Was tun, wenn man Opfer von rechtsextremer Gewalt geworden ist? Eine Broschüre der Opferperspektive in Brandenburg bietet erste Hilfe:
Fast jede Woche werden in Deutschland Menschen aus rechtsextremistischen Motiven, aus Hass gegen alles vermeintlich "Undeutsche" angegriffen. Diese Angriffe richten sich insbesondere gegen Menschen aus anderen Herkunftsländern, aber auch gegen Behinderte, Obdachlose oder alternative Jugendliche.
Die Täter sind meist männliche Jugendliche, die rechtsextremen Cliquen angehören; aber solche Angriffe werden erst in einem gesellschaftlichen Klima möglich, das von Rassismus geprägt ist. Menschen, die dem typischen Querschnitt der Bevölkerung entsprechen, verweigern den Angegriffenen Hilfe oder werden durch rassistische Pöbeleien zu Teilnehmern. Es ist die "Mitte der Gesellschaft", aus der der Rassismus kommt...
Die Betroffenen verstehen oft sehr genau, dass der Angriff nicht ihnen persönlich galt. Es trifft den einzelnen, angesprochen fühlen sich alle. Angst macht sich breit, viele sind eingeschüchtert und meiden die Orte, an denen sie befürchten angegriffen zu werden. Das kann ein Bahnhof nach Anbruch der Dunkelheit oder ein Platz vor dem Einkaufszentrum sein. Das Land wird durchzogen von "No-Go Areas" für die Gruppen potentieller Betroffener.
Organisierten Rechtsextremisten kommt diese Entwicklung gelegen. Was aus der Sicht der Betroffenen "No-Go Areas" sind, nennen sie "national befreite Zonen". Sie meinen damit, dass sie es sind, ihre Kameradschaften und ihr soziales Umfeld, die die soziale Kontrolle ausüben, nicht mehr staatliche Institutionen. Sie streben die kulturelle und soziale Hegemonie vor Ort an. Dieser Kampf wird in fast jeder Schule, jedem Jugendclub, in vielen Dörfern und Stadtteilen geführt, und Rechtsextremisten erobern sich immer mehr Terrain. An vielen Orten ist der rechtsextreme Mainstream alternativlos. Rechts zu sein, ist Normalität. Wer keinen Ärger will, passt sich an.
Aber Gewalt und Einschüchterung als Mittel zur Durchsetzung und Aufrechterhaltung rechter Hegemonie können nur Erfolg haben, weil Passanten, Sozialarbeiter, Eltern, Mitbürger passiv bleiben und wegsehen. Nichtangepasste Jugendliche, Menschen nicht-deutscher Herkunft, Aussiedler etc. werden nicht nur zusammengeschlagen, sondern sowohl während der Tat als auch danach, bleiben Solidarisierungsprozesse von "Nicht"-Beteiligten oft aus.
Fehlende Solidarität mit Opfern motiviert Täter
Das Ausbleiben von Solidarisierungsprozessen mit den Angegriffenen hat auch eine Wirkung auf die Täter. Es bestätigt ihre Vorstellung von einer heimlichen Zustimmung der Bevölkerung zu ihren Taten, oder es erweckt den Eindruck, dass die Gesellschaft Angst vor den rechten Schlägern hat. Es scheint, als ob sich niemand mit ihnen anlegen mag, als ob sie unangreifbar wären. Die Gefahr, die von ihnen ausgeht, wird nicht beim Namen genannt, sondern Vertreter der Stadt und der Polizei suchen sogar das Gespräch mit ihnen. Dieses Bild einer unangreifbaren Gegenmacht in der Stadt bestärkt dann nicht nur die Täter selbst, es wirkt auch attraktiv auf andere Jugendliche, bei denen sich ein demokratisches Selbstverständnis nicht durchgesetzt hat. Der "Erfolg" verschafft ihnen Zulauf. Wer möchte nicht auf Seiten der Gewinner stehen. In diesen Überlegungen zur Rolle von Gewalt, Macht und Angst für die Durchsetzung und Aufrechterhaltung rechter Hegemonie, wird klar, wie wichtig Solidarisierungsprozesse mit den Opfern rechtsextremer Gewalt sind, und dass ein Ausbleiben nicht nur Teil sondern die Voraussetzung eines "Rechtsrucks" in der Gesellschaft ist.
Öffentliches Engagement gegen Rechtsextremismus und für die Betroffenen von rechter Gewalt kann helfen, den Einfluss rechter Ideologie zu vermindern, der rechten Gewalt die vermeintliche öffentliche Zustimmung zu entziehen und damit eine Schwächung rechter Machtpositionen bewirken. Dabei geht es nicht nur darum, Anteilnahme am Schicksal einzelner zu erwirken. Es geht auch darum, die mit Ausgrenzung von Menschen verbundene Gefahr für die gesamte Gesellschaft zu erkennen.
Warum guter Rat?
Die Arbeit der Beratungsprojekte für Opfer rechtsextremer Gewalt verortet sich vor diesem Hintergrund. Sie bietet den Betroffenen praktische Unterstützung u.a. bei der Durchsetzung ihrer Rechte und Möglichkeiten an und bestärkt sie darin, sich nicht in einer passiven Opferrolle einzurichten, sondern aktiv zu werden, gemeinsam Perspektiven zu entwickeln.
Nur die wenigsten Betroffenen haben zuvor bereits Erfahrungen mit dem deutschen Rechtssystem gemacht. Sie fühlen sich mit ihren Ängsten und Fragen alleingelassen. Viele wissen sicher, dass der Angriff in Deutschland als eine Straftat gilt, als ein Verstoß gegen geltendes Recht und gesellschaftliche Normen. Und dass es daher die gesetzliche Aufgabe von Behörden wie Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichten ist, diese Verletzung der Rechtsnorm zu verfolgen und die Täter zu bestrafen. Aber sie sind unsicher, was dies für sie bedeutet und welche Möglichkeiten sich für sie daraus ergeben.
Strafverfahren
In einem Strafverfahren klagt die Staatsanwaltschaft den Täter an, da er aufgrund seiner Straftat gegen die staatliche Rechtsordnung verstoßen hat. Der Täter, bzw. der "Tatverdächtige" darf sich allein oder mit Hilfe eines Anwalts verteidigen. Oft werden von Tätern Gegenanzeigen gestellt, nur um das Opfer zu verunsichern.
In der Beweisaufnahme werden Zeugen und Sachverständige gehört und befragt. Staatsanwaltschaft und Verteidigung halten ein Plädoyer und das Gericht urteilt schließlich über Schuld oder Unschuld des Angeklagten und wählt Strafform und –höhe (Freiheitsstrafe, Geldstrafe etc.). Der Angegriffene tritt im Strafverfahren als "Opferzeuge" auf. Dies bedeutet, dass seine Aussage zwar wichtiges Beweismittel in der Beweisaufnahme sein kann, im Mittelpunkt des Verfahrens steht aber nicht sein Bedürfnis nach Wiedergutmachung, sondern die Feststellung des Rechtsbruchs.
Was kann ich erwarten und was muss ich tun?
Sie sind das Opfer eines rassistischen Angriffs geworden. Sie haben Anspruch darauf, 1.) dass die Straftat ans Licht kommt, 2.) dass die Täter zur Rechenschaft gezogen werden, 3.) dass Sie Schadensersatz bzw. Schmerzensgeld erhalten. Dazu stehen Ihnen bestimmte Rechte zu, die Sie nutzen können. Weil der Angriff auf Sie aus Sicht des Staates eine Verletzung von Rechtsnormen ist, ist die Polizei dazu verpflichtet gegen die Täter zu ermitteln, bzw. eine Anzeige aufzunehmen.
Wird die Polizei nicht gerufen, müssen Sie selbst den Angriff bei der Polizei anzeigen, wenn Sie wollen, dass die Täter verurteilt werden. Aufgrund Ihrer Anzeige muss die Polizei ermitteln, was passiert ist und wer die Angreifer waren. Ob die Angreifer dann in Untersuchungshaft genommen werden oder bis zum Prozess in Freiheit bleiben, entscheidet ein spezieller Richter. Anschließend beschließt die Staatsanwaltschaft, ob die Beweise gegen die Täter ausreichend sind und gibt den "Fall" an das Gericht weiter. Ein Gericht urteilt dann in einem Strafverfahren über die Schuld der Täter. In diesem Verfahren haben Sie die Rolle eines Tatzeugen.
Zivilverfahren
In einem Zivilverfahren geht es um direkte Forderungen des Opfers an den Täter. Dabei handelt es sich meist um Geldforderungen. Es ist empfehlenswert mit dem Zivilverfahren zu warten bis das Strafverfahren abgeschlossen ist und die Schuld der Täter eindeutig feststeht. Eine Klage auf Schmerzensgeld oder Schadensersatz kann bis spätestens drei Jahre nach der Tat eingereicht werden. Oft ist bei den Tätern finanziell nichts zu holen. Trotzdem ist die Klage auf Schmerzensgeld oder Schadensersatz nicht sinnlos, denn der "Rechtstitel", den man sich damit erwirbt, ist über viele Jahre einklagbar. Schäden, die Sie bei dem Angriff erlitten haben und für die Sie Wiedergutmachung wollen, spielen in einem Strafverfahren keine Rolle. Schadensersatz und Schmerzensgeld müssen Sie vielmehr in einem Zivilverfahren einfordern.
'Rassisten' haben Sie angegriffen
Sie wurden von rassistischen Angreifern beleidigt, geschlagen, getreten. Vielleicht haben viele Menschen diesen Angriff mitbekommen aber niemand hat Ihnen geholfen. Vielleicht waren Sie ganz allein auf der Strasse oder gerade mit Freunden auf dem Weg nach Hause. Sie stellen sich nun die quälenden Fragen: Warum ist mir das passiert? Warum wurde ich angegriffen? Was habe ich den Angreifern getan? Warum hassen die mich?
Auf diese Fragen gibt es nur eine Antwort: Sie haben nichts getan. Bei Ihnen liegt keine Schuld. In Deutschland werden immer wieder Menschen angegriffen, beschimpft oder bedroht, die in das Feindbild "nicht deutsch" eingeordnet werden.
Die Zuordnungen zu diesem Feindbild richten sich rein nach äußerlichen Merkmalen wie Hautfarbe, Sprache oder Erscheinungsbild. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Opfer in Deutschland geboren und aufgewachsen oder erst später eingewandert sind. Sie werden von den Rassisten als "nicht dazugehörig" eingeordnet.
In den meisten Fällen gehören die überwiegend jugendlichen Angreifer keiner organisierten rechten Gruppe an. Aber sie gehören zu rechten Cliquen, die niemanden akzeptieren wollen, der nicht in ihr Weltbild passt. Das beschränkt sich nicht auf Migranten und Flüchtlinge. Ihr Hass richtet sich auch gegen alternative Jugendliche, Behinderte, Homosexuelle und Obdachlose. Sie hassen alles, was ihnen kulturell fremd erscheint.
Oft beschimpfen die Angreifer ihre Opfer, bevor sie gewalttätig werden. Es sind immer wieder die gleichen Provokationen: "Geh dahin, wo du her kommst!" - "Was willst du hier?" - "Du hast hier nichts zu suchen!" - "Das ist unser Land!" Ihr rassistisches Handeln wendet sich zwar gegen einzelne Personen, gemeint sind aber alle, die sie einer ihrer Feindgruppen zuordnen.
Ihr Rassismus wird genährt durch politische Diskussionen sowohl von staatlicher Seite als auch an den Stammtischen. Die entsprechenden rassistischen Positionen kennzeichnen die öffentlichen Debatten über Asylgesetze, doppelte Staatsangehörigkeit, Einwanderungsbestimmungen oder auch Terrorismus. Die Täter wollen den Opfern klar machen, dass sie in dieser Gesellschaft nichts zu suchen hätten und als Menschen weniger wert sein sollen.
Deshalb ist es wichtig zu verstehen, dass Sie selbst keine Schuld an dem Angriff haben. - Sie wurden angegriffen, die anderen sind die Angreifer.Es traf Sie - gemeint sind alle, die nicht in das Weltbild der Rassisten passen!
Muss ich wirklich Anzeige stellen?
Betroffene haben oft die Einstellung, dass eine Anzeige bei der Polizei keinen Sinn macht. Sie haben Angst, dass ihnen das Gericht nicht glaubt und die Tat verdreht dargestellt wird. Wir raten in den meisten Fällen dennoch dazu: Stellen Sie eine Anzeige! Für Entschädigungsforderungen wie Schmerzensgeld oder Schadensersatz ist eine Anzeige Voraussetzung.
Aber auch darüber hinaus kann man mit einer Anzeige etwas erreichen: Eine Anzeige führt dazu, dass die Polizei gezwungen ist Ermittlungen anzustellen. Ohne eine Anzeige hat der Angriff für die Täter keinerlei negative Konsequenzen. Das ermutigt sie und andere rechte Jugendliche weiterzumachen.
Kommt es nach einer Anzeige zur gerichtlichen Verurteilung der Tat, kann die Öffentlichkeit nicht mehr einfach verschweigen, dass es in der Stadt ein Problem mit rechten Jugendlichen und rassistischen Einstellungen der Bevölkerung gibt. Die gerichtliche Verurteilung des Angriffes kann dabei als Alarmsignal an die Verantwortlichen verstanden werden. Das weit verbreitete Schweigen über rassistische Einstellungen in der Bevölkerung einer Stadt oder gar über organisierte rechtsextreme Strukturen wird so zumindest erschwert.
Es kommt manchmal vor, dass die Täter Sie anzeigen und behaupten, Sie hätten den Angriff provoziert. Eine eigene Anzeige ist in einem solchen Fall ein möglicher Schutz, weil die Polizei aufgrund Ihrer Anzeige ermitteln muss und damit der reale Ablauf der Tat aufgedeckt werden kann.
Was bedeutet eine Anzeige und wie mache ich das?
Eine Anzeige ist zunächst nichts weiter als eine Mitteilung an die Polizei, dass eine Straftat stattgefunden hat. Grundsätzlich können Sie die Anzeige direkt bei jeder Polizeidienststelle stellen. So können Sie zum Beispiel eine Tat, die in München stattgefunden hat auch in Hamburg zur Anzeige bringen. Sie können eine Anzeige jedoch auch schriftlich bei der Staatsanwaltschaft stellen. Bevor Sie eine Anzeige stellen, lassen Sie sich die Ereignisse noch einmal in Ruhe durch den Kopf gehen, damit Sie die Details möglichst genau wiedergeben können. Es kann auch hilfreich sein nicht alleine zur Polizei zu gehen und eine vertraute Person oder einen Mitarbeiter einer Opferberatungsstelle mitzunehmen. Sie können eine Anzeige auch noch bis zu drei Monaten nach einer Tat stellen.
Dolmetscher
Bei der Anzeigenaufnahme haben Sie grundsätzlich das Recht auf einen Dolmetscher in Ihrer Muttersprache, den die Polizei bezahlen muss. Sie sollten auf diesem Recht bestehen. Auch wenn Sie selbst Ihre Deutschkenntnisse für ausreichend halten, kann es gerade in ungewohnten und angespannten Situationen zu Missverständnissen kommen, die die Ermittlungen der Polizei erschweren. Ein Freund, der gut Deutsch spricht, kann Ihnen zwar bei einem ersten Gespräch mit der Polizei helfen, die schriftliche Aussage, die die Polizei dann von Ihnen zu Protokoll nimmt, muss allerdings von einem staatlich vereidigten Dolmetscher übersetzt werden. Die Polizei wird einen solchen Dolmetscher in der Regel telefonisch rufen. Falls Sie auf den Dolmetscher nicht warten können oder wollen, bitten Sie die Polizei, den Dolmetscher an einem anderen Tag zu bestellen und Ihnen entsprechend Bescheid zu sagen. Dann wird Ihre Aussage an einem der nächsten Tage aufgenommen.
Die Polizei gibt Ihrer Anzeige eine Tagebuchnummer. Schreiben Sie sich diese Nummer auf und/oder lassen Sie sich eine Bestätigung der Anzeige geben. Wenn Sie sich später erkundigen wollen, was aus Ihrer Anzeige geworden ist, ist es hilfreich diese Nummer zu haben. Sie sollten sich auch klar darüber sein, dass eine einmal gestellte Anzeige später nicht mehr zurückgenommen werden kann. Die Tat wird selbst, wenn Sie Ihre Anzeige zurücknehmen, "von Amts wegen" verfolgt. Dies gilt nicht für Delikte, die die Polizei nur auf Antrag verfolgt. Für diese Taten ist es wichtig, explizit einen Strafantrag zu stellen. Da man bei einer Anzeigenaufnahme in der Regel noch nicht weiß, welchem juristischen Straftatbestand die Tat zugeordnet wird, sollte vorsorglich immer ein Strafantrag gestellt werden. Die Polizei ist dazu verpflichtet, Ihre Anzeige aufzunehmen. Sie hat nicht das Recht Sie unverrichteter Dinge wieder nach Hause zu schicken.
Strafantrag
Eine einfache, eine vorsätzliche und eine fahrlässige Körperverletzung sowie eine Beleidigung werden nur auf Strafantrag verfolgt. Auf dem Anzeigenformular, das die Polizei ausfüllt, sollte das entsprechende Kästchen angekreuzt werden. Ein Strafantrag kann auch schriftlich bis zu drei Monate nach der Tat erfolgen.
Sollte es vorkommen, dass die Polizei Ihre Anzeige nicht aufnimmt, Ihnen einen Dolmetscher verweigert oder Ihnen eine schriftliche Anzeigenbestätigung nicht aushändigen will, so haben Sie das Recht, sich zu beschweren und/oder zu einer anderen Polizeidienststelle zu gehen.
Was mache ich, wenn die Täter mich anzeigen, weil ich mich gewehrt habe?
Wenn Sie angegriffen werden, haben Sie gesetzlich das Recht, sich angemessen in Notwehr zur Wehrzu setzen. Vor Gericht kann Ihnen das nicht zum Nachteil ausgelegt werden. Deshalb brauchen Sie keine Angst zu haben, bei der polizeilichen Vernehmung bei der Wahrheit zu bleiben. Wenn Sie sich allerdings unsicher sind, ob Ihre Verteidigung als "angemessen" angesehen werden würde, wenden Sie sich an einen Anwalt oder an eine Opferberatungsstelle.
Wenn die Täter Sie anzeigen - ob Sie sich nun gewehrt haben oder ob die Täter dies nur behaupten, um von Ihrer eigenen Schuld abzulenken - und Sie werden von der Polizei als Beschuldigter geladen, gilt generell, dass Sie zu einer Vernehmung bei der Polizei nicht erscheinen müssen. In einem solchen Fall ist es am besten abzuwarten, ob die Staatsanwaltschaft Sie vorlädt oder die Anzeige gegen Sie fallen lässt. Zu einer Vorladung bei der Staatsanwaltschaft müssen Sie allerdings erscheinen. Spätestens dann sollten Sie einen Rechtsanwalt mit der Angelegenheit beauftragen.
Gedächtnisprotokoll
Um später bei der Polizei, der Staatsanwaltschaft oder vor dem Gericht den Angriff so genau wie möglich wiedergeben zu können, ist es ganz wichtig, sich genaue Notizen darüber zu machen, was passiert ist. Schreiben Sie deshalb ein "Gedächtnisprotokoll". Sie denken jetzt vielleicht, dass Sie den Angriff nie vergessen werden. Es zeigt sich jedoch immer wieder, dass man sich nach einem halben oder einem Jahr, wenn es zum Prozess kommt, doch nicht mehr an jedes Detail erinnern kann. Ein Gedächtnisprotokoll kann dabei eine wichtige Hilfe sein. Schreiben sie die Ereignisse möglichst in den ersten Tagen nach dem Angriff auf, wenn die Erinnerung noch frisch ist. Da das Protokoll vor allem Ihnen selbst als Hilfe dient, um sich später besser zu erinnern, sollten sie es in ihrer eigenen Sprache und allein schreiben, nicht mit Freunden. Wenn sie gemeinsam mit anderen angegriffen wurden, ist es sinnvoll, wenn alle Betroffenen eigene Gedächtnisprotokolle schreiben. Denn später bei der Polizei oder vor Gericht wird nur danach gefragt werden, was Sie selbst erlebt haben und nicht, was andere Ihnen berichtet haben. In diesem Protokoll sollte so detailliert wie möglich alles festgehalten werden, was sich während der Tat ereignet hat. Sie können sich beim Schreiben an folgenden Fragen orientieren:
Wie kam es zum Angriff?
Wo und wann geschah es?
Wer waren die Täter, wie sahen sie aus?
Wer von den Tätern hat was gemacht?
Gibt es Zeugen und wer?
Wie haben Sie sich verhalten?
Wenn Sie das Gedächtnisprotokoll geschrieben haben, bewahren Sie es gut auf. Das Protokoll dient Ihnen zur Erinnerung! Es ist nur für Sie und vielleicht Ihren Anwalt bestimmt. Sie sollten es nicht der Polizei oder dem Gericht geben. Am besten nehmen Sie es bei einer Vorladung gar nicht mit, sondern lesen es sich noch einmal durch, bevor Sie zur Polizei oder zum Gericht gehen.
Was sollte ich noch tun?
Waren Sie bisher noch nicht bei einem Arzt, kann es sinnvoll sein, dies so schnell wie möglich zu tun und sich körperliche Schäden attestieren zu lassen. Auch eigene Fotos von sichtbaren Schäden, wie Platzwunden oder Blutergüssen, können später vor Gericht eine Rolle spielen. Außerdem sollten Sie sich materielle Schäden genau notieren und Rechnungen, über Kosten, die Ihnen im Zusammenhang mit dem Angriff entstanden sind, gut aufbewahren, damit Sie später im Zivilverfahren einen Nachweis darüber haben. Sie müssen sich darauf einstellen, dass es lange Zeit dauert bis es zu einer Verurteilung der Täter kommt. Spätestens jetzt ist es Zeit, sich über die eigenen Rechte zu informieren und eventuell eine Opferberatungsstelle aufzusuchen. Sie kann Ihnen bei der Bewältigung des Angriffes zur Seite stehen und Ihnen neben rechtlichen Hinweisen Anregungen geben, wo Sie weitere finanzielle Hilfen erhalten können.
Einstellung des Verfahrens
Sieht der Staatsanwalt keine Möglichkeit Anklage zu erheben, weil zum Beispiel die Täter nicht auszumachen sind oder die Beweise nicht ausreichen, wird das Verfahren eingestellt. Ist ein Strafantrag gestellt worden, wird das Opfer über die Einstellung informiert. Das Opfer (und jeder andere) hat das Recht dagegen eine Dienstaufsichtsbeschwerde einzulegen. Diese wird formlos an den Generalstaatsanwalt gerichtet. Wurde das Opfer bei einem Angriff verletzt, kann ein Klageerzwingungsverfahren angestrengt werden.
Was macht die Polizei?
Nachdem Sie die Tat angezeigt haben, ist es die Aufgabe der Polizei zu ermitteln. Sie sucht nach den Tätern und nach weiteren Zeugen und befragt sie. Es kann durchaus sein, dass Sie während der polizeilichen Ermittlungen noch einmal als Zeuge befragt werden. Wenn Sie die Täter vielleicht wieder erkennen würden und dies bei der Polizei angeben, werden Ihnen die Beamten wahrscheinlich Fotos zur Identifizierung zeigen. In seltenen Fällen bittet Sie die Polizei, eventuelle Täter bei einer Gegenüberstellung zu identifizieren. Möchten Sie eine solche Begegnung aus dem Weg gehen, sollten Sie von der Polizei fordern, Ihnen stattdessen Fotos der Verdächtigen vorzulegen. Wie zu jedem Termin bei der Polizei, können Sie auch bei einer Gegenüberstellung einen Freund, einen Mitarbeiter einer Beratungsstelle oder Ihren Rechtsanwalt mitnehmen.
Falls Sie später noch Ergänzungen zu Ihrer Aussage machen wollen, selbst Zeugen gefunden oder neue Erkenntnisse über den Täter haben, können Sie das der Polizei jederzeit mitteilen. Nachdem die Polizei ihre Ermittlungen abgeschlossen hat, schickt sie das Ergebnis an die Staatsanwaltschaft.
Was macht die Staatsanwaltschaft dann?
Die Staatsanwaltschaft entscheidet, ob die Ermittlungen der Polizei ausreichend waren, ob weiter ermittelt wird oder ob das Verfahren z.B. "aus Mangel an Beweisen" eingestellt wird. Falls Sie von der Staatsanwaltschaft zu einer Zeugenvernehmung vorgeladen werden, sind Sie - anders als bei der Polizei - verpflichtet auszusagen.
Wenn die polizeilichen und staatsanwaltlichen Ermittlungen endgültig abgeschlossen sind, entscheidet die Staatsanwaltschaft, ob sie einen Strafbefehl bei Gericht beantragt oder das Verfahren direkt vor Gericht bringt. Die endgültige Entscheidung, ob ein Verfahren vor einem Gericht eröffnet wird, liegt dann beim zuständigen Richter.
Strafbefehle
Strafbefehle werden bei eher geringeren Straftaten ausgesprochen. Es findet dann keine Gerichtsverhandlung statt. Stattdessen entscheidet ein Richter über einen von der Staatsanwaltschaft beantragten Strafbefehl. Dieser wird dem Täter zugesandt. Dabei handelt es sich meistens um Bußgelder, die allerdings nicht an Sie sondern in der Regel an gemeinnützige Organisationen gehen.
Wie lange dauert das ganze?
Derzeit dauert ein Strafverfahren von der Tat bis zum Gerichtsprozess durchschnittlich ein bis eineinhalb Jahre. Ist der Täter in Untersuchungshaft, muss das Verfahren allerdings innerhalb von sechs Monaten eröffnet werden. Haben Sie das Gefühl, dass nach Ihrer Anzeige nichts passiert, dann können Sie sich über den Stand der Ermittlungen, bzw. des Verfahrens mit einer Sachstandsanfrage erkundigen oder eine Dienstaufsichtsbeschwerde verfassen.
Dienstaufsichtsbeschwerde
Möchte man sich beispielsweise über das Verhalten der Polizei beschweren, so kann man dies schriftlich beim Polizeipräsidium oder bei der zuständigen Staatsanwaltschaft tun. Das Ergebnis wird Ihnen dann mitgeteilt. Auch wenn auf diese Beschwerde zunächst nichts konkretes folgt, kann man doch davon ausgehen, dass derartigen Beschwerden in der Polizeibehörde genau nachgegangen und – zumindest bei Häufung von Beschwerden- die entsprechenden Polizeibeamten zur Rechenschaft gezogen werden.
Was passiert im Gerichtssaal?
Wird die Hauptverhandlung eröffnet, sind die Rollen folgendermaßen verteilt:
Auf der einen Seite sitzen die Täter als Angeklagte, die sich in der Regel einen Anwalt nehmen. Auf der anderen Seite sitzt der Staatsanwalt, der im Namen des Staates die Täter anklagt, da diese mit dem Angriff auf Sie geltende Gesetze gebrochen haben. Zentral, meist etwas erhöht, sitzt der Richter und eventuell zwei Laienrichter oder Beirichter. Außerdem befinden sich noch eine Schreibkraft und eventuell ein Mitarbeiter der Jugendgerichtshilfe oder andere Sachverständige im Gerichtssaal. Sie selbst und andere Zeugen werden zu einem oder zu mehreren Terminen geladen und treten als Zeuge der Staatsanwaltschaft auf, um die Ereignisse zu schildern.
Dabei sitzen Sie in der Mitte mit Blick auf den Richtertisch und werden, nachdem Ihre Personalien aufgenommen wurden, zunächst vom Richter dazu aufgefordert, die Sache mit Ihren eigenen Worten zu schildern. Anschließend stellen Ihnen der Richter, der Staatsanwalt und der Anwalt des Angeklagten Fragen. Ihnen wird für diese Aussage vom Gericht ein Dolmetscher zur Verfügung gestellt. Als Zeuge sind Sie verpflichtet, wahrheitsgemäß auszusagen.
Sachstandsanfrage
Eine Sachstandsanfrage ist nichts weiter als ein Brief, in dem Sie die Tagebuchnummer, die Sie bei der Anzeige bekommen haben, vermerken und sich nach dem Stand Ihrer "Sache" erkundigen. Bevor Sie eine solche schriftliche Sachstandsanfrage stellen, können Sie auch den entsprechenden Staatsanwalt telefonisch um Auskunft bitten.
Plädoyer
Das Plädoyer ist eine Rede, in der aus Sicht der Staatsanwaltschaft oder der Verteidigung dargestellt wird, wie sich der Angriff wahrscheinlich abgespielt hat, welche Gesetze dabei gebrochen wurden und welche weiteren Umstände (Alkohol, rechtsextreme Tätereinstellungen etc.) dabei zu berücksichtigen sind. Anschließend wird eine Empfehlung über die Höhe der Strafe ausgesprochen.
Der Richter weißt Sie noch einmal besonders darauf hin. Er will Ihnen damit nicht persönlich unterstellen, dass Sie eventuell lügen, sondern dies ist Teil des Verfahrens und er hat dies bei allen Zeugen zu tun. Wenn Sie die Antwort auf eine Frage nicht mehr genau wissen oder sich nicht mehr erinnern, sollten Sie dies sagen, damit Sie nicht früheren Aussagen bei der Polizei widersprechen. Auch für solche Fälle ist es hilfreich, wenn Sie sich Ihr Gedächtnisprotokoll noch einmal vor der Gerichtsverhandlung durchlesen. Erscheinen Sie nicht vor Gericht, kann gegen Sie ein Ordnungsgeld oder gar Gefängnis beantragt werden.
Ansonsten spielen Sie während des Prozesses keine aktive Rolle. Bis der Richter Sie hereinrufen lässt, müssen Sie mit anderen Zeugen vor der Tür warten. Nachdem Sie Ihre Aussage gemacht haben, können Sie gehen oder für den Rest der Verhandlung bis zur Urteilsverkündung zuhören.
Hat das Gericht die "Beweisaufnahme" abgeschlossen – das bedeutet in der Regel alle Zeugen und Sachverständigen gehört – halten die Staatsanwaltschaft und die Verteidigung des Angeklagten ein Plädoyer. Der Richter zieht sich für einige Minuten zurück und verkündet dann das Urteil.
Waren die Beschuldigten zur Tatzeit unter 18 Jahren, findet das Strafverfahren unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Auch bei Beschuldigten zwischen 18 und 21 Jahren (Heranwachsende) kann der Richter die Öffentlichkeit ganz oder für bestimmte Teile des Verfahrens ausschließen. Bei Angeklagten, die während der Tat älter als 21 Jahre waren, muss die Öffentlichkeit zugelassen werden.
Kann ich noch mehr Einfluss auf das Verfahren nehmen?
Sie können sich, in dem Sie als Nebenkläger auftreten, auch aktiv in das Verfahren einmischen. Dies können Sie alleine oder mit Hilfe eines Anwalts, der Sie vertritt. Nebenklage sollten Sie schon während des Ermittlungsverfahrens möglichst durch einen Anwalt beantragen. Sie können sich aber auch erst später, wenn die Hauptverhandlung schon läuft, dazu entscheiden.
Nebenklage
Nebenkläger können in bestimmten Bereichen auf das Verfahren einwirken. So können sie Einsicht in die Ermittlungsakten nehmen, vor Gericht Fragen und Anträge stellen und Rechtsmittel gegen das Strafurteil einlegen. Der Nebenkläger eines Strafverfahrens kann während der gesamten Verhandlung neben der Staatsanwaltschaft Platz nehmen und muss nicht im Zuschauerraum sitzen. Man sollte sich dabei von einem Anwalt vertreten lassen und erhält für die entstehenden Kosten unter bestimmten Umständen staatliche Prozesskostenhilfe. Eine Nebenklage ist nicht zulässig bei jugendlichen Tätern (14 bis 18 Jahre).
Nebenklage bedeutet:
Sie haben ein Recht darauf, sich gemeinsam mit Ihrem Anwalt vor dem Gerichtstermin die Akten genau anzusehen; Sie können an der gesamten Gerichtsverhandlung an der Seite des Staatsanwaltes teilnehmen und müssen nicht vor der Tür auf Ihre Vernehmung warten; Ihnen wird für die gesamte Gerichtsverhandlung, nicht nur während Ihrer eigenen Aussage, ein Dolmetscher zur Verfügung gestellt, so dass Sie auch den anderen Aussagen, den Plädoyers und dem Urteilsspruch folgen können.
Sie können über Ihren Anwalt eigene Beweisanträge stellen und weitere Zeugen vorladen lassen; Sie können durch Ihren Anwalt Stellungnahmen zu Beweisanträgen der Angeklagten abgeben; Ihr Anwalt kann beleidigende Fragen zurückweisen und dabei helfen, die Schuldfrage nicht umzudrehen; Sie können über Ihren Anwalt selbst Fragen an die Angeklagten richten; Und Ihr Anwalt kann am Ende des Prozesses ein Plädoyer halten. Eine Nebenklage ist allerdings nur zulässig, wenn die Täter zur Tatzeit 18 Jahre oder älter sind. Sie ist bei den meisten Delikten zulässig, Ausnahmen bilden allerdings "Nötigung" oder "Bedrohung". Sie sollten solche Fragen jedoch mit einem Anwalt besprechen. Ist der Angeklagte unter 18 Jahre alt und eine Nebenklage daher nicht möglich, können Sie sich zur Unterstützung einen Anwalt als "Zeugenbeistand" nehmen.
Zwar hat der anwaltliche Zeugenbeistand nicht die gleichen Möglichkeiten wie der Anwalt in der Nebenklage, er kann aber trotzdem eine große Hilfe sein. Dies gilt insbesondere dafür, wenn es gilt beleidigende Fragen des Angeklagten oder seines Rechtsanwaltes zurückzuweisen.
Erwachsenenstrafrecht - Jugendstrafrecht
Oft sind die rechtsextremen Täter Jugendliche (zur Tatzeit unter 18) oder Heranwachsende (zur Tatzeit zwischen 18 und 21). Bei Jugendlichen wird grundsätzlich das Jugendstrafrecht angewandt, dessen Zielsetzung in erster Linie die Erziehung und nicht die Strafe ist. Entsprechend wird hier der "geistige Reifeprozess" der Jugendlichen, ihre familiäre Situation und berufliche Perspektiven berücksichtigt. Die Rechte der Opfer sind in Strafverfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende in einigen Punkten beschnitten:
Ist der Täter Jugendlicher, ist eine Nebenklage unzulässig. Die Öffentlichkeit wird grundsätzlich von der Hauptverhandlung ausgeschlossen. Ist der Täter Heranwachsender, ist Nebenklage zulässig, aber das Gericht kann die Öffentlichkeit ausschließen, wenn es befindet, dass der Heranwachsende in seiner Reife einem Jugendlichen gleichzusetzen und der Ausschluss im Interesse seiner Entwicklung geboten sei. Dann wird auch hier das Jugendstrafrecht angewandt.
Wer bezahlt meinen Anwalt?
Grundsätzlich muss in einem Gerichtsverfahren derjenige die Anwaltskosten übernehmen, der verurteilt wird. Werden die Täter daher freigesprochen, so müssten Sie Ihre Anwaltskosten eigentlich selbst tragen. Wenn Sie allerdings nur geringe finanzielle Einkünfte haben, können Sie Prozesskostenhilfe beantragen. Sie sollten gleich beim ersten Gespräch mit Ihrem Anwalt klären, ob dieser bereit ist, für Sie Prozesskostenhilfe zu beantragen und auf dieser Grundlage zu arbeiten. Sie können Ihren Anwalt außerdem darauf hinweisen, dass der DAV eine "Stiftung contra Rechtsextremismus und Gewalt" gegründet hat, bei der Ihr Anwalt die Übernahme seiner Kosten beantragen kann.
Wie bekomme ich von den Tätern eine Entschädigung?
Entschädigungen und Schmerzensgeld werden nicht im Strafverfahren, sondern im Zivilverfahren eingeklagt. Im Gegensatz zu einem Strafverfahren gibt es im Zivilverfahren keinen staatlichen Ankläger (Staatsanwalt). Vielmehr stehen sich Angreifer und Betroffener gegenüber. Prozesskostenhilfe Wer als Sozialhilfeempfänger, als Volljähriger in Ausbildung oder sonst wenig Begüterter einen Prozess anstrengt, hat einen Anspruch auf Prozesskostenhilfe. Er muss sein nur kleines Einkommen und seine Ausgaben, wie Miete, Schuldentilgung etc., nachweisen. Diese Regelung soll gewährleisten, dass auch Opfer klagen können, die sich eine teure Rechtsverfolgung sonst nicht leisten könnten.
Das Gericht hat die Aufgabe zwischen beiden Parteien zu vermitteln. Auch diese Möglichkeit sollten Sie mit Ihrem Anwalt erörtern. Grundsätzlich sollte eine Schmerzensgeldklage in einem Zivilprozess erst dann verhandelt werden, wenn der Strafprozess abgeschlossen ist. Jedoch verjährt Ihr Anspruch auf Schmerzensgeld nach Ablauf von drei Jahren nach der Tat. Bei einem langen Strafverfahren muss daher Zivilklage eingereicht werden, bevor der Strafprozess beendet ist.
Wer bezahlt meinen Anwalt im Zivilprozess?
Prozesskostenhilfe wird beim Zivilprozess nur gewährt, wenn Sie Aussicht auf Erfolg haben. Praktisch bedeutet dies, dass, wenn Ihr Antrag auf Prozesskostenhilfe positiv entschieden wurde, Sie sehr gute Chancen haben, das Zivilverfahren zu gewinnen. Üblicherweise reicht man daher eine Zivilklage nur unter der Vorraussetzung ein, dass Prozesskostenhilfe gewährt wird. Damit kann man das Kostenrisiko ausschalten.
Kann man die Sache nicht in einem persönlichen Gespräch klären?
Bei einem Angriff, der nicht so schwer war, gibt es die Möglichkeit, durch einen neutralen Vermittler den "Konflikt" gemeinsam zu lösen. Das Verfahren heißt Täter-Opfer-Ausgleich. In der Regel wird das Ergebnis eines solchen Ausgleichs die Zahlung von Schmerzensgeld oder Schadensersatz und eine förmliche Entschuldigung beim Opfer sein. Ein Täter-Opfer-Ausgleich setzt voraus, dass der Täter sich ernsthaft mit dem Betroffenen auseinandersetzt, die Tat und deren Folgen bereut und zu einer Wiedergutmachung bereit ist. Die Teilnahme an diesem Verfahren ist die freie Entscheidung der Beteiligten. Das bedeutet: Es liegt an Ihnen, ob Sie einer Teilnahme zustimmen. Auch wenn Sie zunächst eingewilligt haben und während der Gespräche den Eindruck bekommen, dass sich der Täter nur mit Ihnen unterhält, weil er Angst vor einer Bestrafung hat, nicht aber, weil er seine Tat bereut, können Sie das Gespräch jederzeit abbrechen.
Ein Täter-Opfer-Ausgleich kann durch den zuständigen Richter oder Staatsanwalt, aber auch durch den Angreifer oder Sie selbst beantragt werden. Die Vermittlungsstellen der Sozialen Dienste der Justiz oder eine andere Schlichtungsstelle klären dann die Möglichkeiten für einen Ausgleich und führen ihn mit dafür ausgebildeten Schiedspersonen durch. Konnte die Sache auf diese Art und Weise geklärt werden, wird das Ergebnis an die zuständige Staatsanwaltschaft oder den Richter weitergeleitet. Die Staatsanwaltschaft kann dann die Einstellung des Strafverfahrens beantragen oder das Gericht kann die Strafe mildern.
Die Rolle der Medien
Zeitungen aber auch Rundfunk und Fernsehen reagieren in den letzten Jahren bezüglich rechtsextremistischer Angriffe sensibler. Es ist möglich, dass sich nach einem Angriff Journalisten an Sie wenden, um mehr über den Tathergang zu erfahren. Insgesamt können gut recherchierte, seriöse Medienbeiträge, die über den tatsächlichen Verlauf einer Tat informieren und deren Hintergründe aufzeigen, in der öffentlichen Auseinandersetzung, eine überaus positive Rolle spielen. Es gibt viele Beispiele, wo es durch gute Medienarbeit gelungen ist, eine breite Öffentlichkeit über Täter, Tathergang und Opfer fundiert und umfangreich zu informieren. Damit kann der Gefahr entgegengewirkt werden, vor Gericht aus Tätern Opfer und aus Opfern Täter zu machen. Aber Vorsicht! Eine gute Medienarbeit beruht auf vertrauenswürdigen, gut recherchierenden Journalisten. Wie können Sie sich jedoch Klarheit über einen Journalisten verschaffen, den Sie nicht kennen? Erste Hinweise gibt das Medium, für das ein Journalist arbeitet. So gibt es beispielsweise Zeitungen, die zur sogenanten Boulevard-Presse gehören, mit denen eine Zusammenarbeit erst gar nicht angefangen werden sollte. Wenn Sie mit der Medienlandschaft nicht vertraut sind, erkundigen Sie sich bei Freunden über die Zeitung oder das Magazin, für das der Journalist arbeitet. Wenn sie sich dafür entscheiden, mit einem Journalisten zu arbeiten, führen Sie ein Vorgespräch, machen Sie sich ein Bild von ihm und fragen Sie ihn nach seinen Vorstellungen und Absichten. Der Journalist ist derjenige, der etwas von Ihnen will. Deshalb sollten Sie Ihre Interessen auch klar formulieren. So können Sie beispielsweise verlangen, dass Ihr Name nicht genannt wird. Auch hier kann es hilfreich sein zu einem ersten Treffen einen Freund mitzunehmen, um gemeinsam zu einer Einschätzung zu kommen. Falls eine Gerichtsverhandlung ansteht und Sie mit einem Anwalt Nebenkläger sind, sollten Sie eine Zusammenarbeit mit den Medien unbedingt mit Ihrem Anwalt besprechen. Es gibt auch die Möglichkeit, auf Artikel, von denen Sie denken, dass sie die Ereignisse falsch wiedergeben, zu reagieren. Wenn Sie mit der Berichterstattung in der lokalen Presse aber auch in den überregionalen Medien nicht einverstanden sind, wehren Sie sich. Sie können beispielsweise in einem Leserbrief Ihre Sicht der Dinge ausdrücken. Sie können auch Kontakt zu dem Journalisten aufnehmen, der den Artikel verfasst hat. Immer wieder kommt es vor, dass Artikel geschrieben werden, ohne dass man die Betroffenen eines Angriffs u Wort kommen lässt. Fragen Sie den Journalisten, warum er nicht mit Ihnen gesprochen und an Ihrer Sicht der Dinge kein Interesse gezeigt hat.
Welche finanziellen Mittel kann ich erwarten?
Wenn die polizeilichen Ermittlungen abgeschlossen sind, können Sie bei folgenden Behörden und Organisationen Anträge stellen:
Opferfonds Cura
Für Opfer rechter Gewalt, die sich in einer existentiellen Notlage befinden. Die Aktion Cura wurde 1993 zunächst als Verein gegründet, dessen Trägerschaft 2004 auf die Berliner Amadeu Antonio Stiftung überging. Eine Unterstützung kann beispielsweise gewährt werden für eine Neuanschaffung von zerstörten Gebrauchsgegenständen, dem Kauf von medizinischen Hilfsmitteln (auch Zahnersatz) oder der Finanzierung von Erholungsreisen. Es können jedoch auch Gelder für Nachhilfeunterricht und Ausbildungsförderung beantragt werden. Die schriftliche Antragstellung ist problemlos und unbürokratisch. Dabei sollte man schildern, was passiert ist und warum man welche Hilfe in welcher Höhe beantragt. Vorher telefonisch nachzufragen ist immer gut. Mehr unter Externer Link: opferfonds-cura.de oder telefonisch 030-24088610
Bundesanwaltschaft
Die Bundesregierung hat seit 1.1.2001 Geld für die Entschädigung von Opfern rechtsextremer, rassistischer und antisemitischer Gewalt bereitgestellt. Dafür muss man sich vom Generalbundesanwalt ein Antragsformular zuschicken lassen, dieses ausfüllen und persönlich unterschreiben. In dem Formular werden u.a. Einzelheiten über den Angriff abgefragt und es soll eine Kontonummer angegeben werden. Hat man kein eigenes Konto, kann auch die Kontonummer eines Freundes oder einer Opferberatungsorganisation benannt werden. Wird Ihr Antrag bewilligt, holt sich die Bundesanwaltschaft das Geld von den Tätern wieder, ohne dass Sie ein Zivilverfahren führen müssen. Das heißt aber auch, dass Sie entsprechende Ansprüche an die Bundesanwaltschaft abtreten. Ein Antrag auf Entschädigung beim Generalbundesanwalt kann dann gestellt werden, wenn der Angriff:
- nach dem 1.1.1999 stattgefunden hat; - bei der Polizei angezeigt wurde (auch wenn nicht herausgefunden werden konnte, wer die Angreifer waren); -jemand verletzt, bedroht oder beleidigt wurde und nicht "nur" Sachschäden entstanden.
Die Adresse des Generalbundesanwalts lautet: Brauerstraße 30 76137 Karlsruhe oder über Externer Link: generalbundesanwalt.de
Opferentschädigungsgesetz (OEG)
Zusätzlich hat das Opfer das Recht, die Möglichkeiten des Opferentschädigungsgesetzes (OEG) auszuschöpfen. Die Leistungen nach dem OEG umfassen Heil- und Krankenbehandlungen, Ersatz von Brillen oder ähnlicher Hilfsmittel, Rente auch für Witwen und Waisen. Eine Opferentschädigung kann unabhängig davon beantragt werden, ob die Täter gefasst oder nicht gefasst worden sind. Auch die materielle Situation des Opfers spielt keine Rolle. Beantragen muss das Opfer die Opferentschädigung beim zuständigen Versorgungsamt. Eine Anzeige bei der Polizei ist dafür nicht ausreichend. Das Antragsformular kann formlos beim Versorgungsamt angefordert werden. Wer in die Situation kommt oder gekommen ist, das Opferentschädigungsgesetz in Anspruch nehmen zu müssen, wendet sich am besten an eine Opferberatungsorganisation. Dort wird dem Betroffenen auf jeden Fall die nächste Anlaufstelle genannt und im Zweifelsfall auch ein kompetenter Anwalt, der sich auf dieses Gebiet spezialisiert hat. Leider gibt es einige Einschränkungen im Gesetz. So sieht das Gesetz je nach Aufenthaltstitel (Aufenthaltserlaubnis oder -befugnis) Abstufungen in den Leistungen vor. Das OEG ersetzt nicht die Zivilklage gegen den Täter, denn es wird kein Schmerzensgeld gezahlt. Auch werden keine materiellen Schäden erstattet. Schmerzensgeld und Schadensersatz müssen im Zivilverfahren vom Täter eingeklagt werden.
Warum kann ich nicht aufhören, an den Angriff zu denken?
Vielen Menschen geht das, was passiert ist, nicht mehr aus dem Kopf. Sie grübeln am Tag darüber nach, wie es dazu kommen konnte, dass sie angegriffen wurden. Oft können die Opfer von Angriffen nachts nicht mehr einschlafen und/oder wachen nach Albträumen schweißgebadet wieder auf. Sie fühlen sich so verunsichert, dass sie alltägliche Dinge, wie einkaufen oder spazieren gehen, nur noch unter großer Angst oder in Begleitung tun können. Manchmal werden sie ganz plötzlich von ihren Erinnerungen überfallen und haben das Gefühl, alles noch einmal durchleben zu müssen, ohne etwas dagegen tun zu können. Viele Fragen sich, ob sie langsam verrückt werden, ob das denn nie mehr aufhören wird.
Wir alle sind es gewohnt, körperlichen Verletzungen mehr Aufmerksamkeit zu schenken, als den seelischen Kränkungen und "Verletzungen". Jeder Mensch geht alltäglich davon aus, dass ihm heute nichts passieren wird, dass ihn kein Auto überfährt, dass ihm niemand auf der Strasse auflauert, dass er grundsätzlich sicher ist. Ein körperlicher Angriff erschüttert diese Sicherheit von einer Minute auf die andere. Wie sehr diese Erschütterung einen Menschen aus dem Gleichgewicht bringt und wie er darauf reagiert, ist von Mensch zu Mensch verschieden. Albträume, Panikanfälle mit Schweißausbrüchen, Ein- und Durchschlafschwierigkeiten sowie Appetitlosigkeit sind jedoch die häufigsten Reaktionen.
Manchmal kommen diese Schwierigkeiten sofort nach dem Angriff, manchmal auch erst viel später und natürlich gibt es Menschen, die diese Probleme nie haben. So zu reagieren ist aber durchaus normal. Denn wie eine Wunde Zeit braucht, um zu heilen, so braucht auch die Seele Zeit, die Ereignisse zu verarbeiten, zu verdauen.
Wie lange dieser Prozess der Heilung bei dem Einzelnen dauert, kann niemand vorhersagen. Zu viele Dinge spielen dabei eine Rolle: Die Lebensumstände (Aufenthaltssicherheit, Wohnsituation), frühere Erlebnisse, die Reaktion von guten Freunden oder der Familie, die Gefahr, erneut angegriffen zu werden. Es ist wichtig, sich die notwendige Zeit zur Verarbeitung der Ereignisse zu nehmen, aber auch sich ganz bewusst zu bestimmten Sachen zu zwingen. Immer wieder zeigt sich, dass es wichtig ist, sich in dieser Verarbeitungsphase nicht zurückzuziehen. Vielen Menschen tut es gut darüber zu reden, wovor sie Angst haben und was ihnen nicht mehr aus dem Kopf geht. Vielen hilft es auch, ihr alltägliches Leben bewusst wieder aufzunehmen, wieder auf die Strasse zu gehen und sich dabei zunächst von Freunden begleiten zu lassen. Bei anhaltenden Schlafstörungen können Entspannungsübungen helfen. Notfalls kann man einen Arzt aufsuchen und sich ein leichtes Schlafmittel verschreiben lassen. Auch regelmäßiges Essen hilft - auch und gerade, wenn der Körper mit Appetitlosigkeit reagiert. Nach einiger Zeit, findet man in der Regel zu seiner Sicherheit zurück und der Angriff wird eine Erfahrung, wie andere zuvor. Wenn es dann nach längerer Zeit zum Prozess gegen die Angreifer kommt und man den Tätern wieder von Angesicht zu Angesicht gegenüber stehen muss, kommen manchmal die alten Gefühle und Ängste noch einmal hoch. Aber auch das vergeht nach einiger Zeit wieder. Manche Menschen kommen allerdings auch noch nach langer Zeit nicht über die Ereignisse hinweg. Noch Monate später fühlen sie sich, als wäre der Angriff gestern passiert. Dann besteht die Gefahr, dass dieser Zustand nicht von allein weggeht, sondern zur dauerhaften Belastung wird, die das Leben in jeder Minute des Tages bestimmt. Die Folge davon können schwere gesundheitliche Schäden, sogenannte psychosomatische Erkrankungen, wie Magengeschwüre, Herzerkrankungen, etc. sein. In solchen Fällen ist es wichtig sich professionelle Unterstützung zu suchen. Ein Spezialarzt kann klären, ob es sich um eine posttraumatische Belastungsstörung handelt, die behandelt werden sollte.
Posttraumatische Belastungsstörung
Die psychischen Folgen rassistischer Angriffe sind natürlich von Person zu Person verschieden. Dennoch gibt es eine große Anzahl von Gemeinsamkeiten: Viele leiden unter Schlaflosigkeit und Alpträumen, sozialem Rückzug und depressiver Interesselosigkeit, extremer Reizbarkeit und Schreckhaftigkeit. Man unterscheidet die zahlreichen Erscheinungsformen der "Posttraumatischen Belastungsstörung" im Wesentlichen in drei Hauptgruppen:
Ungewollte Erinnerungen an den Angriff. Der Angriff geht vielen Menschen fast ständig durch den Kopf, viele machen sich dabei auch noch selbst verantwortlich für das, was ihnen passiert ist. Sie können die Gedanken, Vorwürfe und Selbstvorwürfe nicht "abschalten". Die Erinnerungen drängen sich ihnen immer wieder auf. Besonders vor dem Einschlafen kehren sie mit qualvoller Deutlichkeit in jedem Detail zurück. Wie in der Erinnerung tauchen oft auch in Träumen einzelne Abschnitte des Angriffs in überdeutlicher Klarheit auf und die Person wacht schweißgebadet auf. Häufig kehren immer die gleichen Träume wieder. Manche Menschen erleben den Angriff aber nicht nur in Gedanken und Träumen noch einmal. Es kann vorkommen, dass sie plötzlich handeln oder fühlen, als ob sie den Angriff noch einmal erleben. Diese ungewollten Erinnerungen sind mit starken Gefühlen verbunden, die die Betroffenen wiederholt in eine seelische Erschütterung versetzen. Stark aus dem Gleichgewicht geraten angegriffene Menschen darüber hinaus oft auch dann, wenn sie mit Situationen konfrontiert werden, die sie an den Angriff erinnern.
Um sich vor den belastenden Erinnerungen zu schützen, versuchen die Betroffenen oft, Gedanken und Situationen, die sie an den Angriff erinnern, zu verdrängen und zu vermeiden. Sie ziehen sich häufig sozial zurück, nehmen Einladungen nicht an, geben Verpflichtungen und Hobbys abrupt auf. Überhaupt ist das Interesse an wichtigen Aktivitäten nach einem Angriff häufig auffallend geringer. Dinge, die vor dem Angriff noch wichtig waren, haben plötzlich keine Bedeutung mehr. Die Fähigkeit, Freude und Interesse zu empfinden, ist häufig stark eingeschränkt. Die Gefühle sind abgestumpft. Sie haben keine Energie und Ausdauer für die Zukunft zu planen. Alles ist von dem Angriff überschattet.
Wer in seinen Gedanken und Gefühlen von Erinnerungen gequält ist, bildet eine innere Nervosität aus, die zu Schreckreaktionen und erhöhter Wachsamkeit, aber auch zu körperlichen Reaktionen, wie ständigem Zittern, führen kann. Menschen, die solch schreckliche Erlebnisse hinter sich haben, sind daher häufig extrem reizbar und neigen ständig zu Wutausbrüchen. Die innere Erregung lässt das Einschlafen und Durchschlafen schwerer werden.
Nach einem Angriff können neben der "Posttraumatischen Belastungsstörung" auch andere Störungen, wie beispielsweise Depressionen, auftreten. Oft führt die ständige Nervosität zu körperlichen Beschwerden. Alkohol- und Medikamentenmissbrauch sind ebenfalls häufige Folge einer "Posttraumatischen Belastungsstörung", da viele der Betroffenen versuchen, die Erinnerungen und die Nervosität mit Alkohol und Medikamenten zu kontrollieren.
Eine "Posttraumatische Belastungsstörung" kann auch bei zuvor völlig gesunden Menschen auftreten. Besonders wenn es sich um ein völlig unerwartetes, extrem belastendes Erlebnis wie einen rassistischen Angriff handelt. Anzeichen der "Posttraumatischen Belastungsstörung" treten in der Regel innerhalb von drei Monaten nach dem Angriff auf. Dabei können sie als "akute" Reaktionen oder "chronisch" verlaufen. Von einem "chronischen Verlauf" spricht man dann, wenn die "Posttraumatische Belastungsstörung" länger als drei Monate andauert. Sie kann sich jedoch auch erst nach einer langen Zeit entwickeln.
Auch Asylbewerber oder Ausländer mit "Duldung" haben ein Recht auf eine solche Behandlung. Dies ist zwar nicht immer leicht durchzusetzen, wenn jedoch ein Spezialist den Behandlungsbedarf bescheinigt, muss das Sozialamt der Kostenübernahme zustimmen. Leider gibt es nur wenige Ärzte, die posttraumatische Belastungsstörungen behandeln können. Und noch weniger, die dies mit Dolmetschern machen.
Kostenübernahme für Asylbewerber
Nach § 4 des Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) haben Asylbewerber und geduldete Flüchtlinge einen Anspruch auf ärztliche Behandlung, wenn eine Krankheit entweder "akut" oder "schmerzhaft" ist. Ob eine Krankheit "akut" ist, d.h. ein "akuter" Behandlungsbedarf vorliegt, kann nur ein Arzt entscheiden, nicht das Sozialamt, der Sozialarbeiter, Heimleiter etc. Um vom Sozialamt einen Krankenschein zu bekommen, muss daher die Angabe von Schmerzen oder Krankheitssymptomen ausreichen. Da posttraumatische Belastungsstörungen in der Regel ebenso quälend und beeinträchtigend sind wie erhebliche körperliche Schmerzen, besteht auch hier ein Behandlungsanspruch. Dazu gibt es verschiedene Verwaltungsgerichtsurteile. In der Regel ist es allerdings nicht immer einfach zu diesem Recht auch zu kommen. Der Ablauf ist folgendermaßen:
Krankenschein von Sozialamt holen, (evtl. auch ohne Krankenschein) einen Termin machen bei einer spezialisierten Einrichtung oder bei einem Facharzt, der den Behandlungsbedarf klärt, ein Gutachten schreibt oder einen Antrag auf Kostenübernahme stellt Vorladung beim Amtsarzt des Gesundheitsamtes, der den Behandlungsbedarf noch mal prüft. Das Sozialamt muss dafür die Dolmetscherkosten übernehmen. Verneint der Amtsarzt den Behandlungsbedarf, muss man sich in der Regel an eine Beratungsstelle oder an einen Rechtsanwalt wenden und die Behandlung einfordern. Hat das Sozialamt einer Behandlung zugestimmt, übernimmt es auch die Fahrtkosten. Auch Dolmetscherkosten für die Behandlung können beantragt werden, die Bewilligung ist aber umstritten.
Ich will hier weg!
So geht es vielen nach einem rassistischen Angriff. Und gerade Menschen, die sich im Asylverfahren befinden und mit einer "Aufenthaltsgestattung" leben müssen, haben kein Recht ihren Wohnort frei zu wählen. Ihre "Aufenthaltsgestattung" ist auf einen bestimmten Landkreis beschränkt (Residenzpflicht). Diesen Landkreis dürfen sie nur verlassen, wenn sie von der Ausländerbehörde einen Urlaubsschein bekommen. Ein Recht auf einen Urlaubsschein hat man aber nur, wenn man Sachen, die im Zusammenhang mit dem Asylverfahren stehen, erledigen muss, bestimmte Beratungsstellen aufsuchen will oder einen Termin beim Rechtsanwalt oder Arzt hat. Für eine Umverteilung in einen anderen Landkreis oder ein anderes Bundesland, muss man bei der Ausländerbehörde des eigenen Landkreises einen Antrag stellen.
Dabei sollte man konkret schreiben, an welchen Ort, in welchen Kreis man möchte. Die Ausländerbehörde des Landkreises, in dem man wohnt, leitet dann den Antrag an die Ausländerbehörde des Ortes, in den man will, weiter. Die Entscheidung wird dann normalerweise von der Ausländerbehörde des Zielortes getroffen. Wird die Umverteilung abgelehnt, kann man weitere Anträge mit anderen Zielorten stellen. Es gibt auch die Möglichkeit gegen eine Ablehnung vor dem Verwaltungsgericht zu klagen. Das dauert meist sehr lange, kann teuer werden und man braucht dazu unbedingt einen Rechtsanwalt. Rechtlich möglich ist die Umverteilung in Fällen, in denen "dringende humanitäre Gründe" vorliegen. Solche Fälle lassen sich durch folgende Argumente untermauern:
Durch die schriftliche Bestätigung von einem spezialisierten Arzt, dass Sie zur Verarbeitung des Erlebten eine Therapie machen sollten und durch eine konkrete schriftliche Zusage, dass für Sie ein Therapieplatz bereitsteht, der in einem anderen Landkreis oder Bundesland liegt.
Dass Sie begründete Angst haben müssen, an Ihrem jetzigen Wohnort erneut rassistisch angegriffen zu werden, weil ihn beispielsweise die Täter weiter bedrohen und Sie sich deshalb nicht mehr auf die Strasse trauen
Dass Sie nachweisen, dass in der Stadt oder dem Landkreis, wo Sie hinziehen möchten, Familienangehörige oder Freunde wohnen, die Ihnen dabei helfen können, Ihre Angst zu überwinden und wieder ein normales Leben zu führen.
Ob sich die Ausländerbehörde von entsprechenden Argumenten überzeugen lässt, hängt ganz von den Sachbearbeitern ab. Es ist daher besser mehrere Begründungen gleichzeitig anzuführen und sich bei der Antragstellung die Mühe zu machen, Papiere beizulegen, die die entsprechende Argumentation unterstützen.
Dazu zählen:
Anzeigenaufnahme durch die Polizei
Zeitungsartikel über den Angriff
ein Attest des Arztes oder der therapeutischen Einrichtung
unterstützende Schreiben der Ausländerbeauftragten oder anderer Beratungsorganisationen etc.
Auch Migranten mit Duldung können einen Antrag stellen, um in einem anderen Landkreis untergebracht zu werden. In diesem Fall handelt es sich nicht um einen Antrag auf "Umverteilung", sondern auf "Zuzug". Die Vorgehensweise ist jedoch die gleiche.
Muster einer Strafanzeige
Strafanzeige
Name Ort, Datum Straße, Hausnummer Postleitzahl, Ort
An die Staatsanwaltschaft....
Strafanzeige gegen Unbekannt
Sehr geehrte Damen und Herren,
hiermit erstatte ich Strafanzeige und stelle Strafantrag gegen Unbekannt. Am 20.08.200... um ca. 20.45 Uhr ging ich vom Potsdamer Hauptbahnhof in Richtung Innenstadt die Bahnhof Str. entlang. An einer Grünanlage saßen drei Jugendliche, die sofort aufsprangen, als sie mich sahen. Die drei kamen auf mich zu und beschimpften mich mit den Worten: "Du 'Scheiß-Neger' was willst du hier, hau ab nach Afrika oder wir schlagen dich tot." Ich war sehr ängstlich und wollte weglaufen, doch einer hielt mich fest und schubste mich in die Richtung der anderen beiden. Alle drei fingen unvermittelt an, auf mich einzuschlagen bis ich am Boden lag, dann traten sie mir mehrmals in den Magen. Ich stellte mich bewusstlos und die Täter hörten auf, mich zu treten, und liefen davon. Kurz darauf kam eine Frau zu mir und half mir auf die Beine. Sie sagte, dass sie alles gesehen hat und dass ich eine Anzeige machen soll. Die Frau heißt Vera Müller. Die drei Täter kann ich folgendermaßen beschreiben: Der Mann, der mich festgehalten hat, trug eine grüne Fliegerjacke, blaue Jeans und schwarze hohe Stiefel. Er hatte sehr kurze Haare, so dass eine Haarfarbe nicht zu erkennen war. Er ist etwa 1,80 m groß, und ich schätze, dass er 17 bis 19 Jahre alt ist. Einer von den anderen beiden rief ihm zu: "Kalle halt den Neger fest." Die anderen beiden waren ähnlich gekleidet aber kleiner und jünger. Da ich sie aber nur kurz gesehen habe, kann ich keine weiteren Hinweise geben. Ich bin am nächsten Tag zum Arzt gegangen, der mir eine Kieferprellung, eine aufgeplatzte Lippe sowie eine Rippenprellung diagnostiziert hat.
Als Zeugin benenne ich Frau Vera Müller, .....str. 37, 14678 Potsdam. Frau Müller ist bereit, als Zeugin auszusagen.
Mit freundlichen Grüßen
Name
Anlage: Ärztliches Attest
Strafantrag
Strafantrag Name Ort, Datum Straße, Hausnummer Postleitzahl, Ort
An die Staatsanwaltschaft....
Strafantrag gegen Unbekannt Tagebuchnummer:....
Sehr geehrte Damen und Harren, hiermit stelle ich in der oben genannten Sache Strafantrag.
Mit freundlichen Grüßen
Name
Dienstaufsichtsbeschwerde
Name Ort, Datum Straße, Hausnummer Postleitzahl, Ort
An das Polizeipräsidium...
Dienstaufsichtbeschwerde gegen die Mitarbeiter der Polizeiwache .....Str. 17, in ...... Sehr geehrte Damen und Herren, hiermit stelle ich eine Dienstaufsichtbeschwerde gegen die Polizeibeamten, die am 22.08.20... um 11.30 in der oben genannten Polizeiwache Dienst hatten. Die diensthabenden Beamten weigerten sich trotz meiner sichtbaren Verletzungen, Anzeige wegen Körperverletzung aufzunehmen. Vielmehr erklärten sie mir, dass kein Straftatbestand zu erkennen sei und forderten mich auf, die Polizeiwache zu verlassen.
Mit freundlichen Grüßen Name
Sachstandsanfrage
Name Ort, Datum Straße, Hausnummer Postleitzahl, Ort
An die Staatsanwaltschaft ...
Sachstandsanfrage zur Anzeige gegen Unbekannt Aktenzeichen: ... (Tagebuch-Nr. ...) Sehr geehrte Damen und Herren, Ich habe am 22.08.2006 eine Anzeige gegen Unbekannt gestellt. Ich möchte Sie bitten, mir den Stand der Ermittlungen mitzuteilen.
Mit freundlichen Grüßen
Name
Auskunft über Ausgang des Verfahrens
Auskunft über Ausgang des Verfahrens
Name Ort, Datum Straße, Hausnummer Postleitzahl, Ort
An die Staatsanwaltschaft ...
Auskunft über Ausgang des Verfahren Aktenzeichen: ... (Tagebuch-Nr. ...) Sehr geehrte Damen und Herren, ich bin Geschädigter in der oben genannten Strafsache. Ich möchte wissen, ob und in welchem Maße der Beschuldigte gerichtlich verurteilt wurde. Ich bitte gemäß § 406d StPO um Auskunft über den Ausgang des gerichtlichen Verfahrens. Mit freundlichen Grüßen
Name
Die Broschüre wird herausgegeben von den ostdeutschen Opferberatungsstellen unter Federführung der: Externer Link: opferperspektive.de in Brandenburg. Die Broschüre kann von dort bezogen werden.