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Die ganz harten Weichspülerinnen | Rechtsextremismus | bpb.de

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Die ganz harten Weichspülerinnen Rechtsradikale Frauen - Weiblich, smart und extrem

Birk Meinhardt Von Birk Meinhardt

/ 12 Minuten zu lesen

Sie geben sich sanft, familienfreundlich und behalten ihre Gesinnung erstmal für sich. Nicht nur die NPD setzt verstärkt auf artig auftretende Aktivistinnen. Ein Beitrag aus der Süddeutschen Zeitung.

Rechte Mitläuferin aus dem niedersächsischen Verden bei einer Demonstration in Rostock 2006. (© H.Kulick)

So auffällig nationalistisch geben sich die modernen NPD-Frauen nicht - sie sind in ihrem Umfeld perfekt assimiliert.

Nicole Florczak trug ein Schlüsselband mit dem Aufdruck "Kein Sex mit Nazis". Als Stella Palau es entdeckte, sagte sie, "das ist ja was ganz Lustiges". Aber bei sich dachte sie, "ach Mädel, wenn du nur wüsstest".

Das war im Familienzentrum von Hohen Neuendorf, an der Peripherie Berlins. Florczak betreut hier mit ihrer Kollegin Susanne Mosch jeden Vormittag Kleinkinder, und Palau war regelmäßig mit ihrer Tochter und ihrem Sohn dort.

Sympathische Frau, meinten die beiden, die dem grünen Milieu nahestehen. Kauft wie sie im Bioladen. Schenkt Kaffee aus für andere Mütter. Eine Freundin im Grunde.

Beim Kaffeeausschenken hat ein Fotograf der Regionalzeitung Stella Palau abgelichtet, und nachdem das Bild erschienen war, fasste ein Redakteur der Zeitung, der etwas Ahnung von der rechtsextremen Szene hat, sich an den Kopf: Diese Mutter ist im Vorstand der NPD und ist Pressesprecherin des Rings Nationaler Frauen (RNF), der jener Partei nahesteht. Vater ihrer Kinder ist Jörg Hähnel, ein NPD-Aktivist und rechter Liedermacher.

Der Redakteur lief ins Frauenzentrum und fragte Florczak und Mosch, ob sie davon wüssten. Großer Gott, nein. Woher denn. Sagen Sie, dass das nicht wahr ist.

Spricht man Nicole Florczak jetzt darauf an, verhärten sich ihre Züge. Wenn sie Stella Palau begegnet, grüßt sie nicht, so wie auch Palau sie nicht grüßt.

Susanne Mosch hingegen wird traurig, so wie man eben traurig wird, wenn man sich verraten und verkauft fühlt. "Ich habe sie in mein Herz gelassen", sagt sie, "und nun braucht es einfach Zeit."

"Haben Sie sich nochmal mit ihr auseinandergesetzt?"

"Nein. Um ehrlich zu sein: nicht nur wegen der Enttäuschung. Ich fühle mich ihr nicht gewachsen. Sie ist bestimmt gut geschult. Ich habe Angst, nicht gegen ihre Argumente anzukommen."

Sie hat der Tagesmutter Bescheid gegeben, bei der sie selber und Stella Palau ihre älteren Kinder untergebracht haben, und die Tagesmutter hat Palau sofort gekündigt.

In den Stunden, in denen die ihre Tochter bei mir abgibt, macht die vielleicht ihre politische Arbeit, und das kann ich nicht akzeptieren, sagte sie zu Mosch. Aber das war Tage später. Sie hatte etwas Zeit gebraucht, nach Gründen für ihre spontane Reaktion zu suchen.

Angeblich 22 Prozent Frauen in der NPD

Komplizierte Lage: Einerseits ist die NPD eine noch immer zugelassene Partei. Andererseits werden die Kinder ihrer Aktivistin aus gemeinnützigem Verein und privater Initiative geworfen.

Verein und Initiative haben das Recht dazu. Und doch wirkt das alles, wie jedes stumme Abschotten, hilflos, fast zittrig. Werden nicht so, gerade so, Dämonen aufgebaut?

Stella Palau erscheint zum Gespräch in Cordhose und Jack-Wolfskin-Hemd, wer hätte nun auch noch anderes, Martialisches vermutet. Sie schiebt ein Rad mit Kindersitz und lächelt, weder verdruckst noch aufgesetzt, sondern sehr natürlich, und am Ende des Treffs wird sie ebenso natürlich sagen: "Wissen Sie eigentlich, dass Sie eine angenehme Stimme haben?"

Der Impuls, jetzt zurückzulächeln. Der Gedanke, die ist wirklich nett, das ist doch nicht gespielt oder nicht mehr, als wir alle bei Gelegenheit spielen.

Dann die Erinnerung an die Sachen, die sie zwischendurch gesagt hatte, etwa, dass es mit den Rassen wie mit der Knete sei, jede Farbe für sich genommen habe ja durchaus ihre Berechtigung, das Rot, das Gelb, das Braun, aber zusammengemengt, igitt. Verblüffung über diese Gleichzeitigkeit, über dieses Verwobensein von sympathischem Wesen und abstoßendem Denken.

Palau ist ein Segen für die NPD und die ganze rechte Szene; andere Frauen sind es ebenso. Sie treten sanfter auf als die Männer, und ob man will oder nicht, man begegnet ihnen auch sanfter, und all die Gewalt, die von der Szene ausgeht, erscheint in ihrer Nähe auf einmal unwirklich, zumindest weit weg.

Aber das ist sie nicht. Man muss, als Stichprobe, nur einmal an einem beliebigen Wochenende in einer Zeitung für Berlin und Brandenburg blättern und Meldungen über rechte Gewalttaten ankreuzen: drei Kreuze an einem Tag, nur in diesem Raum.

Im Verfassungsschutzbericht steht, dass 2006 bundesweit 1047 rechte Gewaltdelikte verübt worden sind, 9,3 Prozent mehr als 2005.

Das ist ja das ausschließliche Bild, das die NPD bis vor kurzem abgegeben hat: eine Partei von Bierbüchsenglatzen. Sie hatte sich selbst stigmatisiert. "Die kamen so nicht weiter", sagt Bernd Wagner vom Zentrum Demokratische Kultur in Berlin.

Dann aber setzten sie auch auf Frauen; etwa 100 sind jetzt im RNF versammelt. Ihr Anteil in der NPD: 22 Prozent. Klaus Beier, Pressesprecher der Partei, sagt, man denke, eines Tages 35 Prozent zu erreichen.

Auch Wagner hält das für realistisch. Er lacht, ein Schuss Heiterkeit, ein Schuss Bitterkeit, und ruft, er wundere sich, dass es überhaupt so lange gedauert habe, bis sie auf den Dreh gekommen seien; und ohne dass er es hinzufügte, schwingt mit: die Dummköpfe, die.

Aber war es wirklich ein Dreh? Oder war es eher etwas Absichtloses?

Beides. Längst hat sich ein rechter Lifestyle entwickelt, mit einer Musik, die nicht mehr ganz so arm an Akkorden ist wie vor einem Jahrzehnt, und mit Modelabels, die professionell gestaltete Ware anbieten. Warum sollten nicht auch Mädchen darauf fliegen?

Es war gewünscht, aus merkantilen und ideologischen Gründen. Und warum sollten diese Mädchen nicht zugleich vom Feminismus geprägt sein? Sie lehnen ihn ab, halten ihn für ein Verderben, doch ist er so sehr Allgemeingut, dass er sie, selbst sie mit ihrem alten Ideal vom Gebären und von Aufzucht und Heim und Herd, in die Lage versetzt, halbwegs eigenständig zu handeln.

"Leistungsprinzip"

Klaus Beier, der NPD-Pressesprecher, wartet in der Parteizentrale in Berlin-Köpenick, einem gesichtslosen Bau in einer unauffälligen Häuserzeile. Eine dicke Stahltür, ein Spion. Ein Bursche mit Bodybuilder-Figur als Einlasser. Eine schäbige Sitzgelegenheit mit Polstern, die daliegen wie schrumpelige Pilzköpfe, das ist das Erste, was zu sehen ist.

Dann eine weitere Tür, die von einer an der Wand befestigten Schnur offengehalten wird. Dies, so scheint es, ist eine Männerhöhle, der Hort von Jungs, die unter sich sind.

"Wir brauchen keine Frauenquote wie andere", sagt Beier, "denn bei uns zählt das Leistungsprinzip. Jeder arbeitet da, wo er das meiste leisten kann."

"Und Anja Zysk?"

Er schweigt einen Moment.

Die Geschichte von Anja Zysk ist im Internet ausgebreitet. Sie, Zysk, war bis Anfang 2007 Hamburger Landesvorsitzende der NPD, dann ist sie von Männern, die schon länger als sie in der Szene sind, verunglimpft und von ihrem Posten verdrängt worden.

Sie schrieb in einem offenen Brief, in dieser Partei hätten wohl einige ein Problem damit, einer Frau auf Augenhöhe gegenüberzutreten. Einer habe ihr ins Gesicht gesagt, Frauen sollten Kinder kriegen, und basta. Mittlerweile hat sie, obwohl politisch noch immer extrem rechts, den Laden verlassen.

"Da haben wohl beide Seiten versagt", erklärt Klaus Beier nun ausweichend.

"Beide Seiten? Kennen Sie die Wortmeldungen zu dem Fall im Störtebecker-Netz?" Es ist das größte rechte Netz, und es waren weit mehr als 100 Einträge.

"Ach", winkt er ab, "in diesen Foren ist so viel Dreck, da gucke ich nicht rein."

"Dann lese ich mal eine Stimme vor, einen Satz: Frau Zysk wird zu geeigneter Zeit in das FKL eingeliefert."

Er schweigt abermals.

"FKL, das könnte Frauenkonzentrationslager heißen, oder was heißt es?"

Beier wackelt stumm mit dem Kopf.

Was soll er sagen. Diese Messerschärfe in Teilen der Szene droht ihm alles zu verderben, die ganze Strategie, in der Frauen eine hervorragende Rolle spielen und die er so beschreibt: "Drei Säulen. Erstens, der Kampf um die Straße, wobei man nicht denken soll, dass wir mit Hauruck marschieren. Da gehören Infostände dazu oder Gespräche bei Festivitäten. Das überschneidet sich im Grunde schon mit zweitens, dem Kampf um die Köpfe. Dass man an mehr neue Menschen herankommt, sich in der Mitte des Volkes in Vereinen betätigt, aber nicht, um die Vereine zu unterwandern, das geht ja nicht."

Sieglinde kommt in Rage

Nein, auch Stella Palau hat im Familienzentrum nie ein Wort über Rassen gesagt, allenfalls über Knete. Sie ist da schlicht Privatperson geblieben.

"Es geht um die Präsenz. Dass man da ist. Denn sobald die Leute merken, mit der oder dem kann man ja ein Gläschen trinken, schmeißen sie einen auch nicht mehr raus, wenn sie mitkriegen, dass man in der NPD ist. Und genau das ist dann der Punkt, an dem der Kampf um die Parlamente beginnen kann, Säule drei."

Bei Stella Palau hat es nicht funktioniert. Sie ist ja rausgeschmissen worden.

Aber bei Manuela Kokott deutet alles darauf hin, dass es funktioniert. Sie ist nicht so eloquent wie Palau, eher unbedarft, sie ist ja auch erst drei Jahre dabei.

Während der Begrüßung tritt sie von einem Bein aufs andere und sagt, ach, wenn ich es doch bloß hinter mir hätte, ich bin überhaupt nicht geübt in Interviews.

Plötzlich hört man sich beruhigende Worte sprechen: Es wird schon nicht so schlimm werden. Dummer Beschützerinstinkt. Wieso beschützt du sie denn? Also härter: Da müssen Sie jetzt eben durch.

Sie wohnt in Groß Schauen, einem nahe Berlin gelegenen 350-Einwohner-Ort, und ist Steuerfachfrau. Sie hat eine Tochter, aber nicht deretwegen hat sie ein Kinderfest veranstaltet, mit Hüpfburg und Sänger, denn die Tochter ist schon 18.

Sondern?

"Na, wenn hier sonst niemand was macht, mach ich es eben, als Manuela."

Vor den Wahlen zum Ortsbeirat hat sie, gemeinsam mit Klaus Beier, überlegt, ob die Zeit nun reif wäre, sich zu outen, also mit dem Zusatz NPD anzutreten oder nicht. Sie wagte es. Und kriegte 19 Prozent.

2008, das steht seitdem fest, wird sie im nahen Storkow fürs Stadtparlament kandidieren, und Beier erklärt, es müsste schon mit dem Teufel zugehen, wenn sie nicht auf mindestens acht Prozent käme.

So weit die Oberfläche. Bisher war es nichts als das Drehen und Wenden eines Phänomens. Jetzt ins Innere.

Es ist nicht nur das Weibliche, das den rechten Frauen, zunächst, zugute kommt. Da sind auch bestimmte Haltungen: Stella Palau, wie gesagt, geht im Bioladen einkaufen. Ihre Mitstreiterin Ricarda Riefling, die mit Mann und Kindern auf dem hügeligen Land in der Nähe von Hildesheim lebt, ernährt sich saisonbedingt; Erdbeeren jetzt und nie im Winter.

Männergesellschaft? NPD-Aufzug in Rostock 2006. (© H.Kulick)

Oder eine andere Aktivistin, eine Westberlinerin, die sich für die Presse Sieglinde nennt: Sie habe, sagt sie, einen Werbejob gekündigt, weil sie es nicht mehr ausgehalten habe, den Kunden Schrott aufzuschwatzen.

Und Palau hat ewig keinen Fernseher gehabt, weil da so viel Blut herausquillt, schon nachmittags. Und die Frau, die sich Sieglinde nennt, findet die Vereinzelung der Leute traurig, ihre fiebrige Fixierung aufs Geld, sie gerät in Rage bei diesen Themen, und was für Unterschiede zwischen Arm und Reich, ruft sie, die müssen verringert werden, wir wollen eine Entmachtung des Kapitals, mehr Einfluss des Staates...

Alles das könnte haargenau so auch von Linken stammen, von Leuten, die den Kapitalismus nicht als höchstes Stadium der Menschheitsgeschichte betrachten.

Aber dass die extreme Rechte so eine Kritik äußert, ist ja nur billige Taktik, heißt es. Und das stimmt nicht. Natürlich ist es auch Taktik. Man weiß heute in diesem Lager, wie man am besten punktet.

Doch die Frauen, das zeigen alle Gespräche mit ihnen, denken tatsächlich so. Für die Gesellschaft mag das bitter sein. Wer lässt sich schon gern von solchen Leuten den Spiegel vorhalten.

Und vielleicht rührt daher, genau daher auch die Angst der Kinderbetreuerinnen aus Hohen Neuendorf: Wie unangenehm, wie verwirrend, ja wie unheimlich, dass einige ihrer Auffassungen deckungsgleich sind mit denen einer Stella Palau.

Lesen Sie auf der nächsten Seite ein Interview mit Ricarda Riefling, die zu 6 Millionen ermordete Juden nichts sagen kann.

Ricarda Riefling ist jetzt 23. Als Kind war sie mit einem Türken befreundet. Ihr Vater, strammer Republikaner, wollte ihr das verbieten. Scheiß-Nazi, schrie sie ihn an, du Scheiß-Nazi.

"Heißt das, Sie hätten damals ebenso gut bei den Linken landen können?"

Sie überlegt, sie ist überrascht von dem Gedanken. "Ja", sagt sie dann. "Wenn es in meinem Ort welche gegeben hätte. Es gab aber nur ein paar Skins."

Sie hat noch das Gesicht einer Schülerin, glatt und ein wenig pausbäckig. Dazu eine glockenhelle Stimme. Indes, verheiratet ist sie mit Dieter Riefling, einem führenden Kopf der rechtsextremen Szene.

1998 bekam er zehn Monate Gefängnis, weil er einem Polizisten das Nasenbein gebrochen hatte. Sie selber ist immer radikaler geworden, ist mit "Freien Kameradschaften" unterwegs, den harten Neonazis, und hat kein Bedürfnis, der NPD beizutreten. "NPD, das ist ja schon was Demokratisches."

Es klingt jetzt verächtlich, wie sie spricht.

Gilden und Zinsknechtschaft

"Sie sind gegen Demokratie?"

"Natürlich. Da wird ja nur gestritten. Ich bin für eine Einheitspartei. Eine Linie. Alles geht von einem aus."

"Und was machen Sie mit denen, die gegen so eine Partei sind?"

"Tja". Entweder hat sie keine richtige Antwort, oder sie mag sie nicht sagen.

"Ihr Mann hat einmal gesagt: Wenn wir es geschafft haben, wirklich alle in der nationalen Opposition zu vereinigen, dann wird es wie einst einen Sternmarsch nach Berlin geben, und dann wird uns keiner dieser Hochverräter mehr entkommen. Dann wird jede Ausfallstraße gesperrt sein, Barrikaden werden stehen. - Ist das auch Ihre Meinung?"

"Ja. Wenn jemand uns schadet, muss er zur Verantwortung gezogen werden."

Und immer noch ihre helle Stimme und ihr Schülerinnengesicht. Jeden Abend, wenn die Kinder im Bett sind, beugt sie es über Materialien und lernt, meist bis Mitternacht, und sie lernt schon nicht mehr nur für sich, sondern auch, um andere zu schulen, zehn Frauen, mit denen sie, eine Art Regionalleiterin, sich alle drei Wochen trifft. Alle halbe Jahre erhält sie eine Broschüre, in der die zu behandelnden Themen stehen.

"Was nehmen Sie gerade durch?"

"Die Zinsknechtschaft."

Sie meint das kapitalistische System der Banken und Börsen. "Und was haben Sie davor durchgenommen?"

"Wir lernen alles, Sonnensystem, Osteinsatz des BDM, Gilden, Zünfte, Hildegard von Bingen." Und dann schulen sie jedesmal noch ihre Argumentationsfähigkeit, in spielerischer Form. Körbchen stehen auf dem Tisch. Da werfen sie kleine Zettel hinein, mit politischen Begriffen.

Nun würfelt jede Frau. Wer die höchste Zahl hat, darf einen Zettel ziehen, die niedrigste Zahl zwingt eine andere Frau zu einem kleinen Vortrag über den Begriff, der auf dem Zettel steht.

Sechs Millionen ermordete Juden: Absehbar, dass das bald auf einem von Ricarda Riefling beschrifteten Zettel stehen wird, denn bei den sechs Millionen Juden sieht sie im Interview gar nicht gut aus.

Auf die Frage, welches Thema ihr besonders am Herzen liege, hatte sie geantwortet: "Die Umerziehung. Unsere Großväter werden jetzt als Verbrecher bezeichnet. Als ob es nicht auch woanders Arbeitslager gegeben hätte."

"Arbeitslager?"

"Konzentrationslager dann eben. Wie in jedem anderen Land auch."

"Hören Sie: Ich wüsste nicht, in welchem anderen Land sechs Millionen Juden ermordet worden wären."

"Ich leide, ich leide"

Ricarda Riefling sticht ihre Kugelschreiberspitze wie eine kleine Lanze auf ein neben ihr liegendes weißes Blatt Papier, immer wieder, hilflos und aggressiv; in Ordnung, dass sie getroffen ist von dem scharfen Ton, es soll sie schmerzen.

Plötzlich unterbricht sie ihr Stakkato und sagt mit bemühter Beschwingtheit, "sehen Sie, wir lernen täglich dazu, wir werden das diskutieren in unserem Kreis, das mit den Juden und was wir darauf sagen".

So ähnlich ist es in jedem Gespräch mit ihnen. In ihren Materialien steht, dass alles gut wird mit Deutschland, wenn erst die Ausländer und die fremden Firmen aus dem Land gejagt und die Deutschen unter sich sind, das käuen sie wieder, aber immer stürzt schon ein erstes Nachfragen sie in Verlegenheit.

"Frau Sieglinde, wie soll das funktionieren, ein einzelner Staat, der sich vom globalen Markt abschottet, der jede Bindung nach außen kappt, das wäre doch eine Art Nationalstaat ältester Prägung."

"Sicher, der Nationalstaat ist das, was den Menschen glücklich macht."

"Woher wollen Sie das wissen?"

"Es liegt in der Natur begründet."

"Sie meinen, die Welt ist geschaffen worden, um immer kleinteilig zu sein?"

"Ja, es geht um Abgrenzung, jeder Garten braucht einen Zaun..."

Eine große Peinlichkeit

Sieglinde hat ihr Studium der Biochemie mit 1,0 beendet. Und doch ist ihr Reden über Konzepte, wie das ihrer Gefährtinnen, eine große Peinlichkeit für sie; die beiden verstummten Frauen aus dem Familienzentrum brauchten keine Bange zu haben vor irgendeiner Debatte.

Bernd Wagner, der Kenner der Szene, sagt es so: "Die Strategie der Rechten für die Zeit nach dem Tag X ist einfach armselig."

Den Tag X aber, den wollen jene rechten Frauen ebenso wie ihre Kameraden, vielleicht sogar noch stärker. Eine Unbedingtheit, die sich nicht gleich erschließt:

Einerseits verbergen sie sie, andererseits mag ein Mann sie instinktiv lieber nicht entdecken. Es braucht einige Zeit, an die zwei Stunden, ehe die Frau, die sich Sieglinde nennt, jede Zurückhaltung aufgibt, sich vorbeugt und ruft:

"Ich leide, ich leide jeden Tag um dieses Volk, denn ihr, die Masse, seid emotional verkümmert, wir sagen, ihr seid unglücklich, aber wir sagen euch auch, wie es geht, wir wollen euch einen neuen Staat schaffen, in dem ihr euch wieder geborgen fühlt, alle."

Sie versteht sich als Erlöserin, als Märtyrerin, kein Zweifel am Ende. Sie erhebt sich, ihr Fanatismus ist wieder unter Kontrolle, sie blickt einen noch einmal an und scheint etwas zu entdecken, einen bestimmten Ausdruck. Sie lächelt schief und sagt im Weggehn, "aber so schlimm bin ich doch gar nicht".

Der Autor Birk Meinhardt, Jahrgang 1959, ist Reporter im Redaktionsbüro der Süddeutschen Zeitung in Berlin. Sein Originaltext erschien am 30.6.2007, ergänzt durch eine ausführliche Leserdebatte in der SZ: http://www.sueddeutsche.de/deutschland/artikel/281/121125/.