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Vom Rand zur Mitte | Rechtsextremismus | bpb.de

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Vom Rand zur Mitte Zivilgesellschaft lebt von Impulsen kleiner Initiativen

Rupert Graf Strachwitz

/ 4 Minuten zu lesen

Zivilgesellschaft lebt vor allem von den Ideen und der Kreativität kleiner Initiativen und Vereine. Sie bringen neue Impulse und sorgen für neue Konzepte. Der Autor plädiert für mehr Austausch zwischen Staat und der Zivilgesellschaft.

Bürger protestieren während der Veranstaltung "Wunsiedel ist bunt, nicht braun" gegen einen Aufmarsch von Neonazis für Rudolf Hess im bayerischen Wunsiedel, wo der ehemalige Hitler-Stellvertreter begraben ist. (© AP)

Zivilgesellschaft ist ein unorganisierter Prozess der Bewegung von den Rändern zur Mitte der Gesellschaft hin. Es ist das Bild einer großen Schüssel, in der Ideen und ihre Protagonisten unaufhaltsam ihren Weg vom Rand zur Mitte nehmen, in diese hinabrutschen. Auf diesem Weg gewinnen sie Ansehen und Nachhaltigkeit, organisatorische Stärke und schließlich potentiell Teilhabe an der Macht; sie verlieren ihr chaotisches Potential, schütteln ihre partizipatorischen Elemente immer mehr ab und indem sie hierarchischer werden, sinkt ihre Kreativität. Sie werden verwundbarer und klammern sich immer mehr an den status quo. Dies geschieht nicht linear. Von den "grass roots" gibt es eine Organisationsentwicklung hin zu einem optimalen Mischungsverhältnis von Kohärenz und kreativem Chaos. Doch den Entwicklungsprozess hier anzuhalten, erscheint prinzipiell unmöglich. Es beginnt unaufhaltsam ein Sinkflug.

Natürlich wird nicht bestritten, dass es Ausnahmen zu dieser Regel gibt. Natürlich gibt es in einer gut geführten Zivilgesellschaft Selbstreinigungs- und -heilungskräfte, die zu Erneuerungen und neuen Impulsen führen können. Und selbstverständlich können auch längst hierarchisierte Organisationen wichtige Aufgaben gut erfüllen. Aber die Zivilgesellschaft lebt von den immer wieder neuen chaotischen Initiativen, die sich, um im Bild der Schüssel zu bleiben, "oben" an den Rändern bilden. Nicht nur begrifflich wird dadurch das herkömmliche Begriffspaar "top down – bottom up" umgedreht.

Im Chaos eine Heimat

Innovation und Kreativität haben jedoch im Chaos ihre Heimat, da gerade hier Denk- und Verhaltensmuster in Frage gestellt und überwunden werden. Daher ist es für die Gesellschaft entgegen landläufiger, freilich erst seit dem 17. Jahrhundert gängiger Vorstellung keineswegs vorrangig, alles zu ordnen. Vielmehr muss es ihr darum gehen, das Prinzip einer offenen Gesellschaft (nach Karl Popper) gerade dadurch zu verwirklichen, dass sie Chaos zulässt, dass sie die Entstehungsprozesse an den Rändern ermöglicht. Und was die Politik betrifft, ihr sollte daran gelegen sein, mit diesen Rändern zu interagieren, sofern sie die Normen des Rechtsstaats akzeptieren.

Zweifellos gibt es im korporatistischen System, das sich in Deutschland herausgebildet hat, eingeführte Mechanismen der Zusammenarbeit und des Austauschs zwischen Staat und Zivilgesellschaft. Das Subsidiaritätsprinzip im Wohlfahrtsbereich ist ein bekanntes Beispiel dafür, die Beteiligung von Verbänden an Gesetzgebungsverfahren ein anderes. Doch sind daran gerade die Teile der Zivilgesellschaft beteiligt und hüten eifersüchtig ihre herausgehobene Stellung, die auf dem Weg zur Mitte der Schüssel besonders weit gekommen sind, d.h. eine Fülle von traditionellen Denk- und Handlungsmechanismen verinnerlicht haben. Von ihnen ist – durchaus legitime! – Vertretung von Interessen, nicht aber kreatives, konzeptionelles Denken zu erwarten.

Das Ziel: Stabilität durch Innovation

Worauf es daher ankommen sollte, ist unmittelbarer Kontakt zu den "Figuren", die noch ganz ungebildet auf dem Rand der Schüssel sitzen. Und es geht nicht um deren Legitimation, sondern um deren Ideenreichtum. Leider ist eines klar: dieser Kontakt zieht die Partner zur Mitte der Schüssel hin. Daher geht es im Kern darum, zu ermöglichen, vielleicht auch nur nicht zu behindern, dass immer wieder neue Figuren an den Rändern auftauchen. Und erfolgreiche Innovation wird davon abhängen, dass immer wieder neu der Kontakt zu diesen neuen Figuren gesucht und gefunden wird.

In diesem Zusammenhang kommt es nicht auf Vollständigkeit, Ausgewogenheit oder Proportionalität der Kontakte an. All dies sind ohnehin Fiktionen, die die dahinter liegenden Mechanismen verschleiern sollen. Vorstellbar sind auch durchaus abgestufte Beteiligungsprozesse, an denen die Verbände (die "üblichen Verdächtigen"), die in einem organisierten Prozess ermittelten "stakeholder" und die Gruppen von den Rändern teilnehmen können, die sich hierfür selbst (etwa in einer offenen Internet-Anhörung) anbieten. Was die letztere Gruppe betrifft, entspräche dies dem zivilgesellschaftlichen Grundsatz der Selbstermächtigung. Durch das multiple Verfahren kann sogar ein beachtliches Maß an Ausgewogenheit erreicht werden, ohne dass auf den entscheidenden Beitrag der "Chaoten" verzichtet werden muss.

Beteiligungsprozesse dieser Art erscheinen mühselig und zeitaufwendig. Sie stellen aber sicher, dass Entscheidungen besser vorbereitet werden. Dass immer etwas vergessen wird, gehört zu den Grundkonstanten menschlichen Handelns. Die Scheu davor darf nicht als Argument dafür herhalten, den Schritt zu gehen, der für die Entwicklung unserer Gesellschaft entscheidend ist: von der Allkompetenz des Staates und der ihn stützenden Parteien Abschied zu nehmen.

Die Zukunft liegt in einer Neuzuordnung von Aufgaben und der Entwicklung eines partizipativen Prozesses, an dem die Zivilgesellschaft ebenso teilhat wie Parteien und andere Kräfte. Dabei muss es allerdings einen Grundkonsens geben, dass eine Initiative, die partizipieren will, zivile Werte vertritt und den Wertekanon der Demokratie achtet. Um nicht missverstanden zu werden, füge ich hinzu: Dieser Anspruch an die Zivilgesellschaft ist nicht in jeder Initiative verwirklicht. Stark ausgebildet ist auch hier nach wie vor ein korporatistisches, sicherheitsorientiertes Selbstverständnis. Der Blick darauf scheint geradezu den Blick auf die Ränder zu verschleiern. Es gilt, diesen Schleier zu lüften und zwischen den ewigen Antipoden Freiheit und Ordnung ein wenig mehr auf die Freiheit zuzusteuern. Die Unsicherheit, die manche befürchten, nehme man getrost in Kauf.

Fussnoten

Rupert Graf Strachwitz, geb. 1947, studierte Politikwissenschaft, Geschichte und Kunstgeschichte. Er ist Direktor des Maecenata Instituts für Philanthropie und Zivilgesellschaft an der Humboldt Universität zu Berlin und geschäftsführender Gesellschafter der Maecenata Management GmbH, München. Er gehört dem Stiftungsrat oder Vorstand mehrerer Stiftungen an.