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Die NPD-Verbotsdebatte 2007 | Rechtsextremismus | bpb.de

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Die NPD-Verbotsdebatte 2007 Eine Chronologie (I)

Von Joachim Wolf

/ 14 Minuten zu lesen

Seit Herbst 2006 ist die Debatte über ein Verbot der NPD neu entbrannt und 2007 zum Dauerthema geworden. Eine Chronologie.

Demonstranten protestieren am Freitag 1. Mai 2009, im Stadtteil Köpenick in Berlin gegen eine Demonstration der rechtsextremen NPD. (© AP)

Auslöser: Die Wahl von Schwerin

Etwa zur Zeit des aus Furcht vor Gegendemonstranten hermetisch abgeriegelten NPD-Bundesparteitags Mitte November 2006 in Berlin begann eine erneute intensive Debatte über ein Verbot der rechtsextremen Partei. Der Anlass lag wenige Wochen zurück: der Einzug der Rechtsextremisten in Fraktionsstärke in den Schweriner Landtag und in vier Berliner Bezirks- Parlamente.

Zunächst brachte der damalige SPD-Fraktionschef Peter Struck ein neues Verbotsverfahren ins Gespräch, dann war es sein Parteikollege und (damaliger) Vizekanzler Franz Müntefering, der sich kurz nach Ende des Berliner NPD-Parteitags für eine erneute Prüfung eines Verbotsverfahrens aussprach. "Wenn die NPD verboten werden kann - das wird zu prüfen sein - dann bin ich eindeutig dafür". Gleichzeitig forderte Müntefering aber auch eine bessere Präventionsarbeit, damit junge Menschen "nicht hinter den Nazis herlaufen" würden. Für Peter Struck stellte sich die NPD als eine "eindeutig verfassungswidrige Partei" dar, die Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung praktiziere, so Struck. Deshalb werde ein neues Verbotsverfahren von seiner Fraktion "ernsthaft geprüft".

Unterstützung bekamen Müntefering und Struck von ihren Parteikollegen Holger Hövelmann (Innenminister von Sachsen-Anhalt) und Klaus Wowereit (Regierender Bürgermeister Berlin). Neben den SPD-Politikern sprach sich aber auch der Vorsitzende der Berliner CDU-Fraktion, Friedbert Pflüger, für ein NPD-Verbot aus. Und die Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, nannte ein Verbotsverfahren eine "richtige Sache". Sie wies aber gleichzeitig darauf hin, dass eine rechte Gesinnung sich nicht gesetzlich verbieten lasse. Neben seiner Zustimmung zu einem erneuten Verbot der rechtsextremen Partei kündigte der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Konrad Freiberg, auch ein verstärktes Engagement der Gewerkschaften gegen Rechtsextremismus an.

Skepsis in der Bundesregierung

Der Vorstoß der SPD-Politiker für ein neues Verbotsverfahren stieß aber auch auf Skepsis und Ablehnung - auch in der eigenen Partei. So sagte der stellvertretende Regierungssprecher Thomas Steg (SPD): "Die Bundesregierung geht davon aus, dass es derzeit nicht sinnvoll und erfolgversprechend ist, ein neues Verbotsverfahren anzustrengen". Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) betonte, dass, bevor man einen neuen Antrag diskutiere, ein Verbot sehr sorgfältig geprüft werden müsse. Und der SPD-Innenexperte Wiefelspütz nannte als einen Grund für seine ablehnende Haltung gegenüber einem NPD-Verbot die hohen juristischen Hürden, die für ein erfolgreiches Verfahren überwunden werden müßten.

Vertreter der Unionsparteien äußerten sich eher skeptisch zu einem ein erneuten Verbotsverfahren gegen die rechtsextreme Partei. Der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach begründete seine Ablehnung unter anderem so: "Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts müßte der Staat vor der Stellung eines Verbotsantrags die Beobachtung der NPD durch den Verfassungsschutz zunächst einstellen", sagte er. Dies sei deshalb problematisch, da sich ein Verbotsverfahren "über mehrere Jahre hinziehen" könne . Auch der damalige Bayrische Innenminister Günther Beckstein (CSU) verwies auf die V-Mann-Problematik, die seit dem Scheitern des ersten Verbotsverfahrens bereits Thema der vorherigen Debatten war. Beckstein (CSU) äußerte sich "sehr skeptisch" darüber, "ob es gelingt, der NPD ihre aggressiv kämpferische Haltung nachzuweisen, wenn man sich nur auf offizielle Erklärungen und Zeitungsmeldungen verlassen muss." Anfang August 2000 hatte der Bayrische Innenminister als einer der Ersten ein NPD-Verbot ins Gespräch gebracht. Nach dem Scheitern des ersten Verbotsverfahrens hatte Beckstein in der Debatte um ein erneutes NPD-Verbot dann allerdings bereits auf die hohen Hürden, die das Bundesverfassungsgericht mit seiner Entscheidung 2003 für ein Parteienverbot gelegt habe, verwiesen und ein erneutes Verbotsverfahren abgelehnt.

In der Debatte im November 2006 äußerten sich neben Beckstein auch der hessische Innenminister Volker Bouffier (CDU), der thüringische Ministerpräsident Dieter Althaus, Bremens Innensenator Thomas Röwekamp und der brandenburgische Innenminister Jörg Schönbohm(alle CDU) skeptisch bis ablehnend zu einem neuen Verbotsverfahren. Schönbohm forderte die Volksparteien auf, sich mit den Wählern der NPD auseinander zu setzen. "Wir müssen versuchen, die Menschen zu erreichen, die NPD gewählt haben und ihnen eine Perspektive aufzeigen - denn die NPD zeigt ja keine Perspektive auf".

Widerspruch von der Opposition

Aber nicht nur bei den Regierungsparteien SPD und CDU, sondern auch bei der Opposition stieß der Vorstoß für ein neues NPD-Verbotsverfahren auf Widerspruch. "Wir sagen und wir wissen, dass die Voraussetzungen für ein Verbot nicht gegeben sind", sagte die Vorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Claudia Roth. Sie verlangte statt dessen mehr Geld für Projekte gegen Rechtsextremismus auszugeben. Und der parlamentarische Geschäftsführer der grünen Bundestagsfraktion, Volker Beck, gab zu bedenken: "Auch bei einem Verbot der NPD wäre das Problem des Rechtsextremismus nicht wirklich gelöst, ihre Anhängerschaft wäre noch da und würde sich neue Organisationsformen suchen".

Das erste Verbotsverfahren hatten die Grünen noch unterstützt - obwohl es von Anfang an kritische und ablehnende Stimmen in der grünen Partei gab. Petra Pau (Die Linke) sagte, Rechtsextremismus lasse sich nicht verbieten, sondern müsse politisch bekämpft werden. Auch die PDS hatte dem ersten Verbotsverfahren zugestimmt. FDP-Chef Guido Westerwelle stellte angesichts der Debatte fest, es sei augenscheinlich nicht klar, ob es ausreichende juristische Voraussetzungen für ein Verbot durch das Verfassungsgericht gebe. Daher warne er davor, mit einem neuen Verfahren "abermals die rechtsextremen Kräfte zu bündeln und unter dem Strich sogar zu stärken".

In der ersten Jahreshälfte 2007 verflachte die Debatte dann wieder, spitzte sich aber nach mehreren NPD-Aufmärschen und ausländerfeindlichen Gewaltaktionen im Spätsommer erneut zu... (siehe nächste Seite).

Verfahrene Verfahrensfragen

Begleitet wurde die Debatte über das Für und Wider eines NPD-Verbots im November 2006, die kaum neue Argumente oder Sichtweisen brachte, von einer tatsächlich neuen Debatte über verfahrensrechtliche Fragen. So kündigte der Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses, Sebastian Edathy (SPD), eine Prüfung von Gesetzesänderungen durch die SPD-Bundestagsfraktion an, die ein neues NPD-Verbot vorantreiben sollten. Dabei werde auch eine Änderung des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes erwogen, so Edathy. Unter anderem werde die Herabsetzung der für ein Parteiverbot notwendigen richterlichen Mehrheit von einer Zweidrittel- auf eine einfache Mehrheit diskutiert. Der Hintergrund: Am 18. März 2003 war das erste Verbotsverfahren gegen die NPD gescheitert, weil drei der sieben beteiligten Richter die Fortsetzung des Verfahrens ablehnten. Hierauf bezog sich auch der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, Dieter Wiefelspütz, als er im November 2006 sagte, er halte die geltenden Vorschriften für "überholt und dringend reformbedürftig". Wiefelspütz: "Ich sehe nicht ein, warum wir für ein Verbot eine Zwei-Drittel-Mehrheit benötigen und für die Verwerfung eines Gesetzes als verfassungswidrig die einfache Mehrheit ausreicht".

Auch in der Union werde über eine Rechtsänderung für ein neues NPD-Verbotsverfahren nachgedacht, so Fraktionsvize Wolfgang Bosbach. Gegenüber dem Vorschlag von Wiefelspütz, die nötige Mehrheit für ein Verbot auf eine einfache zu reduzieren, äußerte sich Bosbach allerdings skeptisch. Der ehemalige Vizepräsident des Verfassungsgerichtes, Ernst-Gottfried Mahrenholtz, betonte dagegen, er halte eine Änderung der Mehrheits-Regeln für denkbar. Und auch der frühere Verfassungsrichter Hans-Joachim Jentsch - 2003 für das gescheiterte erste Verbotsverfahren zuständig – sprach sich für die Reform des Parteiverbotsverfahrens aus. Dabei sei die Diskussion um Zweidrittel- oder einfache Mehrheit nachrangig. Vielmehr müsse vor allem über eine Entlastung für das Verfassungsgericht gesprochen werden, da ein Parteiverbot dort zu viele Kapazitäten binden würde. Allerdings mahnte er grundsätzlich an, dass eine Änderung nicht direkt vor einem Verbotsantrag geschehen dürfe.

Widersprüchliche Debatte

Aber auch bei dieser Diskussion gab es neben Skepsis auch Widerspruch und Ablehnung. In einer gemeinsamen Erklärung wiesen der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Hans-Peter Uhl (CSU) und der Unions-Obmann im Innenausschuß des Bundestages, Ralf Göbel (CDU), darauf hin, dass zwei Drittel der Verfassungsrichter "aus gutem Grunde" einem Parteiverbot zustimmen müssten. Und weiter heißt es dort: "Wer diese Hürde beseitigen will, manipuliert am freien demokratischen Parteiensystem". Beide Unions-Politiker sprachen sich dafür aus, den "Kampf gegen Extremismus von Rechts wie von Links in der Ursachenbekämpfung und in der politischen Auseinandersetzung mit den verfassungsfeindlichen Parteien" zu führen. Da Verbot einer Partei könne dabei "als Einschränkung der demokratischen Rechte der Bürger und Bürgerinnen nur ultima ratio sein".

Justizministerin Zypries (SPD) nannte den Vorschlag Edathys "unglücklich". Sie wolle den Eindruck vermeiden, dass die Verbots-Debatte mit der Diskussion um ein reformiertes Verfassungsgerichtsgesetz verknüpft werde. Auch der stellvertretende SPD-Fraktionschef Fritz Rudolf warnte: "Wenn man über das Bundesverfassungsgerichtsgesetz nachdenkt, sollte man dies nicht auf einen aktuellen Fall beziehen". Das wäre "nicht gut". Auch der ehemalige Verfassungsrichter Hans-Hugo Klein sagte, er halte es für wenig überzeugend, "wenn man einfach die Mehrheitsnotwendigkeit im Senat ändern" würde.

Neuer Vorstoß im Sommer 2007. Der Anlass: NPD-Aufmärsche und die Hetzjagd von Mügeln

Ende Juli 2007erneuerte die Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Charlotte Knobloch, ihre Forderung nach einem NPD-Verbot. Der Anlass war eine Demonstration der rechtsextremen Partei durch Frankfurt, dem sich ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis entgegenstellte. Ein Verbot sei zum einen notwendig, damit die NPD nicht weiterhin ihre Propaganda verbreiten und "damit das demokratische Ideal der Meinungsfreiheit ad absurdum führen" könne. Zum anderen könne durch ein Verbot der NPD die finanzielle Unterstützung durch den Staat entzogen werden, so die Zentralrats-Vorsitzende. Für Knobloch wäre ein Verbot der NPD "nicht nur ein bedeutendes politisches Signal, sondern es würde darüber hinaus Finanzmittel frei setzen, die in der Erinnerungsarbeit und der politischen Bildung dringend gebraucht werden". Der Vize-Präsident des Zentralrats, Dieter Graumann, sprach sich ebenfalls für ein erneutes Verbot der NPD aus.

Kurt Beck Interview im Sommer 2007 vor einer Klausurtagung des Bundeskabinetts. (© H.Kulick)

Nachdem Ende August 2007 als Folge einer Rangelei auf einer Volksfest-Tanzfläche im sächsischen Mügeln eine Gruppe von acht Indern von Deutschen durch die Stadt gejagt worden war, brachte auch der SPD-Vorsitzende Kurt Beck das Thema NPD-Verbot abermals in die Öffentlichkeit. "Ich habe eine neuerliche Prüfung eines NPD-Verbots mit allen rechtsstaatlich zur Verfügung stehenden Mitteln für unabdingbar", sagte er und kündigte eine Initiative seiner Partei für einen erneuten Anlauf zu einem Verbotsverfahren gegen die rechtsextreme Partei an. Beck bezweifelte außerdem, dass für ein Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht ein Abzug aller V-Leute aus der NPD notwendig sei. Um den Anforderungen des Gerichts nachzukommen, reiche es möglicherweise aus, die Spitzel künftig zurückhaltender agieren zu lassen. "Sie dürfen zum Beispiel nicht als Agent provocateur auftreten", sagte Beck. Breite Unterstützung fand Becks Vorschlag nun vor allem in seiner eigene Partei. So sagte der SPD-Generalsekretär Hubertus Heil, er sei sich "ziemlich sicher, dass es gelingen kann und gelingen wird, die NPD zu verbieten". Der SPD-Generalsekretär betonte: "Der Rechtsstaat muss sich selbstbewußt mit denen auseinandersetzen, die den Rechtsstaat abschaffen wollen." Gleichzeitig plädierte Heil aber auch für eine politische Auseinandersetzung mir dem Rechtsextremismus.

Auch der Vorsitzenden der Innenministerkonferenz und Berliner Innensenator Ehrhart Körting (SPD) zeigte sich überzeugt von den Erfolgsaussichten eines neuen Verfahrens. Als einen Grund hierfür nannte er seine Einschätzung, die NPD sei "deutlich neonazistischer geworden". Es sei ein zentrales Problem, so Körting, dass dadurch, dass die Partei derzeit so offen agieren könne, "rechtsextremes Gedankengut legalisiert" werde. Es könne der Eindruck entstehen, es sei "ganz normal und legal" sich ausländerfeindlich zu äußern. Mit einem Verbot könne man einen Zulauf zu diesem Gedankengut verhindern. Gleichzeitig betonte Körting aber auch: "Das Verbot der NPD ist natürlich nur eine Seite der Medaille. Die andere Seite ist, dass die Gesellschaft und die demokratischen Parteien sich mit dem, was da an Geist ist, offensiv auseinandersetzen müssen."

"V-Leute abziehen"

Der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Sebastian Edathy (SPD), plädierte dafür, die V-Leute für die Dauer des Verfahrens aus der NPD abzuziehen. Könnte man dadurch die Partei verbieten, wäre er bereit, "den Preis dafür zu bezahlen", so Edathy. Auch Umweltminister Sigmar Gabriel, der brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck (beide SPD) und der JUSO-Vorsitzende Björn Böhning unterstützten Becks Vorstoß. Alle drei argumentierten dabei unter anderem damit, dass durch ein Verbot der NPD die finanzielle Unterstützung durch den Staat entzogen werden könne. Gabriel: "Ich habe noch nie verstanden, warum wir Leute, die antidemokratische Parolen verbreiten und anknüpfen an fürchterliche Dinge, die während des Nazi-Regimes passiert sind, warum wir die auch noch mit Steuergeldern fördern".

Auf dem SPD-Parteitag Ende Oktober 2007 in Hamburg nahm eine große Mehrheit der Delegierten einen Antrag gegen Rechtsextremismus an. Der Antrag forderte unter anderem die SPD-Fraktion auf, ein neues NPD-Verbotsverfahren zu initiieren. Aber auch außerhalb der SPD gab es Zustimmung zu einem erneuten Anlauf zu einem NPD-Verbotsverfahren. So sprach sich die CDU im Schweriner Landtag für ein solches Verfahren aus. Da sich beide Regierungsfraktionen über ein Verbot einig seien, werde es zu einer Bundesratsinitiative komme, kündigte der Schweriner CDU-Fraktionsvorsitzende Armin Jäger an. Es stehe "außer Frage, dass die Partei verfassungswidrig ist", begründete Jäger den Vorstoß. Die NPD-Vertreter im Landtag würden Ziele "wie die Rückkehr zum 'Dritten Reich'" propagieren und die Grundsätze der Verfassung wie den Schutz der Menschenwürde bekämpfen. Dies dürfe sich der Rechtstaat sich "nicht gefallen lassen", so Jäger weiter.

Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Wolfgang Böhmer (CDU), teilte ebenfalls mit, er würde "nach sorgfältiger Vorbereitung" ein NPD-Verbot unterstützen. Gleichzeitig warnte er aber: "Eine zweite Abweisung durch das Bundesverfassungsgericht wäre allerdings noch schlimmer als der jetzige Zustand." Zustimmung fand Kurt Becks Vorschlag auch auf der höchsten europäischen politischen Ebene: Der Vizepräsident der EU-Kommission und EU-Justizkommissar, Franco Frattini, sprach sich für einen solchen Schritt aus. Frattini nannte den Rechtsextremismus "ein Krebsgeschwür" und "eine wirkliche Bedrohung" für die Demokratie. Und weiter: "Wir müssen besser werden im Kampf gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit - bei der Prävention wie bei der Reaktion".

In Deutschland erneuerte auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) ihre Unterstützung für ein NPD-Verbot. Ein Verbot könne die rechtsextreme Szene "grundsätzlich handlungsunfähiger" machen, sagte der Vorsitzende der GdP, Konrad Freiberg . Der stellvertretende Vorsitzende des DGB-Nord, Ingo Schlüter, unterstütze ebenfalls ein erneutes Verbotsverfahren gegen die NPD. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid sprachen sich im August 2007 rund 66 Prozent der Bundesbürger für ein Verbot der NPD aus, 23 Prozent dagegen. Die Umfrage ergab auch, dass 74 Prozent der SPD-Wähler und 66 Prozent der Unionsanhänger sein solches Verfahren unterstützten (28. August, netzzeitung).

Keine Unterstützung durch die Bundesregierung

Auf Skepsis und Ablehnung stieß der Vorstoß für ein erneutes Verbotsverfahren dagegen auf höchster Regierungsebene. Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärte, sie wolle auf gar keinen Fall, "ein Verfahren, das wieder zu einem Ergebnis führt wie das letzte Mal". Zwar sei ihr bewusst, dass viele Menschen ein Verbot der NPD wünschten. Es gehe allerdings darum, den "Rechtsextremismus auf sehr breiter Front" zu bekämpfen. Auch Vize-Regierungssprecher Thomas Steg machte nunmehr deutlich, dass die Bundesregierung keine Initiative für ein neues Verbotsverfahren ergreifen werde. Als einen Grund hierfür nannte er die hohen juristischen Hürden für ein Parteiverbot. Außerdem sagte Steg: "Eine abermalige Niederlage wäre ein schwerer Rückschlag und eine Niederlage für die Demokratie". Auch dürfe der Kampf gegen Rechtsextremismus nicht auf die Frage eines NPD-Verbots reduziert werden, so der Vize-Regierungssprecher weiter.

Auch Familienministerin Ursula von der Leyen und Kanzleramtsminister Thomas de Maizière (beide CDU) lehnten Becks Vorstoß ab. De Maizière verwies dabei auf die hohen Hürden, die das Bundesverfassungsgericht an ein Parteienverbot angelegt habe. Diese seien nicht "kurzfristig zu beseitigen", so der Kanzleramtsminister mit Blick auf die Debatte über eine Gesetzesänderung aus dem Vorjahr. Unions-Fraktionschef Volker Kauder verwies darauf, dass ein Verbot die aktuellen Probleme nicht lösen würde. Deutschland brauche die Zivilcourage seiner Bürger, erklärte er. Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach sagte, er stehe einem erneuten NPD-Verbotsverfahren unter anderem deshalb "sehr skeptisch" gegenüber, da der dafür nötige Abzug von V-Leuten aus der rechtsextremen Partei bedeuten würde, dass wichtige Informationen aus der NPD verloren gehen würden.

''Hilflose Polemik''?

Der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann nannte den Vorstoß für ein neues NPD-Verfahren "hilflose Polemik". Eine Verbotsdiskussion ohne Vorprüfung der Erfolgsaussichten beim Verfassungsgericht spiele bloß der NPD in die Hände, so Schünemann. Ähnlich äußerte sich der damalige CSU-Chef Stoiber. Der hessische Innenminister Volker Bouffier nannte ein erneutes Verbotsverfahren "wenig zielführend". Die NPD müsse "politisch mit Argumenten bekämpft" werden. Bayerns zu der Zeit noch amtierender Innenminister Günther Beckstein (CSU) sagte, er halte die Wahrscheinlichkeit, dass ein erneutes Verbotsverfahren scheitert für "sehr viel höher" als die Möglichkeit, dass das Bundesverfassungsgericht seine Rechtsprechung ändere. Ein neuerliches Scheitern aber nannte er "verheerend".

Auch in der SPD gab es skeptische Stimmen zu Becks Vorstoß. So meldete Schleswig-Holsteins Innenminister Ralf Stegner (SPD) neuerlich Bedenken an: "Ein Verbotsverfahren macht nur Sinn, wenn ein Erfolg sicher ist." Andernfalls würde es den Rechtsextremen nur nützen. Der SPD-Politiker sprach sich außerdem gegen einen Abzug von V-Leuten aus der NPD und gegen das Herabsetzen der Hürden für ein Parteiverbot aus. Stegner: "Es darf keine Sonderregeln bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus geben. Das wäre ein Ausdruck von Hilflosigkeit von Demokraten."

Bei den Oppositionsparteien sprachen sich Grüne und Linke erneut gegen ein NPD-Verbot aus. Die Grünen-Abgeordnete Monika Lazar sagte, ein Verbot der rechtsextremen Partei würde nichts an der verbreiteten fremdenfeindlichen Haltung in Deutschland ändern. Die rechtspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, forderte die Innenminister von Bund und Ländern zu einer gemeinsamen Haltung beim Abzug der V-Leute auf. Ohne klare Absprachen sei ein Verbotsverfahren sonst "völlig aussichtslos".

Vom 6. Januar bis 9. November 2007 sammelte eine Initiative des Verbands der Verfolgten des Naziregimes (VVN) in Kooperation mit Gewerkschaften rund 175.000 Unterschriften von Bürgern für ein Verbot der NPD (Mehr unter: www.npd-verbot-jetzt.de). Diese Listen wurden anschließend dem Bundestag übergeben - um dort eine neuen Verbotsvorstoß anzustoßen.

Auf der Innenministerkonferenz Anfang Dezember 2007 machten die Innenminister aber deutlich, dass aufgrund erheblicher Meinungsverschiedenheiten in dieser Frage für sie absehbar nur ein anderer Weg infrage kommt: dass es keine Steuergelder für Stiftungen geben dürfe, die der NPD nahestehen, denn es könne nicht angehen, verfassungsfeindliche Bildungspolitik durch staatliche Zuwendungen zu unterstützen. Auch soll künftig noch klarer werden, dass verfassungsfeindliche Organisationen und Vereine nicht als gemeinnützig anerkannt und damit privilegiert werden dürfen. Ein neues Verbotsverfahren für die NPD berge aber derzeit eine zu große Gefahr des Scheiterns - und davon würde im Zweifel eher die NPD profitieren.

Auch 2010 noch kein grundlegender Wandel in Sicht

Dennoch wird die Debatte kontinuierlich weitergeführt. Die SPD übernahm die Forderung nach einem NPD-Verbot sogar 2009 in ihr Bundestagswahlprogramm. Zuvor legten fünf Innenminister der SPD im Mai 2009 eine gemeinsame Dokumentation vor, die untermauern sollte, warum ein NPD-Verbot überfällig ist. "Verfassungsfeind NPD" heißt die 90-seitige Broschüre.

Aussicht auf Realisierung hat die Forderung aber nicht. In Reihen der Regierungskoalition von Union und FDP und in unionsgeführten Bundesländern ist keine Mehrheit für einen solchen Antrag in Aussicht. Bereits 2007 wurden in der Union zwei Leitsätze zu dieser Frage geprägt. Der damals amtierende hessische Innenminister Volker Bouffier, sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung", es gelte "die Partei politisch zu bekämpfen und sie so zu entzaubern", ein Verbot sei abzulehnen. Und Bundeskanzlerin Angela Merkel äußerte sich ähnlich in der "Jüdischen Allgemeinen Wochenzeitung": "Sollten wir wieder erfolglos sein, wäre das genau das falsche Signal". Zudem dürfe man nicht dem Glauben verfallen, das Problem des Rechtsextremismus könne allein durch ein Parteiverbot aus der Welt geschafft werden. "Wir müssen uns in der Sache mit der Gefahr auseinandersetzen", mahnte Merkel.

Einzig die CSU bricht seit 2009 wieder aus dem Unionskonsens aus. Bei einem Kamingespräch im Januar 2009 in Wildbad Kreuth deutete CSU-Chef Horst Seehofer erstmals an, dass er wieder Chancen sehe, ein Verbotsverfahren erfolgreich durchzuziehen. Im April 2010 mahnte der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) dann öffentlich ein neues Verbotsverfahren an. Er warnte, bei der NPD handele es sich um eine "verfassungsfeindliche und gefährliche Partei" und kündigte an, er werde in den nächsten Monaten für Mehrheiten im Bundestag und im Bundesrat für ein neues Verbotsverfahren werben. Die bisher ablehnende Haltung der Bundesregierung bedauerte Herrmann. Er könne zwar die Sorge verstehen, eine zweite Niederlage vor dem Bundesverfassungsgericht zu riskieren. Nach seiner Einschätzung gebe es aber durchaus ''eine Aussicht auf Erfolg'', daher werde er bei diesem Thema "weiter Bewusstseinsbildung betreiben".

Das wahrnehmbare Engagement für ein Verbotsverfahren sei in jedem Fall nützlich, äußerte Herrmann nebenbei. Denn schon die Drohung mit einem Verbotsverfahren schüchtere "manchen Rechtsextremen" ein.

(Zuletzt ergänzt am 01.07.2010)

Fussnoten