In der Jury des Schülerzeitzungs- wettbewerbs der Länder, in der seit drei Jahren auch ein Sonderpreis für junge Medien mit MUT durch die Amadeu Antonio Stiftung und ihre Website www.mut-gegen- rechte-gewalt.de vergeben wird, war 2007 zunächst eine Geschichte aus dem Martinshorn aufgefallen, die sich um eine Briefmarke drehte. Richtig gelesen. Eine Briefmarke. Schüler hatten bei einem Wettbewerb mit einem privaten Postdienst aus Magdeburg ausgehanldet, dass sie für den Postdienst Briefmarkenmotive gegen Rechtsextremismus entwerfen könnten, die dann auch gedruckt werden sollen. Aber der Postdienst machte plötzlich einen Rückzieher, als die durchaus gelungenen Motive vorlagen, wohl, weil er öffentliche Antinazikritik mit einem Male für zu politisch hielt.
Akkurat beschrieben die Schüler nun ihr Vorgehen im Martinshorn und wie albern sich der Postdienst verhielt, der seine Absage überhaupt nicht begründen wollte. Überraschende Konsequenz: Daraufhin bestellten zwei Ministerien Sachsen-Anhalts die Briefmarkenentwürfe als Aufkleber für ihre Hauspost. Und mit einem Mal war die Schule berühmt. Die Martinshorn-Redaktion legt regelmäßig solche Geschichten nach. Als nächstes prüfte sie das Angebot regional beliebter Flirtlines im Internet, wie sich dort Rechtsextreme präsentieren, mit aller verbotenen Ideologie. Bei einer Flirtline aus dem Harz wurden sie besonders fündig und machten den Betreiber auf ganz offensichtliche Neonazieinträge aufmerksam. Als aber nichts geschah, veröffentlichten Sie ihre Rechercheergebnisse, so dass der Betreiber wutschnaubend zu ihnen in die Schule kam. Doch seine Wut konnten die Schüler nicht nachvollziehen – hatten sie ihn doch auf etwas aufmerksam gemacht, wofür er sich bedanken könnte. Also nahmen sie nichts von ihrer Kritik zurück und der Flirtline-Betreiber gab klein bei.
Als nächstes packten sie ein heißes Eisen an ihrer eigenen Schule an. Das Thema (Kriegs)geschichtsschreibung. Sie entdeckten auf einer gusseisernen Gedenktafel für Kriegstote in ihrer Aula auch die Namen von sechs SS-Mitgliedern. Das machten sie in ihrer Zeitung öffentlich, die Folge: Sofort entfernte die Schulleitung die Tafel. Das ''ehrende Gedenken'' zwischen den Türen der Aula war nach Aussage der Schulleitung unter der Voraussetzung entstanden, keine SS-Leute auf der Tafel zu verzeichnen. Dies machte in Halberstadt schnell die Runde. Über mehrere Wochen wurde die Tafel zum streitbaren Thema in den Lokalzeitungen und auch zur Fortsetzungsgeschichte im eigenen Heft. Alte Kämpfer meldeten sich entsetzt zu Wort, sie seien doch auch nur Menschen hätten doch früher nicht ahnen könne, worauf sie sich einlassen. Und die Leserbriefseiten füllten sich.
''Was suchten sie in Polen, Frankreich und Russland?''
Auch beim Martinshorn gingen Lösungsvorschläge für den Konflikt ein – bis hin zur Empfehlung, über die Tafel einfach einen Satz zu schreiben: ''Was suchten sie in Polen, Frankreich und Russland?'' Nun sollen Lehrer und Schüler gemeinsam überlegen, ob ein solcher Zusatz, eine ganz neue anonyme Tafel oder ein kreatives Mahn- und Kunstobjekt in einem Wettbewerb entwickelt werden soll. ''Wir wollen die Toten nicht vergessen!'', überschrieb das Martinshorn einen Aufruf dazu, ''als Mahnung, aus Krieg und Gewaltherrschaft die richtigen Lehren zu ziehen''. Am Ende resümierten die Autorinnen: ''Von welcher Sichtweise auch immer man sich diesem Problem nähern möchte, ganz deutlich wird doch, dass es kein Gut oder Schlecht gibt. Uns Autorinnen hat die Recherche und anschließende Diskussion bewusst gemacht: Geschichte darf nicht ausschließlich von denen geschrieben werden, die sie erlebt haben. Denn dann ist es schwer, sie objektiv zu betrachten''.
Für ihre Themensetzungen, Originalität und Gründlichkeit bei der Recherche (daraus stellte die Redaktion 2007 sogar eine ganze Sonderaugabe zum Thema Rechtsextremismus zusammen), erhält das Martinshorn-Team 2008 nun schon zum zweiten Mal der Sonderpreis Medien mit Mut. Diesen Titel auch 2009 zu verteidigen, wird jedoch schwerer. Denn zunehmend beobachten auch andere Schülerzeitungen, dass Rechtsextremismus und seine Ausprägungen auch auf Schulhöfen zu Alltagsthemen werden. Auch in westlichen Bundesländern gibt es immer häufiger durchaus gebildetere Schüler, die es offensichtlich cool finden, sich als überzeugter Neonazi und Rassist zu outen und offen über Zuwanderer, Schwule, vermeintlich linke und jüdische Schüler herziehen sowie androhen, Gewalt gegen sie auszuüben. Das thematisieren Schülerzeitungen in sehr viel stärkerem Maß, als noch vor zwei, drei Jahren. Durch das Halberstädter Martinshorn als gutes Vorbild, lernen sie wie.