" für interessierte Bürger anbieten, vom Bratwurstgrillen über Öffentlichkeitsarbeit bis hin zur Gegenpodiumsregie.
"Das Dunkel kann man nur mit Licht bekämpfen" (Martin Luther King): Rechtsextremismus ist zwar ein ernstes Problem, die Gegendemonstrationen indessen sollen und dürfen Spaß machen. Während die Rechtsextremisten dumpf marschieren, soll auf der Seite der Demokraten erlebbar werden, dass ein buntes solidarisches Miteinander möglich ist. Man sollte nicht den Hass der Rechtsextremisten auf der eigenen Seite "abspiegeln", sondern für ein Demokratiefest sorgen.
"Schubumkehr": Die negative Energie, welche die Rechtsextremisten in die Stadt bringen, nutzen und mit kreativen Gegen-Aktionen werben für eine menschenfreundliche, lebendige, offene, menschenrechtsbewusste und mutige Gemeinde.
Gestaltung medienwirksamer Szenarien, welche den Medien Gelegenheit zur Berichterstattung über die Aktivitäten der engagierten Bürger geben und verhindern, dass der Aufmarsch der Neonazis in den Vordergrund gerückt wird.
Überraschende Aktionen planen: Dazu gehören durchaus das gelegentliche ''Beschweigen'' (man kann dabei aber subtil präsent sein) und die Störung der Neonazi-Aufmärsche (mit Motorsägen, mit Kirchenglocken und anderen Instrumenten, die eine Stadt so parat hält).
Witz, Kreativität, Spaß: Die zumeist ja unüberbietbar dummen Aufmarschparolen der Neonazis parodieren, die Gegendemos jahreszeitlich kontextualisieren ("Nikolaus schmeißt Nazis raus") oder die eigenen Ziele bildhaft und mit Mitmach-Möglichkeiten darstellen ("Wir zerren die Rechtsextremisten ans Licht" – und entzaubern ihre Fackeln und ihr Schattenspiel mit Flutlichtern"; "Demokraten geben hier den Takt an" – und die Bürger trommeln den Neonazis den Samba; ''Wir lassen die Nazis abblitzen'' – und die BürgerInnen tauchen die Neonazis tausendfach in ein Blitzlichtgewitter und halten die Mitläufer im Bild fest).
Last but not least: Saul Alinsky lesen! Der US-amerikanische Bürgerrechtler und Antifaschist hat im Kampf gegen Rassismus und Ausgrenzung in den 30er und 40er Jahren des letzten Jahrhunderts wirkungsmächtige und inspirierende "community organizing"-Strategien entwickelt, um eine Gegenöffentlichkeit zu mobilisieren.(u.a.: Stunde der Radikalen, Gelnhausen 1974 (original: Rules for Radicals. New York 1971); Anleitung zum Mächtigsein – ausgewählte Schriften. Göttingen 1999).
Kontakt: buergerforum.graefenberg@web.de www.graefenberg-ist-bunt.de